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Trigonometrie

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteAbenteuer, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
05.01.2020
03.02.2020
9
25.228
46
Alle Kapitel
47 Reviews
Dieses Kapitel
5 Reviews
 
08.01.2020 4.563
 
So, liebe Leser, jetzt habe ich das Kapitel doch überraschend schnell geschafft. Damit beenden wir die erste Runde der Trigonometrie. Die zweite Runde wird aus einer Rittersporn-Episode und die dritte aus einem Yennefer-Abenteuer bestehen. Ich schreibe dran, komme aber im Moment nicht so schnell voran, weil mir ein wenig die Zeit fehlt. Also Geduld bitte …

Freue mich über Meinungen und Sterne.

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Geralt hatte, trotz schmalem Bett und Bettgefährte so ungewohnt tief geschlafen, dass er nicht bemerkte hatte, wie Yennefer am Morgen in ihren Raum gekommen war. Sie hatte sich einen Stuhl vor das Bett gestellt. Darauf saß sie nun. Ihre Stiefel lagen auf dem Rand des Bettes und sie beobachtete die beiden schlafenden Männer. Der Anblick war gewöhnungsbedürftig, doch merkwürdigerweise erfreute er sie, anstatt sie zu verärgern. Geralt hatte es also getan und wie es aussah, war es ganz gut gelaufen. Der Barde war am Leben und sah recht unversehrt aus. Der Hexer würde nur verstehen, was es bedeutete menschlich zu sein, wenn er mit Menschen zusammen war und menschliche Sachen tat. Jaskier lächelte sogar im Schlaf und nur ein Blinder würde nicht sehen, dass er in den gelbäugigen Hexer vernarrt war, wie ein Kind in ein flauschiges Hundebaby.


„Fuck!“, rief Geralt plötzlich aus. Er hatte die Augen geöffnet, weil er irritiert von dem Körper neben ihm war, der ihm unbekannt erschien. So unbekannt war er jedoch nicht, erst recht nicht Yennefers vergnügtes Grinsen, in das er nun blickte. Auch der Barde erwachte. Als er die Frau entdeckte, riss er sich panisch die Decke bis unters Kinn und stammelte:
„Es ist … es ist … wirklich nicht, wie … es aussieht, Yennefer von Vengerberg.“
„Oh doch, es ist wie es aussieht, Jaskier. Dir übrigens auch einen guten Morgen, Geralt.“
„Hmmmm …“ brummte der nur verstimmt. Sie reichte ihm den Zettel, den sie in den Händen hatte. Es war einer vom Anschlagsbrett, wie es jedes Dorf hatte, was etwas auf sich hielt. Dort hingen die diversesten Aufträge, über lästige Rattenplagen auf Feldern, bis hin zur ungeliebten Ehefrau, die entsorgt werden mussten. Geralt las den Zettel und brummte erneut, während der Barde mit rotem Gesicht am liebsten unter der Decke verschwunden wäre. Der Hexer hingegen blieb gelassen und sagte nur dunkel:
„Ein Kreischer terrorisiert die Waldarbeiter? Das ist nichts für dich, Yenn.“
„Das entscheide ich selbst. Ich brauche das Geld. Also, was ist? Teilen wir uns Aufgabe und die Belohnung?“
„Ich kann dir auch einfach einen Teil meines Ersparten anbieten und du lässt mich die Arbeit machen.“
„Nein, ich will etwas für das Geld tun, Hexer!“, fuhr sie ihn scharf an. Jaskier wünschte sich spontan weit weg. Wenn die beiden Verrückten jetzt aufeinander losgehen würden, würde es übel für ihn aussehen. Das Geralt hingegen so souverän mit seiner nackten Anwesenheit umging, imponierte ihm nicht nur, sondern gefiel ihm sehr. Hatte er in Geralt vielleicht doch Gefühle geweckt? Seine Lippen waren noch immer ganz geschwollen, so viele Küsse hatten sie getauscht. Dabei waren die das Merkwürdigste an der ganzen Sache. Das andere war Jaskier durchaus bekannt, auch wenn er nicht gerade oft den gleichgeschlechtlichen Freuden frönte.
„Es ist nur ein Kreischer. Den schnapp ich mir mit einem Fingerschnippen. Dazu brauche ich kein Publikum.“ Yenns Gesicht hatte sich verfinstert. Ängstlich registrierte Jaskier ihre Macht, den unerträglichen Stolz und die unfassbar mächtige Aura, welche diese Zauberin umgab wie ein schwarzer Umhang. Er bewunderte sie und fürchtete sich gleichzeitig heimlich vor ihr. Nur ein großer Hexer wie Geralt durfte es wagen ihren Unmut herauszufordern.
„Fein. Bade endlich! Wir treffen uns gegen Mittag an der Höhle. Die liegt südwestlich im Kazbaumwald.“
„Ich kann lesen“, war Geralts schnoddrige Antwort. Yenn verengte die Augen und Jaskier hielt die Luft an. Jäh lachte Yennefer und stand dabei auf.
„Ich hätte nie gedacht, dass dir so ein Brustpelz steht, Geralt“, sagte sie gut gelaunt und ging langsam zur Tür.
„Brustpelz? Ich habe … kaum …“ Der Hexer wirkte verwirrt und zupfte an seinen einzelnen Brusthaaren herum.
„Ich meinte deinen Barden“, zwinkerte sie und verließ die beiden. Eine peinliche Stille breitete sich im Zimmer aus.


