Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Kekse – One-Shots und Drabbles

von Redlum
Kurzbeschreibung
SammlungHumor / P16 / Gen
03.08.2019
08.07.2023
55
62.759
61
Alle Kapitel
281 Reviews
Dieses Kapitel
6 Reviews
 
01.09.2019 1.477
 
Warnung: Orientiert sich an Grimms Märchen und ist entsprechend nicht für kleine Kinder geeignet (es werden eventuell ein paar der vorkommenden Individuen gefressen und das Wort Kekskotze taucht auf).
Bildungshinweis für kleine Kinder: Es kommen eine Abkürzung, welche erklärt wird, und eine Eselsbrücke vor (nicht zwingend in dieser Reihenfolge).
Spoiler: Sind in Warnung und Bildungshinweis vorhanden
Genre: Humor, Märchen, Parodie





Es war einmal ein Kekschen, welches bei einem Grillabend des Jägers in der Sonne eingeschlafen war und dadurch einen so starken Sonnenbrand bekommen hatte, dass es im ganzen Märchenland nur noch als Rotkekschen bekannt war.

Eines Tages war Rotkekschen mit einem Korb zum Haus ihrer Großmutter unterwegs, wobei es durch einen finsteren, dunklen Wald musste. Auf halben Weg hörte Rotkekschen plötzlich ein rascheln in den Büschen und ehe es groß reagieren konnte, sprang plötzlich ein großer schwarzer Wolf aus diesen hervor und landete auf dem Weg vor Rotkekschen.

„Ha! Wusste ich doch, dass ich einen Keks gerochen habe!“, frohlockte der Wolf, schleckte sich mit der Zunge ums Maul, band sich ein Lätzchen um, auf welchem die Eselsbrücke sieben, fünf, drei, Rom schlüpft aus dem Ei aufgedruckt war und knurrte: „Ich hatte schon so lange mal wieder Hunger auf einen Keks! Seit diese Hexi ihr Hexenhaus aus Buchrücken statt Süßigkeiten baut, bin ich schon richtig auf Entzug! Irgendwelche letzten Worte, bevor ich dich verspeise?“

„Oh, ja“, erwiderte Rotkekschen. „Dass solltest du dir gut überlegen. Sieh mich an, ich habe Roteritis! Und wenn du mich auffrisst, wirst du dich ebenfalls infizieren!“

Der Wolf kratzte sich kurz an Kopf. Es war so dunkel, dass man keine Farben erkennen konnte, aber er wollte auch kein Risiko eingehen. Also verschob er das fressen von Rotkekschen um wenige Sekunden und kramte stattdessen in seinem Rucksack, bis er sein Nachtsichtgerät gefunden hatte. Normalerweise konnte man mit Nachtsichtgeräten keine Farben erkennen, aber da es im dunklen, finsteren Märchenwald wirklich sehr dunkel und finster war, hatte sich eine Hexe namens Witchi gedacht, dass es vermutlich einen ziemlich großen Absatzmarkt für Nachtsichtgeräte mit Farberkennung gab, womit sie auch recht behalten hatte. Einer ihrer Abnehmer war der Wolf, der jetzt froh war, sich das Nachtsichtgerät geleistet zu haben. Er setzte es auf und machte einen erschrockenen Satz nach hinten. „Heilige Kekskotze! Du bist ja rot wie ein Administrator! Schade, aber da kann man wohl nichts machen.“ Der Wolf drehte sich enttäuscht um und wollte gerade von dannen ziehen, als er noch einmal zurück blickte. „Sag, wohin bist du eigentlich unterwegs?“

„Zu meiner Großmutter“, antwortete Rotkekschen und hob den Korb hoch. „Wein und Kuchen vorbei bringen.“

„So, so.“ Der Wolf rieb sich über das Maul. „Und sag, deine Großmutter … hat die zufällig auch Roteritis?“

„Aber nein“, winkte Rotkekschen fröhlich ab. „Großmutter wurde im siebenzwergischen Krieg immunisiert, der kann überhaupt nichts passieren.“

