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Trigonometrie

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteAbenteuer, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
05.01.2020
03.02.2020
9
25.228
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16.01.2020 2.073
 
Nach und nach wurden die einzelnen Barden mit allen Vor- und Zunamen nach vorn gerufen. Der Beifall war ganz unterschiedlich. Klaus der Freie bekam nur mäßigen Applaus und glotzte grimmig in die Menge. Sein umfangreicher Bauch versprach allerdings einen großen Erfolg beim Wettessen. Jaskier hatte sich nun doch wieder seine Festtagskleidung aus dunkelrotem Samt angezogen und trat gerade einen halben Schritt hinter den Hexer, damit Klaus ihn nicht gleich entdeckte. Als der Name Helm von Star fiel, brandete Gejohle und lautes Klatschen auf. Offensichtlich war er sehr bekannt und auch beliebt. Helm war ein schmächtiges Männchen mit dünnem, rotblonden Haar und einer viel zu langen Nase. Aber er verbeugte sich, als hätte er schon gewonnen und sein strahlendes, siegesgewisses Lächeln gefiel dem Publikum.
„Was?“, knurrte Jaskier, als Geralt ihn eindeutig amüsiert mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.
„Ja, das ist Helm, der Gewinner des letztjährigen Bardenturniers und soweit ich weiß, mag er Rippchen, im Gegensatz zu mir“, knurrte er den Hexer an, der ihm klugerweise keine Antwort gab.
Schließlich wurde sein eigener Name vorgelesen.
„ … Julian Alfred Pankratz viscount de Lettenhove, genannt Rittersporn. Der ewig zweite Barde, angeblich Professor in Oxenfurt und Liebhaber des Hexers … äh, ich meinte Liebhaber der Hexendichterei.“  Alle brachen in Lachen aus und Jaskier wurde rot. Er glühte nahezu vor Zorn und Scham. Als ihn Geralt auch noch seltsam ansah, wollte er am liebsten im Boden versinken.
„Dein Name ist … Julian?“
Darauf konnte er ihm nicht mehr antworten, denn er wurde nach vorn gebeten. Der Hexer schlug ihm so fest auf den Rücken, dass er ein paar Schritte durch die Menge stolperte und rief ihm „Viel Glück, Julian!“, nach. Klaus empfing ihn mit mörderischem Blick auf der Bühne, während Helm von Star nur weiterhin leicht debil grinste. Alle mussten sich an einen langen Tisch mit dem Gesicht zum Publikum setzten. Der Moderator erklärte die Regeln. Vor jedem Teilnehmer standen zwei Holzeimer. In einen musste man die Knochen der Rippen geben, die mindestens zu zwei Dritteln abgenagt werden mussten, in den anderen Eimer durfte man sich übergeben. Tat man das, wurde man allerdings disqualifiziert.
Jaskier war ganz elend und am liebsten hätte er den einen Eimer schon jetzt benutzt. Er saß nämlich neben Klaus, der ihm zu flüsterte:
„Danach bist du fällig, Hexenficker!“ Als er dann auch noch sah, wie Yennefer von Vengerberg, wo auch immer sie herkam, neben Geralt trat, hätte er am liebsten losgeheult.


