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Eine Liebe in vier Akten

von Pingulina
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Freundschaft / P18 / MaleSlash
Jimin Jungkook Kim Seokjin Suga V
15.07.2019
28.06.2021
103
265.184
46
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201 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
05.04.2021 2.133
 
Vierter Akt - Dritte Szene: Erinnerungen


So aufreibend der letzte Tag auch gewesen sein mochte, dieser versuchte es noch zu toppen. Aus einem üblen Traum aufgeschreckt glaubte Taehyung einige Momente lang fest, dass Seokjin ihn angerufen hätte, um ihm zu sagen, dass er nun mit Jungkook glücklich werden würde. Panisch hatte Taehyung nach seinem Handy gesucht, wollte nach dem plötzlichen Auflegen des Älteren zurückrufen und ihm den Kopf waschen, anschreien, anbetteln, mit sonst was drohen, Hauptsache es hielt ihn von diesem schrecklichen Fehler ab. Erst als er mit hämmernden Herzen und keuchendem Atem vor seinem Schreibtisch stand, auf dem das Handy gelegen hatte, sickerte die Erkenntnis des Traumes zu ihm durch und ließ ihn in die Knie gehen. Wie einen Schatz presste er das kleine Gerät an seine Brust, während sich die Verzweiflung des Traumes seine Bahnen schlug und ihm in bebenden Strömen übers Gesicht rann.

Es hatte seine Zeit gebraucht, bis er sich beruhigen konnte. Was nicht weiter schlimm war. War es doch noch mitten in der Nacht als er hochgefahren und panisch geworden war. Vom Schlafen hatte er erstmal genug, dass es Angst sein könnte, die ihn wachhielt, würde er selbst unter Folter vehement abstreiten. Er nutzte die Zeit lieber, setzte sich an den Schreibtisch, vor dem er viel zu lange gehockt hatte und begann akribisch aufzuarbeiten, was er gestern nicht mitbekommen hatte. Dabei kamen zwar mehr Fragen auf als er Antworten fand, aber dann konnte er diese heute gleich stellen und einen guten Eindruck beim Professor hinterlassen, war doch auch mal was Schönes.

Der nächste Schreck des Tages hatte erneut mit seinem Handy, nur leider diesmal mit keinem Traum, zu tun. Eine Reihe von Bildern flatterte ins Haus, alle von Namjoon und was darauf zu sehen war, konnte er anfangs nicht genau sagen. Sie waren alle sehr dunkel, teils verwackelt und pixelig. Eindeutig Aufnahmen bei Nacht und sehr wenig Licht. Auch ohne zu wissen was er sich da ansah, machte sich ein Gefühl von Enge in seiner Brust breit. Das war die Art von Bildern, die im Krimi immer gezeigt wurden, wenn der Mörder schon hinter einem auf seinen Einsatz wartete. Doch nach und nach erkannte er langsam was sie zeigten und auch wenn es sich mit seinen Erinnerungen deckten, machte es das Ganze nicht besser.

Als sie trinken waren hatte Namjoon ihn überredet ihn nachhause zu bringen, auf dem Weg hatten sie versucht Selfies zu machen und waren kläglich gescheitert. Dennoch erkannte Taehyung deutlich genug einige Ecken, die den Weg zu seiner Wohnung zierten. Sein Vorhaben, Namjoon an irgendeiner Ecke loszuwerden, war offenbar gescheitert, das letzte Bild zeigte den hässlichen, halb vertrockneten Busch vor seiner Eingangstür. Es war ihm seltsam unangenehm, dass der Lilahaarige nun wusste wo er lebte. Zwar ging von ihm keine konkrete Gefahr aus, dennoch gefiel Taehyung die Vorstellung nicht, dass es nun deutlich schwerer werden würde ihn wieder loszuwerden, wenn er diese Bekanntschaft nicht mehr wollte. Nicht nur, dass er eh den Job wechseln müsste, nun kam auch noch umziehen dazu.

