Ich will dich nicht verlieren!
von SunshineOak
Kurzbeschreibung
In dieser Titanic Fanfiktion begleiten wir Jasmine, ein junges 19 jähriges Mädchen welches, zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Lukas und ihren zwei besten Freundinnen Viola und Kate, durch einen merkwürdigen Zufall im Jahre 1912 landet. Noch vor der Abreise des zum Untergang geweihten Luxusdampfers trifft sie auf den 6ten Offizier James P. Moody. Bald wird ihr bewusst, dass sie mehr für ihn empfindet als sie eigentlich sollte, doch sie weiß auch, um das Schicksal des jungen Offiziers. Hin und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und dem Wissen um die Tragödie die sich schon bald darauf abspielen wird, begibt sie sich auf eine gefährliche Reise.
GeschichteTragödie, Liebesgeschichte / P16 / Gen
OC (Own Character)
21.09.2019
28.09.2020
63
232.841
10
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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06.09.2020
3.227
Hallo ihr lieben. Zuerst einmal möchte ich mich für die lange Stille bei euch entschuldigen. Leider kam ich die letzten drei Monate überhaupt nicht dazu, irgendwas zu schreiben. Mir fehlte aufgrund der Arbeit, der Fahrschule und privater Angelegenheiten einfach die Zeit. Und wenn ich mal ein wenig Zeit hatte, fehlte mir leider die Motivation. Ich hoffe ihr seid mir deshalb nicht böse.
Ich versuche jetzt wieder aktiver zu werden. Immerhin möchtet ihr ja auch wissen, wie es mit Jasmine und den anderen weitergeht.
Ich wünsche euch allen jetzt viel Spaß mit dem neuen Kapitel.
Gruß SunshineOak. :)
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Schreie hallten über das schwarze Meer. So laut, dass man sie noch Kilometerweit hören konnte. Und dennoch waren sie viel zu leise, um andere Schiffe auf sie aufmerksam zu machen. Und obwohl um sie herum zwanzig Rettungsboote im Wasser trieben, dachten die Menschen, die das Glück gehabt hatten sich in eines zu retten, nicht daran zurück zu kehren. Sie waren völlig auf sich allein gestellt und dazu verdammt, im eisigen Wasser zu sterben.
James bedauerte die armen Seelen um ihn herum aus tiefstem Herzen und am liebsten hätte er mit ihnen um Hilfe geschrien, doch er wusste, dass es keinen Wert hatte. Niemand würde zurückkehren, dafür war die Angst einfach zu groß.
,,James?"
Hektisch drehte er den Kopf und versuchte etwas in der Dunkelheit, welche ihn umgab, auszumachen. Doch er fand nichts.
Erst jetzt bemerkte er, dass er völlig alleine auf dem provisorischen Floß lag.
Sein Herz setzte einen Schlag aus.
,,Jasmine?", krächzte er heiser und tastete mit seiner Hand über die zusammengebundenen Deckstühle.
,,JASMINE?", rief er nun etwas lauter. Die Panik in seiner Stimme war nicht zu überhören.
,,Warum hast du das getan, James? Warum hast du mich sterben lassen?", fragte eine ihm wohlbekannte Stimme vorwurfsvoll.
Erschrocken hielt er inne.
Die Schreie um ihn herum waren mit einem mal verstummt.
Plötzlich griff eine kalte, nasse Hand nach seinem Arm. Er drehte den Kopf leicht zur Seite um zu sehen, was ihn dort berührte. Ein spitzer Schrei, welcher als lautes Echo über das stille Meer hallte, entfuhr ihm.
Vor ihm ragte das bleiche, mit Eiszapfen bedeckte Gesicht Jasmines aus dem Wasser. Mit einer Hand klammerte sie sich an die Deckstühle, und mit der anderen hielt sie seinen Arm fest. Im spärlichen Licht der Sterne, konnte er ihre Augen erkennen. Diese waren jedoch nicht länger klar und blaugrau, sondern glasig und fast weiß. Wie bei einer Leiche.
Entsetzt starrte er ihn die ausdruckslosen Augen seiner Geliebten.
,,Warum?", fragte sie erneut, diesmal klang sie jedoch wütend. Jasmines Hand umklammerte seinen Arm dabei so fest, dass er spüren konnte, wie ihre Nägel seine Haut durchbohrten.
Doch er konnte nicht schreien, zu sehr entsetzte ihn der Anblick seiner Liebsten.
,,Lukas hatte recht! Es war ein Fehler. Hätte ich dich doch niemals getroffen!"
James zitterte am ganzen Körper. Jedoch nicht wegen der Kälte. Es waren die Angst und die Tränen die er versuchte zu unterdrücken.
Das konnte nicht wahr sein! Jasmine würde sowas doch niemals sagen!
,,Hör auf!", rief er und zog. Doch Jasmine ließ nicht los.
,,Du Feigling! Du willst also wegrennen und dich verstecken, ja? Das lasse ich nicht zu!", zischte sie verspottend und zerrte gewaltsam an James' Arm. Dieser schrie schmerzerfüllt auf, als die Haut an seinem Arm aufriss. Warmes Blut quoll aus den tiefen Wunden.
,,Du kannst nicht entkommen! Nur DEINETWEGEN bin ich jetzt tot!"
James versuchte mit aller Macht sich zu befreien.
,,Du bist nicht Jasmine! Sie würde sowas niemals sagen! Lass mich in Ruhe!"
Jasmine lachte nur und packte ihn mit der freien Hand am Hemdkragen.
,,Du wirst mit mir untergehen!", zischte sie hasserfüllt und versuchte ihr Gegenüber in die Tiefe zu ziehen.
Vor lauter Panik versuchte James sich loszureißen. Doch je mehr er sich dagegen wehrte, desto heftiger zerrte sie an ihm.
,,Du hättest sterben sollen und nicht ICH!", kreischte Jasmine hysterisch. Mit einem kräftigen Ruck schaffte sie es, den jungen Offizier vom Floß zu reißen.