„Das hört man gerne … ah eine letzte Frage noch … wo genau, sagtest du, lebt deine Großmutter?“

Rotkekschen zeigte in die Richtung, in die es unterwegs war. „Da hinten, in etwa eineinhalb Kilometer Entfernung.“

„Oh, wie blöd“, meinte der Wolf listig, „da hinten ist doch die Brücke beim letzten Sturm entzwei gebrochen. Ich befürchte du musst einen kleinen Umweg in Kauf nehmen.“ Dabei zeigte er auf einen kleinen Weg, der vom Hauptweg abzweigte.

„Danke für den Hinweis!“, freute sich Rotkekschen und bog auf den Seitenweg ein. „Du hast mir vermutlich einen umsonst gegangenen Weg und den daraus resultierenden Rückweg bis hierher erspart.“

„Gern geschehen.“ Der Wolf sah Rotkekschen nach, bis dieses nicht mehr zu sehen war, verzog dann seine Schnauze zu einem breiten Grinsen und machte sich auf dem Hauptweg Richtung Haus von Rotkekschens Großmutter auf. Anscheinend würde es heute doch noch einen Keksimbiss geben.



Mit einer Stunde Verspätung erreichte Rotkekschen schließlich das Großmutterhaus und sah gut gelaunt, dass Licht in diesem brannte. Es ging zur Eingangstür und klopfte laut an diese.

Der Wolf, welcher bereits die Großmutter verschlungen und jetzt in deren Kleidern auf der Lauer gelegen hatte, weil er auch noch an Kuchen und Wein interessiert war, riss die Tür von innen auf und rief mit hoher Stimme: „Rotkekschen! Dass ist aber schön, dass du deine alte Großmutter besuchst!“

Rotkekschen trat ein und musterte den Wolf. „Großmutter, warum hast du so große Augen?“

„Damit ich dich besser sehen kann“, improvisierte der Wolf schelmisch.

„Und warum hast du so große Ohren?“

„Damit ich dich besser hören kann.“

„Und warum bist du so dunkel?“

„Weil ich mich lange nicht mehr gewaschen habe.“

„Oh. Okay. Und warum hast du so einen großen …“

„Damit ich deinen Korbinhalt besser fressen kann!“

„… Bauch?“

Der Wolf, der sich gerade auf Rotkekschens Korb stürzen wollte, hielt inne und sah an sich herunter. „Moment? Großer Bauch?“ Tatsächlich hatte sein Bauch einen größeren Umfang als normal und grummelte ein bisschen heftig.

„Las mich raten …“ Rotkekschen machte die Tür hinter sich zu und ging langsam um den Wolf herum, der sich unter immer heftigeren Bauchkrämpfen auf dem Boden zusammenrollte. „Du hast Großmutter gefressen richtig?“

„Ja“, winselte der Wolf.

„Sehr gut.“

„Moment, was?!“

„Großmutter war schon lange tot“, erwiderte Rotkekschen. „Liegt hier schon ewig rum. Die weiße Farbe die sie hatte? Dass war keine Altersgrauheit sondern Schimmel. Du hast dich vermutlich an ihr vergiftet und wirst an ihr sterben.“

„Aber warum?“ Der Wolf rollte sich über den Boden und hielt seine Pfoten fest auf den schmerzenden Bauch.

„Ich bin beim letzten Grillfest des Jägers leider in der Sonne eingeschlafen und habe den Wolfsbraten verpasst. Und ich liiieeebe Wolfsbraten!“ Rotkekschen sah den Wolf diabolisch an und zog aus dem Korb, in welchem vorgeblich Kuchen und Wein sein sollten, Messer, Gabel, Holzkohle und einen Grill heraus.

„Dann war das alles nur ein Trick? Alles was du mir im Wald erzählt hast nur gelogen um mich hierher zu locken? Du hast gar keine Roteritis oder?“

„Nö, ist nur Sonnenbrand“, erwiderte Rotkekschen, während es das Messer schliff.