Eigentlich fehlte nur noch, dass Jungkook seine Zeit beanspruchen wollte, doch dieser verhielt sich glücklicherweise ruhig, hatte wohl endlich eingesehen, dass Taehyung keinen Wert mehr auf ihn legte. Zwar hatte er ihm das nie mit diesen Worten gesagt, aber in netteren und er ging einfach davon aus, dass Jungkook schlau genug war es zu verstehen.

Die Vorlesungen zogen sich an diesem Tag passend zu Taehyungs Laune. Wenigstens Yoongi wirkte etwas munterer, ließ sich hin und wieder zu einem verträumten Lächeln hinreißen und zu einem schnellen Blick auf sein Handy. Taehyung war sich sicher den Grund dafür zu kennen, wollte sich aufrichtig für seinen Freund freuen, nur konnte er es einfach nicht. Immer, wenn er daran dachte, stach das tückische Monster der Eifersucht mit feinen Nadeln in seinen Magen. Es war nicht so, dass er Angst um Yoongi hatte, hatte dieser sich einmal entschieden blieb er dabei, die Freundschaft war ihm also sicher - zumindest bis er erneut Mist baute - es ging ihm mehr um das, was sich zwischen den beiden entwickelte. Er wollte auch eine glückliche Beziehung mit Nähe und Vertrauen, nur bekam er es einfach nicht auf die Reihe. Jungkook war ein Griff ins Klo gewesen und bei Seokjin hatte er sich selbst als der Griff ins Klo erwiesen. Grummelnd und von sich selbst genervt kaute er auf der Unterlippe herum, während sein Stift zu fest auf das Papier drückte beim Mitschreiben und seine Handschrift unansehnlich verzehrte.

Seine Gedanken kreisten unablässig um das Thema Beziehung und wie unfähig er doch war. Immer mehr steigerte er sich in seine Gedanken hinein und gepackt von Unruhe schaffte er es nur noch mit letzter Willenskraft den Professor nicht anzubrüllen als dieser seine Vorlesung um fünf Minuten überzog. Er musste hier raus, an die frische Luft, am besten weit weg von seinen Gedanken und dieser Möchtegernintellektuelle erlaubte es sich das hinauszögern zu dürfen. Der konnte sich wirklich freuen, dass Taehyung seinen Stift so mochte, sonst wäre der ihm schon längst an den Kopf geflogen.

Als sie schließlich gehen konnten war er schnell auf den Beinen, fegte seine Unterlagen unordentlich in die Tasche und erwiderte Yoongis skeptischen Blick mit einem genervten Schnauben.
„Ich brauch frische Luft, wir sehen uns später“, würgte er bemüht höflich hervor und war aus dem Raum verschwunden, ehe Yoongi etwas erwidern konnte. Ob dieser etwas gesagt hätte war eh fragwürdig, immerhin kannte er Taehyung gut genug, um ihm anzusehen, dass ihm Ruhe aktuell am besten Tat.

Mit schnellen, langen Schritten erklomm er die Stufen zum Dach, blickte sich flüchtig um und stellte zufrieden fest, dass hier gerade niemand außer ihm war. Die Mensa war sicher gut gefüllt, jetzt zur Mittagszeit, dennoch bedeutete dies nicht, dass er hier ungestört wäre, etwas Glück war also auch dabei gewesen und gab Taehyung etwas von der Selbstbestätigung wieder, welche er so dringend brauchte.

Seine Tasche landete auf dem Boden, die Kopfhörer in den Ohren und schon schluckte laute Musik alle anderen Geräusche. Er schloss die Augen, ließ sich von den Texten und Melodien leiten und bewegte sich mit wogenden Schritten über das Dach. Als tanzen konnte man es nicht wirklich bezeichnen, eher als körperliche Übersetzung eines Teiles des Takts, aber es war schon immer Taehyungs Weg gewesen sich in Musik fallen zu lassen und es tat gut. Gab es ihm doch genau den Abstand von seinem Leben, den er gerade so bitter nötig hatte.

