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Ich will dich nicht verlieren!

Kurzbeschreibung
GeschichteTragödie, Liebesgeschichte / P16 / Gen
OC (Own Character)
21.09.2019
28.09.2020
63
232.841
10
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
2 Reviews
 
11.09.2020 2.441
 
Leises Gemurmel und das Geklirre von Geschirr, füllte den Raum. Doch Viola schenkte dem ganzen keine Beachtung. Sie befand sich bereits seit Stunden in Annas Gesellschaft, jedoch hatte sie weder das Bedürfnis mit jemandem zu reden, noch hatte sie Hunger. Sie saß einfach nur stumm da und starrte ins nichts. Neben ihr saß Anna, die kleine Abigail in den Armen haltend.
,,Und du möchtest wirklich nichts essen?"
Wortlos schüttelte die Braunhaarige den Kopf.
Anna musterte die junge Frau mitfühlend. Sie wusste ganz genau, wie Viola sich gerade fühlte. Und sie wusste auch, dass sie nichts für sie tun konnte.
Betrübt schaute Anna ihr friedlich schlafendes Baby an.
Ihr war bewusst, dass sie beide nur hier waren, weil Jasmine ihnen ihren Platz im Boot überlassen hatte.
,,Warum nur musste sie sterben?"
Anna zuckte leicht zusammen. Aus dem Augenwinkel, betrachtete sie die zusammgekauerte Gestalt der Jüngeren.
Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder. Was sollte sie darauf antworten? Etwa dass es Gottes Wille war? Oder eine unglückliche Verkettung von Zufällen?
Fakt war, es gab für sowas einfach nicht die richtige Antwort.
,,Ich hätte bei ihr bleiben sollen! Ich habe ihr immer gesagt, dass ihre Selbstlosigkeit sie eines Tages nochmal umbringen wird!"
Als Viola das sagte, klang ihre Stimme vorwurfsvoll.
Annas Herz zog sich vor Mitleid zusammen. Tröstend legte sie der jungen Frau ihre Hand auf die Schulter.
,,Es ist nicht deine Schuld. Es gibt Dinge, die man einfach nicht verhindern kann. So gerne man das auch möchte."
Viola biss sich bei diesen Worten auf die Unterlippe. Man konnte deutlich sehen, dass sie ihre Tränen versuchte zu unterdrücken.
,,Anna?", fragte sie mit erstickter Stimme.
,,Ja?"
Für einen kurzen Augenblick schien es, als wollte Viola einen Rückzieher machen. Doch dann nahm sie all ihren Mut zusammen, richtete ihren Blick auf die junge Mutter und sprach.
,,Weißt du wo George ist?"
Anna schaute überrascht drein.
,,Soweit ich weiß ist er bei Elisabeth, wieso?"
Die Braunhaarige senkte den Blick.
,,Ich möchte sichergehen, dass es ihm gut geht. Darum hatte Oliver mich gebeten, bevor wir..."
Ein leises Schluchzen verließ Violas Kehle. Anna verstand.
,,Komm mit", sagte sie und erhob sich von ihrem Platz.
Viola erhob sich ebenfalls und folgte der Rothaarigen Frau stumm.
Diese führte sie quer durch den Raum, vorbei an etlichen weinenden und flüsternden Leuten. Überwiegend handelte es sich dabei um Frauen und Kinder. Hin und wieder warf Viola den Überlebenden traurige, schuldbewusste oder mitleidige Blicke zu.
Sie teilte ihren Schmerz. Dieser wurde allerdings von dem Wissen, dass dies durch rechtzeitiges Eingreifen möglicherweise hätte verhindert werden können, nur noch mehr verstärkt.
Während des ganzen Weges, sprachen die beiden Frauen kein einziges Wort miteinander. Plötzlich blieb Anna stehen.
Viola tat es ihr gleich.
,,Wir sind da", sagte sie und betrachtete insicher das ausdruckslose Gesicht ihrer Begleitung.
,,Bist du dir auch wirklich sicher?", fragte sie die Jüngere dann aus heiterem Himmel.
Viola schwieg zwar, nickte aber zur Antwort mit dem Kopf.
,,Vielleicht solltest du dich erstmal ein bisschen ausruhen. Du darfst auch gerne hierbleiben."
,,Ich habe es Oliver versprochen."
Anna wirkte zwar noch immer ein wenig unsicher, verstand aber, dass Viola ihrem verstorbenen Liebsten zumindest diese eine Bitte noch erfüllen wollte. Sie nickte. Doch noch während sie das tat, kam ihr ein anderer Gedanke.
,,Wirst du es ihm sagen?", fragte sie.
