Kekse – One-Shots und Drabbles
von Redlum
Kurzbeschreibung
Was für Kekse sind das eigentlich, die FF.de uns bei jeder Gelegenheit gutschreibt? Was für Geschichten haben sie zu erzählen? Seid dabei, wenn Rotkekschen für den zukünftigen Krötenkönig Manfred gegen den Zeichenkeller in den Krieg zieht, sich die Keksvengers mit der Cookie League duellieren und die Erzkekse nach der Weltherrschaft streben. Das und vieles mehr ist in dieser Kekssammlung enthalten, in welcher Keks Norris alles kann, die TARKIKS durch Raum und Zeit fliegt und die Kekschesterschwestern Revi-Hasen jagen. Und natürlich ist auch Keksy Sue, die klügste, schönste, intelligenteste, perfekteste, wunderbarste, tollste und talentierteste Keksin aller Zeiten mit von der Partie.
SammlungHumor / P16 / Gen
03.08.2019
08.07.2023
55
62.759
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15.09.2019
2.009
Als ich erwachte schien die Sonne zum Fenster herein und kitzelte mich leicht an der Nase. Langsam schlug ich die Augen auf, räkelte mich genüsslich und schob die Beine über die Bettkante. Heute war ein guter Tag zum sterben.
Hallo, ich heiße übrigens Theo und bin der Tod. Zuständig dafür Individuen, für die es an der Zeit ist, den Weg ins Jenseits zu weisen. Aber ich bin nicht einfach der Tod, sondern ein Tod. Es gibt mehrere von uns, meist mit einem eigenen Aufgabengebiet und ich wurde speziell auf Kekse angesetzt. Ja, ihr habt richtig gelesen: Kekse. Normalerweise eine recht leblose Spezies, aber seitdem Fanfiktion.de sie als Währung eingeführt hat und den Markt mit ihnen überschwemmt, gibt es in dieser endlosen Menge immer mal wieder vereinzelte, die durch kuriose Umstände zum Leben erwachen. Sei es durch Blitzschläge, Verwünschungen, Experimente verrückter Wissenschaftler oder Genmais. Und am Ende ihres Lebens bin ich dann eben für sie zuständig. Gestern erst hatte ich einen Keks ins Jenseits begleitet, welcher an Schnapsflaschenscherben geleckt und sich auf die Weise zu Tode gesoffen hatte. Sachen gibt‘s …
Ich war gerade etwas verwirrt, weil ich mein Handy nicht auf dem Nachttisch liegen sah, da ich über WhatsDead, unsere todesinterne Kommunikations-App meine heutigen Aufträge durchgehen wollte, bis mir einfiel, dass ich es ja gestern Abend zum aufladen im Wohnzimmer angesteckt hatte. Also nahm ich meine Sense und schlurfte erstmal Richtung Küche. Dort angekommen nahm ich mir zwei Vollkornkekse (nicht lebende natürlich), legte sie auf einen Teller und öffnete den Kühlschrank um mir auch noch eine Flasche Milch zu schnappen, als ich ein „Die Kühlschranktür aber nicht wieder offen lassen!“ von hinten hörte.
Ich drehte mich um. Hinter mir stand Osterhase, einer meiner beiden Mitbewohner. Immer etwas grummelig, was zur Zeit besonders schlimm war, da er gerade auf der Suche nach einem Job außerhalb der Osterzeit war, bisher aber nicht fündig geworden war. Was mich leicht lächeln ließ, da ich gestern Abend eine interessante Anzeige im Internet gelesen und sofort ausgedruckt hatte. Ich kramte kurz in den Taschen meiner Robe, zog schließlich den Zettel hervor und überreichte ihn Osterhase: „Hier könnte dich eventuell interessieren.“
Osterhase nahm den Zettel und überflog die Anzeige. „Geschenkeauslieferer bei Santa Claus? Ist dass dein Ernst?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Ist doch irgendwie dein Metier.“
„Die Arbeitszeiten sind genau so blöd wie an Ostern, nur kälter, man darf nichts verstecken und Rentiere stinken ganz furchtbar, wenn sie vom Schnee nass werden.“
Ich runzelte die Stirn. „Bist du dir beim letzten Punkt sicher?“
„Ich werde dass auf jeden Fall ausgiebig recherchieren, bevor ich auf die Anzeige antworte, da kannst du dir sicher sein!“, entgegnete Osterhase, steckte sich den Zettel hinter die Löffel und hoppelte aus der Küche.