„Sehr gut!“, knurrte der Wolf und stemmte sich langsam und zittrig auf seine Pfoten.

„Hä?“ Rotkekschen, welches dem Wolf den Rücken zugedreht hatte, um die Mayonnaise aus dem Kühlschrank zu holen, wirbelte herum, aber es war schon zu spät. Mit letzter Kraft stürzte sich der von Schimmel vergiftete Wolf auf Rotkekschen und verschlang seine Henkersmahlzeit bis auf den letzten Krümel. Dann drehte er sich stöhnend auf den Rücken, rülpste leise und blieb tot liegen.



Der Jäger runzelte die Stirn, als er am Haus von Großmutterkeks vorbeikam und Licht brennen sah. Die alte Keksin war schon seit einigen Jahren tot und das Haus sollte entsprechend eigentlich unbewohnt sein. Ob dort ein Einbrecher sein Unwesen trieb? Oder ein Poltergeist? Leise nahm der Jäger sein Gewehr von der Schulter und hielt vorsichtshalber auch seinen Salzstreuer bereit, um für beide Individualitäten gerüstet zu sein. Vorsichtig öffnete er die Tür mit dem Fuß und – stieß einen freudigen Laut aus, als er den toten Wolf, die Holzkohle und die Mayonnaise auf dem Boden liegen sah. Gott meinte es heute gut mit ihm! Eigentlich war er auf der Jagd nach dem Goldesel gewesen, denn seit Fanfiktion.de diese neue Währung auf den Markt gebracht hatte, Gold in der Folge nichts mehr Wert war und das Kremium für erhaltenswerte auf Kohlenstoff basierende Lebewesen – kurz KEKS abgekürzt – Goldesel daraufhin von der Artenschutzliste gestrichen hatte, war er auf der Jagd nach dieser raren Leckerei. Als der Jäger jetzt jedoch seine Entdeckung betrachtete, beschloss er spontan für den heutigen Tag umzudisponieren. Denn er liebte Wolfsbraten. Gut gelaunt verstaute er Besteck, Grill, Kohle, Wolf und Mayonnaise in dem herumliegenden Korb und machte sich auf den Nachhauseweg.



Zufrieden räkelte sich der Jäger vier Stunden später in seinem Liegestuhl hinter seinem Haus und schaute in den sonnigen, wolkenlosen Himmel empor. Er klopfte auf seinen vollen Bauch, satt und zufrieden mit der Welt. Der Wolf hatte ein fantastisches Aroma gehabt, fast meinte er, dass dieser mit einer geheimen Zutat gefüllt gewesen sein musste, aber nachdem er ihn komplett verspeist hatte, konnte nun leider keine wissenschaftliche Analyse mehr durchgeführt werden. Egal. Der Jäger schloss glücklich die Augen und glitt in einen tiefen Verdauungsschlaf ab.

Und wenn er nicht gestorben ist, dann …

Moment! Lassen wir dass, denn dieses „wenn“ ist nur sehr kurz und eigentlich gar nicht existent. Denn genau in diesem Augenblick drehte ein Drache namens Puschel am Himmel über dem Märchenland seine Runden. Puschel war zusammen mit anderen Drachen in einem Keller großgezogen und größtenteils nur mit Keksen ernährt worden. Kekse bedeuteten Nahrung. Und nachdem diese während seiner Jugendzeit immer sehr rationiert gewesen waren, konnte er nicht an sich halten, als sein Riechorgan plötzlich die Kekse im Wolf im Jäger wahrnahmen. In einem rasanten Sturzflugmanöver schoss er von oben auf den Jäger herab, verschlang ihn mit zwei Bissen, ohne dass dieser überhaupt die Chance gehabt hatte, vorher zu erwachen, schleckte sich mit der Zunge über die Lippen und schwang sich wieder in die Lüfte empor, um dort weiter seine Runden zu drehen.

Und wenn er nicht gestorben ist, dann fliegt er da noch heute.
Review schreiben
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast