Eine Liebe in vier Akten
von Pingulina
Kurzbeschreibung
„Du solltest dir eine Frage stellen. Bist du glücklich mit ihm oder wärst du es gerne?“ Eine Frage, die Jimin seine Beziehung und die letzten Jahre überdenken lässt und deren Folgen nicht aufwühlender hätten sein können. [Jimin x Jungkook; Jimin x???; Taehyung x ???]
GeschichteDrama, Freundschaft / P18 / MaleSlash
Jimin
Jungkook
Kim Seokjin
Suga
V
15.07.2019
28.06.2021
103
265.184
46
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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18.11.2019
3.137
Erster Akt - Neunzehnte Szene: Ernüchterung
Die leisen Klänge des Klaviers vermochten kaum gegen das laute Rauschen in Jimins Ohren anzukommen. Es war so penetrant, dass Jimin sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte, doch was sollte das bringen? Die schöne Klaviermusik würde er so aussperren können, seine eigene Nervosität jedoch nicht. Er hatte wirklich gehofft etwas ruhiger zu werden, wenn er hier stand und der zarten Melodie lauschte, aber das Gegenteil war der Fall. Seine Nerven flatterten immer mehr, machten den Anschein nie wieder Ruhe zu finden und Jimin schluckte schwer.
Es brachte nichts zu warten, er musste handeln. Als wolle sie noch eine letzte Sekunde Zeit schinden rutschte seine Brille ein Stück auf seiner Nase herab, sodass Jimin sie fahrig wieder an ihren Platz befördern musste, dann war seine Schonfrist vorbei. Mit pochendem Herzen legte er die schweißnassen Finger an die angelehnte Tür, vor der er bereits eine kleine Ewigkeit stand. Drückte sie behutsam auf und hoffte, dass sein Eintreten nicht bemerkt werden würde. Das Ersterben der Musik belehrte ihn eines Besseren und als er den Raum betrat sah er, dass er nie eine Chance gehabt hatte. Der Flügel stand gegenüber der Tür, sodass der Pianist den Eingang genau im Blick hatte.
Stumm trat er ein und schloss die Tür genauso leise hinter sich wie er sie geöffnet hatte, atmete noch einmal tief ein, vergaß auszuatmen und drehte sich um. Ein eisiger Schauer kroch seinen Rücken hinab, als er den Blick sah, der auf ihm ruhe. Kalt, hart, verletzt.
Was hatte er erwartet?
Das, was er getan hatte war schrecklich gewesen. Brutal und rücksichtslos. Hatte er wirklich mit einem Lächeln gerechnet? Damit freundlich willkommen geheißen zu werden. Nein, damit gerechnet hatte er nicht, aber darauf gehofft schon. Der kleine naive Teil in ihm, der zu gerne noch an Wunder glauben wollte, hatte die Hoffnung aufrecht erhalten und ihm die Kraft gegeben hier herzukommen, um sich der Wahrheit zu stellen.
Kurz stand er verunsichert an der Tür, brachte seine Beine dann fast gewaltsam zum Funktionieren und schritt tiefer in den Raum hinein, auf den Flügel zu. Yoongis Blick folgte ihm, auch wenn er sich sonst nicht regte, stumm auf dem Klavierhocker saß, die Hände locker im Schoß liegend und ihn anschaute. Die Kälte in den Augen des Älteren ließ Jimin wenige Schritte von ihm entfernt stehenbleiben. Näher konnte er nicht gehen, eine unsichtbare Mauer schien ihn aufzuhalten und ihm fehlte die Kraft sich gegen sie zu stemmen.
„Yoongi…“, hauchte Jimin mit vor Reue brüchiger Stimme. Der Angesprochene sah ihn nur unverwandt an, tat nichts, sagte nichts.
