Der Sold des Krieges
von spirit of nature
Kurzbeschreibung
Der Krieg fordert von jedem Opfer, auch von den Mitgliedern des Culper Rings. Manchmal verlangt er von ihnen zu viel. [TURN: Washington’s Spies]
GeschichteFreundschaft, Schmerz/Trost / P12 / Gen
25.11.2019
27.03.2023
14
41.631
1
Alle Kapitel
noch keine Reviews
noch keine Reviews
Dieses Kapitel
noch keine Reviews
noch keine Reviews
25.11.2019
2.002
Anmerkung: Diese sowie alle weiteren Geschichten basieren auf Geschehnissen einzelner Episoden, wobei sich jene ab einem gewissen Punkt in eine andere Richtung bewegen oder die vorhandene Geschichte ergänzen. Teilweise entstammen die Dialoge aus den Episoden und somit aus der Feder des Drehbuchautors.
Der Rest bin nur ich, der etwas dazu dichtet oder den armen Charakteren noch mehr Leid zufügt, als sie ohnehin schon ertragen müssen. Sprich: Whump überall. Hauptsächlich für Caleb und Ben. ;P
~°~
Manchmal reicht eine Idee, um die Welt zu verändern
Die Stille ist das Erste, was an Bens Ohren dringt. Er hatte Schreie erwartet, peitschende Kugeln, doch stattdessen vernimmt er das entfernte platschende Geräusch von Wasser sowie Schritten, welche sich ihm nähern.
Er öffnet die Augen. Vor sich auf der Anhöhe erkennt er seine Feinde: Queen’s Ranger. Er ist sich noch immer nicht im Klaren, aus welchem Grund jene seinen Trupp angreifen konnten. Niemand wusste, dass sie hier unterwegs waren. Allerdings ist dies eine Frage, mit welcher er sich später beschäftigen kann, denn mit einem Blick in Richtung seiner Füße erkennt er einen der Ranger, welcher sich stetig zu ihm vorarbeitet. Er rammt soeben sein Bajonett in den Rücken einer der Dragoner und als er es entfernt, sind dessen vorherige Bewegungen endgültig versiegt. Schnell schließt Ben die Augen und versucht den Ranger über das Rauschen in seinen Ohren zu hören. Das schmatzende Geräusch der Füße im Matsch kommt näher und Ben gibt sich die größte Mühe komplett still zu liegen. Er hält den Atem an. Er zieht sein Messer. Die Schritte kommen näher. Wasser spritzt ihm ins Gesicht.
Blitzschnell dreht sich Ben auf den Rücken und das Bajonett, welches seine Flanke getroffen hätte, versinkt im Boden. Mit aller Kraft, die er aufbringen kann, stößt er das Messer in die linke Hüfte des Rangers. Jener krümmt sich vor Schmerzen und Ben nutzt die Zeit, um seinen Dolch zu ziehen und jenen in den Unterkiefer des Feindes zu stoßen, bevor er einen Warnruf abgeben kann. Warmes Blut ergießt sich über seine Hand und leblos sackt der Mann neben ihm zu Boden. Ben wirft einen Blick zu dessen Kumpanen auf der Anhöhe, doch jene scheinen ihren kleinen Kampf nicht bemerkt zu haben. Er setzt sich die Mütze des Rangers auf, bevor er jenen von dessen Kleidung befreit. Schnell schlüpft er in jene und breitet seine eigene Uniform über dem Leichnam aus. Er ergreift das Gewehr und erhebt sich. Keine zwei Schritte später, ertönt ein lauter Ruf.
„Waliser!“
Augenblicklich bleibt Ben stehen. Wild schlägt ihm sein Herz in der Brust. Eine falsche Bewegung und er ist tot. Er wagt es kaum zu atmen. Ohne sich zu bewegen, sieht er sich um. Vor ihm liegt der Wald, frei von Feinden und verlockend. Nur ein paar Schritte und er kann im Dickicht des Waldes untertauchen. Doch es sind ein paar Schritte zu viel. Von der erhöhten Position der Ranger aus, ist er gut zu erkennen.