James wollte schreien, doch vor Schreck brachte er keinen Ton raus. Das nächste was er dann spürte, war das kalte, schwarze Meerwasser, welches ihn verschluckte. Salziges Wasser floss ihm in Mund und Nase.
Seine Augen fingen wegen dem Salz an zu brennen, weshalb er diese schließen musste. Er war nun völlig blind. Das einzige was er wahrnahm, war das rauschen seines Blutes in seinen Ohren, und das panische Schlagen seines Herzens.
Obwohl James nichts sah, wusste er, dass er immer weiter in die Tiefe gerissen wurde. Verzweifelt versuchte er sich zu befreien. Ein stechender Schmerz in seinem Brustkorb ließ ihn innehalten.
,,Tut es weh?", fragte Jasmine mit honigsüßer Stimme.
Da James nicht antworten konnte, kam nur ein tiefes Brummen von ihm.
Seine Gedanken rasten. Wenn er sich nicht bald losriss, dann würde er ertrinken. Wenn ihn doch nur jemand hören könnte.
,,Dir wird niemand helfen! Nicht nach all dem, was du getan hast! Du verdienst es nicht am Leben zu bleiben!"
Am liebsten hätte der junge Offizier das Wesen, welches sich als Jasmine ausgab, angeschrien.
Immer wieder versuchte er sich loszureißen, aber mit jedem Versuch wurde er schwächer. Bald hatte er nicht mal mehr die Kraft dazu, die Luft noch länger anzuhalten. Eiskaltes Wasser strömte in seine Lungen und füllte diese. Ein unerträglicher Schmerz erfasste ihn. Sein ganzer Oberkörper brannte wie Feuer.
Plötzlich spürte James, dass das Zerren aufgehört hatte.
Schwach öffnete er die Augen. Trotz der Dunkelheit konnte er die Gestalt Jasmines erkennen, welche über ihm zu schweben schien.
,,Sie warten auf dich. Sie kommen, um dich zu holen!"
James verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. Wer wartete auf ihn?
Plötzlich ertönten von überall her Schreie.
,,Mörder!"
,,Mistkerl!"
,,Familienzerstörer!"
James hielt sich die Ohren zu, doch es bewirkte nichts. Diese Stimmen die er hörte, waren in seinem Kopf.
,,Du wirst niemals vor deiner Vergangenheit davonlaufen können!"
'HÖR AUF!', schrie er gedanklich.
,,Ich werde dich immer finden!"
'NEIN!'
Das Stimmengewirr in seinem Kopf wurde immer lauter. So laut, dass er glaubte, sein Kopf würde jeden Augenblick platzen.
Plötzlich wurde es um ihn herum etwas heller. Mit letzter Kraft drehte er sich zur Lichtquelle. Als er allerdings die Ursache für die Helligkeit erblickte, weiteten sich seine Augen vor Entsetzen.
Vor ihm, auf dem Grund des Meeres, lag die Titanic. Heruntergekommen und verrostet. Erst jetzt erkannte James auch, dass das dämmrige Licht nicht aus den Bullaugen und Fenstern kam, sondern vom Schiff selbst. Doch das war noch nicht mal das schlimmste. Überall auf den Decks und um das Schiff herum, lagen, neben Trümmerteilen, auch verrottende Körper. Es waren Passagiere aus allen Klassen, sowie Crewmitglieder, die die Nacht nicht überlebt hatten.
James wurde schlecht, als er die toten Körper seiner Kollegen erkannte.
Er schaute weg. Unfähig, diesen Anblick auch nur eine Sekunde länger zu ertragen.
'Es tut mir leid!'
Wieder tauchte Jasmine vor ihm auf.
,,Dafür ist es jetzt zu spät, James! Ich werde dir niemals vergeben!"
Bevor der junge Mann irgendwas sagen oder tun konnte, waren sowohl Jasmine, als auch die Titanic, verschwunden.
Ruckartig setzte James sich auf. Sein Blick flog hektisch von rechts nach links. Es dauerte eine Weile bis er realisierte, dass er sich wieder in seiner Kabine befand.
Schwer atmend und schweißgebadet, saß er da. Sein ganzer Körper zitterte dabei wie Espenlaub. Nach einer Weile beruhigte er sich wieder.
Vorsichtig rieb er sich die Augen und seufzte leise. In seinem ganzen Leben, hatte er noch nie einen so realistischen Traum gehabt.
Blind tastete er nach dem Schalter der Lampe, welche auf dem Nachttisch neben dem Bett stand und betätigte diesen.
Warmes Licht flutete die Kabine.
Es dauerte einen Moment, bis sich seine Augen an die Lichtverhältnisse angepasst hatten.
Blinzelnd wanderte sein Blick zur Wanduhr. Es war halb elf. James rieb sich nochmals die Augen, doch die beiden Zeiger verblieben auf ihren Positionen.
Er hatte den ganzen Tag über geschlafen und trotzdem fühlte er sich kein bisschen erholt.
Seufzend schlug er die Decke zurück um aufzustehen. Allerdings tat er dies viel zu schnell, weshalb er mit einem Fuß wegknickte und wieder ins Bett zurück fiel.
,,Verdammt!", brummte er verärgert. Dies hielt ihn nicht davon ab, es nochmal zu versuchen. Auf wackeligen Beinen lief er durch den kleinen Raum. Auf einem Stuhl lag ein ordentlich gefalteter Haufen Wäsche, welcher vorhin noch nicht da gewesen war.
James war dankbar für die gespendeten Anziehsachen. Endlich kam er aus diesen Sachen raus.
Rasch hatte er sich ein langärmiges Hemd und einen warmen Wollpullover angezogen. Dazu kamen noch eine schwarze Hose und ein frisches Paar schwarze Socken. Als James fertig war, ging er zur Tür und verließ die Kabine. Leise lief er durch den weißen Korridor. Er musste dringend ein wenig frische Luft schnappen und auf andere Gedanken kommen.