„Es tut mir leid… schrecklich leid“, brachte Jimin leise über die Lippen. Er wusste, dass Yoongi ihn gehört hatte, auch wenn er ihn nicht sehen konnte. Jimin hatte den Kopf gesenkt, sich leicht vor dem Älteren verbeugt und traute sich nicht den Blick wieder zu heben, auch als er sich wieder aufgerichtet hatte. Zittrig vergrub er die Finger in den Ärmeln seines dünnen Pullis, suchte krampfhaft nach Halt.
„Ich würde dir gerne erklären warum… das gestern passiert ist… aber… ich kann nicht.“ Tränen sammelten sich in Jimins Augen. Die Stille des anderen war schier unerträglich. Warum konnte der ihn nicht anschreien? Auslachen? Rausschmeißen? Irgendetwas tun, nur nicht so verdammt still sein und ihn durchdringend anschauen.
„Ich weiß absolut nicht was mich dazu getrieben hat“, beendete Jimin seine Erklärung und sein Kopf war leer. So viele Gefühle kämpften in seiner Brust, überforderten ihn und ließen die Verzweiflung wachsen.
Minutenlang stand er so da, den Blick gesenkt, Yoongis Blick auf sich gerichtet. Darum kämpfend die Fassung zu behalten, sich nicht weinend an den Älteren zu schmiegen. Der Gedanke war verlockend und doch war die Angst zu groß weggestoßen zu werden. Kälte erfasste Jimins Herz von neuem. Warum dachte er so etwas? Warum wollte er sich an Yoongi schmiegen? Warum nicht an Jungkook?
„Und die Nachricht?“, durchschnitt Yoongis Stimme hart und rau die Stille. Jimin zuckte heftig zusammen, hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass Yoongi ihn ansprechen würde.
Schwer schluckend hob er nun den Blick, versuchte Yoongis fest zu begegnen, scheiterte jedoch. Tränen verschleierten seine Sicht, dennoch brach er den Blickkontakt nicht. Bei allem was er angestellt hatte verdiente Yoongi die Wahrheit, auch wenn es schmerzte.
„Weil ich das nach dem Aufwachen so empfunden habe.“ Die Hilflosigkeit sprach deutlich aus Jimins Stimme und er meinte ein Zucken in Yoongis versteinerter Haltung zu sehen. Wirklich bewegen tat der Ältere sich aber nicht und so schrieb Jimin es den Tränen in seinen Augen zu. Langsam lösten sich diese und rollten über seine Wangen, ließen ihn Yoongis harten Gesichtsausdruck wieder klar sehen.
„Ich war total verwirrt heute Morgen und habe es geschrieben bevor ich richtig wach war, es… das war dumm… und grausam… es tut mir wirklich leid.“
Wieder geschah nichts. Yoongis Blick ruhte mit ungebrochener Härte auf dem Blonden und ihn diesem breitete sich eine betäubende Leere aus. Er hatte er vermasselt. Er mochte Yoongi und hatte ihm auf brutalste Weise wehgetan.
Kurz musste er blinzeln, um sicherzugehen, dass seine Augen ihm keinen Streich spielten, als Yoongi sich langsam erhob und gerade hinstelle. Die Hände unschlüssig neben dem Körper baumelnd stand er da, die Beine angespannt als wolle er näher treten, doch er tat es nicht.
„Ich weiß nicht wie ich mich dafür entschuldigen soll. Das kann ich nicht. Ich kann dir nur sagen, dass ich dir nicht wehtun wollte und dass es mir leidtut“, wisperte Jimin leise. Das höhnische Grinsen, welches auf Yoongis Lippen erschien war wie ein Stich ins Herz, tat schrecklich weh und war doch verdient. Jimin nahm kaum wahr, dass sich ein melancholischer Unterton in dieses Lächeln mischte und die Augen des Älteren vor Schmerz zu sprühen schienen.