Ich nahm meinen Teller mit Keksen und die Milch und ging ins Wohnzimmer wo ich mich aufs Sofa setzte. Mein Handy war wieder aufgeladen, aber bevor ich meine Aufträge checkte, schrieb ich noch eine kurze SMS an meinen zweiten Mitbewohner, Redlum, dass er sich ums Rasen mähen kümmern sollte. Ich hätte es ihm zwar auch persönlich sagen können, aber erstens schlief er noch und zweitens hätte es wohl wieder zu endlosen Diskussionen geführt, weil er irgendwie nicht einsehen wollte warum ausgerechnet immer er den Rasen mähen musste, wenn sein einer Mitbewohner jemand mit einer Sense und der andere ein Hase war. Dann rief ich WhatsDead auf und ging während des Frühstücks meine Aufträge durch. Es waren zwar nur zwei, dafür keine alltäglichen (aber dass sind sie im Fall von Keksen im Grunde nie).
Zunächst ging es um einen Keks namens Michael. Der Erzengel Michael hatte beim über die Straße gehen nicht nach links und rechts geschaut und war prompt von einem Lastwagen voller Kekse überfahren worden. Der Erzengel selber konnte zwar kurz darauf seinen Weg weiter fortsetzten, aber bei der Kollision war ein wenig seiner Essenz durch die Gegend gespritzt und ein winziger Tropfen davon war auf einem der Kekse in der Lieferung gelandet und hatte diesen zum Leben erweckt. Heute war der Tag, an dem Michael (der Keks) durch einen Blitzschlag wieder ums Leben kommen und Michael (der Erzengel) dadurch seinen fehlenden Teil himmlische Essenz zurückerhalten würde. Im Anschluss sollte ich mich noch um einen gewissen Manfred kümmern. Erst war ich etwas verwirrt, weil es sich bei ihm, allem Anschein nach, um eine Kröte handelte, bis ich weiterlas und dadurch erfuhr, dass er außerdem ein Werkeks war. Die Welt wurde irgendwie immer verrückter …
Als ich auf dem Hügel ankam, auf welchem in Kürze der Keks Michael vom Blitz erschlagen werden sollte, zogen langsam die ersten Gewitterwolken am Himmel auf. So eine Todesvorhersage ist oft genauer als der Wetterdienst, nur mal so als Tipp, falls mal jemand eine genaue Vorhersage benötigt. Die ersten Tropfen fingen an zu fallen, als ich gerade die Stelle erreichte, wo Keks Michael auf einem Fels saß. Schnell klappte ich den integrierten Regenschirm an meiner Sense auf – leider ein rosaroter mit vielen Herzchen in allen möglichen Farben (die Schweizer Sensenfirma hatte sich bei meiner Bestellung etwas vertan, was ich bei Gelegenheit mal reklamieren musste) – und hielt ihn schützend über meinen Kopf.
Michael sah mich mit großen Augen an. „Tod? Mein Gott! Ist es etwa so weit?“
„Du kennst mich?“, fragte ich, um ein wenig Small-Talk zu halten. Das entspannt manche Opfer manchmal.
