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Wöchentliche Challenge

Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Schmerz/Trost / P16 / Gen
05.01.2020
16.01.2020
2
1.621
1
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05.01.2020 1.248
 

Mit dieser Geschichte beginne ich meine Teilnahme an der Wochen-Challenge. Ich weiß noch nicht, ob ich es schaffen werde, jede Woche etwas zu schreiben, aber wenn die Muse zu den Prompts ausreicht, werde ich auf jeden Fall etwas hochladen. Ich hoffe aber, dass ich jede Woche zumindest ein paar sinnvolle Wörter zustande kriege und somit regelmäßig ein neues Kapitel kommt.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.
Farringdon



Vorgabe:
Für Kalenderwoche 02:
Der Tag, an dem die "singenden Sterne" (auch Sternsinger genannt) von ihrem Weg abkamen, sollte alles verändern.
Baut außerdem folgenden Satz in euren Text ein: "Das musste ein Traum sein."


Singende Sterne

„So wollen wir durch die Straßen ziehen, Frieden für die Welt.“ Singend und lachend liefen wir weiter. Von einem Haus zum nächsten, trugen unser Lied vor, schrieben den Segen an die Hauswand und sammelten Spenden in unserer Dose in der Form eines Sternes.
„Ihr seid doch auch bestimmt schon erschöpft, nach so einem langen Tag..“
Ich nickte gutmütig, auch wenn es eigentlich keine Schwierigkeit dargestellt hatte.
Alle waren glücklich, wenn ich einfach das sagte, was sie hören wollten. So hatte es bisher immer funktioniert. Nicht nur in diesem Kostüm und mit der Plastikkrone auf dem Kopf. Mein Leben lang antwortete ich auf bestimmte Fragen nicht mit der Wahrheit. Es hätte auch keinen Sinn, zu erzählen, wie es wirklich war. Es war nicht das, was die Anderen hören wollten. Wenn sie hörten, was sie erwarteten, waren sie zufrieden. Niemand außer mir musste die Wahrheit kennen.
Und doch erinnerten mich selbst so simple Fragen von freundlichen, an unserem Singen interessierte Menschen immer wieder daran zurück, wie die wahren Antworten auf bestimmte Fragen mein Leben für immer hätten verändern können. Für die Anderen gab ich mich als die Person ohne Probleme aus, die ihnen half, wenn sie nicht weiterwussten. Eine andere Version von mir kannte niemand. Und die sollte auch niemand kennenlernen.

~*~

Schon seit einigen Häusern machte Lotte einen betrübten Eindruck. Ich wusste nicht, was mit ihr los war, aber ich wollte sie nicht fragen. Wir waren gerade auf dem Weg zum nächsten Haus und in bester Stimmung.
„Dann auf zur nächsten Familie!“, riefen die Anderen und beschleunigten ihre Schritte, als unser Ziel in Sicht kam.
„Alles gut?“, überwand ich mich als wir alleine waren zu fragen. Ich hatte sie noch nie so niedergeschlagen gesehen. Irgendetwas konnte nicht stimmen.
„Ja danke, alles in Ordnung“, antwortete sie nach einer kurzen Pause. Sie lächelte mich an. Aber es war kein trauriges Lächeln. Es war ihr echtes, glückliches Lächeln. Ich schien mich wohl in dem Licht des Sonnenuntergangs bloß getäuscht zu haben.
„Hinterher?“, fragte sie motiviert und rannte bereits los.
Damit war ich bestätigt, alles war in Ordnung.

„Es war bestimmt auch viel Arbeit, die Texte alle auswendig zu lernen. Kommt mal herein, ich habe noch eine Kleinigkeit für euch“, bat uns die freundliche Großmutter der Familie. Wir nickten. Ich hörte, wie Lotte neben mir tief einatmete und beim Ausatmen eine Art Knurren von sich gab.
„Nein!“, die Frau, die sich bereits umgedreht hatte, um uns in ihr Haus zu führen erschrak.
„Es war absolut kein Aufwand die Texte auswendig zu lernen, wir sind auch noch nicht erschöpft und wir...“ Plötzlich brach Lotte in Tränen aus, drehte sich um und verließ das Grundstück mit langen Schritten.
„Es tut uns furchtbar leid“, stammelte ich an die versammelte Familie gerichtet und versuchte mir möglichst schnell einen plausiblen Grund für den plötzlichen Gefühlsausbruch unserer Freundin auszudenken.
„Es geht ihr momentan nicht sehr gut.“ Ich wusste selbst, dass diese Begründung nicht wirklich aussagekräftig war, aber die Familie nickte verständnisvoll.
Die anderen beiden blieben noch, um den Segen anzuschreiben und versuchten, die Situation bestmöglich wieder zu beruhigen. Ich rannte Lotte hinterher, auch wenn ich bereits am Gartentor wieder stehenblieb, da ich nicht wusste, wo sie hingegangen war.
Hektisch schaute ich mich um. Auf dem Bürgersteig entdeckte ich den Holzstern, den sie gehalten hatte, lieblos hingeschmissen und mit einer abgebrochenen Spitze. Lotte hatte bestimmt andere Gedanken gehabt, Leid tat es mir dennoch, ihn so zu sehen.