Der Wirbel in seinem Kopf legte sich allmählich, spuckte alle Gedanken wieder aus, die er eingesogen und zum Rottieren gebracht hatte. Wirklich mit ihnen umgehen konnte er zwar immer noch nicht, aber es war wesentlich besser sie klar zu kennen, als nur mit einer ungewissen Ahnung und einem wagen Gefühl über ihren Inhalt zurückzubleiben. Er hatte schon immer die konkrete der ungewissen Angst vorgezogen, denn nur an dieser konnte man aktiv arbeiten.

Ganz langsam, aber bestimmt arbeitete sich einer dieser Gedanken in den Vordergrund, übertönte selbst die laute Musik in seinen Ohren, untermalte ihren Rhythmus und machte es Taehyung unerträglich das Lied weiterzuhören. Aber auch als er das Lied wechselte geschah das Gleiche, es verlor seinen Takt, seine Schönheit, alles was es für ihn so besonders machte und so gab er nach. Er wechselte das Lied erneut und schluckte schwer als sein Körper wie von allein in der Bewegung erstarrte. Seine eigene Stimme klang ihm in den Ohren und in seinem Körper tobte ein Kampf. Einer zwischen Bewegung und Stillstand, seine Muskeln zuckten, schrien ihn an, doch folgen konnte er nicht. Betreten blickte er auf seine unbewegten Füße, schaffte es mühelos einen kleinen Stein vor seinem Schuh weg zu kicken, aber nicht die Bewegung abzurufen, die er so oft geübt hatte. Es klappte einfach nicht.

So stand er da, bis auch die letzten Klänge des Klaviers verklungen waren und er es nicht mehr als falsch empfand zurück zu seiner Tasche zu gehen und einen Schluck zu trinken. Mit einem schmerzhaften Zischen fegte er sich im nächsten Moment die Stöpsel aus den Ohren, als der Nachrichtenton in voller Lautstärke direkt in seine Gehörgange geleitet wurde. Das Handy flog ihm aus der Hand und in kurzer Schreckstarre starte er das auf dem Boden liegende Gerät an, bückte sich mechanisch und schloss erleichtert die Augen als es keine äußeren Schäden aufwies und sich anschalten ließ. Ganz automatisch sah er nach wer ihn da so erschreckt hatte und das Quartett aus Unheil wurde vervollständigt. Jungkook bat ihn um ein Treffen und um seine Chancen zu erhöhen, lud er ihn zum Eis ein. Na, wenn das nicht mal kreativ war…

>> Du hörst erst auf zu fragen, wenn ich 'Ja' sage? <<

>> Genau! <<

>> Uff… na wenn es sein muss…<<


********



Mit seinem gewohnt breiten Grinsen kam Jungkook auf ihn zu, unterließ es aber ihn zu umarmen, auch wenn seine Arme verräterisch zuckten. Dennoch legte er ihm kurz die Hand auf die Schulter, drückte sacht zu und blickte ihm interessiert in die Augen, während Taehyung die Schulter rund machte, um die nervende Hand davon gleiten zu lassen.

„Du siehst gut aus. Etwas überarbeitet, aber so toll wie immer“, meinte Jungkook frech und locker. Ein abfälliges Schnauben arbeitete sich Taehyungs Kehle empor und da er Jungkook nun nicht mehr bei der Stange halten musste unterdrückte er es nicht. Die Augen des Jüngeren weiteten sich überrascht, sein Gesicht spannte sich wenige Augenblicke an, bevor ein nervöses Lachen erklang.

„Gut ich lasse das. Hier lang“, lenkte Jungkook ein und drehte sich zur Seite, deutet mit der Hand vor sich und ging mit langsamen Schritten los, abwartend ob Taehyung ihm auch folgen würde.

„Sag mir doch einfach, warum du ein solches Verlangen hast mich immer wieder sehen zu wollen“, versuchte Taehyung seinem Leiden ein schnelles Ende zu machen. Er war nicht interessiert an weiteren Schauspieleinlagen und Lügen, davon hatte er genug.