„Du musst keine Angst vor ihr haben“, sagte der Hexer schließlich barsch und stand auf.
„Ha …ha … habe ich nicht!“, wisperte Rittersporn verlegen und bemühte sich an dem anderen Mann vorbei zu sehen.
„Hast du. Es ist keine Schande, denn sie ist sehr mächtig. Ich kümmere mich nun um das Bad“, sagte er und verließ den Raum, nur angezogen mit einer Hose.
Jaskier blickte zur Tür und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Von Yennefer geweckt zu werden, war so eine Sache. Sein Herz klopfte noch immer wie wild. Andererseits hatte er es dieser Frau zu verdanken, dass sich seine allergeheimsten Wünsche erfüllt hatten. Geralts Verlangen war ebenso wie der ganze Mann. Furchteinflößend, berauschend und erfüllend. Nur was war mit den Küssen? In Jaskiers Welt hatte ein Kuss mehr Bedeutung als jede Form von Beischlaf, egal welche Geschlechter und viele Personen daran beteiligt waren. Über die Küsse hingegen, müsste er intensiv nachdenken.
Geralt sollte also einen Kreischer erlegen und weil er den Hexer kannte, durfte er gern davon ausgehen, dass es kein allzu großes Ding werden würde. Warum sich Yennefer in ihr Team drängte, war nicht ganz nachzuvollziehen. Wenn es allerdings stimmte, dass sie für ihren Lohn auch etwas tun wollte, dann ehrte es sie. Vermutlich wäre die Sache innerhalb einer halben Stunde geritzt.


Grummlig saß Geralt in dem Wasserbottich. Das Wasser war nur lauwarm, aber es tat seine Dienste. Mit festen Bewegungen schrubbte er sich mit viel Seife ab, bis er überall rot wie ein gekochter Krebs war. Kurz hatte er überlegt den Barden dazu zu holen. Letztlich ließ er es bleiben. Die letzte Nacht und das Erwachen waren das Merkwürdigste, was Geralt erlebt hatte. Und er hatte schon eine ganze Menge schräges Zeug erlebt.
Da dachte er, er wäre in bedingungsloser Liebe zu Yenn entbrannt, immer während sie sich liebten. Und dann fühlte er sich bei Jaskier ebenso an. Wie konnte das sein? Konnte man etwa mehr als eine Person lieben? War das überhaupt Liebe oder nur Verlangen? Was mochten die zärtlichen Küsse bedeuten, die er so nie mit Yenn tauschte? Was oft daran lag, dass einer der beiden „danach“ weg musste und sie „vorher“ keine Zeit dafür hatten. Ihre Wege kreuzten sich und gingen wieder auseinander. So war das nun mal. Nur Jaskier hatte er immer und ständig an der Backe. Wenn er es genau nahm, hatte er mit dem Barden schon mehr gesprochen, als mit dem Rest der Welt, inklusive Yennefer. Jaskier wusste alles über ihn, was es zu wissen gab (was nicht allzu viel war). Daraus machte er seine Lobeshymnen, seine schmalzigen Balladen und seine, vor Triumpf nur so triefende Helden-Epen, in denen immer Geralt von Riva eine Rolle spielte.