„Du wolltest mir nicht wehtun, aber du hast es.“ Yoongis Stimme war nüchtern und abgeklärt, dabei aber doch so weich, dass sich Jimins Augen überrascht weiteten. Er glaubte schon sich verhört zu haben, als Yoongis schließlich doch auf ihn zukam. Mit zwei langsamen Schritten stand er vor ihm, legte dem Blonden die Hand an die Wange und strich hauchzart darüber.
„Du hast uns beiden wehgetan.“ Jimins Magen verkrampfte sich. Die Nähe tat gut und war fürchterlich zugleich. Dazu noch Yoongis Augen, die mit jeder Sekunde weicher wurden, wieder Gefühle zeigten die Jimin zu erdrücken drohten. Stumm sahen sie sich an, merkten nicht, dass sie sich immer näher kamen. Sacht neigte Jimin seinen Kopf zur Seite, während Yoongi sich zu ihm beugte. Beide ließen die Augen langsam zufallen und verharrten kurz bevor sich ihre Lippen trafen.
Yoongis warmer Atem auf Jimins Lippen brach den Bann. Erschrocken riss er die Augen wieder auf und taumelte einen Schritt zurück. Schlug sich dabei die Hand vor den Mund und starrte Yoongi fassungslos an. Was war los mit ihm? Warum hatte Yoongi eine solche Wirkung?
Auch Yoongi realisierte die Situation und trat zögerlich einen Schritt zurück, fuhr sich dabei durchs Haar und dann übers Gesicht. Ließ sich schließlich wieder auf den Hocker fallen und blickte nachdenklich zu Jimin.
„Wir beide können momentan wohl nicht allein miteinander sein“, stellte er wieder mit dieser schrecklichen Härte in der Stimme fest. Jimin zuckte zusammen, fühlte sich angegriffen, obwohl es nur eine Feststellung war. Ein Blick in Yoongis Augen verriet, dass diesem die Erkenntnis genauso wenig gefiel wie Jimin und dieser dumme kleine Eindruck brachte Jimins Herz erneut aus dem Takt.
Sich verlegen räuspernd suchte der Jüngere nach Worten und einem unverfänglichen Thema, wurde aber bei beidem nicht so recht fündig.
„Was ist mit eurem Projekt? Sollen wir die Zusammenarbeit abbrechen?“ Die Angst vor einem Ja lähmte fast Jimins Stimme, machte sie zu einem heiseren Flüstern, gerade laut genug damit Yoongi sie hören konnte. Er wollte das Ganze nicht beenden, nicht nur wegen Yoongi auch wegen Taehyung und seiner eigenen Freude an der Arbeit.
„Das wäre eine sehr effektive Methode, damit wir uns nicht mehr sehen“, setzte Yoongi grübelnd an und Jimin wurde schlecht. Leicht taumelnd versuchte er sein Gleichgewicht zu halten und nicht zu Boden zu sacken.
„Denn wenn wir das wirklich machen, bringt Taehyung uns definitiv um.“ Yoongis Blick wanderte wieder zu dem Blonden und seine Augen weiteten sich etwas, als er Jimins Reaktion sah. Ein Ruck schien durch seinen Körper zu gehen, wollte ihn von seinem Hocker hochreißen, geradewegs zu dem Jüngeren, doch er blieb verkrampft sitzen und beeilte sich weiterzusprechen.
„Nein, wir machen das weiter… Wir zwei sollten nur zusehen, dass wir nicht allein miteinander sind.“
Jimin nickte ehrlich erleichtert, auch wenn die Übelkeit und die Angst noch immer in ihm wogten beruhigten ihn Yoongis Worte weitgenug, damit sich der Schwindel verzog und er sich wieder sicherer auf seinen Beinen fühlte.
„Das klingt vernünftig“, stimmte er dem Älteren zu und wieder trat Stille ein. Keiner wusste, was er sagen sollte, genauso wenig wie sich einer traute sich zu bewegen. Sie wollten sich nicht voneinander entfernen, aber aufeinander zu durften sie nicht und das war schwerer zu ertragen, als Jimin sich eingestehen wollte. Mit all seiner Willenskraft schaffte er es schließlich sich abzuwenden und auf die Tür zuzuhalten. Kurz bevor er sie erreichte drehte er sich noch einmal zu Yoongi um.