„Na, hat sich dein Barde mal wieder in Schwierigkeiten gebracht?“, flüsterte Yenn direkt neben Geralt. Er hatte ihre Anwesenheit natürlich längst gespürt und war hocherfreut, dass sie hier war. Vermutlich würde sie mal wieder ein Geheimnis aus dem Grund ihrer Anwesenheit, ebenso aus dem, was sie vorher getan und später tun würde, machen, aber das war egal. Sie war hier.
„Er hasst Rippchen!“, war Geralts Antwort. Sie kicherte leise.
„So sieht er auch aus. Aber er schafft das schon. Wer mit dir reist, hat Mumm, das wissen wir doch beide, hm?“ Um Geralt herum war ein sowieso ein mysteriöser Abstand, obwohl ziemlich viele Zuschauer auf dem kleinen Platz standen. Seit die Magierin zu ihm getreten war, hielten die anderen Personen einen noch größeren Abstand. Viele tuschelten, doch Geralt nahm das meistens gar nicht mehr wahr. Nur, wenn Rittersporns Name fiel, wurde er aufmerksam, was ihn selbst ärgerte.
Ein saftiger Geruch nach frisch gebratenen Rippchen waberte nun über die Menge und erntete lautstarke Zustimmung. Nur Jaskier sah bleich wie ein Bettlaken aus. Sein Frühstück, was nur aus einem trockenen Semmelknödel von gestern bestanden hatte, rumorte in seinem Magen.
„Können wir nicht einfach singen …“, jammerte er vor sich hin. Sein Sitznachbar zur anderen Seite, ein älterer Barde mit sonorer Stimme und dem uninspirierten Namen Andrés Bartél flüsterte ihm zu:
„Das kommt danach, ich bin mir sicher. Die scherzen nur und wir müssen danach doch noch dichten und singen.“ Diese Information oder Halbwahrheit gab Jaskier den Rest. Wenn ihm übel war, müsste er auch noch dichten und singen? Das könnte nur ein totaler Reinfall werden. Ein riesiger Teller mit Rippen wurde vor jeden Teilnehmer gestellt und dann gab der Moderator den Startschuss. Widerwillig begann er zu essen, ohne nach links und rechts zu schauen, wie weit seine Konkurrenten schon waren. Das Publikum feuerte alle an und sogar seinen Namen hörte er heraus. Und es war nicht Geralt, der laut rief. Seine Hände und sein Mund waren bald total fettig, zwischen seinen Zähnen waren überall Fleischstücke (auch ein Grund, warum er Rippchen hasste) und unter den größten Anstrengungen würgte er jedes Stück Fleisch nur halbgekaut nach unten. Nur ein gefüllter Saumagen hätte ihn mehr angeekelt. Ständig kämpfte er gegen den Brechreiz und vermied es zu Geralt zu blicken. Wenn er überhaupt noch da war. Vermutlich trieb er es irgendwo mit Yennefer. Seltsamerweise verspürte er keine Eifersucht. Irgendwie gehörte diese unberechenbare Frau, die manchmal ganz nett und nützlich sein konnte, zu ihnen, wie der Gaul. Klaus neben ihm rülpste laut und warf einen weiteren Knochen in den Eimer. Als Jaskier einen ernsthaften Blick in seinen eigenen Eimer warf, stöhnte er enttäuscht. Darin lagen gerade mal zwei Hände voll Knochen, während sich Klaus der Freie schon einen weiteren Rippchenteller bringen ließ. Seiner war noch halbvoll. Aber auch der Teller seines Nachbars war noch nicht leer und das spornte ihn an. Herzhaft biss er in ein weiteres Rippchen.

Geralt hätte darauf bestehen müssen weiterzuziehen. Das hätte ihm eine Menge Unwohlsein erspart. Jaskier würgte und hätte beinah den Brecheimer benutzen müssen. Zu seiner großen Freude und Motivation, war es tatsächlich Helm von Star, der sich nun geräuschvoll übergab. Applaus schwoll an und die Begleitband spielte einen Tusch, als der Barde aufstand und wacklig den Tisch verließ.
Immerhin, dachte Jaskier zufrieden und blickte zum Hexer. Der stand an Ort und Stelle, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und hatte ihn im Blick. Sein Gesicht gab wie immer nichts über seine Gedanken oder Emotionen preis. Aber Yennefer war verschwunden. Hatte er sich ihre Anwesenheit nur eingebildet? Jetzt war er verwirrt und aß beiläufig die Rippchen, weil er mal wieder über sich und Geralt nachdachte. Vor ein paar Tagen erst, hatte Geralt auf seine Frage, ob er denn wirklich nichts fühlte gesagt:
„Ich fluche, also fühle ich.“ Verwirrt hatte er ihn über das Feuer hinweg angeschaut.
„Ahhhh … also, wenn du Ärger und Wut verspürst, denn aus diesen Gründen flucht man, dann empfindest du auch alles andere, verstehe.“ Der Hexer hatte es weder bestätigt, noch abgestritten.