Das leise Brummen der Maschinen im Bauch des Schiffes war das einzige, dass James dabei half, die Erinnerungen an die vergangenen Erlebnisse zumindest kurzzeitig auszublenden. Er fokussierte all seine Konzentration auf die Geräusche, die das Schiff machte, damit er nicht an diese schreckliche Nacht und seinen Traum denken musste.
Etwa zehn Minuten später, betrat er das Achterdeck der Carpathia. Wegen der kalten Außentemperatur, bildeten sich beim ausatmen kleine Dampfwölkchen.
Als er so über das Deck lief, stellte er überrascht fest, dass sich zu dieser späten Stunde hier und da immernoch Leute befanden. Doch diese schenkten ihm keine Beachtung. Ihm konnte das nur recht sein, da er kein Bedürfnis danach hatte, mit jemandem zu reden.
Zielstrebig steuerte James auf die Reling zu. Mit in die Ferne gerichteten Blick, lehnte er sich an diese an.
Das Wasser, welches von den rotierenden Schiffsschrauben aufgewirbelt wurde, rauschte laut unter ihm.
Obwohl er es eigentlich nicht wollte, riskierte er einen kurzen Blick nach unten.
Plötzlich sah er Jasmines Gesicht vor seinem geistigen Auge auftauchen.
,,Du hättest sterben sollen und nicht ICH!"
James umklammerte die Eisenstangen.
,,Nur DEINETWEGEN bin ich jetzt tot!"
Bei diesen Worten, schloß er die Augen. Die Kiefer presste er so fest aufeinander, dass es schmerzte.
,,Ich werde dir niemals vergeben!"
,,HÖR AUF!", schrie er und sank auf die Knie. Sein Körper bebte.
,,Es tut mir leid. Ich...ich wollte das alles doch auch nicht!", wimmerte er verzweifelt.
Sein Blick war auf das weiß schäumende Wasser unter sich gerichtet.
,,Ich habe versagt", flüsterte er und schloss die Augen.
,,Es tut mir so leid, dass ich dich nicht besser beschützt habe."
James hörte, dass Schritte sich ihm näherten.
,,Sir? Ist...ist alles in Ordnung?", fragte eine männliche Stimme ihn besorgt.
James sah weder auf, noch sagte er etwas.
,,Sir?"
Wortlos erhob der junge Mann sich.
,,Es geht mir gut", sagte er mit dumpfer Stimme.
,,Sind Sie sicher?"
James ignorierte den Mann. Ohne diesen überhaupt anzublicken, entfernte er sich von der Reling und lief mit gesenktem Blick über das Deck. Dabei spürte er die neugierigen und teilweise auch besorgten Blicke der anderen.
Doch es war ihm egal. Sollten sie ihn doch anstarren, es interessierte ihn nicht. Er hatte die Liebe seines Lebens vor seinen Augen sterben sehen. Er war unfähig gewesen, ihr zu helfen. Und jetzt plagten ihn Schuldgefühle und Albträume, in denen Jasmine ihn hasste und ihm Vorwürfe machte.
Es gab nichts, was ihn hier überhaupt noch hielt. Lukas hatte ihn zwar vor einer Dummheit gerettet und ihn auch dazu gebracht, zu versprechen, sich nichts an zu tun. Doch dieser war jetzt bestimmt bei Kate und Viola und trauerte mit ihnen um seine verlorene Schwester.
James' Entschluß stand fest. Er würde es hier und jetzt beenden. Es hatte keinen Sinn mehr. Er wollte nicht für den Rest seines Lebens von Albträumen heimgesucht werden. Er wollte nicht jedes mal Jasmines bleiches Gesicht und ihre hasserfüllten Augen sehen.
Er wollte, dass dieser Schmerz in seinem Herzen endlich aufhörte, und dass diese Qual endlich ein Ende fand.
Ihm war egal, was er Jasmines Bruder versprochen hatte. Lukas konnte vielleicht ganz gut mit dem Tod seiner Schwester umgehen, aber er konnte es nicht.
Nennt es feige, aber James sah in diesem Moment einfach keinen anderen Ausweg mehr.
Wenn er sich umbrachte, konnte Jasmines Geist vielleicht endlich ihren Frieden finden.
Ein Gähnen unterdrückend, verließ Harry die Brücke der Carpathia.
Er hatte gerade seine erste Wache beendet und war jetzt hundemüde.
Die Ereignisse von letzter Nacht, steckten ihm noch immer in den Knochen. Doch da Harry kein Mensch war, der nur tatenlos rumsaß, hatte er angeboten, die Offiziere der Carpathia ein wenig zu entlasten. Somit konnte er sich nützlich machen und sich gleichzeitig ablenken.
Wieder unterdrückte er ein Gähnen.
Er war zwar so müde, dass er problemlos auch an Ort und Stelle hätte einschlafen können, allerdings bereitete ihm schon seit geraumer Zeit eine Sache Kummer. Nämlich James' Verhalten. Er wirkte, seit er ihn aus dem Wasser gerettet hatte, total abwesend. Seine Augen waren seltsam leer. So, als hätte er jeden Willen zu leben verloren.
Harry blieb stehen. Sorgenfalten zierten seine Stirn.
'Vielleicht sollte ich mal nach ihm sehen', überlegte er.
,,Entschuldigung? Sie sind ein Offizier, richtig?"
Überrascht sah Harry auf. ,,Ja bin ich, wie kann ich Ihnen helfen?"
Eine junge Frau, etwa mitte zwanzig, stand vor ihm. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet.
,,Da hinten ist ein junger Mann, der von diesem Schiff springen möchte! Mein Mann und zwei andere Männer versuchen ihn davon abzuhalten! Bitte kommen Sie!"
Kaltes Entsetzen packte Harry. Jemand versuchte sich umzubringen? Das war doch nicht etwa James?
,,Bringen Sie mich sofort dahin!", befahl Harry hastig.
Die Frau nickte und rannte, so schnell ihre Schuhe es ihr erlaubten, über das Deck. Harry folgte ihr eilig.
Sie waren keine zwei Minuten gelaufen, da ertönten von weiter vorne bereits vier männliche Stimmen. Als Harry die Stimme von James erkannte, hoffte er inständig, dass dieser zu den Männern gehörte, der den Selbstmord versuchte zu verhindern.
