Ich will dich nicht verlieren!
von SunshineOak
Kurzbeschreibung
In dieser Titanic Fanfiktion begleiten wir Jasmine, ein junges 19 jähriges Mädchen welches, zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Lukas und ihren zwei besten Freundinnen Viola und Kate, durch einen merkwürdigen Zufall im Jahre 1912 landet. Noch vor der Abreise des zum Untergang geweihten Luxusdampfers trifft sie auf den 6ten Offizier James P. Moody. Bald wird ihr bewusst, dass sie mehr für ihn empfindet als sie eigentlich sollte, doch sie weiß auch, um das Schicksal des jungen Offiziers. Hin und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und dem Wissen um die Tragödie die sich schon bald darauf abspielen wird, begibt sie sich auf eine gefährliche Reise.
GeschichteTragödie, Liebesgeschichte / P16 / Gen
OC (Own Character)
21.09.2019
28.09.2020
63
232.841
10
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
4 Reviews
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17.01.2020
4.438
Hi ihr fleißigen Leserinnen und Leser, ich freue mich euch alle zu einem neuen Kapitel begrüßen zu dürfen.
Ihr fragt euch sicher jetzt, wie es sein kann, dass es so schnell schon Nachschub gibt. Tja ihr Lieben, das liegt daran, dass ich jetzt erstens ein paar Tage frei habe und zweitens, gerade hochmotiviert bin. Meine erste praktische Fahrstunde steht jetzt nämlich am Dienstag an und ich freue mich echt unnormal darauf.
(Daher auch meine übergroße Motivation.)
Ich hoffe nur, dass ich die Karre dabei nicht allzu oft abwürgen werde. D:
Naja nichts desto trotz wünsche ich euch allen ein schönes Wochenende und selbstverständlich auch viel Spaß beim lesen des neuen Kapitels.
Gruß SunshineOak. :)
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Zusammengekauert und zitternd, saß das wiedervereinte Paar auf den an der Oberfläche treibenden Deckstühlen.
Während Jasmine die Augen halb geschlossen hatte und versuchte, halbwegs gleichmäßig zu atmen, beobachtete James, wie sich die Titanic immer mehr aufbäumte.
Aufgrund ihrer Lichter konnte er erkennen, dass sich mittlerweile hunderte von Menschen, in ihrer verzweifelten Hoffnung auf Sicherheit, am Heck zusammengefunden hatten. Ihre lauten Schreie zeugten dabei von unbeschreiblicher Angst und schier endlosem Entsetzen.
Kein Wunder, ihnen allen war immerhin bewusst, dass keine Rettungsboote mehr vorhanden waren und es nur eine Frage der Zeit war, bis die Titanic komplett versinken würde.
Doch was James viel schlimmer fand als das war die Tatsache, dass von denen in den Booten keiner zurückrudern würde um zu helfen.
Doch obwohl ihn dieser Fakt erschaudern ließ, konnte er ihnen auf der anderen Seite auch keine Vorwürfe machen. Ein kleiner Teil in ihm verstand ihre Angst sogar.
Aber nichts desto trotz wollte er genauso wie die anderen überleben. Er war doch erst vierundzwanzig verdammt! Oder wie Harry jetzt sagen würde, gerade erst trocken hinter den Ohren geworden.
Es gab noch so vieles, was er in seinem Leben erreichen wollte.
Sein Blick wanderte zu Jasmine.
Er wollte sein Versprechen, welches er ihr gegeben hatte unbedingt einhalten. Er wollte den Kapitänsrang erreichen, sich ein eigenes kleines Schiff kaufen und dann mit Jasmine über die Meere reisen und die Welt erkunden. Er wollte sie heiraten, mit ihr in ein eigenes Haus ziehen und irgendwann auch mit ihr zusammen Kinder bekommen.
Ein kleines Lächeln zierte seine Lippen, als er sich vorstellte, wie er zusammen mit seinem zukünftigen Sohn im Garten Fußball spielte. Oder wie er für die Puppen seiner Tochter ein eigenes Häuschen baute. Und selbstverständlich durften in ihrer kleinen Familie auch die Haustiere nicht fehlen. Am liebsten hätte er ein oder zwei Hunde und eine Katze gehabt.
Doch solche Entscheidungen wollte er natürlich nicht ohne das Einverständnis seiner zukünftigen Frau treffen.
Er bedachte die Braunhaarige mit einem Blick voller Liebe und Zuneigung.
Ganz vorsichtig streichelte er ihr über die Wange.
Dies sorgte dafür, dass Jasmine schwach den Kopf hob und ihn anschaute.
Als sie den Blick des Offiziers sah, breitete sich augenblicklich ein Gefühl der Wärme in ihrem Herzen aus.
"Ich liebe dich über alles mein kleiner Engel." wisperte James und zog sie noch ein Stück näher an sich.
Als Jasmine kurz darauf einige sehr zarte Küsse auf ihrer Haut spürte, schaffte sie es sogar kurzzeitig die Schmerzen, die sie plagten, zu vergessen.
"Ich liebe dich auch." erwiderte sie und gab ihm zur Bestätigung ihrer Worte einen Kuss.
Sie war wirklich unendlich froh und dankbar, dass James bei ihr war. Denn schon seine bloße Anwesenheit, sowie seine liebevollen und zärtlichen Worte und Gesten gaben ihr die Kraft, die sie benötigte, um diese entsetzlichen Schmerzen zumindest etwas zu ertragen.
Und vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, aber ihr war tatsächlich seitdem James bei ihr war, etwas wärmer. Es war zwar nicht sonderlich viel, aber trotzdem fühlte sich die Kälte um sie herum jetzt irgendwie nicht mehr ganz so schneidend an.
Jasmine kuschelte sich noch etwas mehr an James an, als sie im Augenwinkel bemerkte wie die Lichter der Titanic mit einem mal wild zu flackern anfingen, bevor sie daraufhin vollständig verloschen.
Der ungewohnten Finsternis folgte ein unheimliches Geräusch, dass einem langgezogenen, qualvollen Heulen glich. Anders konnte Jasmine es jedenfalls nicht beschreiben.
Als nächstes konnte man Holz durchbrechen und Glas zersplittern hören.
"Was in Gottes Namen passiert da?" fragte James erschrocken und machte sich nicht einmal die Mühe, die Angst in seiner Stimme zu verheimlichen.
Jasmine lief es eiskalt den Rücken hinunter, als ihr klar wurde was genau dort gerade passierte.
"Sie bricht." flüsterte sie verängstigt.
"W-was?"
James kniff die Augen etwas zusammen und versuchte in der Finsternis vor sich etwas zu erkennen. Nur ganz schwach ließen sich die weißgestrichenen Decks der Titanic ausmachen.
Trotz des dröhnenden und ohrenbetäubenden Lärmes, welcher durch das brechende und reißende Eisen verursacht wurde, waren es die markerschütternden Schreie der Menschen, welche sich noch immer an Bord befanden, die das junge Paar am allermeisten verstörte.
Die Angst und der schiere Terror in ihren Stimmen zerrissen Jasmine beinahe das Herz.
Ein anderes Geräusch übertönte plötzlich die schrillen Stimmen der Passagiere. Es klang so, als wäre etwas sehr schweres auf das Wasser aufgeschlagen.
Schemenhaft konnte man erkennen, dass sich das Heck der Titanic wieder in seiner rechtmäßigen Position befand.
Kurz darauf wurde das Floß durch die entstandenen Wellen, welche jetzt deutlich stärker und viel unbarmherziger waren, in Bewegung gesetzt. Dabei knarzten die zusammengebundenen Deckstühle so laut, dass sowohl James als auch Jasmine schon glaubten, dass ihr provisorisches Floß jeden Moment auseinanderreißen würde.
Doch glücklicherweise hielten die Seile die Konstruktion weiterhin zusammen. Wenn auch gerade so.