Ohne auf Rittersporn zu warten, der in dem nun fast schon kalten Wasser baden müsste, frühstückte Geralt im Gastraum. Yennefer war nicht zu sehen. Wer wusste schon, wo sie sich rumtrieb.
„ … der Schlächter von Blaviken“, hörte es Geralt an einem weiter entfernten Tisch tuscheln. Eigentlich hörte er es auch nur, weil sein Gehör übernatürlich gut war. Im selben Moment kam Rittersporn in den Raum. Der Barde trug ein rotes Samtoutfit, was dem Hexer gänzlich unbekannt war.
„ … und der tuntige Barde Rittersporn … widerlich …“, flüsterten die Männer miteinander.

„Gibt’s was zu feiern?“, fragte Geralt schlecht gelaunt und nahm seine Füße von der gegenüberliegenden Bank, damit sich Jaskier setzen konnte. Die Männer am Nachbartisch tuschelten noch immer über sie. Nichts Gutes, wie er wusste. Normalerweise machte es ihm nichts aus. Jetzt, da der Barde bei ihm war, störte es ihn plötzlich sehr.
„Aber natürlich, Geralt!“, sagte Rittersporn mit einem strahlenden Lächeln. Verwirrt blickte er ihn mit gerunzelter Stirn an. Hatte er da etwas verpasst?
„Du denkst doch nicht an … letzte Nacht?“, zischte er ihm die beiden letzten Worte über den Tisch. Der andere Mann wurde rot und grinste noch breiter.
„Oh, warte mal … du denkst doch jetzt nicht etwa … wir wären ein Paar oder so was?“

„Man sollte diese widerlichen Mutanten ein für allemal wegsperren!“
„Ja, in das tiefste Verließ, am besten irgendwo tief im Süden, in Nilfgard.“, hörte Geralt die Männer schändlich reden. Nur nebenher bemerkte er, wie Jaskier sich verlegen räusperte.

„Nein, Hexer. Aber die Küsse … als du gebadet hast, sind mir ein paar kleine Zeilen dazu eingefallen. Lauscht auf …!“ Er nahm sein Instrument zur Hand, aber der Hexer, wirklich aufgebracht durch die direkten Schmähungen vom Nachbartisch, riss es ihm unwirsch aus der Hand.
„So schlimm fand ich es jetzt auch nicht, Geralt von Riva!“, sagte Jaskier, hörbar eingeschnappt.
„Nein, schlimm sind nur die Drecksäcke am Nachbartisch“, fauchte Geralt und sprang hoch. Wie ein Panther hechtete er hinüber und fegte schon dabei zwei der Männer von den Bänken. Tumult entstand, der fette Wirt kam herbeigeeilt, wurde jedoch von Rittersporn mit den Worten weggezogen:
„Ihr wollt doch nicht wirklich einem verärgerten Hexer im Weg stehen, guter Mann!“ Nach fünf Minuten war die Sache erledigt. Fünf Männer lagen und saßen ächzend, jammernd und wimmernd herum, während Jaskier aus einer Laune heraus applaudierte.
Allerdings interessierte das Geralt nicht.
„Ich bin bei Plötze. Frühstücke, der Weg wird anstrengend“, sagte er und ging einfach weg.
Jaskier nahm ihm seine Schroffheit nicht übel. Eigentlich war er hoch erfreut, weil Geralt ihn offensichtlich dabei haben wollte. Meistens versuchte er wenigstens ihn wegzuschicken.
Gut gelaunt frühstückte der Barde und studierte dabei ein neues Liedchen ein, mit dem er noch nicht so ganz zufrieden war. Wie schnell sich das Schicksal wenden konnte, war immer wieder höchst erstaunlich. Gestern war er noch der unheilbehaftete Bote, der zwischen zwei mächtigen Kreaturen hin und her geschickt wurde, heute war er ein fester Bestandteil von Geralts Plänen.
„Na ja, … hoffentlich bin ich nicht wieder nur der Köder“, erinnerte sich Rittersporn an so eine frühere Angelegenheit, die zum Glück glimpflich ausgegangen war.