Nachdenklich schaute die Braunhaarige auf den Türknauf.
,,Ich...ich weiß nicht. Einerseits möchte ich ihm keine falschen Hoffnungen machen, aber andererseits will ich nicht, dass er noch trauriger wird. Er ist doch noch so klein."
Anna stimmte nickend zu.
,,Soll ich hier warten?"
,,Nein."
Sanft legte Anna der Jüngeren die Hand auf die Schulter.
,,Wenn es irgendetwas gibt, was ich für dich tun kann, dann lass es mich wissen, ja?"
Ein leises ,,ja" war alles, was Viola rausbrachte.
Anna gab ihr daraufhin zun Abschied eine letzte, warmherzige Umarmung, bevor sie sich umdrehte und zum großen Saal zurückkehrte.
Violas Herz raste. Alle möglichen Gefühle und Gedanken kamen in ihr auf.
Ihre Entschlossenheit von eben war plötzlich komplett verschwunden. Stattdessen begann ihr Körper vor Angst und Nervosität zu zittern.
Wie würde George reagieren wenn er sie sah? Was erwartete sie überhaupt? War sie überhaupt in der Lage, den Anblick eines völlig fertigen und todtraurigen Kindes, welches seinen großen Bruder verloren hatte, umzugehen? Was, wenn sie das falsche tat oder sagte? So viele Fragen, und doch hatte sie auf keine einzige eine Antwort. Diese ganze Situation hatte etwas zutiefst bedrückendes und extrem belastendes an sich. Sanft schlug sie mit der Faust gegen die hölzerne Tür.
Als nach wenigen Sekunden ein ganz leises ,,komm rein" ertönte, schluckte Viola hörbar. Langsam streckte sie ihre Hand nach dem Türknauf aus. Dass diese dabei allerdings wie Espenlaub zitterte, versuchte sie so gut es ging zu ignorieren.
Für einen Rückzieher war es jetzt zu spät.
Die Braunhaarige nahm einen letzten tiefen Atemzug, bevor sie das kalte Messing berührte und drehte.
Lautlos öffnete sie die Tür. Und obwohl diese nur einen kleinen Spalt geöffnet war, erkannte Viola die Gestalt von George, welche aufrecht im Bett saß.
,,Viola? Was machst du hier?", fragte der kleine Junge.
,,Ich bin hier, weil ich wissen wollte wie's dir geht."
Der kleine Junge senkte den Kopf und starrte auf die weiße Bettdecke.
Viola spürte bei diesem Anblick einen Stich im Herzen.
Lautlos schloss sie die Tür.
Etwas unentschlossen, stand sie einfach nur da.
Die einzigen Geräuschen waren das Brummen der Maschinen und das leise, gleichmäßige Ticken der Wanduhr.
Viola überlegte fieberhaft, was sie sagen sollte, als ein anderes Geräusch plötzlich ihre Aufmerksamkeit erregte.
Sofort wanderte ihr Blick zum Bett in welchem George sich befand. Mit seinen kleinen Händen umschloss er die Bettdecke, während seine zierliche Gestalt immer wieder zuckte.
Wie von selbst steuerten Violas Füße auf das Bett zu.
Dort angekommen, setzte sie sich vorsichtig auf die Kante. Sie wollte etwas sagen, doch ihr Hals war wie zugeschnürt. Stattdessen fummelte sie mit ihren Fingern am Saum ihres Kleids.
,,Ist...ist Oliver wirklich tot? Jeder sagt, dass er es ist, aber das glaub ich nicht! Er hat mir versprochen, dass wir uns wiedersehen werden! Und ein Versprechen darf niemals gebrochen werden!"
Viola wusste im ersten Moment nicht, was sie sagen sollte. Sie beneidete den kleinen George für seine kindliche Naivität und hoffnungsvolle Art sehr. Und am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass die anderen Unrecht hatten und Oliver noch am leben war. Doch genau da lag das Problem. Sie konnte es ihm nicht sagen, weil es nicht stimmte.
Im Augenwinkel sah sie, wie George sie voller Hoffnung anschaute. Allein dieser Blick brach ihr regelrecht das Herz.
Und außerdem sorgte er dafür, dass auch in ihr erneut Tränen aufkamen.
Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, der ihr das Sprechen deutlich erschwerte.
,,George ich -..."
,,Oliver geht's gut, richtig?", unterbrach er sie.
Viola biss sich auf die Unterlippe und versuchte dabei die Tränen wegzublinzeln.
,,Viola bitte!"
Die Braunhaarige sah ihn an. Sie konnte ganz genau erkennen, dass alle Hoffnung die bis eben noch in seinen Augen gelegen hatte, verschwand. Stattdessen legte sich nun ein dunkler Schatten über sie.
,,Es stimmt also", sagte er mit leerem Blick.
,,Es tut mir so leid", flüsterte Viola mit schwacher Stimme. Ihre Hand legte sie dabei sanft auf Georges Kopf.
,,Er hat mich alleine gelassen. Er hat versprochen, dass wir in Amerika ein neues Leben anfangen! Er hat versprochen, immer für mich da zu sein und auf mich aufzupassen! Aber er hat gelogen!"
Am liebsten hätte Viola den kleinen umarmt, doch da sie nicht wusste wie er reagieren würde, ließ sie es.
,,Ich will nicht ins Heim!", sagte George plötzlich. Erschrocken starrte die junge Frau ihn an.
,,Heim?", wiederholte sie ungläubig. ,,Wieso solltest du denn ins Heim?"
Bei dieser Frage sah der Junge auf. Sein Blick war voller Verzweiflung.
,,Weil ich niemanden mehr habe! Oliver war meine einzige Familie!"
Viola konnte nicht glauben was sie da gerade gehört hatte. Oliver hatte ihr nie erzählt, dass seine Eltern tot waren.
Vor Mitleid zog sich ihr Herz regelrecht zusammen. Sie verdrängte ihre Unsicherheit und legte ihre Arme um das Kind.
,,Das tut mir so leid, George. Ich hatte ja keine Ahnung."
Der Junge erwiderte die Umarmung und begann bitterlich zu weinen.








Als Kate aufwachte, stellte sie erschrocken fest, dass sie sich nicht wie gewohnt in einer kleinen Kabine, sondern in einem recht großen Saal befand. Überall um sie herum waren Menschen auf dem Boden verteilt. Erst jetzt fiel ihr auf, dass auch sie in einem provisorisch errichteten Bett, welches aus einer Decke und zwei Kissen bestand, lag.
Nur langsam kehrten die Erinnerungen an die letzte Nacht wieder. Und mit ihnen auch die erschütternde Nachricht von Jasmines Tod. Beinahe sofort spürte Kate wieder diesen Stich in ihrem Herzen. Sie konnte und wollte es immernoch nicht glauben. Es kam ihr einfach unreal vor.
,,Miss? Möchten Sie etwas trinken oder essen?"
Ein wenig überrascht, schaute sie in das freundliche Gesicht eines jungen Stewards.
,,Nein danke."
Der junge Mann verneigte sich und wollte schon gehen, doch er hielt inne, als Kate ihn darum bat.
,,Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Miss?"
,,Haben Sie vielleicht meine Freunde hier irgendwo gesehen? Ein Mädchen mit braunen Haaren und einen Jungen mit schwarzen?", fragte sie hoffnungsvoll.
Der Steward überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf.
,,Leider nicht, tut mir leid. Aber wenn Sie möchten, dann kann ich jemanden schicken, der nach Ihren Freunden sucht."
Daraufhin schüttelte Kate den Kopf.
,,Danke, nicht nötig. Ich werde selbst nach ihnen suchen."
,,Sind Sie sicher, Miss? Bei allem Respekt, aber Sie sollten sich lieber noch ein wenig ausruhen und vielleicht eine Kleinigkeit essen. Unser Koch hat eine vorzügliche Suppe gekocht. Wenn Sie möchten, dann kann ich-..."
Kate unterbrach ihn.
,,Danke für das Angebot, aber ich möchte nichts essen. Ich habe gerade ganz andere Sorgen!"
Ihr Gegenüber musterte sie kurz und nickte dann.
,,Wie Sie wünschen. Falls ich doch etwas für Sie tun kann, dann lassen Sie mich das wissen."
,,Eine Sache gäbe es da schon. Wenn Sie einen meiner Freunde sehen, sagen Sie ihnen, dass ich oben auf dem Bootsdeck bin."
Nickend nahm er Kates Wunsch zur Kenntnis.
Da für sie an dieser Stelle alles erledigt war, steuerte sie ohne weiteres auf den Ausgang zu.
Da der Saal sich recht weit oben im Schiff befand, war es diesbezüglich auch nicht sonderlich schwer, den Weg zum Bootsdeck zu finden. Dort angekommen stellte sie überrascht fest, dass die Sonne bereits größtenteils am Horizont versunken war und den Himmel, sowie das Wasser, orangerot färbte. Fröstelnd rieb Kate sich die Arme.
Sie war wirklich froh, dass sie die Jacke von Lukas' Smoking trug.
Eine Weile beobachtete Kate die anderen Passagiere. Sie konnte nicht einmal ansatzweise beschreiben, wie sehr sie hoffte, dass Jasmine plötzlich vor ihr auftauchte und sie amüsiert angrinste.