Als sich das Wasser nach einiger Zeit dann wieder beruhigt hatte, konnte man hören, wie das Eisen der Titanic laut knirschte und heulte. Das unheimliche war aber jedoch, dass die verängstigten Schreie der Passagiere und das gequälte Kreischen des sterbenden Schiffes zu einer einzigen Stimme zu verschmelzen schienen. Man konnte nicht mehr länger sagen, ob dort nun ein Mann, eine Frau oder ein Kind schrie. Oder ob es doch nur das berstende Eisen der besiegten Titanic war, die dort in einem letzten verzweifelten Versuch von irgendjemandem erhört zu werden, aufheulte. Es war schlicht und ergreifend eine einzige laute Stimme, bei dessen Klang sich jedem augenblicklich die Nackenhaare aufstellten.
Jasmine, welche dies nicht länger ertragen konnte, hielt sich mit ihrer linken Hand das eine Ohr zu, während sie das andere an James' Brustkorb presste.
Auch der sechste Offizier hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, doch als er Jasmines Wimmern hörte, legte er seine Arme beschützend um sie und presste sie ganz dicht an seinen Körper.
Da James ehrlich gesagt nicht wusste, was genau man in so einer Situation sagen sollte, er Jasmine aber um jeden Preis beruhigen wollte, versuchte er es mit dem erstbesten, was ihm gerade einfiel.
"Shhh, hab keine Angst, ich bin ja bei dir. Alles wird gut, du wirst sehen. Hilfe ist unterwegs."
Jasmine hörte zwar das James etwas gesagt hatte, aber da sie ihre Ohren bedeckt hielt, konnte sie seine Worte nicht verstehen.
Das tat aber nichts weiter zur Sache, da schon der Klang seiner tiefen Stimme bereits ausreichend war, um sie zumindest ein kleines bisschen zu beruhigen.
Während James weiterhin leise auf die Braunhaarige einredete und ihr dabei auch sanft über den Kopf streichelte, ertönte plötzlich ein zischendes Geräusch, welches durch das schnelle entweichen von Luft verursacht wurde.
James versuchte in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen. Er musste sich schon wirklich anstrengen, aber er meinte erkennen zu können, wie das Heck der Titanic ganz langsam und fast schon senkrecht stehend im Meer versank.
Als das einstige Schiff der Träume schließlich vollständig unter der Wasseroberfläche verschwunden war, ertönten urplötzlich tausende von Stimmen um sie herum.
"Hilfe!"
"Bitte helft uns!"
James war sich sicher, unter Wasser Explosionen hören zu können. Er vermutete, dass es sich dabei um die aufgeheizten Kessel im Bauch des Schiffes handelte, die nun in mit dem eisigen Wasser des Nordatlantiks in Berührung kamen.
"Hilfe, ich kann nicht schwimmen!"
"Mama wo bist du?"
James schloss die Augen und versuchte so gut es ging die verzweifelten Schreie der anderen auszublenden.
Ab und zu hörte er in der Ferne den schrillen Klang einer Pfeife. Dabei konnte es sich nur um einen anderen Offizier handeln. Welcher seiner Kollegen es war, wusste er natürlich nicht.
"Kommt zurück, bitte!"
In den ganzen Jahren die James nun auf See war, hatte er noch nie etwas so furchtbares erlebt gehabt wie das hier. Er wusste zwar, dass das Meer wild und unberechenbar sein konnte und das man dieses auch immer mit Ehrfurcht behandeln sollte. Doch zum allerersten mal in seinem ganzen Leben, empfand er dem Meer und vorallem der Macht Mutter Naturs gegenüber unermesslichen Respekt und Angst.
Diese Tragödie hatte ihm die Augen geöffnet und gezeigt, dass auch ein großes und vermeintlich sicheres Schiff wie die Titanic, nichts im Vergleich zur Natur war.
Mit vor Angst geweiteten Augen beobachteten die Leute in Kates und Violas Boot, wie die Lichter der mächtigen Titanic noch einmal aufflackerten und dann anschließend für immer ausgingen.
Das einzige was man von dem großen Schiff noch erkennen konnte, war die dunkle Silhouette, die einen Teil des Sternenhimmels verdeckte.
Und kaum waren die Lichter verloschen, ertönte ein Geräusch, dass sowohl Viola als auch Kate durch Mark und Bein ging. Auch einige andere Insassen hörten es.
"Was ist das?" rief einer von ihnen verängstigt.
Gebannt starrten die zwei Freundinnen in die Finsternis.
Sie beide wussten ganz genau, was dieses Geräusch zu bedeuten hatte.
Als dann plötzlich ein Teil des Himmels, der bis eben noch verdeckt gewesen war wieder sichtbar wurde, wussten sie, dass das Schiff in zwei Teile gebrochen war.
Viola hatte das Gefühl, dass die Minuten, in denen sie dem letzten Todeskampf des Schiffes zusah, wie in Zeitlupe vergingen.
Irgendwann war das Heck schließlich komplett von der Bildfläche verschwunden.
An der Stelle, an welcher sich bis vor ein paar Sekunden noch die Titanic befunden hatte, tummelten sich nun tausende von Menschen.
Vor ihnen befand sich ein regelrechtes Meer aus unzähligen Menschen in weißen Rettungswesten, welche man trotz der großen Entfernung sehr gut in der Dunkelheit erkennen konnte.
"Kommt bitte zurück!"
"Helft uns um Gottes Willen!"
Obwohl diese Schreie die wohl schrecklichsten waren, die Viola jemals gehört hatte und eigentlich nichts weiter wollte als diese irgendwie auszublenden, erwischte sie sich selbst dabei wie sie versuchte, in diesem Wirrwarr an Stimmen drei bestimmte ausfindig zu machen.
Kate bemerkte dies und auch sie lauschte angestrengt auf ein Anzeichen ihrer drei Freunde.
Ihr Blick jedoch wanderte immer wieder rüber zu Lukas. Dieser war immernoch bewusstslos und saß zusammengesackt zwischen ihr und Viola.
Voller Abscheu schaute sie dann zu dem Matrosen, der für das Boot verantwortlich war.
Worte konnten nicht beschreiben, wie sehr sie dieses lausige Beispiel eines Menschen hasste. Nicht nur weil er ihren Freund bewusstlos geschlagen hatte, sondern auch für sein egoistisches und empathieloses Verhalten.
Kümmerten ihn die Leben dieser armen Menschen da draußen denn überhaupt nicht? Wie konnte eine Person nur so seelenruhig da sitzen, während nur ein paar hundert Meter weiter tausende von Männern, Frauen und Kinder um Hilfe flehten und ertranken?
"Vielleicht hatte der Junge recht. Vielleicht sollten wir wirklich versuchen den Leuten zu helfen. Zumindest ein paar von ihnen."
Kaum hatte die Frau hinter Kate diese Worte ausgesprochen, erhob sich der Matrose.
"Habe ich mich vorhin etwa nicht klar genug ausgedrückt? Wir kehren auf keinen Fall um!" blaffte er und starrte jeden einzelnen von ihnen warnend an. Allen voran Kate und Viola.
Diese konnten spüren, wie ihnen die Galle fast hoch kam.
Obwohl sie beide diesen kaltherzigen Bastard am liebsten gepackt und eigenhändig aus dem Boot geworfen hätten, mussten sie zähneknirschend einsehen, dass er am längeren Hebel saß. Und da sie nicht wussten zu was dieser Kerl noch alles fähig war, hielten sie es für das beste, nicht weiter auffällig zu werden und sich stattdessen zu fügen.
Der grelle Strahl einer Taschenlampe, welcher in unmittelbarer Nähe hin und her wanderte, erregte die Aufmerksamkeit des Matrosen. Vermutlich war dieses Boot auf der Suche nach irgendetwas.
Als der Strahl der Taschenlampe kurz darauf in ihre Richtung zeigte, erhob sich der Seemann von seinem Platz.
"Welches Boot ist da?"
Beim barschen Klang von Harold Lowes Stimme, zuckten einige der Insassen erschrocken zusammen.
"Hier ist Seemann Spencer aus Boot Nr. 15. Mit wem spreche ich da?" rief der Matrose.
"Hier ist der fünfte Offizier. Bleibt wo ihr seid, wir kommen zu euch!"
Nach ein paar Minuten war Harrys Boot schließlich bei ihnen angelangt.
Dem Blick des fünften Offiziers nach zu urteilen war er einerseits froh aber andererseits auch etwas enttäuscht darüber, dass Boot voll vorzufinden.
"Habt ihr die anderen gesehen?" fragte er den Seemann ohne Umschweife. Dieser nickte und zeigte auf eine Stelle weiter hinten.
"Ich glaube da vorne müssten noch zwei Boote sein. Aber wozu wollen Sie das wissen Sir?"
Harry schaute kurz in die Richtung in welche der Matrose gezeigt hatte, bevor er sich ihm wieder zuwandte.
"Ich will zurückrudern und so viele Menschen wie nur möglich aus dem Wasser holen. Dazu brauche ich aber die anderen Boote, um die Passagiere aus meinem in die anderen umsteigen zu lassen."
Der Matrose gab nur einen brummenden Laut von sich. Sehr zu Violas und Kates Überraschung.
Kurz ließ Harry seinen Blick über die Insassen wandern. Als er dabei die Gesichter der zwei Freundinnen ausmachte, zeichnete sich ein Anflug der Erleichterung in seinem Gesicht ab. Als er allerdings feststellen musste, dass von Jasmine jede Spur fehlte und das Lukas zusammengesackt an Kate gelehnt da saß, war diese auch ganz schnell wieder verschwunden.
Stattdessen legte sich seine Stirn vor lauter Sorge in Falten.
"Viola! Kate! Was ist mit Lukas passiert? Und wo ist Jasmine?"
Beide sahen erst sich an, bevor ihre Blicke unsicher zu dem Verantwortlichen des Bootes wanderten.
Harold entging ihr Blickaustausch nicht. Er wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.
Bevor er jedoch näher nachhaken konnte, ertönte eine unbekannte männliche Stimme.
"Hallo? Ist da noch ein anderes Boot?"
Sowohl Harold als auch der Matrose, drehten sich in die Richtung aus der die Stimme kam.
Mit seiner Taschenlampe leuchtete der Offizier in die Finsternis und erkannte, wie eines der Faltboote auf sie zusteuerte.
Direkt dahinter bemerkte Harold noch zwei weitere Boote, die sich ihnen langsam näherten. Scheinbar wurden sie alle durch das Licht seiner Taschenlampe angelockt.
Er hatte eine Idee.
Mit Hilfe der Taschenlampe und seiner lauten, kraftvollen Stimme, schaffte er es, insgesamt vier Boote zusammen zu treiben.
"Vertäut diese zwei Boote auch noch! Und stellt sicher, dass die Seile gut befestigt sind!" befahl Harold und beobachtete das Treiben genauestens.
Plötzlich drehte er den Kopf weg und lauschte einige Sekunden den Schreien der Sterbenden, bevor er sich den Insassen der sechs Boote wieder zuwandte.
"Also gut Männer, wir müssen zurück! Ich möchte, dass alle Frauen so schnell wie möglich aus diesem Boot in die anderen umsteigen! Machen wir ein bisschen Platz!"
Zögernd erhoben sich die Frauen von ihren Plätzen. Auf unsicheren Beinen und mit Hilfe einiger Männer, kletterten sie schließlich in die daneben liegenden Boote.
Voller Ungeduld beobachtete der fünfte Offizier, wie sich sein Boot nur langsam leerte.
Einmal schrie er vor lauter Ungeduld und Frust eine Frau an, dass sie doch verdammt nochmal springen soll.
Es war wirklich nervenzermürbend und ehrlich gesagt auch recht wahnsinnig, mitten auf dem Nordatlantik um kurz vor drei am Morgen, die Leute von einem Boot ins andere umsteigen zu lassen. Aber niemand wagte es auch nur im Traum, dem temperamentvollen fünften Offizier zu widersprechen. Nicht einmal dieser egoistische Matrose sagte etwas.
"Macht schneller!" blaffte er immer wieder.
Eine in einen dichten Schal gehüllte ältere Dame, nahm sich seinen Rat zu Herzen und eilte mit flinken Füßen auf den Rand des Bootes zu. Dies machte Harold allerdings stutzig.
Mit einer einzigen Bewegung riss er der Dame den Schal vom Kopf. Als er dann statt in das faltige Gesicht einer Frau in das eines jungen Mannes sah, wurde er richtig wütend.
"Wie kannst du Feigling es nur wagen!" knurrte er und stieß den Mann so grob er nur konnte in das Boot daneben.
In der Zeit, in welcher der Mann sich leise winselnd wieder aufrichtete und neben zwei älteren Damen platz nahm, half Harold einer jungen Frau mit Kind beim umsteigen.
Während Viola und Kate das ganze Treiben stumm beobachteten, stellten sie erstaunt fest, dass Harrys temperamentvolle Art der von Lukas nicht ganz unähnlich war.
Ein Blick in seine Richtung verriet jedoch, dass der Schwarzhaarige immernoch nicht bei Bewusstsein war.
Vorsichtig tastete Kate über seinen Kopf. Als sie spürte, dass die entstandene Beule noch etwas größer geworden war, wurde ihre Sorge um ihn und ihre Wut auf den Matrosen noch größer.
"Mistkerl!" zischte sie so leise, dass nur Viola sie hören konnte.
Obwohl die Brünette den Zorn ihrer Freundin sehr gut nachvollziehen konnte, machten zwei andere Sachen ihr weitaus größere Sorgen. Nämlich einmal die Ungewissheit, ob Oliver, Jasmine und James in Sicherheit waren und zum zweiten die Tatsache, dass die Schreie der Leute im Wasser allmählich leiser wurden.
"Es wird leiser." murmelte Jasmine mit schwacher Stimme.
James, welcher seine Verlobte noch immer in den Armen hielt, brummte zur Bestätigung leise.
Sein ganzer Körper fühlte sich wie betäubt an. Und obwohl dies eigentlich ein schlechtes Zeichen war, empfand James es als Erleichterung. Er fühlte kaum noch irgendwelche Schmerzen. Sein Körper hatte außerdem schon bereits vor gut einer viertel Stunde vollends aufgehört zu zittern. Jetzt war er nur noch müde. Er wollte wirklich nichts weiter, als die Augen zu schließen und einfach zu schlafen. Doch seine Sorge um Jasmine brachte ihn dazu, dem Drang zu widerstehen.
Denn obwohl James sich bereits in einem sehr kritischen Zustand befand, war es das Leben seiner Liebsten, um das er große Angst hatte.
Ihre Atmung war in der vergangenen Stunde nämlich sehr unregelmäßig und flach geworden. Die Flanken hoben und senkten sich kaum noch. Sogar das Brodeln und Pfeifen in ihrer Lunge war weniger geworden.
Und immer wieder passierte es, dass sie kurzzeitig das Bewusstsein verlor.
Zwar schaffte James es sie wieder aufzuwecken, doch die Zeit die es dauerte, bis sie wieder bei Bewusstsein war, wurde mit jedem mal länger.
"Du darfst nicht...einschlafen." flüsterte er mit heiserer Stimme.
"Bin...müde...kann...nicht mehr..." antwortete die Braunhaarige nur schwach.
Doch James wusste, dass er sie um jeden Preis vom Einschlafen abhalten musste. Das sprechen kostete ihn zwar sehr viel Mühe und Kraft, aber er musste sie unbedingt wach halten.
"H-hör zu, d-die Rettungsboote werden...werden bald zurück kommen. Du wirst sehen, sie w-werden uns aus dem Wa-Wasser holen."
Jasmine hatte ihren Kopf an seinen Brustkorb geschmiegt und schwieg.
"Da-das Schiff was uns retten wird...ist unterwegs. E-es wird bald da sein. Du...du musst nur noch ein bisschen durchhalten, hörst du?"
Abwesend starrte die Braunhaarige ins Leere. Sie lauschte den langsam verstummenden Schreien der anderen.
Ihr Blick war leer. Der Kopf frei von jeglichen Gedanken und ihr Körper, welcher sich so anfühlte als wäre er aus Blei, lehnte schwer an dem ihres Liebsten.
Jasmine wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihr Herz, welches unregelmäßig in ihrer Brust schlug, für immer zum Stillstand kommen würde.
Doch obwohl ihr klar war, dass es für sie keine Hoffnung mehr gab und sie bald sterben würde, wehrte sie sich mit aller Macht dagegen. Sie wollte nicht sterben, zumindest nicht bevor sie James gesagt hatte, wie sehr sie ihn liebte und wie dankbar sie ihm für alles war.
Mühevoll atmete sie einige Male ein und aus. Während sie das tat, nahm sie all ihre verbliebende Kraft zusammen um zu sprechen.
"Ich liebe dich James."
Zwar waren ihre Worte kaum mehr als ein schwaches Flüstern, aber James verstand jedes einzelne von ihnen genau. Sein Herz stoppte kurz darauf für etwa eine Sekunde.
"H-hey, was soll das? Du d-darfst dich noch nicht verabschieden. Nicht jetzt...hast du verstanden? Hilfe ist unterwegs, du musst nur noch ein bisschen durchhalten!"
Obwohl er versuchte zuversichtlich zu klingen, zitterte seine Stimme nur so vor Angst und Hilflosigkeit.
Doch da Jasmine wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, ignorierte sie seinen Protest und sprach weiter.
"Ich bin...so dankbar für alles...was passiert ist. Das bin ich...bin ich wirklich. Es tut mir nur leid, dass ich...dass ich meine ganzen Versprechen nicht...einhalten...konnte. Ich–..."
Ein kleiner Hustenanfall unterbrach Jasmine. Ihr Körper krümmte sich daraufhin vor Schmerz.
"Shhh, nicht sprechen, ist schon gut." sagte der sechste Offizier und zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Seine Hand strich dabei zur Beruhigung mehrmals sanft über ihre blasse, eiskalte Wange.
'Aber es gibt noch so vieles, was ich dir sagen möchte!' rief sie in ihren Gedanken protestierend.
Nachdem der Hustenanfall aufgehört hatte ihren ohnehin schon geschwächten Körper durchzuschütteln, blieb sie für eine ganze Weile nach Atem ringend in James' Armen liegen. Ihre Augen waren dabei geschlossen.
Als sich Jasmines Atmung irgendwann wieder etwas beruhigt hatte, setzte sie erneut zu sprechen an.
"James...du...du musst mir etwas...ver...sprechen." bat die Braunhaarige ihn flüsternd.
Der Offizier gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Bitte, schone deine Kräfte." sagte er und versuchte sie damit vom Sprechen abzuhalten. Er wusste was sie damit bezweckte, doch er wollte es nicht akzeptieren. Er konnte es einfach nicht.
"James...bitte!"
Die Dringlichkeit und Verzweiflung mit welcher Jasmine da sprach, zerriss ihn innerlich. Die traurige Erkenntnis fraß ihn regelrecht auf. Und das obwohl sein Verstand es noch immer nicht wahrhaben wollte. Er redete sich immer wieder ein, dass das gerade nicht wirklich passierte. Das es nur ein böser Traum war, aus dem er jeden Moment erwachen würde. Doch je mehr er sich das einredete, je mehr er versuchte die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, desto größer wurde der Schmerz in seinem Herzen.
"Bitte, tu mir das nicht an. Du kannst...kannst mich doch nicht einfach so...verlassen. Ich brauche dich Jasmine! Ich liebe dich doch!"
Mit jedem Wort das James da sagte, wurde die Verzweiflung in ihm größer und größer.
"Du hast mir versprochen mich nie zu verlassen! Wir wollten doch heiraten und...und zusammen die Welt bereisen! Ich wollte eine Familie mit dir gründen! Du wärst eine so wundervolle Mutter! Ich bitte dich, bleib bei mir!"
Nun begannen Tränen an James' Wangen hinunter zu laufen.
"Bitte!" flehte er und berührte ihre Stirn mit seiner.
Jasmine öffnete die Augen und sah ihn traurig und voller Reue an.
Mühevoll und unter starken Schmerzen, streckte sie ihre Hand nach ihm aus.
Liebevoll streichelte sie ihm über die Wange.
"Du musst mir...eine...Sache versprechen."
"Alles mein Engel." sagte James nach kurzem zögern.
Ein schwaches Lächeln huschte Jasmine über die Lippen.
"Versprich mir...dass du überlebst und...und deine Träume ver...wirklichst. Trauer nicht um mich...lebe dein Leben, finde eine hübsche Frau und...heirate sie. Werde Vater und geb...dein Wissen an deine Enkel weiter."
Jedes einzelne Wort schnitt ihm tiefe Wunden in sein Herz.
"Ich kann nicht. Ich will kein Leben ohne dich führen!" widersprach er kraftlos.
"Du...musst!" entgegnete Jasmine daraufhin nur und hustete erneut. Doch dieses Mal war der Anfall deutlich länger.
Die Braunhaarige rang angestrengt nach Atem. Ihre vor Angst geweiteten blaugrauen Augen trafen dabei auf seine haselnussfarbenen.
"Habe ich dir jemals gesagt, wie wunderschön deine Augen sind?" fragte James plötzlich.
Jasmine lächelte schwach und schüttelte kaum merklich den Kopf.
"Es sind die schönsten Augen die ich jemals gesehen habe." gestand er ihr unter Tränen.
Trotz der Angst in ihrem Blick glaubte er, aufgrund seiner Worte ein dankbares Funkeln in ihnen zu sehen.
Doch so schnell er meinte es gesehen zu haben, war es auch wieder verschwunden. Stattdessen lag jetzt ein wissendes Leuchten in ihnen.
"Es war nie mein Schicksal gewesen...Teil deiner Zukunft zu sein. Ich werde aber immer...ein Teil deiner...Vergangenheit sein, der dir die Zukunft...ermöglicht hat. Das ist mein...mein letztes Geschenk an dich. Nimm es bitte an...und lebe für uns beide." wisperte sie und wischte ihm daraufhin einige Tränen weg.
James hob seine Hand und berührte mit ihr die von Jasmine. Er sah, dass das Leben allmählich aus ihren Augen wich. Diese Augen, die ihn immer so zärtlich und verliebt angesehen hatten, wurden immer leerer.
Es gab noch so viele unzählige Dinge, die er ihr noch sagen wollte. Doch er wusste nicht einmal im entferntesten, wo er anfangen sollte. So viele Worte die noch ungesagt waren und für immer ungesagt bleiben würden, schwirrten ihm im Kopf herum.
Sein Hals fühlte sich mit einem mal wie zugeschnürt an. Die einzigen Laute die machen konnte, waren tieftraurige Schluchzer.
"Weine nicht...mein Liebster. Es ist...schon...in Ordnung."
Jasmines Stimme wurde mit jedem mal leiser und leiser. Ihre Lider wurden immer schwerer und schwerer.
Während sie ihrem geliebten James in die tränenerfüllten Augen sah, begann sie in ihrem Kopf eine weibliche Stimme zu hören, die nach ihr rief.
'Komm zu mir. Es ist Zeit.' flüsterte ihr diese unbekannte Stimme leise ins Ohr.
'Warte, ich will noch nicht gehen. Es gibt doch noch so viel, was ich James sagen möchte!' bat Jasmine flehend.
'Du brauchst keine Angst zu haben. Du musst einfach loslassen.' sagte eine warme männliche Stimme freundlich.
Je mehr Jasmine versuchte sich dagegen zu wehren, desto mehr Stimmen erklangen. Es waren hunderte, wenn nicht sogar tausende. Es waren Stimmen von Frauen, Kindern und Männern.
Sie alle waren freundlich und sagten ihr, dass sie sich nicht zu fürchten brauchte.
Das alles gut werden würde und sie nun sicher wäre.
'Also gut. Holt mich zu euch.' sagte Jasmine dann und gab den Kampf gegen den Tod schließlich auf. Ein letztes mal schaute sie James in die Augen. Diese weiteten sich erschrocken und sein Mund bewegte sich. Doch aufgrund der vielen Stimmen die beruhigend auf sie einredeten, konnte sie die Worte, die er sagte, nicht hören.
'Lebe lang und lebe glücklich. Eines Tages werden wir uns wieder sehen. Und bis es soweit ist, werde ich auf dich warten. Leb wohl mein Liebster.'
Dies waren die Worte, die sie James so gerne noch gesagt hätte. Doch sie wusste, dass diese Worte für immer unausgesprochen bleiben würden.
"Ich liebe dich." flüsterte sie ein allerletztes mal, bevor alles um sie herum schwarz wurde.
Ihr fragt euch sicher jetzt, wie es sein kann, dass es so schnell schon Nachschub gibt. Tja ihr Lieben, das liegt daran, dass ich jetzt erstens ein paar Tage frei habe und zweitens, gerade hochmotiviert bin. Meine erste praktische Fahrstunde steht jetzt nämlich am Dienstag an und ich freue mich echt unnormal darauf.
(Daher auch meine übergroße Motivation.)
Ich hoffe nur, dass ich die Karre dabei nicht allzu oft abwürgen werde. D:
Naja nichts desto trotz wünsche ich euch allen ein schönes Wochenende und selbstverständlich auch viel Spaß beim lesen des neuen Kapitels.
Gruß SunshineOak. :)
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Zusammengekauert und zitternd, saß das wiedervereinte Paar auf den an der Oberfläche treibenden Deckstühlen.
Während Jasmine die Augen halb geschlossen hatte und versuchte, halbwegs gleichmäßig zu atmen, beobachtete James, wie sich die Titanic immer mehr aufbäumte.
Aufgrund ihrer Lichter konnte er erkennen, dass sich mittlerweile hunderte von Menschen, in ihrer verzweifelten Hoffnung auf Sicherheit, am Heck zusammengefunden hatten. Ihre lauten Schreie zeugten dabei von unbeschreiblicher Angst und schier endlosem Entsetzen.
Kein Wunder, ihnen allen war immerhin bewusst, dass keine Rettungsboote mehr vorhanden waren und es nur eine Frage der Zeit war, bis die Titanic komplett versinken würde.
Doch was James viel schlimmer fand als das war die Tatsache, dass von denen in den Booten keiner zurückrudern würde um zu helfen.
Doch obwohl ihn dieser Fakt erschaudern ließ, konnte er ihnen auf der anderen Seite auch keine Vorwürfe machen. Ein kleiner Teil in ihm verstand ihre Angst sogar.
Aber nichts desto trotz wollte er genauso wie die anderen überleben. Er war doch erst vierundzwanzig verdammt! Oder wie Harry jetzt sagen würde, gerade erst trocken hinter den Ohren geworden.
Es gab noch so vieles, was er in seinem Leben erreichen wollte.
Sein Blick wanderte zu Jasmine.
Er wollte sein Versprechen, welches er ihr gegeben hatte unbedingt einhalten. Er wollte den Kapitänsrang erreichen, sich ein eigenes kleines Schiff kaufen und dann mit Jasmine über die Meere reisen und die Welt erkunden. Er wollte sie heiraten, mit ihr in ein eigenes Haus ziehen und irgendwann auch mit ihr zusammen Kinder bekommen.
Ein kleines Lächeln zierte seine Lippen, als er sich vorstellte, wie er zusammen mit seinem zukünftigen Sohn im Garten Fußball spielte. Oder wie er für die Puppen seiner Tochter ein eigenes Häuschen baute. Und selbstverständlich durften in ihrer kleinen Familie auch die Haustiere nicht fehlen. Am liebsten hätte er ein oder zwei Hunde und eine Katze gehabt.
Doch solche Entscheidungen wollte er natürlich nicht ohne das Einverständnis seiner zukünftigen Frau treffen.
Er bedachte die Braunhaarige mit einem Blick voller Liebe und Zuneigung.
Ganz vorsichtig streichelte er ihr über die Wange.
Dies sorgte dafür, dass Jasmine schwach den Kopf hob und ihn anschaute.
Als sie den Blick des Offiziers sah, breitete sich augenblicklich ein Gefühl der Wärme in ihrem Herzen aus.
"Ich liebe dich über alles mein kleiner Engel." wisperte James und zog sie noch ein Stück näher an sich.
Als Jasmine kurz darauf einige sehr zarte Küsse auf ihrer Haut spürte, schaffte sie es sogar kurzzeitig die Schmerzen, die sie plagten, zu vergessen.
"Ich liebe dich auch." erwiderte sie und gab ihm zur Bestätigung ihrer Worte einen Kuss.
Sie war wirklich unendlich froh und dankbar, dass James bei ihr war. Denn schon seine bloße Anwesenheit, sowie seine liebevollen und zärtlichen Worte und Gesten gaben ihr die Kraft, die sie benötigte, um diese entsetzlichen Schmerzen zumindest etwas zu ertragen.
Und vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, aber ihr war tatsächlich seitdem James bei ihr war, etwas wärmer. Es war zwar nicht sonderlich viel, aber trotzdem fühlte sich die Kälte um sie herum jetzt irgendwie nicht mehr ganz so schneidend an.
Jasmine kuschelte sich noch etwas mehr an James an, als sie im Augenwinkel bemerkte wie die Lichter der Titanic mit einem mal wild zu flackern anfingen, bevor sie daraufhin vollständig verloschen.
Der ungewohnten Finsternis folgte ein unheimliches Geräusch, dass einem langgezogenen, qualvollen Heulen glich. Anders konnte Jasmine es jedenfalls nicht beschreiben.
Als nächstes konnte man Holz durchbrechen und Glas zersplittern hören.
"Was in Gottes Namen passiert da?" fragte James erschrocken und machte sich nicht einmal die Mühe, die Angst in seiner Stimme zu verheimlichen.
Jasmine lief es eiskalt den Rücken hinunter, als ihr klar wurde was genau dort gerade passierte.
"Sie bricht." flüsterte sie verängstigt.
"W-was?"
James kniff die Augen etwas zusammen und versuchte in der Finsternis vor sich etwas zu erkennen. Nur ganz schwach ließen sich die weißgestrichenen Decks der Titanic ausmachen.
Trotz des dröhnenden und ohrenbetäubenden Lärmes, welcher durch das brechende und reißende Eisen verursacht wurde, waren es die markerschütternden Schreie der Menschen, welche sich noch immer an Bord befanden, die das junge Paar am allermeisten verstörte.
Die Angst und der schiere Terror in ihren Stimmen zerrissen Jasmine beinahe das Herz.
Ein anderes Geräusch übertönte plötzlich die schrillen Stimmen der Passagiere. Es klang so, als wäre etwas sehr schweres auf das Wasser aufgeschlagen.
Schemenhaft konnte man erkennen, dass sich das Heck der Titanic wieder in seiner rechtmäßigen Position befand.
Kurz darauf wurde das Floß durch die entstandenen Wellen, welche jetzt deutlich stärker und viel unbarmherziger waren, in Bewegung gesetzt. Dabei knarzten die zusammengebundenen Deckstühle so laut, dass sowohl James als auch Jasmine schon glaubten, dass ihr provisorisches Floß jeden Moment auseinanderreißen würde.
Doch glücklicherweise hielten die Seile die Konstruktion weiterhin zusammen. Wenn auch gerade so.
Als sich das Wasser nach einiger Zeit dann wieder beruhigt hatte, konnte man hören, wie das Eisen der Titanic laut knirschte und heulte. Das unheimliche war aber jedoch, dass die verängstigten Schreie der Passagiere und das gequälte Kreischen des sterbenden Schiffes zu einer einzigen Stimme zu verschmelzen schienen. Man konnte nicht mehr länger sagen, ob dort nun ein Mann, eine Frau oder ein Kind schrie. Oder ob es doch nur das berstende Eisen der besiegten Titanic war, die dort in einem letzten verzweifelten Versuch von irgendjemandem erhört zu werden, aufheulte. Es war schlicht und ergreifend eine einzige laute Stimme, bei dessen Klang sich jedem augenblicklich die Nackenhaare aufstellten.
Jasmine, welche dies nicht länger ertragen konnte, hielt sich mit ihrer linken Hand das eine Ohr zu, während sie das andere an James' Brustkorb presste.
Auch der sechste Offizier hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, doch als er Jasmines Wimmern hörte, legte er seine Arme beschützend um sie und presste sie ganz dicht an seinen Körper.
Da James ehrlich gesagt nicht wusste, was genau man in so einer Situation sagen sollte, er Jasmine aber um jeden Preis beruhigen wollte, versuchte er es mit dem erstbesten, was ihm gerade einfiel.
"Shhh, hab keine Angst, ich bin ja bei dir. Alles wird gut, du wirst sehen. Hilfe ist unterwegs."
Jasmine hörte zwar das James etwas gesagt hatte, aber da sie ihre Ohren bedeckt hielt, konnte sie seine Worte nicht verstehen.
Das tat aber nichts weiter zur Sache, da schon der Klang seiner tiefen Stimme bereits ausreichend war, um sie zumindest ein kleines bisschen zu beruhigen.
Während James weiterhin leise auf die Braunhaarige einredete und ihr dabei auch sanft über den Kopf streichelte, ertönte plötzlich ein zischendes Geräusch, welches durch das schnelle entweichen von Luft verursacht wurde.
James versuchte in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen. Er musste sich schon wirklich anstrengen, aber er meinte erkennen zu können, wie das Heck der Titanic ganz langsam und fast schon senkrecht stehend im Meer versank.
Als das einstige Schiff der Träume schließlich vollständig unter der Wasseroberfläche verschwunden war, ertönten urplötzlich tausende von Stimmen um sie herum.
"Hilfe!"
"Bitte helft uns!"
James war sich sicher, unter Wasser Explosionen hören zu können. Er vermutete, dass es sich dabei um die aufgeheizten Kessel im Bauch des Schiffes handelte, die nun in mit dem eisigen Wasser des Nordatlantiks in Berührung kamen.
"Hilfe, ich kann nicht schwimmen!"
"Mama wo bist du?"
James schloss die Augen und versuchte so gut es ging die verzweifelten Schreie der anderen auszublenden.
Ab und zu hörte er in der Ferne den schrillen Klang einer Pfeife. Dabei konnte es sich nur um einen anderen Offizier handeln. Welcher seiner Kollegen es war, wusste er natürlich nicht.
"Kommt zurück, bitte!"
In den ganzen Jahren die James nun auf See war, hatte er noch nie etwas so furchtbares erlebt gehabt wie das hier. Er wusste zwar, dass das Meer wild und unberechenbar sein konnte und das man dieses auch immer mit Ehrfurcht behandeln sollte. Doch zum allerersten mal in seinem ganzen Leben, empfand er dem Meer und vorallem der Macht Mutter Naturs gegenüber unermesslichen Respekt und Angst.
Diese Tragödie hatte ihm die Augen geöffnet und gezeigt, dass auch ein großes und vermeintlich sicheres Schiff wie die Titanic, nichts im Vergleich zur Natur war.
Mit vor Angst geweiteten Augen beobachteten die Leute in Kates und Violas Boot, wie die Lichter der mächtigen Titanic noch einmal aufflackerten und dann anschließend für immer ausgingen.
Das einzige was man von dem großen Schiff noch erkennen konnte, war die dunkle Silhouette, die einen Teil des Sternenhimmels verdeckte.
Und kaum waren die Lichter verloschen, ertönte ein Geräusch, dass sowohl Viola als auch Kate durch Mark und Bein ging. Auch einige andere Insassen hörten es.
"Was ist das?" rief einer von ihnen verängstigt.
Gebannt starrten die zwei Freundinnen in die Finsternis.
Sie beide wussten ganz genau, was dieses Geräusch zu bedeuten hatte.
Als dann plötzlich ein Teil des Himmels, der bis eben noch verdeckt gewesen war wieder sichtbar wurde, wussten sie, dass das Schiff in zwei Teile gebrochen war.
Viola hatte das Gefühl, dass die Minuten, in denen sie dem letzten Todeskampf des Schiffes zusah, wie in Zeitlupe vergingen.
Irgendwann war das Heck schließlich komplett von der Bildfläche verschwunden.
An der Stelle, an welcher sich bis vor ein paar Sekunden noch die Titanic befunden hatte, tummelten sich nun tausende von Menschen.
Vor ihnen befand sich ein regelrechtes Meer aus unzähligen Menschen in weißen Rettungswesten, welche man trotz der großen Entfernung sehr gut in der Dunkelheit erkennen konnte.
"Kommt bitte zurück!"
"Helft uns um Gottes Willen!"
Obwohl diese Schreie die wohl schrecklichsten waren, die Viola jemals gehört hatte und eigentlich nichts weiter wollte als diese irgendwie auszublenden, erwischte sie sich selbst dabei wie sie versuchte, in diesem Wirrwarr an Stimmen drei bestimmte ausfindig zu machen.
Kate bemerkte dies und auch sie lauschte angestrengt auf ein Anzeichen ihrer drei Freunde.
Ihr Blick jedoch wanderte immer wieder rüber zu Lukas. Dieser war immernoch bewusstslos und saß zusammengesackt zwischen ihr und Viola.
Voller Abscheu schaute sie dann zu dem Matrosen, der für das Boot verantwortlich war.
Worte konnten nicht beschreiben, wie sehr sie dieses lausige Beispiel eines Menschen hasste. Nicht nur weil er ihren Freund bewusstlos geschlagen hatte, sondern auch für sein egoistisches und empathieloses Verhalten.
Kümmerten ihn die Leben dieser armen Menschen da draußen denn überhaupt nicht? Wie konnte eine Person nur so seelenruhig da sitzen, während nur ein paar hundert Meter weiter tausende von Männern, Frauen und Kinder um Hilfe flehten und ertranken?
"Vielleicht hatte der Junge recht. Vielleicht sollten wir wirklich versuchen den Leuten zu helfen. Zumindest ein paar von ihnen."
Kaum hatte die Frau hinter Kate diese Worte ausgesprochen, erhob sich der Matrose.
"Habe ich mich vorhin etwa nicht klar genug ausgedrückt? Wir kehren auf keinen Fall um!" blaffte er und starrte jeden einzelnen von ihnen warnend an. Allen voran Kate und Viola.
Diese konnten spüren, wie ihnen die Galle fast hoch kam.
Obwohl sie beide diesen kaltherzigen Bastard am liebsten gepackt und eigenhändig aus dem Boot geworfen hätten, mussten sie zähneknirschend einsehen, dass er am längeren Hebel saß. Und da sie nicht wussten zu was dieser Kerl noch alles fähig war, hielten sie es für das beste, nicht weiter auffällig zu werden und sich stattdessen zu fügen.
Der grelle Strahl einer Taschenlampe, welcher in unmittelbarer Nähe hin und her wanderte, erregte die Aufmerksamkeit des Matrosen. Vermutlich war dieses Boot auf der Suche nach irgendetwas.
Als der Strahl der Taschenlampe kurz darauf in ihre Richtung zeigte, erhob sich der Seemann von seinem Platz.
"Welches Boot ist da?"
Beim barschen Klang von Harold Lowes Stimme, zuckten einige der Insassen erschrocken zusammen.
"Hier ist Seemann Spencer aus Boot Nr. 15. Mit wem spreche ich da?" rief der Matrose.
"Hier ist der fünfte Offizier. Bleibt wo ihr seid, wir kommen zu euch!"
Nach ein paar Minuten war Harrys Boot schließlich bei ihnen angelangt.
Dem Blick des fünften Offiziers nach zu urteilen war er einerseits froh aber andererseits auch etwas enttäuscht darüber, dass Boot voll vorzufinden.
"Habt ihr die anderen gesehen?" fragte er den Seemann ohne Umschweife. Dieser nickte und zeigte auf eine Stelle weiter hinten.
"Ich glaube da vorne müssten noch zwei Boote sein. Aber wozu wollen Sie das wissen Sir?"