Wie ein Verrückter striegelte Geralt an Plötze herum. Normalerweise ließ er sich von so dummen Bemerkungen nicht reizen. Was war nur los mit ihm? Es lag an dem verdammten Barden, der ihm schöne Augen machte. Nicht, dass ihm die letzte Nacht nicht gefallen hatte. Nur verwirrte ihn das wirklich. Erwiderte er jetzt auch Jaskiers Gefühle, neben seiner Liebe zu Yennefer? Er war sich sicher, dass sie wusste, was mit ihm geschah. Vielleicht könnte er sie später befragte. Aber wie er sie kannte, würde sie nur geheimnisvoll lächeln und sich ausschweigen.
Ein Kreischer. Er würde dafür eine kleine Bombe brauchen, um ihn herauszulocken. Leider fehlte ihm gerade eine Zutat, um einen kleinen Sprengsatz herzustellen.
„Versteckst du dich vor mir, Hexer?“ Rittersporns Stimme war durchzogen von sanftem Spott. Seine Antwort war ein verächtliches Schnauben.
„Bestimmt nicht. Ich denke nur über die Jagd nach. Du würdest dich gut als Köder eignen. Zieh dich am besten um, wir sind hier nicht auf einem Festumzug!“
„Köder? Ach nö, nicht schon wieder …“, maulte der Barde, bis er Geralt grinsen sah.
„Ah … fast hättest du mich gehabt, Hexer! Was sind Kreischer?“
„Monster.“
„Na ja, das dachte ich mir fast. Sie kreischen, nehme ich an?“
„Ja, laut, eindringlich und so, dass ein normaler Mensch wie du lieber sterben wollen würde, als weiter ihr Kreischen zu hören.“
„Ah gut, dafür habe ich etwas. Eine Wirtin in der vorletzten Taverne hat mir so kleine Wachsbällchen, umhüllt mit ganz weicher Baumwolle gegeben, weil du so geschnarcht hast, dass ich dich durch die Wand gehört habe.“
„Unsinn!“, knurrte Geralt ungehalten.
„Doch, es ist wahr. Letzte Nacht hast du aber nicht …“
„Können wir das Thema wechseln, Rittersporn! Ich sagte: Umziehen, hopp. In einer halben Stunde will ich los.“ Jaskier stemmte die Fäuste in die Hüften und sah ihn so demonstrativ verärgert an, dass Geralt fast geschmunzelt hätte.
„Du bereust die letzte Nacht, Hexer, stimmt es?!“
Geralt verengte die Augen und ging langsam und bedrohlich auf den Barden zu. Er konnte dem Poeten ansehen, dass er darüber nachdachte kopflos zu flüchten oder sogar laut um Hilfe zu rufen.
Der Hexer packte ihn mit beiden Händen fest an der Jacke und zog ihn zu sich heran.
„Ich bereue niemals! Denn ich bin ein Mutant, wie du weißt. Ich will nur nicht, dass du denkst, dass wir nun Hand in Hand und tanzend durch die Lande laufen, klar?“ Fest presste er ihm seinen Mund auf die Lippen. Das musste er einfach tun, so sehr verlangte es ihm danach diesen Mann im Licht des Tages, ohne Einwirkung von Wein zu berühren.
Er schmeckte köstlich. Jaskiers Überraschung und sein Schweigen machten ihn ganz kribblig und als sich seine Männlichkeit schon wieder versteifte, ließ er ihn so jäh los, dass Jaskier einen großen Schritt nach hinten machen musste. Dabei stolperte er über Plötzes Wassereimer und er wäre gefallen, hätte ihn Geralt nicht mit Magie daran gehindert. Der Barde fasste sich wieder und stand schließlich sicher am Boden.
„Se … sehr gut. Ich sagte doch, wir haben etwas zu feiern, Geralt.“ Verständnislos sah er ihn an.
„Küsse! Geralt! Küsse! Bezeugungen menschlicher Zuneigung. Yennefer sagte, es wäre unabdingbar und würde Zeit bra …“
„Wie bitte? Du handelst doch nicht etwa im Auftrag von … Yenn?“, knurrte er Jaskier böse an.
„Ich muss mich jetzt ganz schnell umziehen“, ächzte der Barde und war mal ausnahmsweise schneller weg, als der Hexer reagieren konnte. Verdutzt starrte er seinem Freund nach. Was zum Henker lief hier direkt vor seinen Augen ab? Tief in Gedanken striegelte er weiter an dem Pferd rum, bis selbst Plötze lautstark schnaubte und protestierte.
„Oh, entschuldige meine Schöne. Ich verstehe das alles nicht …“, murmelte er und sattelte das Pferd endlich.
Später wollte er den Barden abholen, doch das Zimmer war schon leer. Der Wirt klärte ihn darüber auf, dass sich Rittersporn schon mal zu irgendeiner Höhle auf den Weg gemacht hätte. Man könnte fast meinen, Jaskier würde ihm aus dem Weg gehen. Geralt ritt los und holte den Barden bald ein. Er hörte ihn schon von weitem singen:

„Viele Küsse, klein und fein.
Sie sind mein, sie sind mein.
Der große Hexer gab sie mir.
Nur mir, mir und nicht dir!
Küsse, Liebe, süßes Herzeleid
Der Weg zur Liebe lang und weit.
Wenn ich doch nur wüsst‘
Ob Geralt nur mich gern küsst …“



„Rittersporn!“, rief Geralt ihn an. Mit hochrotem Kopf wandte sich der Barde um.
„Du … hast mich doch nicht etwas belauscht, Hexer?“
„Oh nein, was denkst du nur? Dein Gesang ist bis nach Himmelsloch zu hören.“
„Sarkasmus ist keine Freundlichkeit, Geralt!“, grummelte Jaskier und sah erstaunt auf die Hand, die der Hexer ihm hin hielt.
„Komm schon, wir haben es eilig. Yenn erledigt den Kreischer sonst allein und streicht die Belohnung für sich ein“, drängte der Hexer. Von einem Baumstamm aus, zog sich der Barde nun an Geralts Hand auf Plötze. Zum ersten Mal bot ihm Geralt an auf dem Pferd zu reiten. Leider waren sie so schnell an der Höhle, vor der Yennefer von Vengerberg schon ungeduldig wartete, dass Jaskier nicht genug Zeit hatte, sich an den anderen Mann zu drücken, so wie er es immer in seinen Träumen erlebte.


„Na endlich!“, sagte Yenn und ging auf Geralt zu, um ihn zu umarmen.
„Jetzt, wo du gebadet hast, kann ich das gefahrlos tun, ohne, dass mich Viecher anspringen“, sagte sie, ohne die Miene zu einem Lächeln zu verziehen. Jaskier stand verlegen dabei und tätschelte Plötze. Ihm hatte es letzte Nacht nichts ausgemacht, dass der Mann neben ihm nicht nach Rosenwasser gerochen hat, so wie er selbst vermutlich auch nicht.
„Warte, heißt das, du hast mich letzte Nacht abgelehnt, weil ich nicht gut genug gerochen habe?“
„Könnte man so sagen.“ Der Hexer sah ziemlich verwirrt aus, während selbst Jaskier grinsen musste und es damit der Frau gleich tat.
„Gehen wir los …“, sagte Yenn dann aber auch schon tatkräftig. Sie schien es aus rätselhaften Gründen eilig zu haben.
„Nein, warte. Ich brauche eine kleine Bombe, um den Kreischer hervorzulocken …“
„Unsinn, du hast mich dabei. Los, gehen wir. Ich will heute noch weiter nach Brugge.“
„Da komme ich gerade her und …“
„Na und? Ist das für mich ein Grunde deshalb nicht genau dorthin zu gehen?“ Geralt brummte nur und nahm sein Schwert zur Hand. Wie es aussah, sprachen der Hexer und die Frau auch nicht über alle Dinge.
„Du bleibst am besten hier draußen und passt auf Plötze auf!“, befahl er dem Barden, der schon seine Ohrstöpsel zur Hand hatte.
„Er kommt mit!“, sagte Yennefer. Der Hexer und die Magierin starrten sich in stummem Dialog an.
„Wir brauchen keinen Köder, Yennefer!“, sagte Geralt nach einer Weile.
„Wir können nicht sicher sein …“
„Hallo, ich stehe hinter euch und würde auch gern gefragt werden, ob ich …“
„Klappe!“, sagten Geralt und Yennefer beinah zur selben Zeit. Jaskier konnte nur seufzen.
„Er kommt mit, keine Diskussion!“, sagte die Frau nun energisch und ging voran in die Höhle. Geralt sah auffordernd zum Barden, der sich die Ohrstöpsel in die Ohren drückte. Dann musste er vor Geralt herlaufen. Yennefer sorgte für Licht und schon bald bog der feuchte, enge Gang in eine größere Höhle. Für Geralts Geschmack war es sehr still. Zu still für einen Kreischer.
„Yenn?“, fragte er nach vorn.
„Es sind mehrere, ein ganzes Rudel. Wir brauchen den Barden als Ablenkung“, sagte sie über die Schulter. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Geralt aus. Yennefer war nicht immer zu trauen. Sie hatte ihren eigenen Kopf und manchmal Gedanken und Absichten, die er einfach nicht klar sehen, geschweige denn nachvollziehen konnte. Jaskier drehte sich mit fragendem Gesichtsausdruck zu ihm herum.
Küsse, viele Küsse, kleine und fein … geisterte es Geralt völlig unpassend durch den Kopf. Er versuchte so zuversichtlich wie möglich zu lächeln und sah eher aus dem Augenwinkel, wie Yenn etwas aus der Tasche ihres Umgangs nahm und kraftvoll weit in die Höhle warf. Mit einem ohrenbetäubenden Lärm explodierte ihre magische Bombe. Selbst Geralt klingelten die Ohren, obwohl er sie magisch geschützt hatte. Was dann kam, war eigentlich noch schlimmer. Das Kreischen begann. Es klang nach einer Million Kreischer. Offenbar war das hier ein monströses Nest. Jaskier sah ihn immer noch dümmlich lächelnd an. Scheinbar wirkten seine Ohrenstöpsel ziemlich gut.


Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre in der Höhle.
„Sie kommen!“, rief ihm Yennefer noch zu. Ihre magische Fackel erlosch und für Sekunden war es stockdunkel aber nicht leise. Das Geräusch der trippelnden Füße wurde übertönt vom lauten Kreischen der Kreaturen. Licht blitzte auf. Yennefer brachte die ersten Kreischer mit Magie zu Boden. Geralt umfasste das Heft seines Schwerts fester, drängte Jaskier grob an die Höhlenwand und kümmerte sich um die zweite Welle der Angreifer. Wenn Yenn nicht dabei wäre, würde es übel aussehen. Geralt würde versuchen mit der einer Hand Magie zu wirken und mit der anderen sein Schwert zu schwingen. Da er nun zwei Hände zur Verfügung hatte, ging es einfacher. Abgeschlagene Gliedmaßen und Köpfe der spinnenartigen Kreischer wirbelten durch die Gegend. Es roch widerlich nach Blut und Gedärmen. Yenns magische Stimme war durch das Gekreische der Kreaturen deutlich zu hören, Geralt kämpfte eher leise und verbissen. Auf den Barden achtete er nicht, er konnte nur hoffen, dass er sich in Sicherheit gebracht hatte. Warum Yennefer wollte, dass er dabei war, verstand er immer noch nicht. Und wie er sie kannte, würde sie es ihm auch nicht erklären. Es dauerte lange, bis der Strom der Angreifer nachließ. Dann war es aber soweit und Yenn sorgte wieder für Licht. Sie standen in deinem Schlachthaus.
„Du solltest einen Kreischer-Kopf mitnehmen, für den Auftraggeber!“, sagte sie, kein bisschen außer Atem.
„Hmmmmm…“
Geralt hatte sich umgesehen und Jaskier unweit hinter sich entdeckt. Er hockte am Boden und sah mit riesigen Augen auf die blutigen Monsterteile vor sich.
„Alles in Ordnung, Rittersporn?“, fragte Geralt, bekam aber keine Antwort. Der Barde hatte bestimmt immer noch die Dinger im Ohr. Er wollte zu ihm gehen, um ihm zu bedeuten, dass alles vorbei war, als er es spürte. Es kam noch etwas. Etwas Riesiges!
Da hörte er auch schon Yennefer rufen:
„Geralt, Achtung!“ Instinktiv ließ der Hexer das Schwert fallen, aktivierte mit Magie sein körpereigenes Quen-Schild und warf sich ohne zu Zögern auf Jaskier. Mit seinem Schild würde er auch ihn beschützen können. Der Barde wirkte zu Tode erschrocken und war weich und willenlos wie eine Puppe. Das Licht ging wieder aus, Yennefer wirkte Magie und nur Sekunden später fiel ein schwerer, lebloser Körper auf Geralt, der beschützend auf dem Barden lag. Beide stöhnten auf.
„Braucht ihr meine Hilfe?“, fragte die Frau wenige Augenblicke später vergnügt.
„Wäre nicht übel …“, keuchte Geralt. Die Magierin zog die tote Kreatur von den beiden Männern runter.
„Das war sicher die Mutter. Ihr beide solltet übrigens endlich mal baden“, sagte sie mit angewiderte Ausdruck im hübschen Gesicht. Geralt und Jaskier waren über und über mit dem Blut der toten Kreaturen besudelt. Als Jaskier das sah, wurde er bleich im Gesicht. Seine Augen verdrehten sich nach hinten und er sackte bewusstlos zusammen.
„Na toll, jetzt hast du ihn schockiert“, sagte Geralt trocken, packte den Barden mal wieder und hob ihn hoch, als wäre er leicht wie eine Decke. Yennefer besorgte sich den Kopf der größten Kreatur als Beweis für den Auftraggeber und dann verließen sie die Höhle.