Michael sah mich entrüstet an. „Ich bin der Erzkeks Michael! Ich kann über Milch laufen und Marmelade teilen! Natürlich kenne ich dich!“
„Oh, dann ist ja gut“, erwiderte ich und sah nach oben. In etwa jetzt sollte der Blitz einschlagen. Und tatsächlich! Auf die Sekunde pünktlich schoss ein Blitz herab und schlug – unerwarteterweise – nicht in Michael ein, sondern in meine Sense! Ich hatte dummerweise vergessen, dass meine Sense unter anderem auch über einen Blitzableiter verfügte, was mitten in einem Gewitter, bei dem der Blitz an einer bestimmte Stelle einschlagen soll, die nicht der Blitzableiter ist, natürlich blöd ist. Noch blöder ist, wenn man den Blitzableiter auch noch in der Hand hält, Millionen von Volt durch einen hindurchschießen und dich zu Boden strecken.
Michael sah verdutzt auf mich herab. „War das Teil des Plans?“
Ich kam nicht dazu zu antworten, da in diesem Moment mein Handy klingelte. Ich rappelte mich hoch, zog das Telefon aus meiner Tasche und ging ran. „Hallo? Theo Tod am Apparat.“
„Sag mal spinnst du?“ Es war Amor, der heute scheinbar zum Blitze werfen eingeteilt war. „Ich ziele normal nie vorbei! Hörst du? Nie! Ich habe eine Trefferquote von hundert Prozent! Und was machst du Vollpfosten? Was war das? Hast du einen Blitzableiter mitgebracht oder was?!“
„Äh, muss ein unvorhersehbares metrologisches Ereignis gewesen sein“, gab ich zur Antwort. „Sonneneruption oder so.“
„Verarschen kann ich mich selbst“, grummelte Amor. „Aber dein Regenschirm gefällt mir. Schöne Herzchen. Und jetzt sei ein braver Tod und schaff normale Voraussetzungen für einen zweiten Versuch.“
Ich legte auf und deaktivierte die Blitzableiterfunktion. Dann sah ich zu Erzkeks Michael. „Bereit für eine zweite Runde?“
„Wenn es Teil des göttlichen Plans ist, dann sei es wohl so. Bringen wir es hinter uns.“
Ich klappte meinen Schirm zu und machte ein Daumen-hoch-Zeichen Richtung Himmel. Wenn Amor mein Schirmmuster von oben identifizieren konnte, sollte er auch meinen Daumen erkennen können. Und tatsächlich! Wieder fuhr ein Blitz gen Erde und traf dieses Mal punktgenau Michael! Der Erzkeks war sofort von oben bis unten schwarz verkohlt und fiel mit einem leisen Pumpf ins Gras, wo er liegen blieb. Ich beugte mich über ihn und schlitzte mit meiner Sense ein kleines Loch in das Gewebe der Realität, damit Michaels Geist dadurch seinen Weg ins Jenseits nehmen konnte.
Mit letzter Kraft sah Michael auf und blickte in das Loch. „Licht“, flüsterte er, dann sackte er zurück und blieb reglos liegen.
Dieses kurze Wort lies mich allerdings die Stirn runzeln. Licht? Ein Licht sollte er eigentlich nicht gesehen haben … es sei denn … hatte ich etwa? Ich ließ den heutigen Morgen noch einmal vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Ich hatte mir Kekse hergerichtet, die Kühlschranktür geöffnet, mich mit Osterhase unterhalten und war ins Wohnzimmer gegangen – ohne die Kühlschranktür zu schließen! Schon wieder! Verdammt! Ich musste unbedingt vor Osterhase wieder zu Hause sein, sonst durfte ich mir wieder was anhören. Ich konnte nur hoffen, dass die Manfred-Sache schnell vorbei sein würde.