Ich hatte mich also doch nicht geirrt, irgendetwas stimmte mit ihr nicht. Aber warum hatte ich mich so sehr von ihrem Lachen täuschen lassen?
Mir fiel auf, dass es dasselbe Lachen gewesen war, dass ich seit mehreren Jahren als ihr normales, erfülltes Lachen angesehen hatte. Ging es ihr bereits so lange schlecht? Warum hatte ich das niemals bemerkt? Warum hatte niemals jemand anderes irgendetwas bemerkt?

~*~

„Hey“, fragte Jette besorgt, „Was ist los?“
„Nichts.“ Ich schluckte. Mir war bewusst, dass sie es mir niemals glauben würde. Ich saß verheult auf dem Waldboden und war vor wenigen Minuten schreiend aus dem Haus gestürmt, in dem wir gesungen hatten.
„Dein Gewand wird doch ganz schmutzig. Komm, wir setzten uns dort auf die Bank.“
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte allein sein wollen. Doch mir hätte bewusst sein müssen, dass schreiend wegrennen nicht gerade die beste Option sein würde, damit niemand mich suchte und hier fand.
Meinetwegen war Jette jetzt hier. Wahrscheinlich würde sie nicht aufhören, bis sie nicht alle Antworten kannte. Aber vielleicht war es auch einfach mal nötig, dass diese ganzen angestauten, versteckten Gefühle endlich aus mir herausbrechen konnten.
„Ich werde mich nicht auf diese Bank setzen“, presste ich hervor. Es waren zu viele Erinnerungen. Erinnerungen an Tage, an denen ich meine Gefühle verschwiegen hatte. Erinnerungen an Tage, die mein Leben hätten verändern können, an denen ich mich aber ein weiteres Mal hinter der Lotte versteckt hatte, die die Anderen gerne sehen wollten.

Erstaunlicherweise überwand sich Jette, sich neben mich auf den erdigen Boden zu setzen, ungeachtet, dass dadurch auch ihr Gewand verschmutzt werden würde und legte mir einen tröstenden Arm um die Schulter.
„Du musst es nicht erzählen, wenn du nicht willst.“
„Doch“, entschied ich bestimmt und begann ganz von vorne. Ich erzählte ihr alles. Wie es angefangen hatte und wie ich es aber bis heute versteckt hatte. Dann kam ich zu dem Tag, der sich genau hier abgespielt hatte. Bei der Bank, nur wenige Meter von uns entfernt.

Ich wusste es besser, doch bis zum Schluss dachte ich, es musste ein Traum sein. Ich war die Schwache, die Weinende, die, die ihre Probleme offenbarte und nicht länger die Starke, die Tröstende, die, die schockiert aber dennoch ruhig zuhörte und am Ende einen liebevollen Ratschlag gab. Und es tat mir unglaublich gut.

„Ich dachte, wenn ich genügend Abstand gewinne, wird es sich irgendwann verbessern. Doch das hat es nicht“, schluchzte ich, „Und bald wäre ich an den hinter meinem „Fake-Ich“ zurückgehaltenen Emotionen erstickt. Es tut gut, dass du da bist und mir zuhörst.“ Erleichtert, endlich alles losgeworden zu sein, was mir schon seit Jahren auf dem Herzen lag, fiel ich ihr in die Arme.

Plötzlich stand sie auf. Fragend sah ich sie aus meinen verweinten Augen an.
„Ich glaube, du hast etwas zu erledigen, was du schon vor Jahren an genau dieser Stelle hättest tun sollen. Notfalls zwinge ich dich zu deinem Glück.“


Ich strahlte sie an. Es war genau so wie beim letzten Mal, als wir hier vor der Bank gestanden hatten. Doch dieses Mal zwinkerte Jette mir aufmunternd zu und ich begann zu sprechen. Alleine hätte ich mich niemals getraut, in dieser Situation meine Maske abzulegen. Aber jetzt hatte ich endlich getan, was ich bereits vor langer Zeit hätte tun sollen. Mein Leben würde sich verändern. Ob zum Positiven oder Negativen konnte ich noch nicht abschätzen. Aber es war bereits Gold wert, es endlich ausgesprochen zu haben.
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