„Sagst du mir, wenn du mir verziehen hast?“, hauchte er leise. Yoongi blickte ihn verwirrt an, nickte dann stumm und Jimin verließ den Raum. Flüchtete nahezu. Vor was wusste er nicht, nur dass er sich getrieben und gejagt fühlte.
Eine Ewigkeit wartete er auf das Freizeichen und erhielt es nicht, nur die Bandansage, dass der gewünschte Gesprächspartner gerade nicht erreichbar war und er eine Nachricht hinterlassen solle, erklang. Jimin legte auf und kämpfte mit den Tränen, biss sich fest auf die bebende Unterlippe und beschleunigte seine Schritte. Es würde nicht mehr lange dauern bis er seine Beherrschung verlor und er wollte nicht auf offener Straße zusammenbrechen.
Warum nur war Jungkook ausgerechnet jetzt bei seinen Eltern und damit unerreichbar für ihn? Er brauchte ihn so dringend. Egal wie schlimm das war, was er getan hatte, er musste mit Jungkook darüber sprechen, sonst würde er daran ersticken. Nichts lieber wollte er, als sich in die starken Arme seines Freundes zu verkriechen und ihn sagen hören, dass alles gut würde und sie auch das überstehen würden. Sie hatten so viel miteinander durchgestanden, da war sein Gefühlschaos doch nur eine weitere Hürde auf ihrem Weg. Egal wie oft er sich das sagte, es half nicht, würde erst bedeutend werden, wenn Jungkook es ihm sagte.
In seinem Zimmer angekommen sackte er hinter der Tür zusammen, seine Beine wollten einfach nicht mehr. Sie hatten so lange durchgehalten, wie sie konnten und ließen ihn nun im Stich, so wie seine Beherrschung es am Abend zuvor getan hatte. Jimin konnte seinem eigenen Körper nicht mehr vertrauen, dieser ließ ihn Dinge tun, die er nicht tun sollte und er sah sich hilflos dabei zu.
Leise schniefend scrollte er durch seine Kontakte, er brauchte jemanden zum Reden. Wenn nicht Jungkook dann jemand anders, er musste diese Last loswerden. Wehmütig blickte er auf Hoseoks Nummer und scrollte schweren Herzens weiter. Das konnte er nicht tun, hatte der Ältere ihm doch erst gestern Abend geschrieben, wie toll alles lief und wie sehr er sich auf den Ausflug heute mit der ganzen Familie freute.
Bei einer weiteren Nummer stockte er, ignorierte die Zweifel, die ihm ein 'Nein' zuriefen und wählte sie, hielt sich zittrig das Handy ans Ohr und wartete. Mit geschlossenen Augen lehnte er den Kopf gegen die Tür in seinem Rücken und versuchte seine Atmung wieder gleichmäßig werden zu lassen, während er dem stetigen Tuten lauschte. Er erwartete schon, dass sich wieder eine Bandansage meldete und ihn um eine Nachricht bat, als das Freizeichen kam.
„Was ist los?“, erklang Taehyungs gehetzte Stimme und die Panik darin trieb Jimin erneut die Tränen in die Augen. Das hatte er nicht gewollt. Warum versetzte er Taehyung in Sorge?
„K-kannst du herkommen?“, kam es brüchig über Jimins Lippen, auch wenn er etwas anderes hatte sagen wollen. Sich für die Störung entschuldigen und ihm versichern, dass alles gut war. Aber das ließ seine Zunge nicht zu, gab nur die Worte weiter, die ihm wirklich halfen und keine halbgaren Lügen, die ihn mit seiner Verzweiflung allein ließen.
