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Kekse – One-Shots und Drabbles

von Redlum
Kurzbeschreibung
SammlungHumor / P16 / Gen
03.08.2019
08.07.2023
55
62.759
61
Alle Kapitel
281 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
28.06.2021 1.929
 
Vorbemerkung:
Vorgabe für Kalenderwoche 26 der Wochen-Challenge:
Es ist eine stürmische Vollmondnacht und deine Eltern teilen dir mit, dass sie bei der besuchten Verwandtschaft bleiben, da es zu gefährlich sei, bei dem Sturm nach Hause zu fahren. Zu allem Überfluss fällt auch noch der Strom aus, das Handynetzt bleibt aber aktiv. Was machst du nun, um dir die Zeit zu vertreiben? Und wie verläuft dein Abend, deine Nacht und der Morgen?



~~~o~O~o~~~




Jesus runzelte die Stirn. Gerade hatte er den letzten Schleimrest aus seiner Eichhörnchenzucht entfernt, als ihm an dem Eichhörnchenkadaverberg etwas seltsames auffiel. Er ging näher an eins der toten Tiere heran. Da war eindeutig ein Schnitt zu sehen. Stammte der von einem Katana? Seltsam, bisher war er davon ausgegangen, dass die Eichhörnchen an dem Schleim – woher dieser auch immer gekommen sein mochte – gestorben waren. Als er sich weitere Leichen ansah, entdeckte er mehr Schnitte. Hunderte. In diesem Moment klingelte sein Handy. Es sah auf das Display: DAD. Jesus sah aus dem Fenster. Es war bereits dunkel und der Vollmond war aufgezogen. Er hatte gar nicht bemerkt wie die Zeit vergangen war. Eigentlich hätten seine Eltern schon längst von Onkel Norberts Geburtstag zurück sein müssen. Er nahm den Anruf entgegen: „Hey Dad.“

„Hallo Sohn, ich wollte dir nur sagen, dass es heute etwas später wird.“

„Später?!“ Jesus sah zu dem Eichhörnchenleichenberg. „Dad! Du wolltest mir dass mit dem Wiederauferstehenlassen zeigen! Die Eichhörnchen fangen langsam an zu verwesen und für die Eichhörnchengeister wird es immer unangenehmer wieder in ihre Körper zu kommen, je länger sie davor im Paradies Spaß hatten. Ich spreche da aus Erfahrung und bei mir waren es nur drei Tage!“ Jesus war etwas angesäuert, aber letztendlich auch nicht sonderlich überrascht. Sein Onkel Norbert war nicht sein richtiger Onkel, sondern einer der Erzengel. Allerdings hatte Jesus alle Erzengel von klein auf als Onkel bezeichnet. Neben den Vorzeigeerzengeln Michael und Gabriel, dem schwarzen Schaf Luzifer und Raphael mit seinem etwas eigenartigen Sinn für Humor, gab es noch die Zwillinge Uriel und Norbert, wobei Norbert aber um einiges ruhiger und zurückgezogener lebte, als sein Zwillingsbruder. Fast schon Eremitenhaft. Was auch der Grund war, warum Erzengel Norbert es in keine irdische Überlieferung geschafft hatte. Einmal im Jahr schmiss er allerdings eine rauschende Geburtstagsparty, zu der alle kamen, die den langen beschwerlichen Weg auf sich nehmen wollten und auf dieser Feier versumpfte sein Vater regelmäßig.