Draußen war der schönste Sonnenschein und es war schon ungewöhnlich warm. Es würde ein wundervoller Tag werden. Behutsam legte Geralt den Barden auf den Boden. Er sah trotz Monsterblut unverletzt aus und war es wohl auch. Gut, dass er seine Festtagsrobe ausgezogen hatte, dachte Geralt erheitert.
„Warum wolltest du, dass er mit in die Höhle geht?“, wandte er sich nun in recht scharfem Ton an Yennefer. Die lächelte hintergründig.
„Kannst du dir das nicht denken?“
„Nein! Sag es mir!“
„Weil du ihn mit deinem Leben beschützt hast. War dir das bewusst?“
„Das würde ich für jeden Unschuldigen tun, der beschützt werden muss.“
„Wirklich? Auch mit genau dem Enthusiasmus?“ Darauf hatte er gerade keine Antwort.
Dafür fand Yenns zarter Fliederduft den Weg in seine Nase. Sofort baute sich die vertraute Erregung in ihm auf. Vom Kampf zitterte sein Körper noch unter dem Einfluss des Adrenalins. Dazu kam jetzt die Euphorie des Sieges und des Überlebens. Ihre veilchenblauen Augen blickten ihn undurchschaubar und mysteriös wie immer an. Wie er sie liebte. Wie er sie jetzt küssen wollte …


Geralt beugte sich zu ihr, packte ihren eleganten Nacken mit seinen Händen und drückte ihr nicht gerade kunstvoll seinen Mund auf ihre weichen Lippen. Aber Yennefer schien nicht nur darauf gewartet zu haben, sie schien es zu mögen und es herausgefordert zu haben. Vielleicht war sie aber auch nur ebenso erregt vom Kampf, wie er selbst.
Tatsache war, sie sanken gemeinsam unter Küssen zu Boden. Dass der bewusstlose Barde gleich nebenan lag, schien keinen der beiden zu stören. Auch der abgeschlagene Kopf des Kreischers, der ein Zuschauer war, tat ihrer Lust keinen Abbruch. Nach nur wenigen Küssen, drang Geralt in sie ein. Yennefer hatte sich dazu nur ihre Röcke nach oben geschoben, wie der Hexer seine Hose ein Stück nach unten gezerrt hatte. In diesen Zeiten zog man sich nicht in der freien Natur bis auf die nackte Haut aus. Wer wusste schon, welches Monster um die Ecke kam.
Plötzlich schien es sie nicht mehr zu stören, dass er blutbesudelt war, denn sie zog ihn fest am Nacken auf sich. Geralt verspürte wieder diese immense Gier sich mit ihr zu vereinigen. Es machte ihm wie immer ein klein wenig Angst. Den Barden zu lieben, war anders gewesen. Nicht so potenziell tödlich, weicher und hingebungsvoller. So stieß er nur hart und verlangend in Yennefer, die den Kopf zur Seite in Richtung Barde gedreht hatte und leise keuchte. Geralt schloss seine Augen, um sie mit allen Sinnen aufzunehmen, auch wenn der Blutgeruch ein wenig störend war. Seine Gier besänftigte das kein bisschen.