Der Moderator gab bekannt, dass nur noch zehn Minuten Zeit waren. Jaskier sah erstaunt auf seinen leeren Teller und ließ sich einen zweiten bringen. Unerwartet blitzten Wörter in seinem Kopf auf:

‚Schweinerippen, knusprig braun.
Gebraten, gekocht, auch mal roh.
Sie zu essen, ist das pure Grau’n
Machen doch nur Geralts Küsse froh …‘


Wie er von den Rippchen zu Geralts Küssen kam, war ihm schleierhaft und falls sein Nachbar recht hatte und anschließend würde noch gesungen und gedichtet, sollte er wohl doch lieber „Stille Wasser sind gelb“ vortragen.
Der Ansager verkündete nun das Ende. Jaskier warf den letzten Knochen noch schnell in den Eimer. Ihm war hundeelend. Sein Magen drückte, der Geschmack im Mund war widerlich und er schwor sich ab sofort eine Woche kein Fleisch mehr anzurühren. Vielleicht sollte er einfach ganz auf Pflanzenkost umsteigen, was natürlich nicht so einfach war, denn Geralt mochte Fleisch. Da er meistens für das Kochen zuständig war, würde er des Hexers Gesicht sehen wollen, wenn er des Abends am Feuer verkündete, dass es heute nur Haferbrei gäbe. Ein weiterer Teilnehmer übergab sich kurz vorm Ende in den Eimer und das Publikum johlte und klatschte. Nun wurden die Knochen in den Eimern von der Jury gezählt.
Schnell stand das Ergebnis fest. Aus den ursprünglich zehn Teilnehmern, waren acht übrig geblieben. Stoisch sah Geralt von Riva immer noch zur Tribüne und Jaskier versuchte ihm zuzulächeln. Platz acht hatte er sicher. Immer wieder musste er den Brechreiz unterdrücken, als sich alle neben dem Moderator aufreihen mussten.
Der dritte Platz ging an einen Kerl, den Jaskier noch nie zuvor auf einem Wettstreit gesehen hatte und den er auch nicht aus Oxenfurt kannte. Er war jung, sehr groß und dünn und nannte sich „Reimsau“, was die Leute zum Lachen brachte. Reimsau verbeugte sich artig und nahm seinen Preis entgegen: ein Teller mit Goldrand. Der zweite Preis ging ganz überraschend an ihn. Verdutzt sah Jaskier von einem zum anderen. Applaus schwoll an und auch er verbeugte sich mehrmals gekonnt, wobei er sich beim letzten Mal fast übergeben hätte. Sein Preis war ein Gutschein für fünf Kilo Rippchen in der stadteigenen Taverne namens „Schnittchen“, welche den Wettstreit gesponsert hatte.
Noch mehr Rippchen? Er würgte wieder.
Platz eins ging an Klaus, was keine sonderliche Überraschung war. Sein Preis waren 199 Taler in einem Lederbeutel. Das Jubeln und Klatschen war ohrenbetäubend. Erleichtert, dass alles vorbei war und er sich endlich diese elenden Rippchen aus dem Leib kotzen konnte, wandte sich Jaskier ab. So sah er nicht den brutalen Schlag kommen, den Klaus mit seinem Beutel voller Münzen ausführte. Jaskier wurde hart am Hinterkopf getroffen und sackte noch auf der Bühne bewusstlos zusammen.