Ich war durch einen dichten Wald unterwegs, jedoch zielsicher geführt durch mein, in die Sense eingebautes, GPS-Gerät. Deswegen war ich auch gar nicht ratlos, als ich plötzlich eine Wegkreuzung sah, denn ich wusste sofort, dass ich den Weg nach links einschlagen musste, um zum todgeweihten Manfred zu kommen. Bevor ich das allerdings konnte, sah ich eine junge Frau, die mir entgegenkam, genau an der Kreuzung trafen sich unsere Wege. Sie musterte mich, ich musterte sie. Tropenhelm, Tarnjacke, in der einen Hand ein Schmetterlingsnetz, in der anderen eine Harpune (seltsam, dachte ich, Manfred würde auch einem Harpunenschuss zum Opfer fallen, scheinbar waren diese Dinger gerade schwer in Mode) und auf dem Rücken einen großen Rucksack, an welchem eine Bratpfanne baumelte. In dieser klebte eine rote Feder. Ich betrachtete sie interessiert, auch weil ich in der Pfanne einen leisen Geruch von Tod roch. „Papagei oder Kängugei? Oh, Sorry, ich bin übrigens Theo.“
„Katla.“ Die Frau lehnte die Harpune an einen Baum und schüttelte mir die Hand. „War mal ein Kängugei. Ich bin gerade auf der Suche nach einer Kröte, die mir … äh … sagen wir, entlaufen ist. Und ich dachte ich versuche mal meinen Kängugei auf Kröte abzurichten. Ging auch ganz gut, bis er dachte bei der letzten Rast ein Lagerfeuer machen und sich selbst grillen zu müssen.“
Ich nickte mitfühlend. Es war bekannt dass Kängugeie mit Vorliebe gegessen werden wollten und dabei auch vor Selbstmord nicht zurückschreckten. Deswegen gab es auch so wenig von ihnen, dass es keinen auf sie spezialisierten Tod gab. Paulchen, zuständig für Kängurus und Mary-Katharina-Zola-Sue, zuständig für Papageie, teilten sich diese Aufgabe. Ich musste bei Gelegenheit mal nachfragen, wer von den beiden für Katlas Kängugei zuständig gewesen war, immerhin wären wir uns hier fast über den Weg gelaufen.
„Hast du hier zufällig eine Kröte gesehen?“, riss mich Katla aus meinen Gedanken und wandte sich instinktiv leicht nach links.
„Äh, ich glaube ich habe da hinten etwas quaken hören“, sagte ich schnell und deutete nach rechts. Die arme nette Frau hatte gerade ihren Kängugei verloren, da wollte ich es vermeiden, dass sie auch noch den Tod ihrer geliebten Hauskröte mit ansehen musste, der unmittelbar bevorstand. Man kann von uns Toden ja viel behaupten, aber wir sind im Allgemeinen doch recht liebenswert und nett und wenn wir es verhindern können, dass Unbeteiligte unnötig traumatisiert werden, dann tun wir dies meistens auch.
„Wunderbar!“, freute sich Katla, schüttelte mir zum Abschied noch einmal die Hand, nahm ihre Harpune und schlug den rechten Weg ein.
Ich wandte mich nach links und kurze Zeit später kam ich an einen größeren Teich. In der Mitte ragten ein paar Felsen aus diesem empor und auf einem von ihnen saß die Kröte Manfred. Leise schraubte ich meine Sense in mehrere Teile auseinander, baute sie neu zu einem Klappstuhl zusammen und wartete. Und wartete. Und wartete. Aber irgendwie passierte gar nichts. Manfred quakte unbehelligte vor sich hin, hüpfte ab und zu ins Wasser und laichte ein wenig herum. Keine Spur von einer Harpune oder sonst irgendetwas totbringendem.