Jaskier kam zu sich und riss die Augen auf. Gleich schloss er sie wieder, weil die Sonne ihn blendete. Er drehte den Kopf zur Seite und öffnete wieder seine Augen. Schon besser, dachte er im ersten Moment. Im zweiten Moment dachte er: Fuck!
Er sah direkt in Yennefers veilchenblaue Augen, die ihm zugewandt waren. Dann sah Jaskier den Rest. Die beiden Irren trieben es genau vor seinen Augen. Yenn grinste ihn an und hob kurz den Daumen ihrer linken Hand, um ihm zu bedeuten, dass alles in Ordnung war.
Jetzt durfte auch Jaskier erleichtert lächeln. Es war alles in Ordnung. Sie waren auf dem besten Weg Geralt von Riva zu einem echten, guten Menschen zu machen. Yennefer hatte ihm gestern gesagt, dass dazu mehr als ihre Person notwendig wäre. Sie hat ihn um Hilfe gebeten, doch nur, wenn er auch wirklich Gefühle für Geralt hatte.
Hatte er. Es der mächtigen Magierin gegenüber einzugestehen, war wie zum Schafott zu gehen. Aber Yennefer hatte nur geschmunzelt und gemeint, das machte ihr nichts aus, so lange es kein Weib ist, was ihr die Show stiehlt und Geralt sein Herz.
„Mit dir kann ich leben, Jaskier, denn du bist sein Freund und willst, dass es ihm gut geht. Machen wir ihn zu einem der besten Menschen, den man je gekannt hat, ja?“ Er hatte zugestimmt, aus vollem Herzen. Schließlich war er in Geralt verliebt, seit er ihn das erste Mal getroffen hatte.


Als die beiden fertig waren, tat der Barde so, als wäre er noch ohne Bewusstsein. So hörte er sie reden.
„Ich muss jetzt gehen, Geralt.“
„Aber Yenn, könnten wir nicht einmal …“
„Nicht im Moment. Ich habe viele Aufgaben zu erledigen. Gib mir meinen Anteil an der Belohnung das nächste Mal, wenn wir uns treffen.“
„Ich könnte mit dir gehen?“
„Nein, danke. Du weißt, wir würden nur an jeder Ecke auf unnötigen Ärger stoßen. Habe gehört in den Blauen Bergen wüten ein paar Bergtrolle. Vielleicht kümmerst du dich darum? Reise lieber mit dem Barden und pass gut auf ihn auf.“
„Auf Rittersporn? Er ist nur ein mittelmäßiger Poet.“
„Er ist süß.“
„Er ist ein Barde und nervtötend, Yenn!“
„Jaskier ist niedlich und er ist der einzige Freund, den du hast, Geralt. Versaue es nicht.“ Yennefer war aufgestanden.
„Willst mir nicht sagen, welche Intrige du hier mit dem Barden geplant hast?“, fragte er verärgert, als die Magierin schon ihr Portal zauberte, durch das sie gleich gehen würde.
„Intrige? Keine Ahnung, wovon du sprichst. Ich habe nur die edelsten Absichten, Geralt von Riva!“
Weg war sie und der Hexer schleuderte ihr ein wütendes „FUCK!“ hinterher.

„Du brauchst jetzt nicht mehr so tun, als wärest du ohne Bewusstsein, Barde!“, schnauzte der Hexer ihn auch gleich an. Verlegen rappelte Jaskier sich hoch, klopfte sich den Staub von der Kleidung und schwieg lieber.
„Wir sind hier fertig …“ Geralt band den Schädel des Kreischers am Sattelgurt fest und schwang sich auf Plötze. Langsam ritt er bis zu einem umgefallenen Baum und wartete dort, bis der Barde ihn eingeholt hatte.
„Los, steig schon auf!“ befahl er ihm uncharmant.
Jaskier lächelte begeistert und stieg hinter den Hexer auf das Pferd. In langsamen Trab ging es über den Waldweg. Auf Jaskiers Rücken hing seine Klampfe, seine Arme hatte er um Geralts Körper geschlungen und sein Gesicht hatte er an dessen Nacken gedrückt. Ein hochzufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Er träumte von noch viel mehr Küssen und dachte darüber nach, was Yennefer ihm über sich und den Hexer gesagt hatte:
„Ich kann nicht ohne ihn, aber auch nicht mit ihm. Aber du kannst es, dich erträgt er und ich bin sicher, er mag dich ebenso wie er mich mag, Jaskier.“
Vielleicht hatte sie recht.
Selbst wenn nicht, er war es, der nun auf Plötze saß und nicht Yennefer, die ihm immer noch Angst machte, weil sie unberechenbar war. Sie würden sich ganz sicher wiedertreffen.
Ob Neugier oder Todesfurcht angebracht war, konnte Rittersporn in jenem glückseligen Moment nicht beurteilen.
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