„Du hast dich gut geschlagen.“ Diese Worte hörte er, bevor er die Augen öffnete. Es war Geralts kühle Stimme und sie brachte ihm seelische Erleichterung. Kaum konnte er jedoch die Augen öffnen, überwältigte ihn der Brechreiz. Eine Hand zerrte ihn an der Schulter hoch und hielt ihm einen Eimer unter die Nase, in den er sich mehrmals übergab.
„Sehr gut, lass es raus“, hörte er Yennefers vergnügte Stimme. Die Magierin saß auf dem Fensterbrett und lächelte ihn an.
„Hallo Yennefer!“
„Hallo Jaskier oder soll ich lieber Julian sagen? Geralt sagt, das wäre dein wahrer Name.“
„Ach … egal …“, jammerte Jaskier und übergab sich erneut. Sein Magen schmerzte und ihm war elender als nach einer durchzechten Nacht.
„Wenn du fertig mit kotzen bist, hätte ich etwas Medizin für dich. Aber es muss im Magen bleiben, deswegen … nur zu, übergib dich weiter … alles muss raus.“
„Hetz‘ ihn nicht so, Yenn!“, brummte Geralt, sah sie jedoch nicht an.
„Was ist den passiert?“ fragte Jaskier endlich rau.
„Ich würde sagen, Klaus hat Rache genommen“, antwortete der Hexer ausdruckslos.
„Und vermutlich wäre Schlimmeres passiert, hätte Geralt dich nicht geholt. Klaus hat ewige Rache geschworen, weil du wohl seine Frau geschändet hast und dann noch gemeine Gerüchte über sie verbreitet hast.“
„Aber sie hatte … wirklich keine drei Brüste …“
„Und er sagte, er weiß, wo er dich finden kann“, beendete Yenn ungerührt ihre Erzählung.
„Verdammt. Wir hätten einfach keinen Umweg machen sollen.“
„Wer hat es gesagt?“, fragte Geralt. Dabei zuckten seine Mundwinkel so, dass es verdächtig nach einem Schmunzeln aussah.
„Ja, ja, schon gut … ich hatte unrecht. Sobald ich wieder auf den Beinen bin, verlassen wir diesen schrecklichen Ort.“
„Na, nicht so schnell. Geralt und ich gehen jetzt erst mal Rippchen im „Schnittchen“ essen. Wir nehmen an, du möchtest deinen Gutschein nicht einlösen, Barde?“ Jaskier wimmerte nur und übergab sich wieder. Es kam nicht mehr viel raus. Yenn stand auf und verließ den Raum, ohne zu erklären, was sie vorhatte.
„Es tut mir leid …“, jammerte er, als Geralt endlich den Eimer wegnahm.
„Muss es nicht. Es war amüsant und ich bekomme gleich köstliche Rippchen.“
„Pragmatismus hat Vorteile, was?“, murrte er und ließ sich verschwitzt und seufzend nach hinten ins Bett fallen.
„Wo sind wir eigentlich?“
„Yennefer hat uns ein Zimmer in der Taverne „Zum Kamel“ besorgt. Keine Sorge, sie übernachtet nicht bei uns. Sie hat eigene Pläne. Auch sie hat den Aushang gelesen und sich gedacht, dass sie uns hier treffen wird.“ Yennefer kam mit einem großen Becher wieder.
„Tee mit Kräutertropfen, die gegen die Übelkeit und die Magenschmerzen helfen.“ Mal ausnahmsweise sah sie nur freundlich und beinah mütterlich besorgt aus, als sie ihm den Becher reicht.
Der Hexer nahm sich seinen Gutschein für die Rippchen.
„Oder möchtest du doch mit?“
„Nein! Auf gar keine Fall!“, rief er angewidert aus. Die beiden ließen ihn allein. Nach dem bitter schmeckendem Tee und einem Anfall von „Mir geht’s schon wieder besser, ich stehe jetzt mal auf!“, der ihn straucheln ließ, fiel Jaskier wieder ins Bett und schlief unvermittelt ein.
Er erwachte erst, als es laut polterte. Mit wild schlagendem Herzen saß er kerzengerade im Bett.
„Geralt?“, rief er leise und ängstlich in die Dunkelheit des Zimmers. So lange hatte er geschlafen, dass es draußen schon stockduster war. Es polterte wieder an der Tür. Da machte sich jemand dran zu schaffen, um sie aufzubrechen? Großer Gott, Klaus hatte ihn gefunden, dachte er noch,  bevor ihn kurz die Panik überwältigte.
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