Und was hätte sie nicht alles dafür getan, noch einmal einen von Jasmines klassischen Sprüchen zu hören.
Kate schüttelte den Kopf. Sie musste endlich aufhören, sich solche unnötigen Hoffnungen zu machen. Jasmine war nicht mehr hier. Das musste sie endlich begreifen.
Doch warum tat sie sich überhaupt so schwer damit? Es war ja immerhin nicht so, dass dies der erste Todesfall war, denn sie erleben musste.
Plötzlich bemerkte Kate einen blumigen Geruch in der Luft, der ihr schmerzlich vertraut war.
Das konnte nicht sein!
Hektisch warf sie den Kopf hin und her. Außer ihr, befanden sich nur noch einige Matrosen und der ein oder andere Passagier hier oben. Ein wenig enttäuscht stellte sie fest, dass jemand wohl ein ähnliches Parfüm wie Jasmine benutzt, und der Wind diesen Geruch dann zu ihr rübergetragen hatte.
Wieder richtete sich Kates Blick auf das weite Meer.
Sie hatte nie verstanden, weshalb ihre beste Freundin so eine Faszination dem Meer gegenüber hatte. Es war doch nur Wasser.
Nachdenklich ließ sie den Blick über die dunklen Wellen schweifen.
Ob es Jasmine dort wo sie war gut ging?
Kate legte den Kopf in den Nacken um den Himmel besser sehen zu können. Vereinzelt leuchteten dort bereits sogar ein paar Sterne.
Wenn es sowas wie einen Himmel tatsächlich gab, dann war Jasmine ganz bestimmt dort. Passte sie möglicherweise sogar gerade auf sie alle auf? Vermisste sie sie alle vielleicht sogar?
Kate merkte, wie ihr bei diesen Gedanken die Tränen kamen.
Sie war zwar kein besonderes gläubiger Mensch, allerdings konnte sie sich auch nicht vorstellen, dass man nach dem Tod einfach so verschwand.
Eine angenehm warme Brise, die den Geruch von Blumen mit sich trug, traf die Blondhaarige. Erschrocken und verwirrt, schaute Kate sich um.
,,Kate?"
Beim Klang ihres Namens, lief ihr ein eisiger Schauer den Rücken hinunter.
Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und Angst. Das war unmöglich!
Langsam drehte sie den Kopf. Doch dort, wo sie die Stimme gehört hatte, war nichts.
Das Herz der Blondhaarigen pochte so heftig, dass sie glaubte, es würde jeden Moment aus ihrer Brust springen.
Was ging hier nur vor?
,,Ich bin hier, Kate!"
Wieder hörte sie diese Stimme, diesmal war es jedoch mehr wie ein Flüstern.
Unsicher schaute sie jetzt in die entgegengesetzte Richtung. Doch auch jetzt, fand sie nur ein fast menschenleeres Deck vor.
Jetzt war Kate sich absolut sicher, dass sie allmählich den Verstand verlor. Erst dieses Parfüm, und jetzt hörte sie auch noch eine Stimme, die eigentlich gar nicht da sein sollte.
,,Komm mit!", drängte die Stimme plötzlich. Kate jedoch war vor Angst wie erstarrt. Das konnte nicht sein, das konnte es einfach nicht!
Sie musste träumen. Oder aber sie wurde allmählich verrückt! Anders konnte sie sich das jedenfalls nicht erklären.
Eine plötzliche Berührung an ihrer Schulter, ließ sie fast aufschreien. Als sie sich umdrehte, rechnete sie bereits mit dem schlimmsten. Umso erleichterter war sie als sie erkannte, dass es nur ein Matrose war.
,,Miss, ist alles in Ordnung? Sie sind ja total hektisch und verängstigt. Ist was passiert? Soll ich einen Offizier oder den Bootsmann rufen?"
Zwar war sie immernoch schockiert von dem was gerade passiert war, aber trotzdem wollte sie so wenig Aufmerksamkeit wie nur möglich erregen.
,,Nein, das ist nicht nötig."
,,Sind Sie sicher? Sie wirken auf mich völlig aufgelöst. Als hätten Sie einen Geist oder sowas ähnliches gesehen."
Bei dem Wort "Geist", zuckte Kate kaum merklich zusammen.
,,Miss?"
Wortlos drehte sie sich um. Ein unerklärlich starkes Verlangen, ihre Freunde wieder in die Arme zu schließen, erfasste sie. Sie wusste nicht einmal, woher dieser Drang plötzlich kam.
Sie wusste nur, dass es wichtig war, dass sie alle wieder zusammen waren.
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