„Ist das so schwer zu erraten?“, tat Jungkook leicht schüchtern und doch mit einem frechen Zug um die Lippen.

Nein, war es nicht. Der wollte zumindest einen seiner sicheren Ficks zurück haben. Da blieb die Frage mit welchen Maschen er versuchte Jimin zurückzugewinnen. So selbstsicher wie der Jüngere auftrat hatte dieser ihn noch nicht mit seinem Wissen konfrontiert, etwas was auch Taehyung gerade nicht tat, obwohl er weder Lust auf die Gesellschaft des Jüngeren hatte noch einen Grund es nicht zu tun. Na gut, Gründe hatte er durchaus, aber diese waren alle hirnrissig und irrational. Leider zwei Eigenschaften, die sich in Taehyungs Verhalten häuften, seit er Jungkook kennengelernt hatte. Ihre ganze Beziehung war hirnrissig gewesen und so würde es wohl auch mit ihnen weitergehen, denn Taehyungs Masochismus erklärte ihm gerade äußerst überzeugend, warum es vielleicht noch ganz lustig werden könnte den Kontakt zu halten. Bei Jimin hatte er eh verkackt, Seokjin auf ewig vergrault, wer konnte schon sagen wofür er Jungkook noch gebrauchen konnte?

Resigniert stieß er die Luft aus und blieb stehen.
„Nein, ist es nicht und wäre ich vorhin nicht so fertig mit den Nerven gewesen, hätte ich genau deshalb nicht zugesagt“, schleuderte er Jungkook ruhig entgegen und dieser Mistkerl schaffte es tatsächlich zart rote Bäckchen zu bekommen und verlegen zu Boden zu schauen.

„Ich kann ja verstehen, dass eine Beziehung zwischen uns nicht klappt, aber… können wir nicht wenigstens Freunde bleiben?“, gab er stockend von sich, hob dabei den Blick und versuchte Taehyung mit seinen treuen Augen einzulullen. „Ich will dich nicht ganz aus meinem Leben verlieren“, schob er schnell, fast panisch hinzu, brachte Taehyungs Augenbraue aber nur dazu in die Höhe zu schießen.

„Das wird spätesten dann nicht mehr gehen, wenn ich jemand neuen habe. Also lass es uns gleich beenden und das Leid nicht noch hinauszögern“, kam es kühl über Taehyungs Lippen, während seine Schadenfreude Sturm lief. Mit Jungkook befreundet zu bleiben hätte doch so viele schöne Möglichkeiten geboten, ihm noch etwas dabei zuzusehen, wie ihn die Sache mit Jimin ins Wanken brachte. Dass Jungkook damit noch zu kämpfen hatte konnte Taehyung sehen, Jungkooks ganze Haltung war eingefallen, es zuckte immer wieder leichte Wut durch seinen Blick, die Finger verkrampften. Es war ausgeschlossen, dass dies alles Taehyung galt und genau das wäre ein guter Aufhänger gewesen, aber diesmal siegten Vernunft und Loyalität. Nicht Jimin gegenüber, er brauchte zu niemandem Loyal zu sein, der ihn nicht mehr in seinem Leben haben wollte aber Yoongi gegenüber schon. Dieser hatte ihn zu oft gebeten Jungkook loszuwerden, als dass er dieses Spiel erneut eröffnen könnte.

„Du hast also noch niemand konkretes“, griff Jungkook aus dem Gesagten auf und Taehyung schnaubte genervt.

„Drumherum reden hilft nicht. Es ist egal, ob ich jemanden habe oder nicht, mit dir will ich nichts mehr zu tun haben.“

Noch einen letzten finsteren Blick schenkte er dem Betrüger, drehte sich dann um und ging zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Auf dem Weg zückte er sein Handy, sperrte Jungkooks Nummer und schrieb Namjoon an.
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