Schließlich hatte ich so lange gewartet, dass ich mir fast sicher war, dass nun nichts mehr passieren würde. Manchmal irrte sich auch unser WhatsDead, denn irgendeine unvorhersehbare Kleinigkeit konnte immer passieren, die die vorherbestimmten Wege des Schicksals etwas aus der Bahn warfen. Es kam äußerst selten vor, aber es kam vor. Wahrscheinlich waren Paulchen oder Mary-Katharina-Zola-Sue vorhin auf einen Schmetterling getreten oder so etwas in der Art. Schnell baute ich aus dem Klappstuhl wieder meine Sense zusammen und überlegte, ob ich den Wink des Schicksals nutzen, den jetzt scheinbar nicht mehr totgeweihten Manfred fangen und zu seiner Besitzerin zurückbringen sollte. Aber ich verwarf den Gedanken schnell wieder. Erstens hatte ich keine Ahnung wo Katla inzwischen war und zweitens musste ich eine Kühlschranktür schließen. Und zwar ganz dringend!
Hallo, ich heiße übrigens Theo und bin der Tod. Zuständig dafür Individuen, für die es an der Zeit ist, den Weg ins Jenseits zu weisen. Aber ich bin nicht einfach der Tod, sondern ein Tod. Es gibt mehrere von uns, meist mit einem eigenen Aufgabengebiet und ich wurde speziell auf Kekse angesetzt. Ja, ihr habt richtig gelesen: Kekse. Normalerweise eine recht leblose Spezies, aber seitdem Fanfiktion.de sie als Währung eingeführt hat und den Markt mit ihnen überschwemmt, gibt es in dieser endlosen Menge immer mal wieder vereinzelte, die durch kuriose Umstände zum Leben erwachen. Sei es durch Blitzschläge, Verwünschungen, Experimente verrückter Wissenschaftler oder Genmais. Und am Ende ihres Lebens bin ich dann eben für sie zuständig. Gestern erst hatte ich einen Keks ins Jenseits begleitet, welcher an Schnapsflaschenscherben geleckt und sich auf die Weise zu Tode gesoffen hatte. Sachen gibt‘s …
Ich war gerade etwas verwirrt, weil ich mein Handy nicht auf dem Nachttisch liegen sah, da ich über WhatsDead, unsere todesinterne Kommunikations-App meine heutigen Aufträge durchgehen wollte, bis mir einfiel, dass ich es ja gestern Abend zum aufladen im Wohnzimmer angesteckt hatte. Also nahm ich meine Sense und schlurfte erstmal Richtung Küche. Dort angekommen nahm ich mir zwei Vollkornkekse (nicht lebende natürlich), legte sie auf einen Teller und öffnete den Kühlschrank um mir auch noch eine Flasche Milch zu schnappen, als ich ein „Die Kühlschranktür aber nicht wieder offen lassen!“ von hinten hörte.
Ich drehte mich um. Hinter mir stand Osterhase, einer meiner beiden Mitbewohner. Immer etwas grummelig, was zur Zeit besonders schlimm war, da er gerade auf der Suche nach einem Job außerhalb der Osterzeit war, bisher aber nicht fündig geworden war. Was mich leicht lächeln ließ, da ich gestern Abend eine interessante Anzeige im Internet gelesen und sofort ausgedruckt hatte. Ich kramte kurz in den Taschen meiner Robe, zog schließlich den Zettel hervor und überreichte ihn Osterhase: „Hier könnte dich eventuell interessieren.“
Osterhase nahm den Zettel und überflog die Anzeige. „Geschenkeauslieferer bei Santa Claus? Ist dass dein Ernst?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Ist doch irgendwie dein Metier.“
„Die Arbeitszeiten sind genau so blöd wie an Ostern, nur kälter, man darf nichts verstecken und Rentiere stinken ganz furchtbar, wenn sie vom Schnee nass werden.“
Ich runzelte die Stirn. „Bist du dir beim letzten Punkt sicher?“
„Ich werde dass auf jeden Fall ausgiebig recherchieren, bevor ich auf die Anzeige antworte, da kannst du dir sicher sein!“, entgegnete Osterhase, steckte sich den Zettel hinter die Löffel und hoppelte aus der Küche.
Ich nahm meinen Teller mit Keksen und die Milch und ging ins Wohnzimmer wo ich mich aufs Sofa setzte. Mein Handy war wieder aufgeladen, aber bevor ich meine Aufträge checkte, schrieb ich noch eine kurze SMS an meinen zweiten Mitbewohner, Redlum, dass er sich ums Rasen mähen kümmern sollte. Ich hätte es ihm zwar auch persönlich sagen können, aber erstens schlief er noch und zweitens hätte es wohl wieder zu endlosen Diskussionen geführt, weil er irgendwie nicht einsehen wollte warum ausgerechnet immer er den Rasen mähen musste, wenn sein einer Mitbewohner jemand mit einer Sense und der andere ein Hase war. Dann rief ich WhatsDead auf und ging während des Frühstücks meine Aufträge durch. Es waren zwar nur zwei, dafür keine alltäglichen (aber dass sind sie im Fall von Keksen im Grunde nie).
Zunächst ging es um einen Keks namens Michael. Der Erzengel Michael hatte beim über die Straße gehen nicht nach links und rechts geschaut und war prompt von einem Lastwagen voller Kekse überfahren worden. Der Erzengel selber konnte zwar kurz darauf seinen Weg weiter fortsetzten, aber bei der Kollision war ein wenig seiner Essenz durch die Gegend gespritzt und ein winziger Tropfen davon war auf einem der Kekse in der Lieferung gelandet und hatte diesen zum Leben erweckt. Heute war der Tag, an dem Michael (der Keks) durch einen Blitzschlag wieder ums Leben kommen und Michael (der Erzengel) dadurch seinen fehlenden Teil himmlische Essenz zurückerhalten würde. Im Anschluss sollte ich mich noch um einen gewissen Manfred kümmern. Erst war ich etwas verwirrt, weil es sich bei ihm, allem Anschein nach, um eine Kröte handelte, bis ich weiterlas und dadurch erfuhr, dass er außerdem ein Werkeks war. Die Welt wurde irgendwie immer verrückter …
~+~+~+~
Als ich auf dem Hügel ankam, auf welchem in Kürze der Keks Michael vom Blitz erschlagen werden sollte, zogen langsam die ersten Gewitterwolken am Himmel auf. So eine Todesvorhersage ist oft genauer als der Wetterdienst, nur mal so als Tipp, falls mal jemand eine genaue Vorhersage benötigt. Die ersten Tropfen fingen an zu fallen, als ich gerade die Stelle erreichte, wo Keks Michael auf einem Fels saß. Schnell klappte ich den integrierten Regenschirm an meiner Sense auf – leider ein rosaroter mit vielen Herzchen in allen möglichen Farben (die Schweizer Sensenfirma hatte sich bei meiner Bestellung etwas vertan, was ich bei Gelegenheit mal reklamieren musste) – und hielt ihn schützend über meinen Kopf.
Michael sah mich mit großen Augen an. „Tod? Mein Gott! Ist es etwa so weit?“
„Du kennst mich?“, fragte ich, um ein wenig Small-Talk zu halten. Das entspannt manche Opfer manchmal.
Michael sah mich entrüstet an. „Ich bin der Erzkeks Michael! Ich kann über Milch laufen und Marmelade teilen! Natürlich kenne ich dich!“
„Oh, dann ist ja gut“, erwiderte ich und sah nach oben. In etwa jetzt sollte der Blitz einschlagen. Und tatsächlich! Auf die Sekunde pünktlich schoss ein Blitz herab und schlug – unerwarteterweise – nicht in Michael ein, sondern in meine Sense! Ich hatte dummerweise vergessen, dass meine Sense unter anderem auch über einen Blitzableiter verfügte, was mitten in einem Gewitter, bei dem der Blitz an einer bestimmte Stelle einschlagen soll, die nicht der Blitzableiter ist, natürlich blöd ist. Noch blöder ist, wenn man den Blitzableiter auch noch in der Hand hält, Millionen von Volt durch einen hindurchschießen und dich zu Boden strecken.
Michael sah verdutzt auf mich herab. „War das Teil des Plans?“
Ich kam nicht dazu zu antworten, da in diesem Moment mein Handy klingelte. Ich rappelte mich hoch, zog das Telefon aus meiner Tasche und ging ran. „Hallo? Theo Tod am Apparat.“
„Sag mal spinnst du?“ Es war Amor, der heute scheinbar zum Blitze werfen eingeteilt war. „Ich ziele normal nie vorbei! Hörst du? Nie! Ich habe eine Trefferquote von hundert Prozent! Und was machst du Vollpfosten? Was war das? Hast du einen Blitzableiter mitgebracht oder was?!“
„Äh, muss ein unvorhersehbares metrologisches Ereignis gewesen sein“, gab ich zur Antwort. „Sonneneruption oder so.“
„Verarschen kann ich mich selbst“, grummelte Amor. „Aber dein Regenschirm gefällt mir. Schöne Herzchen. Und jetzt sei ein braver Tod und schaff normale Voraussetzungen für einen zweiten Versuch.“
Ich legte auf und deaktivierte die Blitzableiterfunktion. Dann sah ich zu Erzkeks Michael. „Bereit für eine zweite Runde?“
„Wenn es Teil des göttlichen Plans ist, dann sei es wohl so. Bringen wir es hinter uns.“
Ich klappte meinen Schirm zu und machte ein Daumen-hoch-Zeichen Richtung Himmel. Wenn Amor mein Schirmmuster von oben identifizieren konnte, sollte er auch meinen Daumen erkennen können. Und tatsächlich! Wieder fuhr ein Blitz gen Erde und traf dieses Mal punktgenau Michael! Der Erzkeks war sofort von oben bis unten schwarz verkohlt und fiel mit einem leisen Pumpf ins Gras, wo er liegen blieb. Ich beugte mich über ihn und schlitzte mit meiner Sense ein kleines Loch in das Gewebe der Realität, damit Michaels Geist dadurch seinen Weg ins Jenseits nehmen konnte.
Mit letzter Kraft sah Michael auf und blickte in das Loch. „Licht“, flüsterte er, dann sackte er zurück und blieb reglos liegen.
Dieses kurze Wort lies mich allerdings die Stirn runzeln. Licht? Ein Licht sollte er eigentlich nicht gesehen haben … es sei denn … hatte ich etwa? Ich ließ den heutigen Morgen noch einmal vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Ich hatte mir Kekse hergerichtet, die Kühlschranktür geöffnet, mich mit Osterhase unterhalten und war ins Wohnzimmer gegangen – ohne die Kühlschranktür zu schließen! Schon wieder! Verdammt! Ich musste unbedingt vor Osterhase wieder zu Hause sein, sonst durfte ich mir wieder was anhören. Ich konnte nur hoffen, dass die Manfred-Sache schnell vorbei sein würde.