„Ja, also, hör zu Junge, das Wetter ist leider ziemlich schlecht und da ist der Nachhauseweg viel zu gefährlich. Onkel Norbert hat uns angeboten heute Nacht hier zu schlafen.“

Jesus sah noch einmal aus dem Fenster. „Dad! Wir haben eine klare Vollmondnacht!“ Wie auf Kommando, verdunkelte sich der Himmel, eine heftige Gewitterfront zog auf und ein starker Wind begann zu stürmen. „Dad! Du weißt, dass ich weiß, dass du für das Wetter machen zuständig bist!“

„Ich … pfff … kann dich … zffftsch … nicht hören … krrrk … hier ist gerade ein … tsch … Tunnel.“

„Dad! Wenn du so tust, als wäre der Empfang schlecht, musst du die Wörter mit den simulierten Störgeräuschen abschneiden und verschlucken und diese nicht nur zwischen sie einbauen! Die Pausen wären in einem normalen Gespräch viel zu lang!“

„…“

Jesus seufzte. „Kann ich mal Mum sprechen?“

„Einen Moment, sie müsste hier irgendwo sein. Aber nur schon mal zur Warnung: Sie ist vielleicht etwas angetrunken. Ich habe ihr vorhin den Wasser-zu-Wein-Trick gezeigt.“ Im nächsten Moment war leise zu hören, wie Gott einen anderen Feiernden ansprach: „David? Hast du Maria gesehen?“

„Magdalena oder Jungfrau?“

„Jungfrau.“

„Da hinten bei der Bowle.“

„Danke. Okay Junge, ich gebe dich mal weiter.“

„Hallo?“


„Mum!“ Jesus sah kurz zum Fenster, als mit einem lauten Knall ein riesiger Ast dagegen geweht wurde und die Scheibe zum vibrieren brachte. „Du musst Dad sagen, dass er sofort zurück kommen soll! Er hat versprochen mir mit den Eichhörnchen zu helfen. Die Leichen fangen langsam an zu stinken. Stattdessen schickt er mir ein riesiges Unwetter hierher!“

„Josef? Der repariert gerade Onkel Norberts Haustür. Da ist ein … ein … wie heißt das Ding?“

„Kängugei.“

„… Kängugei dagegen gehüpft.“


„Nein, nicht Josef! Mein richtiger Dad! Der, der dir gerade das Handy gegeben hat und mit dir spricht!“

„Oh … ahm … sorry … hier ist gerade ganz schlechter … krzrzrzr … wir …  zzzz … U-Bahn.“

„Tunnel.“

„Wir fahren mit einem Tunnel?“

„Durch.“

„Wir fahren mit einem Durch? Was ist ein Durch?“


Jesus verdrehte die Augen und beendete das Gespräch. Das würde sowieso zu nichts Sinnvollem mehr führen. In diesem Moment erhellte ein gewaltiges Blitzlicht den Himmel, Sekundenbruchteile später war ein markerschütternder Knall zu hören und der Strom fiel überall aus. Na ganz toll!
Jesus trat nach draußen. Eine heftige Böe wehte ihn von der Seite an und heftiger Regen peitschte ihm ins Gesicht. Ein laut fluchender Petrus mit einer großen Pauke kam gerade vorbei. „Petrus?“, fragte Jesus. „Hast du eine Ahnung was mit dem Strom los ist?“

Petrus blieb kurz stehen und verzog sein Gesicht etwas. „Ich habe den Gewitterdienst von Amor übernommen, der auf Norberts Party ist. Mein erster Blitz ging blöderweise in den Stromgenerator. Ohne Stromgenerator kein Strom. Und keine Blitze.“ Petrus zuckte mit den Schultern. „Muss dass Gewitter jetzt halt ohne Blitze auskommen. Aber wenigstens für Donner kann ich noch sorgen.“ Mit diesen Worten schlug er einen Schläger auf die Pauke, woraufhin ein ohrenbetäubender Donnerschlag zu hören war.

In diesem Moment klingelte Jesus Handy. Er hielt es entschuldigend hoch: „Könntest du etwas weiter weg donnern?“

„Ja ja, ist ja gut“, erwiderte Petrus und zog mit seiner Pauke weiter.

Jesus trat den Rückzug in seine ehemalige Eichhörnchenzucht an und nahm das Handygespräch entgegen: „Hallo? Jesus am Apparat.“

„Hier ist W4rriorC4t von den Zeichnerinnen aus den luftigen Gildenhallen.“

„Oh hi“, entgegnete Jesus. „Warum rufst du an?“ Eine berechtigte Frage. Seitdem sein Vater die luftigen Gildehallen an die Ex-Kellerianer vermietet hatte, hatte es noch keinerlei Beschwerden oder sonstiges gegeben.

„Weil ich beim losen verloren habe. Ich habe den größten Zucchiniglückskeks gezogen. Muss den später auch noch essen. Wäh!“

„Nein, nicht warum rufst du an, sondern warum rufst du an?“

„Ach so. Bei uns ist der Strom weg. Was schlecht ist. Ohne können wir keine neue Buchrücken zeichnen.“

„Dad ist heute verhindert, aber ich gebe es weiter, sobald ich ihn das nächste Mal sehe“, versprach Jesus.

„Bitte so schnell wie möglich“, erwiderte W4rriorC4t. „Die FF.de-User warten schon ungeduldig.“

„Alles klar“, nickte Jesus, obwohl W4rriorC4t dass nicht sehen konnte, legte auf und spitzte die Ohren. Draußen klapperte irgendetwas. Es kam aus Richtung Remise. Seufzend machte sich Jesus ein weiteres Mal auf den Weg nach draußen. Wieder peitschte ihm Regen ins Gesicht, er musste seinen Heiligenschein festhalten, damit der Sturm diesen nicht wegriss und in der Ferne war leise Petrus Pauke zu hören. An der Remise musste Jesus feststellen, dass sich der Riegel gelöst hatte und die Tür immer wieder auf- und zugeweht wurde. Nachdem er schon einmal da war, betrat er die Remise und betätigte den Lichtschalter. Es blieb dunkel. Jesus klatschte sich leicht gegen die Stirn. Verdammt, der Stromausfall! Über sich selbst den Kopf schüttelnd drehte er seinen Heiligenschein heller, bis dieser die ganze Remise ausleuchtete – und stockte. Einer der Schlitten fehlte! Mit einem unguten Gefühl verschloss er die Tür und eilte durch den windigen Regen zurück in seine Eichhörnchenzucht. Dort ging er zu seinem Schreibtisch und zog ein Schlittenregister heraus. Mit seinem Finger fuhr er durch die Einträge, bis er den richtigen gefunden hatte. Alaris, eine der frisch geschlüpften Jungengel, hatte den Schlitten an Weihnachten genommen um Geschenke zu verteilen und war nie zurückgekommen. Und er hatte es nicht bemerkt, weil er viel zu sehr mit seiner Eichhörnchenzucht beschäftigt gewesen war. Verdammt! Jesus schloss die Augen und versuchte eine geistige Verbindung, über Zeit und Raum hinweg, mit Alaris aufzubauen. Fast glaubte er, keine Antwort zu erhalten, was definitiv nichts gutes bedeuten konnte, als sie sich plötzlich doch meldete.

Christkind?

Ja, ich bin es. Geht es dir gut? Wo bist du?

Ich habe ein paar neue Freunde getroffen und bin mit ihnen herumgereist.

Tatsächlich? Gut, ich hatte mir schon Sorgen gemacht.

Oh. Dass war nicht meine Intension. Aber ich glaube, es ist sowieso langsam Zeit nachhause zu kommen.


Die letzten Worte hatten sich noch nicht ganz in Jesus Kopf geformt, da erfüllte ein seltsames Geräusch die Luft und als er die Augen öffnete, stand eine blaue Keksdose vor ihm. Die Tür wurde aufgerissen und eine aufgeregte Alaris hüpfte heraus, gefolgt von vier Keksen.

„Darf ich bekannt machen?“, fragte Alaris und zeigte auf die Kekse hinter sich. „Dass sind der Bäcker, Rotkekschen, Kekspool und der Coolk. Und dass“, dabei deutete sie auf Jesus, „ist das Christkind.“

„Jesus reicht“, sagte Jesus und lächelte. „Ihr seid also Alaris neue Freunde? Dann erzählt mal, was ihr so für Abenteuer erlebt habt.“

„Oh, gerade eben haben wir zum Beispiel New York gerettet“, erwiderte Kekspool stolz.

„Hä?“ Rotkekschen sah Kekspool von der Seite an. „Habe ich irgendwas verpasst?“

„Hast du den Dankesbrief nicht gelesen, den der Postbote heute morgen unter der TARKIKS-Tür durchgeschoben hat?“, wollte Kekspool wissen und wedelte mit entsprechendem Brief.

„Doch. Hast du ihn nicht gelesen?“

„Doch. Überfolgen. Die wichtigsten Stichpunkte: Vielen Dank, Asphalteis, New York, gerettet, Danke.“

„Vielleicht solltest du ihn mal im Ganzen lesen!“ Rotkekschen riss Kekspool den Brief aus der Hand und las laut vor: „Liebe Eiswengers, vielen Dank für das Asphalteis. New York wurde zwar vernichtet, aber zumindest ist das Schlagloch in der Straße vor meinem Haus verschwunden. Immerhin meinen Tag habt ihr damit gerettet. Danke!“

Jesus riss die Augen auf. „New York wurde vernichtet?!“

„Alienangriff“, klärte der Bäcker die Situation hilfsbereit auf.

„Petrus wird ausrasten!“ Jesus schüttelte entsetzt den Kopf. „Das wird ein riesiges Tohuwabohu an der Himmelpforte geben!“

„Keine Angst“, sagte Alaris schnell, „dass wird erst 2042 passieren, es ist also noch genug Zeit, sich darauf vorzubereiten.“

„Sollen wir den Schlitten mal ausladen?“, wollte der Bäcker wissen.

„Gute Idee!“, stimmte Alaris zu und folgte dem Bäcker und Rotkekschen in die TARKIKS. „Ich zeige dir mal wo die Remise ist.“

„Einen Moment“, sagte Jesus, als sich auch Kekspool zur TARKIKS umdrehte. „Ist dass ein Katana?“

Kekspool deutete auf seinen Rücken. „Oh ja. Das ist Finn.“

„Interessant.“ Jesus kratzte sich an der Schläfe. „Weil ich nämlich gerade festgestellt habe, dass alle meine Eichhörnchen mit einem Katana getötet wurden. Ich frage mich …“

„Lass mal sehen.“ Kekspool ging zu dem Eichhörnchenleichenberg und betrachtete diesen eingehend. Dann zog der zwei Kadaver heraus. „Wie man sieht, wurde dieses Massaker von zwei Katana begangen.“ Er hielt Jesus die zwei Leichen entgegen. „Hier, Katanaschnitte sind wie Fingerabdrücke und hier erkennt man eindeutig zwei unterschiedliche Muster. Ich habe nur ein Katana, also kann ich es kaum gewesen sein.“

„Und du hast auch nie ein zweites besessen?“, fragte Jesus nach.

„Oh, dumme Geschichte“, sagte der Coolk. „Coolk will Rudolf-Wolfgang-Mika-…“

„Coolk hilfst du uns mit dem Schlitten?“, rief Alaris, die ihren Kopf aus der TARKIKS streckte.

„Coolk hilft gerne“, erwiderte Coolk, drehte sich um und ging in die TARKIKS. Einen Augenblick später verschwand diese.

Kekspool ging zu dem Eichhörnchenleichenberg zurück. „Weißt du, ich könnte dir bei deinem Problem helfen.“

„Tatsächlich?“, fragte Jesus verwundert.

„Mhm. Ich hatte ein wenig Unterricht bei Doctor Stracc. Wenn du willst, kann ich deine Eichhörnchen wieder zum Leben erwecken.“

Jesus bekam große Augen und war sofort Feuer und Flamme. „Bist du dir sicher?“

„Klar“, nickte Kekspool. „Ist ein Kinderspiel. Dauert zwar ein paar Stunden, aber danach sind deine Eichhörnchen wieder wie neu.“



… und dass liebes Tagebuch ist der Grund, warum ich vielleicht ein kleines bisschen daran Schuld bin, dass es seitdem im Himmel Zombieeichhörnchen gibt. Aber hey, zumindest habe ich eine New Yorker Straße gerettet! Ich finde, dass sollte auch etwas zählen.
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