„Hey, Waliser! Bist du endlich fertig?“
Nach kurzer Überlegung hebt er seine rechte Hand und bedeutet der gesichtslosen Stimme abzuwarten. Sein Blick fällt auf den nächstliegenden Gefallenen, Private Wynn, und langsam geht er auf ihn zu. Noch im Tode steht jenem der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Bis zu seinem letzten Atemzug hatte er versucht, die Blutung an seiner Kehle zu stoppen. Ohne Erfolg. Ben schmerzt es in der Seele. Er kannte Wynn nur flüchtig. Der junge Mann wurde erst vor kurzem seiner Einheit zugeteilt, doch er war ein guter Soldat gewesen. Ein guter Mensch. Er hatte es nicht verdient, von Rogers abgeschlachtet zu werden. Zögerlich schwebt das Gewehr über dem Toten. Es kostet Ben all seine Überwindung das Bajonett in das noch warme Fleisch zu treiben, um den Schein für die Ranger aufrecht zu erhalten. Offensichtlich scheint es zu wirken, denn bisher hat keiner auf ihn geschossen. Er setzt seinen Weg fort und entfernt sich mit jedem Schritt von dem Rastplatz der Queen’s Ranger. Er wagt es nicht, über seine Schulter zu sehen.
Der Ruf eines Vogels erklingt. In jedem anderen Moment hätte Ben ihn ignoriert, doch hier im Wald, bei den Queen’s Rangern, bedeutet es so viel mehr. Er betrachtet es als Zeichen, um sein Leben zu rennen. Er lässt die Waffe fallen und hechtet auf das Dickicht zu. Er hat keine zehn Schritte getan, als ein Schuss ertönt. Ein sengender Schmerz schießt durch seine rechte Schulter und wirft ihn zu Boden. Laut stöhnt er, während er sich wieder aufrappelt. Mit jeder Sekunde, welche er am Boden verbringt, kommen ihm seine Verfolger näher. Fest presst er die Hand gegen die blutende Wunde und rennt stolpernd los. Die unnatürliche Körperhaltung macht ihn langsam, doch entweder riskiert er es hier und jetzt erschossen zu werden oder langsam zu verbluten. Er entscheidet sich für Letzteres.
Die Ranger sind ihm dicht auf den Fersen. Er kann ihre Rufe hören. Noch verfehlen ihn ihre Schüsse um Längen, doch lange wird es nicht mehr dauern. Er ist sich bewusst, dass er den Rangern nicht davonlaufen kann. Selbst ohne die Wunde bräuchte er viel Glück, um sie abzuhängen. Die Gedanken verdrängend, beißt er die Zähne aufeinander und läuft so schnell, wie ihn seine Beine tragen können.
Caleb ist nicht nervös. Definitiv nicht. Es gibt keinerlei Grund, dass er durch das Lager auf und ab läuft, immer Ausschau haltend nach dem einzigen Captain, welchen er auch seinen Freund nennen darf. Doch bisher hat er ihn nicht entdeckt. Was absolut kein Grund zur Besorgnis ist.
Bei einem halber Tag Verspätung ist es nicht erforderlich in Panik auszubrechen, doch Caleb kann das ungute Gefühl nicht abschütteln, dass Ben etwas zugestoßen ist. Immerhin wurde seine Einheit diesen Morgen zurückerwartet und bisher hatten sie sich noch nie verspätet. Offensichtlich gibt es auch dafür ein erstes Mal.
Leise über sich selbst fluchend lenkt Caleb seine Schritte zu Bens Zelt mit dem Vorhaben, dort auf jenen zu warten. Er setzt sich an eines der Lagerfeuer, die umstehenden Soldaten ignorierend, und greift nach einer der Weinflaschen. Seufzend nimmt er einen großzügigen Zug und lässt die Flasche erst wieder sinken, als er anstatt des vergorenen Traubensaftes Luft schluckt. Er atmet tief durch und lässt seine Hände um den Flaschenhals ruhen. Auf eine seltsame Art und Weise wirkt das glatte, kühle Glas beruhigend auf sein Gemüt.
Langsam verschwindet die Sonne hinter dem Horizont und Caleb verbringt die zunehmende Dunkelheit mit dem Starren in das flackernde Feuer. Es hilft ihm, den zunehmenden Geräuschpegel auszublenden. Je mehr Zeit verfließt, desto mehr Alkohol rinnt durch die Kehlen der Soldaten und die Stimmung wird ausgelassener. Ein besonders lautes Lachen neben sich lässt Caleb zusammenzucken. Er blickt auf und für einen kurzen Moment, sieht er nichts außer grellem Licht. Erst nach mehrmaligen Blinzeln verschwindet das weiße Flackern und wird durch die Dunkelheit der Nacht ersetzt. Er lässt den Blick schweifen, doch die Szenerie um ihn hat sich kaum verändert. Der einzige Unterschied ist Anzahl an leeren Weinflaschen. Leise seufzt Caleb und er ist gerade dabei seinen Blick wieder auf das Feuer zu richten, als er Worte vernimmt, von welchen er nicht erwartet hatte, sie am heutigen Tag zu hören.
„Captain Tallmadge scheint zurückgekehrt zu sein“, verkündet soeben eine Stimme hinter ihm.
Augenblicklich wendet er sich in die Richtung, aus welcher jene erklungen war und erkennt einen der Dragoner. Er setzt sich soeben neben seine Kameraden an das benachbarte Feuer und lässt sich einen Becher mit Wein reichen.
„Er war blutüberströmt“, fährt er fort, ohne zu wissen, dass er einen zusätzlichen Mithörer hat. „Und allein.“
Bei diesen Worten springt Caleb auf und läuft auf den Soldaten zu. „Wo ist er?“
Verwirrt schaut der Dragoner zu dem aus dem Nichts aufgetauchten und verwegen aussehenden Mann auf. Er wagt es nicht, jenem die Antwort zu verweigern, denn der Blick in den funkelnden Augen spricht Bände.
„Ich habe gesehen, wie General Scott ihn ins Haus geleitet hatte.“
Ohne ein Wort des Dankes dreht sich Caleb um. Er rennt zwischen den Zelten hindurch, seine Augen auf das Ziel gerichtet. Sobald das Haus des Generals in Sicht kommt, blickt er sich suchend um, doch er kann ihn nirgends erkennen. Eilig geht er auf den Soldaten, welcher neben der Tür steht, zu.
„Haben Sie Captain Tallmadge gesehen?“
Bestätigend nickt der Soldat. „Er ist soeben bei General Scott.“ Energisch stellt er sich in den Weg des Lieutenants, welcher bei diesen Worten versucht sich an ihm vorbei zu pressen. „Sie können im Moment nicht hinein.“
„Aber“, setzt Caleb an, verfällt jedoch in Schweigen. Er weiß, dass es zwecklos ist mit dem Soldaten zu diskutieren. Und Ben bringt es nichts, wenn er nun einen Streit beginnt. Sich ergebend, hebt er die Hände. „Einverstanden. Ich warte.“
Er tritt einige Schritte zurück und setzt sich auf die nahe stehende Bank. Mit verschränkten Armen und einem eisernen Blick beobachtet er die Tür.
Das Gelächter um ihn herum verstummt langsam. Mit der zunehmenden Höhe des Mondes krauchen immer mehr Soldaten in ihre Zelte, um Kraft für den nächsten Tag zu sammeln. Auch Caleb spürt die Müdigkeit an sich nagen. Immer öfter und länger fallen ihm die Augen zu und er muss sich zwingen, sie offen zu halten.
Caleb überlegt, ob er in das Gebäude stürmen und nach Ben suchen sollte. Nicht zu wissen, wie es seinem Freund geht, kratzt stark an seinen Nerven. Die Entscheidung wird ihm jedoch abgenommen, als die Tür aufgeht. Im schwachen Lichtschein des Ganges erkennt er eine vertraute Gestalt im Türrahmen. Augenblicklich ist Caleb auf den Beinen.
„Caleb?“, fragt Ben erstaunt, als er sich umdreht und seinen Freund erkennt.
„Dich kann man keine Sekunde aus den Augen lassen“, grummelt Caleb.
Er lässt seinen Blick über Ben schweifen. Trotz der herbstlichen Kälte trägt jener nur ein dünnes Hemd, unter welchem sich deutlich der Verband abzeichnet. Er hebt den Arm, um Ben zu stützen, doch er winkt ab. Stattdessen wendet er sich um.
„Was ist geschehen?“
„Wir sind auf Robert Rogers gestoßen.“ Verwundert weiten sich Calebs Augen, doch er unterbricht Ben nicht. „Es war ein geplanter Hinterhalt. Ich habe alle meine Männer verloren.“
Traurig senkt Caleb den Kopf. Er ist zwar nicht Bens Dragonern zugeteilt, doch er kannte viele der Soldaten von abendlichen Versammlungen am Lagerfeuer. Die meisten waren jung gewesen, kaum dem Kindesalter entwachsen. Es ist eine Schande.
„Ich habe versucht General Scott wegen des Informanten anzusprechen.“
Leise seufzt Caleb. In den letzten Wochen hatte sich Ben auf diese Idee versteift und lässt seitdem nicht mehr locker. Allerdings konnte er, trotz seiner Bemühungen, keinen seiner Vorgesetzten davon überzeugen. Wahrscheinlich ist Caleb im Moment der einzige, der hinter Bens Vorhaben steht.
„Was hat er gesagt?“ Bens Schweigen ist Antwort genug. „Nun, es wäre wohl am besten, wenn du die Sache erst einmal ruhen lässt. Du hast soeben erst deine Männer verloren und wurdest verletzt. Warte ab, lass die Wunde heilen und währenddessen können wir einem Plan entwickeln.“
„Wir haben keine Zeit. General Scott hat mir soeben mitgeteilt, dass wir New York verloren haben. Wir brauchen einen Informanten. Der Angriff durch die Queen’s Ranger hat verdeutlicht, wie weit die Briten in unsere Ränge vorgedrungen sind. Wenn wir diesen Krieg gewinnen wollen, müssen wir einen Agenten nach New York schmuggeln.“
„Ganz ruhig, Bennyboy. Ich bin auf deiner Seite. Und halt endlich den Arm still.“
„Ich weiß. Tut mir leid. Es ist nur … Ich würde mir wünschen, dass der General endlich auf mich hören würde. Oder mir wenigstens eine Chance gibt, sodass ich es ihm beweisen kann.“
Caleb runzelt die Stirn. „Wir brauchen einen Mann in New York.“
Obwohl es keine Frage war, nickt Ben. „Unser Problem ist, dass wir nicht in die Stadt kommen, um jemanden zu rekrutieren.“
„Vielleicht müssen wir das nicht.“ Caleb bleibt stehen und wendet sich zu seinem Freund um. „Es würde reichen, wenn derjenige ab und an in die Stadt fährt und Informationen sammelt. Getarnt als Händler beispielsweise.“
„Aber wen? Wir können keinen Soldaten einschleusen. Das würde auffallen.“
„Was ist mit einem Farmer? Einem, dem man vertrauen kann?“
Verwirrt blickt Ben zu Caleb. Dieser wartet geduldig mit einem breiten Grinsen in seinem Gesicht. Jenes verbreitert sich, als sich Bens Augen vor Erkenntnis weiten.
„Abraham!“
Der Rest bin nur ich, der etwas dazu dichtet oder den armen Charakteren noch mehr Leid zufügt, als sie ohnehin schon ertragen müssen. Sprich: Whump überall. Hauptsächlich für Caleb und Ben. ;P
~°~
Manchmal reicht eine Idee, um die Welt zu verändern
Die Stille ist das Erste, was an Bens Ohren dringt. Er hatte Schreie erwartet, peitschende Kugeln, doch stattdessen vernimmt er das entfernte platschende Geräusch von Wasser sowie Schritten, welche sich ihm nähern.
Er öffnet die Augen. Vor sich auf der Anhöhe erkennt er seine Feinde: Queen’s Ranger. Er ist sich noch immer nicht im Klaren, aus welchem Grund jene seinen Trupp angreifen konnten. Niemand wusste, dass sie hier unterwegs waren. Allerdings ist dies eine Frage, mit welcher er sich später beschäftigen kann, denn mit einem Blick in Richtung seiner Füße erkennt er einen der Ranger, welcher sich stetig zu ihm vorarbeitet. Er rammt soeben sein Bajonett in den Rücken einer der Dragoner und als er es entfernt, sind dessen vorherige Bewegungen endgültig versiegt. Schnell schließt Ben die Augen und versucht den Ranger über das Rauschen in seinen Ohren zu hören. Das schmatzende Geräusch der Füße im Matsch kommt näher und Ben gibt sich die größte Mühe komplett still zu liegen. Er hält den Atem an. Er zieht sein Messer. Die Schritte kommen näher. Wasser spritzt ihm ins Gesicht.
Blitzschnell dreht sich Ben auf den Rücken und das Bajonett, welches seine Flanke getroffen hätte, versinkt im Boden. Mit aller Kraft, die er aufbringen kann, stößt er das Messer in die linke Hüfte des Rangers. Jener krümmt sich vor Schmerzen und Ben nutzt die Zeit, um seinen Dolch zu ziehen und jenen in den Unterkiefer des Feindes zu stoßen, bevor er einen Warnruf abgeben kann. Warmes Blut ergießt sich über seine Hand und leblos sackt der Mann neben ihm zu Boden. Ben wirft einen Blick zu dessen Kumpanen auf der Anhöhe, doch jene scheinen ihren kleinen Kampf nicht bemerkt zu haben. Er setzt sich die Mütze des Rangers auf, bevor er jenen von dessen Kleidung befreit. Schnell schlüpft er in jene und breitet seine eigene Uniform über dem Leichnam aus. Er ergreift das Gewehr und erhebt sich. Keine zwei Schritte später, ertönt ein lauter Ruf.
„Waliser!“
Augenblicklich bleibt Ben stehen. Wild schlägt ihm sein Herz in der Brust. Eine falsche Bewegung und er ist tot. Er wagt es kaum zu atmen. Ohne sich zu bewegen, sieht er sich um. Vor ihm liegt der Wald, frei von Feinden und verlockend. Nur ein paar Schritte und er kann im Dickicht des Waldes untertauchen. Doch es sind ein paar Schritte zu viel. Von der erhöhten Position der Ranger aus, ist er gut zu erkennen.
„Hey, Waliser! Bist du endlich fertig?“
Nach kurzer Überlegung hebt er seine rechte Hand und bedeutet der gesichtslosen Stimme abzuwarten. Sein Blick fällt auf den nächstliegenden Gefallenen, Private Wynn, und langsam geht er auf ihn zu. Noch im Tode steht jenem der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Bis zu seinem letzten Atemzug hatte er versucht, die Blutung an seiner Kehle zu stoppen. Ohne Erfolg. Ben schmerzt es in der Seele. Er kannte Wynn nur flüchtig. Der junge Mann wurde erst vor kurzem seiner Einheit zugeteilt, doch er war ein guter Soldat gewesen. Ein guter Mensch. Er hatte es nicht verdient, von Rogers abgeschlachtet zu werden. Zögerlich schwebt das Gewehr über dem Toten. Es kostet Ben all seine Überwindung das Bajonett in das noch warme Fleisch zu treiben, um den Schein für die Ranger aufrecht zu erhalten. Offensichtlich scheint es zu wirken, denn bisher hat keiner auf ihn geschossen. Er setzt seinen Weg fort und entfernt sich mit jedem Schritt von dem Rastplatz der Queen’s Ranger. Er wagt es nicht, über seine Schulter zu sehen.
Der Ruf eines Vogels erklingt. In jedem anderen Moment hätte Ben ihn ignoriert, doch hier im Wald, bei den Queen’s Rangern, bedeutet es so viel mehr. Er betrachtet es als Zeichen, um sein Leben zu rennen. Er lässt die Waffe fallen und hechtet auf das Dickicht zu. Er hat keine zehn Schritte getan, als ein Schuss ertönt. Ein sengender Schmerz schießt durch seine rechte Schulter und wirft ihn zu Boden. Laut stöhnt er, während er sich wieder aufrappelt. Mit jeder Sekunde, welche er am Boden verbringt, kommen ihm seine Verfolger näher. Fest presst er die Hand gegen die blutende Wunde und rennt stolpernd los. Die unnatürliche Körperhaltung macht ihn langsam, doch entweder riskiert er es hier und jetzt erschossen zu werden oder langsam zu verbluten. Er entscheidet sich für Letzteres.
Die Ranger sind ihm dicht auf den Fersen. Er kann ihre Rufe hören. Noch verfehlen ihn ihre Schüsse um Längen, doch lange wird es nicht mehr dauern. Er ist sich bewusst, dass er den Rangern nicht davonlaufen kann. Selbst ohne die Wunde bräuchte er viel Glück, um sie abzuhängen. Die Gedanken verdrängend, beißt er die Zähne aufeinander und läuft so schnell, wie ihn seine Beine tragen können.
Caleb ist nicht nervös. Definitiv nicht. Es gibt keinerlei Grund, dass er durch das Lager auf und ab läuft, immer Ausschau haltend nach dem einzigen Captain, welchen er auch seinen Freund nennen darf. Doch bisher hat er ihn nicht entdeckt. Was absolut kein Grund zur Besorgnis ist.
Bei einem halber Tag Verspätung ist es nicht erforderlich in Panik auszubrechen, doch Caleb kann das ungute Gefühl nicht abschütteln, dass Ben etwas zugestoßen ist. Immerhin wurde seine Einheit diesen Morgen zurückerwartet und bisher hatten sie sich noch nie verspätet. Offensichtlich gibt es auch dafür ein erstes Mal.
Leise über sich selbst fluchend lenkt Caleb seine Schritte zu Bens Zelt mit dem Vorhaben, dort auf jenen zu warten. Er setzt sich an eines der Lagerfeuer, die umstehenden Soldaten ignorierend, und greift nach einer der Weinflaschen. Seufzend nimmt er einen großzügigen Zug und lässt die Flasche erst wieder sinken, als er anstatt des vergorenen Traubensaftes Luft schluckt. Er atmet tief durch und lässt seine Hände um den Flaschenhals ruhen. Auf eine seltsame Art und Weise wirkt das glatte, kühle Glas beruhigend auf sein Gemüt.
Langsam verschwindet die Sonne hinter dem Horizont und Caleb verbringt die zunehmende Dunkelheit mit dem Starren in das flackernde Feuer. Es hilft ihm, den zunehmenden Geräuschpegel auszublenden. Je mehr Zeit verfließt, desto mehr Alkohol rinnt durch die Kehlen der Soldaten und die Stimmung wird ausgelassener. Ein besonders lautes Lachen neben sich lässt Caleb zusammenzucken. Er blickt auf und für einen kurzen Moment, sieht er nichts außer grellem Licht. Erst nach mehrmaligen Blinzeln verschwindet das weiße Flackern und wird durch die Dunkelheit der Nacht ersetzt. Er lässt den Blick schweifen, doch die Szenerie um ihn hat sich kaum verändert. Der einzige Unterschied ist Anzahl an leeren Weinflaschen. Leise seufzt Caleb und er ist gerade dabei seinen Blick wieder auf das Feuer zu richten, als er Worte vernimmt, von welchen er nicht erwartet hatte, sie am heutigen Tag zu hören.
„Captain Tallmadge scheint zurückgekehrt zu sein“, verkündet soeben eine Stimme hinter ihm.
Augenblicklich wendet er sich in die Richtung, aus welcher jene erklungen war und erkennt einen der Dragoner. Er setzt sich soeben neben seine Kameraden an das benachbarte Feuer und lässt sich einen Becher mit Wein reichen.
„Er war blutüberströmt“, fährt er fort, ohne zu wissen, dass er einen zusätzlichen Mithörer hat. „Und allein.“
Bei diesen Worten springt Caleb auf und läuft auf den Soldaten zu. „Wo ist er?“
Verwirrt schaut der Dragoner zu dem aus dem Nichts aufgetauchten und verwegen aussehenden Mann auf. Er wagt es nicht, jenem die Antwort zu verweigern, denn der Blick in den funkelnden Augen spricht Bände.
„Ich habe gesehen, wie General Scott ihn ins Haus geleitet hatte.“
Ohne ein Wort des Dankes dreht sich Caleb um. Er rennt zwischen den Zelten hindurch, seine Augen auf das Ziel gerichtet. Sobald das Haus des Generals in Sicht kommt, blickt er sich suchend um, doch er kann ihn nirgends erkennen. Eilig geht er auf den Soldaten, welcher neben der Tür steht, zu.
„Haben Sie Captain Tallmadge gesehen?“
Bestätigend nickt der Soldat. „Er ist soeben bei General Scott.“ Energisch stellt er sich in den Weg des Lieutenants, welcher bei diesen Worten versucht sich an ihm vorbei zu pressen. „Sie können im Moment nicht hinein.“
„Aber“, setzt Caleb an, verfällt jedoch in Schweigen. Er weiß, dass es zwecklos ist mit dem Soldaten zu diskutieren. Und Ben bringt es nichts, wenn er nun einen Streit beginnt. Sich ergebend, hebt er die Hände. „Einverstanden. Ich warte.“
Er tritt einige Schritte zurück und setzt sich auf die nahe stehende Bank. Mit verschränkten Armen und einem eisernen Blick beobachtet er die Tür.
Das Gelächter um ihn herum verstummt langsam. Mit der zunehmenden Höhe des Mondes krauchen immer mehr Soldaten in ihre Zelte, um Kraft für den nächsten Tag zu sammeln. Auch Caleb spürt die Müdigkeit an sich nagen. Immer öfter und länger fallen ihm die Augen zu und er muss sich zwingen, sie offen zu halten.
Caleb überlegt, ob er in das Gebäude stürmen und nach Ben suchen sollte. Nicht zu wissen, wie es seinem Freund geht, kratzt stark an seinen Nerven. Die Entscheidung wird ihm jedoch abgenommen, als die Tür aufgeht. Im schwachen Lichtschein des Ganges erkennt er eine vertraute Gestalt im Türrahmen. Augenblicklich ist Caleb auf den Beinen.
„Caleb?“, fragt Ben erstaunt, als er sich umdreht und seinen Freund erkennt.
„Dich kann man keine Sekunde aus den Augen lassen“, grummelt Caleb.
Er lässt seinen Blick über Ben schweifen. Trotz der herbstlichen Kälte trägt jener nur ein dünnes Hemd, unter welchem sich deutlich der Verband abzeichnet. Er hebt den Arm, um Ben zu stützen, doch er winkt ab. Stattdessen wendet er sich um.
„Was ist geschehen?“
„Wir sind auf Robert Rogers gestoßen.“ Verwundert weiten sich Calebs Augen, doch er unterbricht Ben nicht. „Es war ein geplanter Hinterhalt. Ich habe alle meine Männer verloren.“
Traurig senkt Caleb den Kopf. Er ist zwar nicht Bens Dragonern zugeteilt, doch er kannte viele der Soldaten von abendlichen Versammlungen am Lagerfeuer. Die meisten waren jung gewesen, kaum dem Kindesalter entwachsen. Es ist eine Schande.
„Ich habe versucht General Scott wegen des Informanten anzusprechen.“
Leise seufzt Caleb. In den letzten Wochen hatte sich Ben auf diese Idee versteift und lässt seitdem nicht mehr locker. Allerdings konnte er, trotz seiner Bemühungen, keinen seiner Vorgesetzten davon überzeugen. Wahrscheinlich ist Caleb im Moment der einzige, der hinter Bens Vorhaben steht.
„Was hat er gesagt?“ Bens Schweigen ist Antwort genug. „Nun, es wäre wohl am besten, wenn du die Sache erst einmal ruhen lässt. Du hast soeben erst deine Männer verloren und wurdest verletzt. Warte ab, lass die Wunde heilen und währenddessen können wir einem Plan entwickeln.“
„Wir haben keine Zeit. General Scott hat mir soeben mitgeteilt, dass wir New York verloren haben. Wir brauchen einen Informanten. Der Angriff durch die Queen’s Ranger hat verdeutlicht, wie weit die Briten in unsere Ränge vorgedrungen sind. Wenn wir diesen Krieg gewinnen wollen, müssen wir einen Agenten nach New York schmuggeln.“
„Ganz ruhig, Bennyboy. Ich bin auf deiner Seite. Und halt endlich den Arm still.“
„Ich weiß. Tut mir leid. Es ist nur … Ich würde mir wünschen, dass der General endlich auf mich hören würde. Oder mir wenigstens eine Chance gibt, sodass ich es ihm beweisen kann.“
Caleb runzelt die Stirn. „Wir brauchen einen Mann in New York.“
Obwohl es keine Frage war, nickt Ben. „Unser Problem ist, dass wir nicht in die Stadt kommen, um jemanden zu rekrutieren.“
„Vielleicht müssen wir das nicht.“ Caleb bleibt stehen und wendet sich zu seinem Freund um. „Es würde reichen, wenn derjenige ab und an in die Stadt fährt und Informationen sammelt. Getarnt als Händler beispielsweise.“
„Aber wen? Wir können keinen Soldaten einschleusen. Das würde auffallen.“
„Was ist mit einem Farmer? Einem, dem man vertrauen kann?“
Verwirrt blickt Ben zu Caleb. Dieser wartet geduldig mit einem breiten Grinsen in seinem Gesicht. Jenes verbreitert sich, als sich Bens Augen vor Erkenntnis weiten.
„Abraham!“