~+~+~+~
Ich war durch einen dichten Wald unterwegs, jedoch zielsicher geführt durch mein, in die Sense eingebautes, GPS-Gerät. Deswegen war ich auch gar nicht ratlos, als ich plötzlich eine Wegkreuzung sah, denn ich wusste sofort, dass ich den Weg nach links einschlagen musste, um zum todgeweihten Manfred zu kommen. Bevor ich das allerdings konnte, sah ich eine junge Frau, die mir entgegenkam, genau an der Kreuzung trafen sich unsere Wege. Sie musterte mich, ich musterte sie. Tropenhelm, Tarnjacke, in der einen Hand ein Schmetterlingsnetz, in der anderen eine Harpune (seltsam, dachte ich, Manfred würde auch einem Harpunenschuss zum Opfer fallen, scheinbar waren diese Dinger gerade schwer in Mode) und auf dem Rücken einen großen Rucksack, an welchem eine Bratpfanne baumelte. In dieser klebte eine rote Feder. Ich betrachtete sie interessiert, auch weil ich in der Pfanne einen leisen Geruch von Tod roch. „Papagei oder Kängugei? Oh, Sorry, ich bin übrigens Theo.“
„Katla.“ Die Frau lehnte die Harpune an einen Baum und schüttelte mir die Hand. „War mal ein Kängugei. Ich bin gerade auf der Suche nach einer Kröte, die mir … äh … sagen wir, entlaufen ist. Und ich dachte ich versuche mal meinen Kängugei auf Kröte abzurichten. Ging auch ganz gut, bis er dachte bei der letzten Rast ein Lagerfeuer machen und sich selbst grillen zu müssen.“
Ich nickte mitfühlend. Es war bekannt dass Kängugeie mit Vorliebe gegessen werden wollten und dabei auch vor Selbstmord nicht zurückschreckten. Deswegen gab es auch so wenig von ihnen, dass es keinen auf sie spezialisierten Tod gab. Paulchen, zuständig für Kängurus und Mary-Katharina-Zola-Sue, zuständig für Papageie, teilten sich diese Aufgabe. Ich musste bei Gelegenheit mal nachfragen, wer von den beiden für Katlas Kängugei zuständig gewesen war, immerhin wären wir uns hier fast über den Weg gelaufen.
„Hast du hier zufällig eine Kröte gesehen?“, riss mich Katla aus meinen Gedanken und wandte sich instinktiv leicht nach links.
„Äh, ich glaube ich habe da hinten etwas quaken hören“, sagte ich schnell und deutete nach rechts. Die arme nette Frau hatte gerade ihren Kängugei verloren, da wollte ich es vermeiden, dass sie auch noch den Tod ihrer geliebten Hauskröte mit ansehen musste, der unmittelbar bevorstand. Man kann von uns Toden ja viel behaupten, aber wir sind im Allgemeinen doch recht liebenswert und nett und wenn wir es verhindern können, dass Unbeteiligte unnötig traumatisiert werden, dann tun wir dies meistens auch.
„Wunderbar!“, freute sich Katla, schüttelte mir zum Abschied noch einmal die Hand, nahm ihre Harpune und schlug den rechten Weg ein.
Ich wandte mich nach links und kurze Zeit später kam ich an einen größeren Teich. In der Mitte ragten ein paar Felsen aus diesem empor und auf einem von ihnen saß die Kröte Manfred. Leise schraubte ich meine Sense in mehrere Teile auseinander, baute sie neu zu einem Klappstuhl zusammen und wartete. Und wartete. Und wartete. Aber irgendwie passierte gar nichts. Manfred quakte unbehelligte vor sich hin, hüpfte ab und zu ins Wasser und laichte ein wenig herum. Keine Spur von einer Harpune oder sonst irgendetwas totbringendem.
Schließlich hatte ich so lange gewartet, dass ich mir fast sicher war, dass nun nichts mehr passieren würde. Manchmal irrte sich auch unser WhatsDead, denn irgendeine unvorhersehbare Kleinigkeit konnte immer passieren, die die vorherbestimmten Wege des Schicksals etwas aus der Bahn warfen. Es kam äußerst selten vor, aber es kam vor. Wahrscheinlich waren Paulchen oder Mary-Katharina-Zola-Sue vorhin auf einen Schmetterling getreten oder so etwas in der Art. Schnell baute ich aus dem Klappstuhl wieder meine Sense zusammen und überlegte, ob ich den Wink des Schicksals nutzen, den jetzt scheinbar nicht mehr totgeweihten Manfred fangen und zu seiner Besitzerin zurückbringen sollte. Aber ich verwarf den Gedanken schnell wieder. Erstens hatte ich keine Ahnung wo Katla inzwischen war und zweitens musste ich eine Kühlschranktür schließen. Und zwar ganz dringend!