Der Anblick, der sich dem Offizier allerdings dann bot, zeigte ihm genau das Gegenteil von dem, was er gehofft hatte.
Drei unbekannte Männer hielten James am Boden.
,,JAMES MOODY!", rief Harry streng. Seinen Unglauben und das Entsetzen versuchte der Waliser zu ignorieren.
Beim Klang seines Namens, sah der Angesprochene auf.
,,Harry?", fragte James überrascht.
Innerhalb von Millisekunden kochte der ältere vot Wut.
,,WAS ZUM TEUFEL GEHT HIER VOR?"
Einer der Männer erhob sich.
,,Kennen Sie ihn?"
,,Und ob ich den Bengel kenne!"
Mehr brauchten die Männer nicht zu hören. Nach einem kurzen Blickaustausch, ließen sie von James ab.
Dieser sagte nichts. Er traute sich nicht einmal, seinem älteren Kollegen ins Gesicht zu sehen.
,,Steh auf!"
Keiner der Anwesenden rührte sich und keiner von ihnen sagte etwas.
,,ICH SAGTE STEH AUF!", blaffte der Waliser ungeduldig.
James befolgte stumm den Befehl seines Gegenübers. Der Blick war dabei allerdings nach unten gerichtet.
,,Sie mich an!"
Doch der jüngere weigerte sich.
,,James! Du sollst mich verdammt nochmal ansehen!"
,,Warum?", fragte er leise und wirkte dabei, wie ein trotziger Schuljunge.
Harry, welcher keine Lust auf irgendwelche Diskussionen hatte, packte James mit beiden Händen am Kragen. Dadurch zwang er den anderen, ihn anzusehen.
,,Was um Gottes Willen ist bloß in dich gefahren? Warum hast du versucht dich umzubringen?"
James schwieg.
,,Antworte gefälligst!"
Harry sah, dass der jüngere die Kiefer aufeinander presste.
,,Ist doch egal."
Der Waliser verlor allmählich die Beherrschung.
,,Nein ist es nicht! Du sagt mir jetzt sofort, warum du versucht hast, von diesem Schiff zu springen!"
Einige Sekunden vergingen, bis James schließlich die Schultern hängen ließ und sich geschlagen gab.
,,Es ist wegen Jasmine", murmelte er.
Harry, welcher sich sowas schon gedacht hatte, seufzte. Er ließ von James ab.
Kurz betrachtete er ihn, bevor er sich an die vier Leute, welche noch immer da standen und sie beobachteten, wandte.
,,Vielen Dank, dass sie eingegriffen und mich verständigt haben. Ich werde mich von hier an um alles kümmern."
Die vier sahen erst sich und dann Harry an.
,,In Ordnung. Wir sind froh, dass wir schlimmeres verhindern konnten."
Einer der Männer trat vor, und legte James eine Hand auf die Schulter.
,,He Bürschchen, lass dir eines gesagt sein. Egal wie aussichtslos eine Situation auch aussehen mag, es gibt immer eine vernünftige Lösung. Das was du jedoch vorhattest, ist keine davon. Gib nicht gleich auf, nur weil es dir gerade nicht gut geht. Das ganze Leben ist eine Prüfung. Verluste gehören da leider auch zu. Aber sie sind dafür da, um uns zu stärken. Vergiss das nicht."
Mit diesen Worten, verabschiedete der Mann sich. Und auch die anderen drei verließen kurz darauf das Deck.
,,Du wolltest dich also wegen ihr umbringen, hab ich das richtig verstanden?"
Stumm nickte James.
,,Aber wieso? Hattest du ihr nicht ein Versprechen gegeben?"
Der jüngere schluckte schwer.
,,Sie hasst mich."
,,Was?"
,,Jasmine. Sie...sie hasst mich."
Harry war sichtlich verwirrt.
,,Wie kommst du denn jetzt darauf? Warum sollte sie dich denn hassen?"
Betreten schaute James zu Boden.
,,Ich hatte einen Traum. Und da...da hat sie gesagt, dass es meine Schuld ist und dass sie mir niemals vergeben wird."
Für einen Moment wusste Harry nicht, was er darauf erwidern sollte. Er war kein Arzt und er kannte sich mit Krankheiten die den Geist betrafen auch nicht aus. Allerdings hatte er sowas schon das ein oder andere Mal bereits auf See erlebt. Er nahm einen tiefen Atemzug und wählte seine nächsten Worte mit größter Sorgfalt.
,,James, ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen, aber du scheinst im Moment sehr verwirrt zu sein. Du hast, wie wir alle, eine Horrornacht hinter dir und wir beide wissen, dass du in dieser Nacht mehr verloren hast als ich zum Beispiel."
Der junge Mann schaute sein Gegenüber an.
,,Ich bin nicht verwirrt, Harry!", warf er protestierend ein, doch der Waliser schüttelte den Kopf.
,,Doch, das bist du. Du bist zutiefst traumatisiert und aufgrunddessen verwirrt und nicht mehr in der Lage, richtig von falsch zu unterscheiden. Du brauchst dringend Hilfe."
James schnaubte.
,,Willst du damit etwa sagen, dass ich verrückt bin?"
,,Tut mir leid dir das jetzt so unverfroren ins Gesicht zu sagen, aber wer von einem Schiff in den Tod springen will, hat definitiv ein Problem. Du solltest meinen Rat zu Herzen nehmen, und dir dringend Hilfe holen. Andernfalls könnte sich dein Zustand noch verschlimmern."
Im ersten Moment schien es, als wollte James etwas einwenden. Doch je öfter er sich die Worte seines Kollegen durch den Kopf gehen ließ, desto einsichtiger wurde er.
,,Danke Harry."
,,Wofür?"
,,Dass du mir die Augen geöffnet hast. Du bist jetzt schon der zweite, der mich vor einer großen Dummheit bewahrt hat."
Bei dieser Bemerkung wurde der Angesprochene hellhörig.
,,Wie meinst du das?"