Harry schaute kurz in die Richtung in welche der Matrose gezeigt hatte, bevor er sich ihm wieder zuwandte.
"Ich will zurückrudern und so viele Menschen wie nur möglich aus dem Wasser holen. Dazu brauche ich aber die anderen Boote, um die Passagiere aus meinem in die anderen umsteigen zu lassen."
Der Matrose gab nur einen brummenden Laut von sich. Sehr zu Violas und Kates Überraschung.
Kurz ließ Harry seinen Blick über die Insassen wandern. Als er dabei die Gesichter der zwei Freundinnen ausmachte, zeichnete sich ein Anflug der Erleichterung in seinem Gesicht ab. Als er allerdings feststellen musste, dass von Jasmine jede Spur fehlte und das Lukas zusammengesackt an Kate gelehnt da saß, war diese auch ganz schnell wieder verschwunden.
Stattdessen legte sich seine Stirn vor lauter Sorge in Falten.
"Viola! Kate! Was ist mit Lukas passiert? Und wo ist Jasmine?"
Beide sahen erst sich an, bevor ihre Blicke unsicher zu dem Verantwortlichen des Bootes wanderten.
Harold entging ihr Blickaustausch nicht. Er wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.
Bevor er jedoch näher nachhaken konnte, ertönte eine unbekannte männliche Stimme.
"Hallo? Ist da noch ein anderes Boot?"
Sowohl Harold als auch der Matrose, drehten sich in die Richtung aus der die Stimme kam.
Mit seiner Taschenlampe leuchtete der Offizier in die Finsternis und erkannte, wie eines der Faltboote auf sie zusteuerte.
Direkt dahinter bemerkte Harold noch zwei weitere Boote, die sich ihnen langsam näherten. Scheinbar wurden sie alle durch das Licht seiner Taschenlampe angelockt.
Er hatte eine Idee.
Mit Hilfe der Taschenlampe und seiner lauten, kraftvollen Stimme, schaffte er es, insgesamt vier Boote zusammen zu treiben.
"Vertäut diese zwei Boote auch noch! Und stellt sicher, dass die Seile gut befestigt sind!" befahl Harold und beobachtete das Treiben genauestens.
Plötzlich drehte er den Kopf weg und lauschte einige Sekunden den Schreien der Sterbenden, bevor er sich den Insassen der sechs Boote wieder zuwandte.
"Also gut Männer, wir müssen zurück! Ich möchte, dass alle Frauen so schnell wie möglich aus diesem Boot in die anderen umsteigen! Machen wir ein bisschen Platz!"
Zögernd erhoben sich die Frauen von ihren Plätzen. Auf unsicheren Beinen und mit Hilfe einiger Männer, kletterten sie schließlich in die daneben liegenden Boote.
Voller Ungeduld beobachtete der fünfte Offizier, wie sich sein Boot nur langsam leerte.
Einmal schrie er vor lauter Ungeduld und Frust eine Frau an, dass sie doch verdammt nochmal springen soll.
Es war wirklich nervenzermürbend und ehrlich gesagt auch recht wahnsinnig, mitten auf dem Nordatlantik um kurz vor drei am Morgen, die Leute von einem Boot ins andere umsteigen zu lassen. Aber niemand wagte es auch nur im Traum, dem temperamentvollen fünften Offizier zu widersprechen. Nicht einmal dieser egoistische Matrose sagte etwas.
"Macht schneller!" blaffte er immer wieder.
Eine in einen dichten Schal gehüllte ältere Dame, nahm sich seinen Rat zu Herzen und eilte mit flinken Füßen auf den Rand des Bootes zu. Dies machte Harold allerdings stutzig.
Mit einer einzigen Bewegung riss er der Dame den Schal vom Kopf. Als er dann statt in das faltige Gesicht einer Frau in das eines jungen Mannes sah, wurde er richtig wütend.
"Wie kannst du Feigling es nur wagen!" knurrte er und stieß den Mann so grob er nur konnte in das Boot daneben.
In der Zeit, in welcher der Mann sich leise winselnd wieder aufrichtete und neben zwei älteren Damen platz nahm, half Harold einer jungen Frau mit Kind beim umsteigen.
Während Viola und Kate das ganze Treiben stumm beobachteten, stellten sie erstaunt fest, dass Harrys temperamentvolle Art der von Lukas nicht ganz unähnlich war.
Ein Blick in seine Richtung verriet jedoch, dass der Schwarzhaarige immernoch nicht bei Bewusstsein war.
Vorsichtig tastete Kate über seinen Kopf. Als sie spürte, dass die entstandene Beule noch etwas größer geworden war, wurde ihre Sorge um ihn und ihre Wut auf den Matrosen noch größer.
"Mistkerl!" zischte sie so leise, dass nur Viola sie hören konnte.
Obwohl die Brünette den Zorn ihrer Freundin sehr gut nachvollziehen konnte, machten zwei andere Sachen ihr weitaus größere Sorgen. Nämlich einmal die Ungewissheit, ob Oliver, Jasmine und James in Sicherheit waren und zum zweiten die Tatsache, dass die Schreie der Leute im Wasser allmählich leiser wurden.
"Es wird leiser." murmelte Jasmine mit schwacher Stimme.
James, welcher seine Verlobte noch immer in den Armen hielt, brummte zur Bestätigung leise.
Sein ganzer Körper fühlte sich wie betäubt an. Und obwohl dies eigentlich ein schlechtes Zeichen war, empfand James es als Erleichterung. Er fühlte kaum noch irgendwelche Schmerzen. Sein Körper hatte außerdem schon bereits vor gut einer viertel Stunde vollends aufgehört zu zittern. Jetzt war er nur noch müde. Er wollte wirklich nichts weiter, als die Augen zu schließen und einfach zu schlafen. Doch seine Sorge um Jasmine brachte ihn dazu, dem Drang zu widerstehen.
Denn obwohl James sich bereits in einem sehr kritischen Zustand befand, war es das Leben seiner Liebsten, um das er große Angst hatte.
Ihre Atmung war in der vergangenen Stunde nämlich sehr unregelmäßig und flach geworden. Die Flanken hoben und senkten sich kaum noch. Sogar das Brodeln und Pfeifen in ihrer Lunge war weniger geworden.
Und immer wieder passierte es, dass sie kurzzeitig das Bewusstsein verlor.
Zwar schaffte James es sie wieder aufzuwecken, doch die Zeit die es dauerte, bis sie wieder bei Bewusstsein war, wurde mit jedem mal länger.
"Du darfst nicht...einschlafen." flüsterte er mit heiserer Stimme.
"Bin...müde...kann...nicht mehr..." antwortete die Braunhaarige nur schwach.
Doch James wusste, dass er sie um jeden Preis vom Einschlafen abhalten musste. Das sprechen kostete ihn zwar sehr viel Mühe und Kraft, aber er musste sie unbedingt wach halten.
"H-hör zu, d-die Rettungsboote werden...werden bald zurück kommen. Du wirst sehen, sie w-werden uns aus dem Wa-Wasser holen."
Jasmine hatte ihren Kopf an seinen Brustkorb geschmiegt und schwieg.
"Da-das Schiff was uns retten wird...ist unterwegs. E-es wird bald da sein. Du...du musst nur noch ein bisschen durchhalten, hörst du?"
Abwesend starrte die Braunhaarige ins Leere. Sie lauschte den langsam verstummenden Schreien der anderen.
Ihr Blick war leer. Der Kopf frei von jeglichen Gedanken und ihr Körper, welcher sich so anfühlte als wäre er aus Blei, lehnte schwer an dem ihres Liebsten.
Jasmine wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihr Herz, welches unregelmäßig in ihrer Brust schlug, für immer zum Stillstand kommen würde.
Doch obwohl ihr klar war, dass es für sie keine Hoffnung mehr gab und sie bald sterben würde, wehrte sie sich mit aller Macht dagegen. Sie wollte nicht sterben, zumindest nicht bevor sie James gesagt hatte, wie sehr sie ihn liebte und wie dankbar sie ihm für alles war.
Mühevoll atmete sie einige Male ein und aus. Während sie das tat, nahm sie all ihre verbliebende Kraft zusammen um zu sprechen.
"Ich liebe dich James."
Zwar waren ihre Worte kaum mehr als ein schwaches Flüstern, aber James verstand jedes einzelne von ihnen genau. Sein Herz stoppte kurz darauf für etwa eine Sekunde.
"H-hey, was soll das? Du d-darfst dich noch nicht verabschieden. Nicht jetzt...hast du verstanden? Hilfe ist unterwegs, du musst nur noch ein bisschen durchhalten!"
Obwohl er versuchte zuversichtlich zu klingen, zitterte seine Stimme nur so vor Angst und Hilflosigkeit.
Doch da Jasmine wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, ignorierte sie seinen Protest und sprach weiter.
"Ich bin...so dankbar für alles...was passiert ist. Das bin ich...bin ich wirklich. Es tut mir nur leid, dass ich...dass ich meine ganzen Versprechen nicht...einhalten...konnte. Ich–..."
Ein kleiner Hustenanfall unterbrach Jasmine. Ihr Körper krümmte sich daraufhin vor Schmerz.
"Shhh, nicht sprechen, ist schon gut." sagte der sechste Offizier und zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Seine Hand strich dabei zur Beruhigung mehrmals sanft über ihre blasse, eiskalte Wange.
'Aber es gibt noch so vieles, was ich dir sagen möchte!' rief sie in ihren Gedanken protestierend.
Nachdem der Hustenanfall aufgehört hatte ihren ohnehin schon geschwächten Körper durchzuschütteln, blieb sie für eine ganze Weile nach Atem ringend in James' Armen liegen. Ihre Augen waren dabei geschlossen.
Als sich Jasmines Atmung irgendwann wieder etwas beruhigt hatte, setzte sie erneut zu sprechen an.
"James...du...du musst mir etwas...ver...sprechen." bat die Braunhaarige ihn flüsternd.
Der Offizier gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Bitte, schone deine Kräfte." sagte er und versuchte sie damit vom Sprechen abzuhalten. Er wusste was sie damit bezweckte, doch er wollte es nicht akzeptieren. Er konnte es einfach nicht.
"James...bitte!"
Die Dringlichkeit und Verzweiflung mit welcher Jasmine da sprach, zerriss ihn innerlich. Die traurige Erkenntnis fraß ihn regelrecht auf. Und das obwohl sein Verstand es noch immer nicht wahrhaben wollte. Er redete sich immer wieder ein, dass das gerade nicht wirklich passierte. Das es nur ein böser Traum war, aus dem er jeden Moment erwachen würde. Doch je mehr er sich das einredete, je mehr er versuchte die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, desto größer wurde der Schmerz in seinem Herzen.
"Bitte, tu mir das nicht an. Du kannst...kannst mich doch nicht einfach so...verlassen. Ich brauche dich Jasmine! Ich liebe dich doch!"
Mit jedem Wort das James da sagte, wurde die Verzweiflung in ihm größer und größer.
"Du hast mir versprochen mich nie zu verlassen! Wir wollten doch heiraten und...und zusammen die Welt bereisen! Ich wollte eine Familie mit dir gründen! Du wärst eine so wundervolle Mutter! Ich bitte dich, bleib bei mir!"
Nun begannen Tränen an James' Wangen hinunter zu laufen.
"Bitte!" flehte er und berührte ihre Stirn mit seiner.
Jasmine öffnete die Augen und sah ihn traurig und voller Reue an.
Mühevoll und unter starken Schmerzen, streckte sie ihre Hand nach ihm aus.
Liebevoll streichelte sie ihm über die Wange.
"Du musst mir...eine...Sache versprechen."
"Alles mein Engel." sagte James nach kurzem zögern.
Ein schwaches Lächeln huschte Jasmine über die Lippen.
"Versprich mir...dass du überlebst und...und deine Träume ver...wirklichst. Trauer nicht um mich...lebe dein Leben, finde eine hübsche Frau und...heirate sie. Werde Vater und geb...dein Wissen an deine Enkel weiter."
Jedes einzelne Wort schnitt ihm tiefe Wunden in sein Herz.
"Ich kann nicht. Ich will kein Leben ohne dich führen!" widersprach er kraftlos.
"Du...musst!" entgegnete Jasmine daraufhin nur und hustete erneut. Doch dieses Mal war der Anfall deutlich länger.
Die Braunhaarige rang angestrengt nach Atem. Ihre vor Angst geweiteten blaugrauen Augen trafen dabei auf seine haselnussfarbenen.
"Habe ich dir jemals gesagt, wie wunderschön deine Augen sind?" fragte James plötzlich.
Jasmine lächelte schwach und schüttelte kaum merklich den Kopf.
"Es sind die schönsten Augen die ich jemals gesehen habe." gestand er ihr unter Tränen.
Trotz der Angst in ihrem Blick glaubte er, aufgrund seiner Worte ein dankbares Funkeln in ihnen zu sehen.
Doch so schnell er meinte es gesehen zu haben, war es auch wieder verschwunden. Stattdessen lag jetzt ein wissendes Leuchten in ihnen.
"Es war nie mein Schicksal gewesen...Teil deiner Zukunft zu sein. Ich werde aber immer...ein Teil deiner...Vergangenheit sein, der dir die Zukunft...ermöglicht hat. Das ist mein...mein letztes Geschenk an dich. Nimm es bitte an...und lebe für uns beide." wisperte sie und wischte ihm daraufhin einige Tränen weg.
James hob seine Hand und berührte mit ihr die von Jasmine. Er sah, dass das Leben allmählich aus ihren Augen wich. Diese Augen, die ihn immer so zärtlich und verliebt angesehen hatten, wurden immer leerer.
Es gab noch so viele unzählige Dinge, die er ihr noch sagen wollte. Doch er wusste nicht einmal im entferntesten, wo er anfangen sollte. So viele Worte die noch ungesagt waren und für immer ungesagt bleiben würden, schwirrten ihm im Kopf herum.
Sein Hals fühlte sich mit einem mal wie zugeschnürt an. Die einzigen Laute die machen konnte, waren tieftraurige Schluchzer.
"Weine nicht...mein Liebster. Es ist...schon...in Ordnung."
Jasmines Stimme wurde mit jedem mal leiser und leiser. Ihre Lider wurden immer schwerer und schwerer.
Während sie ihrem geliebten James in die tränenerfüllten Augen sah, begann sie in ihrem Kopf eine weibliche Stimme zu hören, die nach ihr rief.
'Komm zu mir. Es ist Zeit.' flüsterte ihr diese unbekannte Stimme leise ins Ohr.
'Warte, ich will noch nicht gehen. Es gibt doch noch so viel, was ich James sagen möchte!' bat Jasmine flehend.
'Du brauchst keine Angst zu haben. Du musst einfach loslassen.' sagte eine warme männliche Stimme freundlich.
Je mehr Jasmine versuchte sich dagegen zu wehren, desto mehr Stimmen erklangen. Es waren hunderte, wenn nicht sogar tausende. Es waren Stimmen von Frauen, Kindern und Männern.
Sie alle waren freundlich und sagten ihr, dass sie sich nicht zu fürchten brauchte.
Das alles gut werden würde und sie nun sicher wäre.
'Also gut. Holt mich zu euch.' sagte Jasmine dann und gab den Kampf gegen den Tod schließlich auf. Ein letztes mal schaute sie James in die Augen. Diese weiteten sich erschrocken und sein Mund bewegte sich. Doch aufgrund der vielen Stimmen die beruhigend auf sie einredeten, konnte sie die Worte, die er sagte, nicht hören.
'Lebe lang und lebe glücklich. Eines Tages werden wir uns wieder sehen. Und bis es soweit ist, werde ich auf dich warten. Leb wohl mein Liebster.'
Dies waren die Worte, die sie James so gerne noch gesagt hätte. Doch sie wusste, dass diese Worte für immer unausgesprochen bleiben würden.
"Ich liebe dich." flüsterte sie ein allerletztes mal, bevor alles um sie herum schwarz wurde.