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Der Sold des Krieges

Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Schmerz/Trost / P12 / Gen
25.11.2019
27.03.2023
14
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Freunde, wie diese

„Du bist nicht nur ein Schmuggler. Gibs zu!“
Tief atmet Ben ein. Er hat Abe lang genug leiden lassen. Und er kann sich die Verzweiflung in der Stimme seines alten Freundes nicht länger anhören. Inzwischen fragt er sich, ob es eine gute Idee gewesen ist, zwei Fremde ohne weitere Anweisung anzustiften, Abraham auszufragen. Er atmet aus und steigt langsam die Stufen in den Keller hinab. Er verfolgt, wie Abes Kopf soeben in das Wasserfass getaucht wird. Die unverhohlene Freude auf dem Gesicht des Mannes, der Abes zappelnde Gestalt unter Wasser hält, ist nicht zu übersehen. Sein Komplize zählt, unbeeindruckt von der Szenerie vor sich, das Geld, welches sie dem Kohlfarmer abgenommen haben.
„Genug!“, sagt Ben gebieterisch und augenblicklich gehorcht ihm der Mann. Hustend fällt Abe gegen die Steinmauer und versucht sich instinktiv so klein, wie möglich zu machen. „Das reicht. Ich kenne den Mann. Er ist kein Spion.“ Er nimmt dem zweiten Mann das Geld und die Seide ab und bedeutet den beiden ihn allein zu lassen. Murrend aufgrund des Verlustes ihrer Beute, ziehen sich die Männer zurück. Ben lässt die Seide, das Geld und seinen Helm auf die steinerne Bank fallen und wendet sich der zitternden Form von Abe zu.
„Ihr Name ging durch die Nachrichten Mister Woodhull.“
Abraham wendet seinen Kopf zu der Stimme. Der nasse Sack klebt an seinem Gesicht und vage kann Ben die Gesichtszüge erkennen.
„Ben?“, fragt jener hoffnungsvoll. „Tallmadge? Bist du das?“
„Ich bin sofort vom Lager aufgebrochen.“ Er zieht Abe den Sack vom Kopf. Erleichtert endlich normal atmen zu können, blickt Abe zu ihm auf. Ben schenkt ihm ein Lächeln, bevor er ihm die rechte Hand reicht. Augenblicklich ergreift Abe jene und lässt sich aufhelfen.
„Du bist es.“ Erleichtert umarmt Abe seinen Freund. „Oh dem Himmel sei Dank. Gott sei Dank.“ Abe schiebt ihn von sich, doch lässt ihn nicht los. Wie eine Rettungsleine, hält er Bens Arme umklammert. „Kannst du mich hier heraus holen? Na klar kannst du das. Sieh dich an.“
Fahrig fährt sich Abe durch die nassen Haare und tritt einige Schritte zurück. Ben kennt Abe lang genug, um die Anzeichen eines emotionalen Zusammenbruchs zu erkennen. Seine Stimme flattert bedrohlich und während der Umarmung hatte er den schnellen Herzschlag seines Freundes an seiner Brust gespürt. Es tut ihm leid, Abe auf diese Weise zu testen zu müssen, doch er muss ihm vertrauen können. Er hofft inständig, dass er sich nicht in ihm irrt. Ohne Abe wird sein Vorhaben für den Spionagering erneut auf Eis liegen.
„Alles wird gut. Beruhige dich.“
„Ben, du kennst mich. Ich bin kein Schmuggler. Das war das erste Mal, dass ich … “
„Ich weiß“, versucht Ben ihn zu bremsen.
„Ich habe es vorher noch nicht einmal versucht.“
„Ich habe“, setzt Ben an, um Abe zu unterbrechen. „Ich habe denen gesagt, dass du ein ehrlicher Mann bist.“ Aufbauend tätschelt Ben seine Wange. Es ist an der Zeit seinen Plan in die Tat umzusetzen. „Und auch bereit bist mit uns zu kooperieren.“
„Danke.“ Verwirrt hält Abe inne, als die Worte in sein Gehirn dringen. „Kooperieren?“
„Sie wollen wissen, wer dein Kontakt ist, um sicherzugehen, dass du nicht für den Feind arbeitest.“
Fassungslos schüttelt Abe den Kopf. Ben fleht innerlich, dass Abe ihn nicht enttäuscht.
„Ben? Wer ist der Feind?“
„Ich habe ihnen gesagt, dass du so was niemals tun würdest.“
„Ach Ben, komm schon! Du weißt, beide Seiten drücken bei dieser Art Handel ein Augen zu. Glaub mir, der Gegner zieht daraus überhaupt keine Vorteile.“
„Ich glaube dir und ich vertraue dir, Abe. Ich kann dich hier rausholen, aber du musst mir sagen, wer dein Kontakt bei Frog´s Point war.“
Die Stille ist unerträglich. Unmerklich ballt Ben seine Hände zu Fäusten und wartet gespannt auf Abes Antwort. Jener weicht einen weiteren Schritt von ihm zurück. Seine Stirn runzelt sich leicht und Ben erkennt den Blick von früher. Immer, wenn er bei einem der Abenteuer, welches die drei ausgeheckt hatten, erwischt wurde und die Erwachsenen eine Antwort von ihm wollten, hatte er sich beschützend vor seine Freunde gestellt und kein Wort verraten. Ben hätte beinahe gelächelt, doch das würde seinen Plan vereitelt.
„Was ist deine wahre Absicht?“, fragt Abe anklagend. „Du bist doch nicht extra hierher gekommen, um mir raus zu helfen, oder?“
„Das ist eine Begnadigung. Unterschrieben von Gouverneur Trumbull. Ich habe ihm versichert, dass du ein Freund bist.“
Abe blickt auf das Schriftstück. „Ja“, sagt er verächtlich. „Wenn ich dir erzähle, mit wem ich gehandelt habe.“
„Hör zu, dass hier ist doch keine Verhandlung.“
„Gut, denn ich werde nicht den Namen des Mannes verraten, der nur versucht durchzukommen und es nicht verdient hat, von einem Kongress, der angeblich nur unsere Freiheit will, verdammt zu werden. Das werde ich nicht tun.“
Er dreht Ben den Rücken zu und stützt sich mit den Händen gegen die kalte Backsteinmauer. Somit sieht er nicht den zufriedenen Gesichtsausdruck, welcher sich auf Bens Gesicht stiehlt. Unverhofft wendet Abe sein Gesicht zu ihm und Ben beeilt sich seine Mundwinkel fallen zu lassen.
„Wieso bist du wirklich hier?“
„Naja wegen deiner Begnadigung. Unterschrieben vom Gouverneur, damit du wieder nach Hause kannst. Er hat nach einer persönlichen Unterredung mit General Washington unterschrieben.“
„Was ist hier los?“
Ben wirft einen Blick zu den Männern vor dem Gefängnis. Jene sind mit ihrem Kartenspiel beschäftigt und es scheint nicht so, als wären sie an den Vorgängen hinter dem Gitter interessiert. Jetzt oder nie. Er lehnt sich zu Abe und senkt die Stimme.
„Also. Wir sind der Meinung, wenn du deinen Kohl schmuggeln kannst, dann kannst du auch etwas Wertvolleres schmuggeln.“ Abes Augen weiten sich. „Informationen.“
„Bist du gekommen, um mich anzuwerben?“
„Zu rekrutieren.“

Klirrend landet der Kieselstein in dem Metallbecher. Caleb reckt eine Faust in den Himmel und blickt grinsend zu Ben. Jener sitzt neben ihm auf seinem Feldbett und spielt gedankenverloren mit einem kleinen Stein in seiner Hand. Caleb verdreht die Augen und stupst seinen Freund an. Automatisch, ohne aufzublicken, wirft jener den Kiesel und verfehlt den Becher um Längen.
„Was ist los?“, fragt Caleb seufzend.
„Vielleicht bin ich zu weit gegangen.“
„Nein. Du weißt doch, wie Woody ist. Er braucht immer etwas Zeit, um sich seiner Gefühle bewusst zu werden. Er wird sich für das Richtige entscheiden.“
Caleb fischt einen weiteren Stein aus dem Becher in seiner Hand. Hochkonzentriert fixiert er den anderen Becher, der auf dem Boden steht, hebt seine Hand und lässt den Kiesel fliegen. Ein metallenes Klingeln verrät, dass er das anvisierte Ziel erreicht hat.
„Und wenn nicht?“
„Dann werde ich ihm einen kleinen Schubs geben.“ Fragend hebt Ben eine Augenbraue. „Keine Sorge. Im Gegensatz zu dir bin ich nicht auf Fesselspiele angewiesen.“ Die Worte treffen Ben hart. Er hatte die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen, doch er hatte keinen anderen Weg gesehen, um Abes Loyalität zu testen. „Ach! Kopf hoch, Bennyboy. Er wird es dir gewiss nicht übel nehmen. Er hat im Moment andere Probleme.“
„Und es werden mehr auf ihn zukommen, wenn er sich uns anschließt.“
„Es liegt nun an ihm zu entscheiden, ob er das Risiko eingehen wird, oder nicht.“
Ein weiterer Stein verlässt Calebs Hand und landet im Becher.
Leise seufzt Ben. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich gerade dabei bin, einen weiteren meiner Freunde in Gefahr zu bringen.“
Bei diesen Worten spaltet ein breites Grinsen Calebs Gesicht. „Dann ist alles, wie früher. Obwohl es eher Woody und ich waren, die den braven Pfarrerssohn in Schwierigkeiten gezogen haben.“
„Nachdem ich euch kennengelernt hatte, musste mir mein Vater mehr als einmal die Beichte abnehmen“, grummelt Ben, doch er kann die Belustigung in seiner Stimme nicht verbergen.
„Dann brauchst du dir keine Sorgen machen. Du bist in Gottes Augen unschuldig.“
Verächtlich schnaubt Ben. „In diesem Krieg bleibt keiner unschuldig.“
„Wir tun, was getan werden muss“, sagt Caleb mit ernster Stimme.
„Ich weiß. Dennoch würde ich mir wünschen, dass es einen anderen Weg gibt.“
„Es ist nicht zu spät, einen anderen Informanten zu finden.“
Ben schüttelt den Kopf. „All unsere Hoffnung ruht nun auf Abe. Wenn General Scott davon erfährt, bevor er auf unserer Seite ist, wird der Spionagering nach New York nicht zustande kommen. Geschweige denn von der Enthebung meines Ranges, welche mir drohen wird, wenn er bemerkt, dass ich hinter seinem Rücken gehandelt habe.“
„Mir ebenso“, sagt Caleb und stößt Ben spielerisch mit dem Ellbogen in die Seite. „Tja. Ich bin mir nicht sicher, ob du das durchdacht hast, aber wir stecken nun gemeinsam in dieser Sache. Mich wirst du so schnell nicht mehr los.“
„Verdammt“, sagt Ben leise, doch ein Lächeln umspielt seine Lippen. „Danke“, fügt er nach einem kurzen Moment des Schweigens hinzu.
Galant winkt Caleb ab. Er nimmt Bens rechte Hand in die seine und legt ihm einen Stein in die geöffnete Handfläche. Er lässt sein Lächeln fallen, um Ben mit einem ernsten Gesichtsausdruck anzusehen.
„Vergib nicht deinen Schuss.“

Fun Fact: Die letzte Sequenz mit Ben und Caleb basiert auf einer entfernten Szene, welche ursprünglich für Folge 5 gedreht wurde.
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