Ein bitteres Lachen ertönte aus James' Kehle.
,,Ganz einfach, dass war jetzt schon mein zweiter Versuch, von diesem Schiff zu springen. Vorhin hat mich allerdings Lukas davon abgehalten."
Harry war zwar geschockt als er das hörte, jedoch nahm er diese Info ruhig und sehr gefasst auf.
,,Hm, scheint als hätten wir beide einen sechsten Sinn für solche Dinge", bemerkte er beiläufig, unwissend, dass mehr dahinter steckte, als ihm eigentlich bewusst war.
,,Vielleicht. Vielleicht lag es aber auch an etwas anderem."
,,Was meinst du?"
James schüttelte den Kopf.
,,Nicht so wichtig."
Ich versuche jetzt wieder aktiver zu werden. Immerhin möchtet ihr ja auch wissen, wie es mit Jasmine und den anderen weitergeht.
Ich wünsche euch allen jetzt viel Spaß mit dem neuen Kapitel.
Gruß SunshineOak. :)
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Schreie hallten über das schwarze Meer. So laut, dass man sie noch Kilometerweit hören konnte. Und dennoch waren sie viel zu leise, um andere Schiffe auf sie aufmerksam zu machen. Und obwohl um sie herum zwanzig Rettungsboote im Wasser trieben, dachten die Menschen, die das Glück gehabt hatten sich in eines zu retten, nicht daran zurück zu kehren. Sie waren völlig auf sich allein gestellt und dazu verdammt, im eisigen Wasser zu sterben.
James bedauerte die armen Seelen um ihn herum aus tiefstem Herzen und am liebsten hätte er mit ihnen um Hilfe geschrien, doch er wusste, dass es keinen Wert hatte. Niemand würde zurückkehren, dafür war die Angst einfach zu groß.
,,James?"
Hektisch drehte er den Kopf und versuchte etwas in der Dunkelheit, welche ihn umgab, auszumachen. Doch er fand nichts.
Erst jetzt bemerkte er, dass er völlig alleine auf dem provisorischen Floß lag.
Sein Herz setzte einen Schlag aus.
,,Jasmine?", krächzte er heiser und tastete mit seiner Hand über die zusammengebundenen Deckstühle.
,,JASMINE?", rief er nun etwas lauter. Die Panik in seiner Stimme war nicht zu überhören.
,,Warum hast du das getan, James? Warum hast du mich sterben lassen?", fragte eine ihm wohlbekannte Stimme vorwurfsvoll.
Erschrocken hielt er inne.
Die Schreie um ihn herum waren mit einem mal verstummt.
Plötzlich griff eine kalte, nasse Hand nach seinem Arm. Er drehte den Kopf leicht zur Seite um zu sehen, was ihn dort berührte. Ein spitzer Schrei, welcher als lautes Echo über das stille Meer hallte, entfuhr ihm.
Vor ihm ragte das bleiche, mit Eiszapfen bedeckte Gesicht Jasmines aus dem Wasser. Mit einer Hand klammerte sie sich an die Deckstühle, und mit der anderen hielt sie seinen Arm fest. Im spärlichen Licht der Sterne, konnte er ihre Augen erkennen. Diese waren jedoch nicht länger klar und blaugrau, sondern glasig und fast weiß. Wie bei einer Leiche.
Entsetzt starrte er ihn die ausdruckslosen Augen seiner Geliebten.
,,Warum?", fragte sie erneut, diesmal klang sie jedoch wütend. Jasmines Hand umklammerte seinen Arm dabei so fest, dass er spüren konnte, wie ihre Nägel seine Haut durchbohrten.
Doch er konnte nicht schreien, zu sehr entsetzte ihn der Anblick seiner Liebsten.
,,Lukas hatte recht! Es war ein Fehler. Hätte ich dich doch niemals getroffen!"
James zitterte am ganzen Körper. Jedoch nicht wegen der Kälte. Es waren die Angst und die Tränen die er versuchte zu unterdrücken.
Das konnte nicht wahr sein! Jasmine würde sowas doch niemals sagen!
,,Hör auf!", rief er und zog. Doch Jasmine ließ nicht los.
,,Du Feigling! Du willst also wegrennen und dich verstecken, ja? Das lasse ich nicht zu!", zischte sie verspottend und zerrte gewaltsam an James' Arm. Dieser schrie schmerzerfüllt auf, als die Haut an seinem Arm aufriss. Warmes Blut quoll aus den tiefen Wunden.
,,Du kannst nicht entkommen! Nur DEINETWEGEN bin ich jetzt tot!"
James versuchte mit aller Macht sich zu befreien.
,,Du bist nicht Jasmine! Sie würde sowas niemals sagen! Lass mich in Ruhe!"
Jasmine lachte nur und packte ihn mit der freien Hand am Hemdkragen.
,,Du wirst mit mir untergehen!", zischte sie hasserfüllt und versuchte ihr Gegenüber in die Tiefe zu ziehen.
Vor lauter Panik versuchte James sich loszureißen. Doch je mehr er sich dagegen wehrte, desto heftiger zerrte sie an ihm.
,,Du hättest sterben sollen und nicht ICH!", kreischte Jasmine hysterisch. Mit einem kräftigen Ruck schaffte sie es, den jungen Offizier vom Floß zu reißen.
James wollte schreien, doch vor Schreck brachte er keinen Ton raus. Das nächste was er dann spürte, war das kalte, schwarze Meerwasser, welches ihn verschluckte. Salziges Wasser floss ihm in Mund und Nase.
Seine Augen fingen wegen dem Salz an zu brennen, weshalb er diese schließen musste. Er war nun völlig blind. Das einzige was er wahrnahm, war das rauschen seines Blutes in seinen Ohren, und das panische Schlagen seines Herzens.
Obwohl James nichts sah, wusste er, dass er immer weiter in die Tiefe gerissen wurde. Verzweifelt versuchte er sich zu befreien. Ein stechender Schmerz in seinem Brustkorb ließ ihn innehalten.
,,Tut es weh?", fragte Jasmine mit honigsüßer Stimme.
Da James nicht antworten konnte, kam nur ein tiefes Brummen von ihm.
Seine Gedanken rasten. Wenn er sich nicht bald losriss, dann würde er ertrinken. Wenn ihn doch nur jemand hören könnte.
,,Dir wird niemand helfen! Nicht nach all dem, was du getan hast! Du verdienst es nicht am Leben zu bleiben!"
Am liebsten hätte der junge Offizier das Wesen, welches sich als Jasmine ausgab, angeschrien.
Immer wieder versuchte er sich loszureißen, aber mit jedem Versuch wurde er schwächer. Bald hatte er nicht mal mehr die Kraft dazu, die Luft noch länger anzuhalten. Eiskaltes Wasser strömte in seine Lungen und füllte diese. Ein unerträglicher Schmerz erfasste ihn. Sein ganzer Oberkörper brannte wie Feuer.
Plötzlich spürte James, dass das Zerren aufgehört hatte.
Schwach öffnete er die Augen. Trotz der Dunkelheit konnte er die Gestalt Jasmines erkennen, welche über ihm zu schweben schien.
,,Sie warten auf dich. Sie kommen, um dich zu holen!"
James verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. Wer wartete auf ihn?
Plötzlich ertönten von überall her Schreie.
,,Mörder!"
,,Mistkerl!"
,,Familienzerstörer!"
James hielt sich die Ohren zu, doch es bewirkte nichts. Diese Stimmen die er hörte, waren in seinem Kopf.
,,Du wirst niemals vor deiner Vergangenheit davonlaufen können!"
'HÖR AUF!', schrie er gedanklich.
,,Ich werde dich immer finden!"
'NEIN!'
Das Stimmengewirr in seinem Kopf wurde immer lauter. So laut, dass er glaubte, sein Kopf würde jeden Augenblick platzen.
Plötzlich wurde es um ihn herum etwas heller. Mit letzter Kraft drehte er sich zur Lichtquelle. Als er allerdings die Ursache für die Helligkeit erblickte, weiteten sich seine Augen vor Entsetzen.
Vor ihm, auf dem Grund des Meeres, lag die Titanic. Heruntergekommen und verrostet. Erst jetzt erkannte James auch, dass das dämmrige Licht nicht aus den Bullaugen und Fenstern kam, sondern vom Schiff selbst. Doch das war noch nicht mal das schlimmste. Überall auf den Decks und um das Schiff herum, lagen, neben Trümmerteilen, auch verrottende Körper. Es waren Passagiere aus allen Klassen, sowie Crewmitglieder, die die Nacht nicht überlebt hatten.
James wurde schlecht, als er die toten Körper seiner Kollegen erkannte.
Er schaute weg. Unfähig, diesen Anblick auch nur eine Sekunde länger zu ertragen.
'Es tut mir leid!'
Wieder tauchte Jasmine vor ihm auf.
,,Dafür ist es jetzt zu spät, James! Ich werde dir niemals vergeben!"
Bevor der junge Mann irgendwas sagen oder tun konnte, waren sowohl Jasmine, als auch die Titanic, verschwunden.
Ruckartig setzte James sich auf. Sein Blick flog hektisch von rechts nach links. Es dauerte eine Weile bis er realisierte, dass er sich wieder in seiner Kabine befand.
Schwer atmend und schweißgebadet, saß er da. Sein ganzer Körper zitterte dabei wie Espenlaub. Nach einer Weile beruhigte er sich wieder.
Vorsichtig rieb er sich die Augen und seufzte leise. In seinem ganzen Leben, hatte er noch nie einen so realistischen Traum gehabt.
Blind tastete er nach dem Schalter der Lampe, welche auf dem Nachttisch neben dem Bett stand und betätigte diesen.
Warmes Licht flutete die Kabine.
Es dauerte einen Moment, bis sich seine Augen an die Lichtverhältnisse angepasst hatten.
Blinzelnd wanderte sein Blick zur Wanduhr. Es war halb elf. James rieb sich nochmals die Augen, doch die beiden Zeiger verblieben auf ihren Positionen.
Er hatte den ganzen Tag über geschlafen und trotzdem fühlte er sich kein bisschen erholt.
Seufzend schlug er die Decke zurück um aufzustehen. Allerdings tat er dies viel zu schnell, weshalb er mit einem Fuß wegknickte und wieder ins Bett zurück fiel.
,,Verdammt!", brummte er verärgert. Dies hielt ihn nicht davon ab, es nochmal zu versuchen. Auf wackeligen Beinen lief er durch den kleinen Raum. Auf einem Stuhl lag ein ordentlich gefalteter Haufen Wäsche, welcher vorhin noch nicht da gewesen war.
James war dankbar für die gespendeten Anziehsachen. Endlich kam er aus diesen Sachen raus.
Rasch hatte er sich ein langärmiges Hemd und einen warmen Wollpullover angezogen. Dazu kamen noch eine schwarze Hose und ein frisches Paar schwarze Socken. Als James fertig war, ging er zur Tür und verließ die Kabine. Leise lief er durch den weißen Korridor. Er musste dringend ein wenig frische Luft schnappen und auf andere Gedanken kommen.
Das leise Brummen der Maschinen im Bauch des Schiffes war das einzige, dass James dabei half, die Erinnerungen an die vergangenen Erlebnisse zumindest kurzzeitig auszublenden. Er fokussierte all seine Konzentration auf die Geräusche, die das Schiff machte, damit er nicht an diese schreckliche Nacht und seinen Traum denken musste.
Etwa zehn Minuten später, betrat er das Achterdeck der Carpathia. Wegen der kalten Außentemperatur, bildeten sich beim ausatmen kleine Dampfwölkchen.
Als er so über das Deck lief, stellte er überrascht fest, dass sich zu dieser späten Stunde hier und da immernoch Leute befanden. Doch diese schenkten ihm keine Beachtung. Ihm konnte das nur recht sein, da er kein Bedürfnis danach hatte, mit jemandem zu reden.
Zielstrebig steuerte James auf die Reling zu. Mit in die Ferne gerichteten Blick, lehnte er sich an diese an.
Das Wasser, welches von den rotierenden Schiffsschrauben aufgewirbelt wurde, rauschte laut unter ihm.
Obwohl er es eigentlich nicht wollte, riskierte er einen kurzen Blick nach unten.
Plötzlich sah er Jasmines Gesicht vor seinem geistigen Auge auftauchen.
,,Du hättest sterben sollen und nicht ICH!"
James umklammerte die Eisenstangen.
,,Nur DEINETWEGEN bin ich jetzt tot!"
Bei diesen Worten, schloß er die Augen. Die Kiefer presste er so fest aufeinander, dass es schmerzte.
,,Ich werde dir niemals vergeben!"
,,HÖR AUF!", schrie er und sank auf die Knie. Sein Körper bebte.
,,Es tut mir leid. Ich...ich wollte das alles doch auch nicht!", wimmerte er verzweifelt.
Sein Blick war auf das weiß schäumende Wasser unter sich gerichtet.
,,Ich habe versagt", flüsterte er und schloss die Augen.
,,Es tut mir so leid, dass ich dich nicht besser beschützt habe."
James hörte, dass Schritte sich ihm näherten.
,,Sir? Ist...ist alles in Ordnung?", fragte eine männliche Stimme ihn besorgt.
James sah weder auf, noch sagte er etwas.
,,Sir?"
Wortlos erhob der junge Mann sich.
,,Es geht mir gut", sagte er mit dumpfer Stimme.
,,Sind Sie sicher?"
James ignorierte den Mann. Ohne diesen überhaupt anzublicken, entfernte er sich von der Reling und lief mit gesenktem Blick über das Deck. Dabei spürte er die neugierigen und teilweise auch besorgten Blicke der anderen.
Doch es war ihm egal. Sollten sie ihn doch anstarren, es interessierte ihn nicht. Er hatte die Liebe seines Lebens vor seinen Augen sterben sehen. Er war unfähig gewesen, ihr zu helfen. Und jetzt plagten ihn Schuldgefühle und Albträume, in denen Jasmine ihn hasste und ihm Vorwürfe machte.
Es gab nichts, was ihn hier überhaupt noch hielt. Lukas hatte ihn zwar vor einer Dummheit gerettet und ihn auch dazu gebracht, zu versprechen, sich nichts an zu tun. Doch dieser war jetzt bestimmt bei Kate und Viola und trauerte mit ihnen um seine verlorene Schwester.
James' Entschluß stand fest. Er würde es hier und jetzt beenden. Es hatte keinen Sinn mehr. Er wollte nicht für den Rest seines Lebens von Albträumen heimgesucht werden. Er wollte nicht jedes mal Jasmines bleiches Gesicht und ihre hasserfüllten Augen sehen.
Er wollte, dass dieser Schmerz in seinem Herzen endlich aufhörte, und dass diese Qual endlich ein Ende fand.
Ihm war egal, was er Jasmines Bruder versprochen hatte. Lukas konnte vielleicht ganz gut mit dem Tod seiner Schwester umgehen, aber er konnte es nicht.
Nennt es feige, aber James sah in diesem Moment einfach keinen anderen Ausweg mehr.
Wenn er sich umbrachte, konnte Jasmines Geist vielleicht endlich ihren Frieden finden.
Ein Gähnen unterdrückend, verließ Harry die Brücke der Carpathia.
Er hatte gerade seine erste Wache beendet und war jetzt hundemüde.
Die Ereignisse von letzter Nacht, steckten ihm noch immer in den Knochen. Doch da Harry kein Mensch war, der nur tatenlos rumsaß, hatte er angeboten, die Offiziere der Carpathia ein wenig zu entlasten. Somit konnte er sich nützlich machen und sich gleichzeitig ablenken.
Wieder unterdrückte er ein Gähnen.
Er war zwar so müde, dass er problemlos auch an Ort und Stelle hätte einschlafen können, allerdings bereitete ihm schon seit geraumer Zeit eine Sache Kummer. Nämlich James' Verhalten. Er wirkte, seit er ihn aus dem Wasser gerettet hatte, total abwesend. Seine Augen waren seltsam leer. So, als hätte er jeden Willen zu leben verloren.
Harry blieb stehen. Sorgenfalten zierten seine Stirn.
'Vielleicht sollte ich mal nach ihm sehen', überlegte er.
,,Entschuldigung? Sie sind ein Offizier, richtig?"
Überrascht sah Harry auf. ,,Ja bin ich, wie kann ich Ihnen helfen?"
Eine junge Frau, etwa mitte zwanzig, stand vor ihm. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet.
,,Da hinten ist ein junger Mann, der von diesem Schiff springen möchte! Mein Mann und zwei andere Männer versuchen ihn davon abzuhalten! Bitte kommen Sie!"
Kaltes Entsetzen packte Harry. Jemand versuchte sich umzubringen? Das war doch nicht etwa James?
,,Bringen Sie mich sofort dahin!", befahl Harry hastig.
Die Frau nickte und rannte, so schnell ihre Schuhe es ihr erlaubten, über das Deck. Harry folgte ihr eilig.
Sie waren keine zwei Minuten gelaufen, da ertönten von weiter vorne bereits vier männliche Stimmen. Als Harry die Stimme von James erkannte, hoffte er inständig, dass dieser zu den Männern gehörte, der den Selbstmord versuchte zu verhindern.
Der Anblick, der sich dem Offizier allerdings dann bot, zeigte ihm genau das Gegenteil von dem, was er gehofft hatte.
Drei unbekannte Männer hielten James am Boden.
,,JAMES MOODY!", rief Harry streng. Seinen Unglauben und das Entsetzen versuchte der Waliser zu ignorieren.
Beim Klang seines Namens, sah der Angesprochene auf.
,,Harry?", fragte James überrascht.
Innerhalb von Millisekunden kochte der ältere vot Wut.
,,WAS ZUM TEUFEL GEHT HIER VOR?"
Einer der Männer erhob sich.
,,Kennen Sie ihn?"
,,Und ob ich den Bengel kenne!"
Mehr brauchten die Männer nicht zu hören. Nach einem kurzen Blickaustausch, ließen sie von James ab.
Dieser sagte nichts. Er traute sich nicht einmal, seinem älteren Kollegen ins Gesicht zu sehen.
,,Steh auf!"
Keiner der Anwesenden rührte sich und keiner von ihnen sagte etwas.
,,ICH SAGTE STEH AUF!", blaffte der Waliser ungeduldig.
James befolgte stumm den Befehl seines Gegenübers. Der Blick war dabei allerdings nach unten gerichtet.
,,Sie mich an!"
Doch der jüngere weigerte sich.
,,James! Du sollst mich verdammt nochmal ansehen!"
,,Warum?", fragte er leise und wirkte dabei, wie ein trotziger Schuljunge.
Harry, welcher keine Lust auf irgendwelche Diskussionen hatte, packte James mit beiden Händen am Kragen. Dadurch zwang er den anderen, ihn anzusehen.
,,Was um Gottes Willen ist bloß in dich gefahren? Warum hast du versucht dich umzubringen?"
James schwieg.
,,Antworte gefälligst!"
Harry sah, dass der jüngere die Kiefer aufeinander presste.
,,Ist doch egal."
Der Waliser verlor allmählich die Beherrschung.
,,Nein ist es nicht! Du sagt mir jetzt sofort, warum du versucht hast, von diesem Schiff zu springen!"
Einige Sekunden vergingen, bis James schließlich die Schultern hängen ließ und sich geschlagen gab.
,,Es ist wegen Jasmine", murmelte er.
Harry, welcher sich sowas schon gedacht hatte, seufzte. Er ließ von James ab.
Kurz betrachtete er ihn, bevor er sich an die vier Leute, welche noch immer da standen und sie beobachteten, wandte.
,,Vielen Dank, dass sie eingegriffen und mich verständigt haben. Ich werde mich von hier an um alles kümmern."
Die vier sahen erst sich und dann Harry an.
,,In Ordnung. Wir sind froh, dass wir schlimmeres verhindern konnten."
Einer der Männer trat vor, und legte James eine Hand auf die Schulter.
,,He Bürschchen, lass dir eines gesagt sein. Egal wie aussichtslos eine Situation auch aussehen mag, es gibt immer eine vernünftige Lösung. Das was du jedoch vorhattest, ist keine davon. Gib nicht gleich auf, nur weil es dir gerade nicht gut geht. Das ganze Leben ist eine Prüfung. Verluste gehören da leider auch zu. Aber sie sind dafür da, um uns zu stärken. Vergiss das nicht."
Mit diesen Worten, verabschiedete der Mann sich. Und auch die anderen drei verließen kurz darauf das Deck.
,,Du wolltest dich also wegen ihr umbringen, hab ich das richtig verstanden?"
Stumm nickte James.
,,Aber wieso? Hattest du ihr nicht ein Versprechen gegeben?"
Der jüngere schluckte schwer.
,,Sie hasst mich."
,,Was?"
,,Jasmine. Sie...sie hasst mich."
Harry war sichtlich verwirrt.
,,Wie kommst du denn jetzt darauf? Warum sollte sie dich denn hassen?"
Betreten schaute James zu Boden.
,,Ich hatte einen Traum. Und da...da hat sie gesagt, dass es meine Schuld ist und dass sie mir niemals vergeben wird."
Für einen Moment wusste Harry nicht, was er darauf erwidern sollte. Er war kein Arzt und er kannte sich mit Krankheiten die den Geist betrafen auch nicht aus. Allerdings hatte er sowas schon das ein oder andere Mal bereits auf See erlebt. Er nahm einen tiefen Atemzug und wählte seine nächsten Worte mit größter Sorgfalt.
,,James, ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen, aber du scheinst im Moment sehr verwirrt zu sein. Du hast, wie wir alle, eine Horrornacht hinter dir und wir beide wissen, dass du in dieser Nacht mehr verloren hast als ich zum Beispiel."
Der junge Mann schaute sein Gegenüber an.
,,Ich bin nicht verwirrt, Harry!", warf er protestierend ein, doch der Waliser schüttelte den Kopf.
,,Doch, das bist du. Du bist zutiefst traumatisiert und aufgrunddessen verwirrt und nicht mehr in der Lage, richtig von falsch zu unterscheiden. Du brauchst dringend Hilfe."
James schnaubte.
,,Willst du damit etwa sagen, dass ich verrückt bin?"
,,Tut mir leid dir das jetzt so unverfroren ins Gesicht zu sagen, aber wer von einem Schiff in den Tod springen will, hat definitiv ein Problem. Du solltest meinen Rat zu Herzen nehmen, und dir dringend Hilfe holen. Andernfalls könnte sich dein Zustand noch verschlimmern."
Im ersten Moment schien es, als wollte James etwas einwenden. Doch je öfter er sich die Worte seines Kollegen durch den Kopf gehen ließ, desto einsichtiger wurde er.
,,Danke Harry."
,,Wofür?"
,,Dass du mir die Augen geöffnet hast. Du bist jetzt schon der zweite, der mich vor einer großen Dummheit bewahrt hat."
Bei dieser Bemerkung wurde der Angesprochene hellhörig.
,,Wie meinst du das?"
Ein bitteres Lachen ertönte aus James' Kehle.
,,Ganz einfach, dass war jetzt schon mein zweiter Versuch, von diesem Schiff zu springen. Vorhin hat mich allerdings Lukas davon abgehalten."
Harry war zwar geschockt als er das hörte, jedoch nahm er diese Info ruhig und sehr gefasst auf.
,,Hm, scheint als hätten wir beide einen sechsten Sinn für solche Dinge", bemerkte er beiläufig, unwissend, dass mehr dahinter steckte, als ihm eigentlich bewusst war.
,,Vielleicht. Vielleicht lag es aber auch an etwas anderem."
,,Was meinst du?"
James schüttelte den Kopf.
,,Nicht so wichtig."