„Geht’s dir gut?“, fragte Taehyung noch immer besorgt. Jimin glaubte im Hintergrund eine zweite Stimme zu hören und sein Magen krampfte sich zusammen. Taehyung war gerade bestimmt bei Seokjin und er verdarb den beiden den gemeinsamen Tag.
„J-ja… es tut mir leid, wenn ich störe…“, stammelte Jimin erstickt als wieder Tränen über seine Wangen rollten. Er machte allen nur Ärger, es war schrecklich mit ihm.
„Red keinen Unsinn. Ich bin in zehn Minuten bei dir“, kam es zurück, es raschelte kurz und ein leises Klacken ertönte, dann sprach Taehyung weiter.
„Mach keinen Unsinn, bis ich da bin.“ Damit legte er auf und Jimin atmete tief durch. Ein kleiner Teil in ihm wusste, dass er das Richtige getan hatte, auch wenn ihm seine Schuldgefühle etwas anderes erzählen wollten. Er brauchte gerade jemanden der für ihn da war, da musste er Selbstsüchtig sein, alles andere wäre selbstzerstörerisch.
Taehyung behielt unrecht, es waren keine zehn Minuten vergangen, vielleicht gerade einmal fünf, als es energisch gegen Jimins Tür klopfte. Der Blonde saß immer noch davor und rappelte sich mühsam auf, öffnete die Tür und fand sich in Taehyungs Armen wieder. Dieser drückte ihn an sich, schob ihn dann auf Armlänge von sich, um ihn zu mustern. Ein kurzer verwirrter Blick, dann ein zufriedenes Nicken und er lag wieder in den Armen des Größeren. Jimin war es nur recht, ohne Zögern krallte er die Hände in die Taehyungs Jacke und klammerte sich an ihn. Sein ganzer Körper schien zu zittern unter der Anspannung, die ganz langsam von ihm abfiel.
„Was ist passiert?“, fragte Taehyung, nachdem er Jimin reichlich Zeit gegeben hatte sich zu beruhigen. Sie saßen zusammen auf Jimins Bett, der Blonde in den Armen seines Besuchs, an den er sich noch immer klammerte und seine Wange gegen dessen Brust lehnte, um Löcher in die Luft zu starren.
„Ich bin ein absolutes Arschloch“, kam es leise zurück. Taehyung lachte auf und schob Jimin etwas von sich, um ihn ansehen zu können, auch wenn dieser den Blick nicht erwiderte.
„Nein bist du nicht“, bestimmte er mit fester Stimme, ließ keinen Widerspruch zu und Jimin akzeptierte es. Ihm fehlte die Kraft zu widersprechen, auch wenn es erst Mittag war, war der Tag einfach viel zu anstrengend gewesen und er konnte langsam nicht mehr.
„Wie nennst du dann jemanden, der fast fremdgeht und nicht mal den Mumm hat es seinem Freund zu sagen, sich lieber von diesem ficken lässt?“, gab er leise zurück und überlegte selbst welches Wort hier angebracht war. Verräter? Feigling? Betrüger?
Taehyung stand leicht der Mund offen und starrte ihn fassungslos an. Als Jimin den Blick hob, blinzelte er ein paar Mal, schloss den Mund wieder und räusperte sich.
„Du hast fast mit Yoongi geschlafen?“, versicherte er sich und Jimin nickte bloß. Es leugnen würde es nicht ungeschehen machen, also warum nicht dazu stehen.
In Taehyung schienen die Gedanken zu toben, immer wieder öffnete er den Mund, sprach aber kein Wort, zog Jimin schließlich stumm wieder an sich und vergrub die Nase in seinem Haar.
„Naja, du warst betrunken und Yoongi sah schon ziemlich heiß aus, ganz wundern tut es mich nicht…“, brachte er schließlich vorsichtig heraus, schien sich vortasten zu wollen, um zu sehen wie viel der Blonde vertrug. Dieser schnaubte nur abfällig.
„Alles keine Gründe fremdzugehen.“
Wieder schob Taehyung ihn von sich und blickte ihn stumm an, bis Jimin den Kopf schief legte und ihn mit Blicken aufforderte seine Gedanken laut auszusprechen. Er traute sich nicht es Taehyung zu sagen, etwas in ihm hatte Angst vor den Worten, die er hören würde und die Angst lähmte seine Stimme.
„Ich meine es nicht böse nur… deine Beziehung erscheint mir sehr ungesund. Es würde mich nicht wundern, wenn… etwas in dir sich nach etwas anderem sehnt und das mit Jungkook beenden will“, kam es langsam und kontrolliert. Immer wieder stockte Taehyung, von seiner spontanen Unbeschwertheit, die er sonst an den Tag legte, war nichts mehr zu finden. Er schien sich jedes Wort genau zu überlegen und Jimin fühlte sich verprügelt. Jedes Wort war ein Schlag, gegen ihn, sein Herz, sein Gewissen.
Kurz schloss er die Augen, kämpfte die neuen Tränen nieder. Er hatte heute genug geweint, das brachte ihn nicht weiter.
„Nein, das kann nicht sein. Ich bin glücklich mit Jungkook“, behauptete er tapfer und fand selbst das diese Worte wie eine schöne Lüge in seinen Ohren klangen.
„Du solltest dir eine Frage stellen. Bist du glücklich mit ihm oder wärst du es gerne?“
Taehyung sah ihm nur fest in die Augen, kein Funke Mitleid glimmte in ihnen und Jimin war ihm dafür dankbar. Er wollte nicht bemitleidet werden, er brauchte genau diese ruhige Entschlossenheit, die der andere gerade ausstrahlte, um sich zu sammeln und endlich wieder klar zu denken. Auch wenn diese Frage genauso schmerzte wie die Worte zuvor, sie war etwas mit dem er seinen Problemen auf den Grund gehen konnte.
Stumm nickte er und lehnte sich dann wieder gegen Taehyung, welcher ihm sacht über den Arm strich und wartete.
„Ich hab' dich von Seokjin weggeholt, oder?“, kam es schließlich reuevoll vom Blonden und Taehyung drückte ihn an sich.
„Ja hast du. Aber jetzt mach dir mal keine Vorwürfe, wenn ich ans Handy gehe, bin ich auch bereit ein Schäferstündchen zu unterbrechen“, meinte er augenzwinkernd und Jimin wurde ein wenig rot um die Nase. Hatte er sich doch bisher versucht einzureden, dass der herbe Duft des anderen sein neues Aftershave war, aber es war tatsächlich Seokjins und das machte ihn seltsam verlegen.
„Oh Mann bist du niedlich“, quietschte Taehyung auf, als er die roten Wangen sah und zog Jimin wieder an sich, schmiss sich auf sein Kissen und rollte sich mit dem Kleineren hin und her. Erst als Jimin sich schwer atmend und leicht lachend losmachte beruhigte sich auch Taehyung und sah ihn zufrieden an.
„So gefällst du mir schon viel besser. Lächeln steht dir, Tränen eher weniger“, feixte er munter und Jimin knuffte ihn gegen die Schulter, als auch er sich wieder aufsetzte.
„Tae du bist echt 'ne Marke“, meinte Jimin kopfschüttelnd, bevor er sich vom Bett erhob und ihm ein verhaltenes Lächeln schenkte.
„Ja ich weiß. Eine einzigartige, also sei gefälligst stolz darauf, dass du mich kennen darfst“, brüstete sich Taehyung und stand ebenfalls auf, zwinkerte Jimin frech zu, während er ihm mit einer Hand durch die zerzausten Haare fuhr.
„Danken Tae“, murmelte dieser, drückte sich nochmals an den Größeren, welcher diese Geste ebenso zügig erwiderte.
„Kein Problem. Kannst dich immer melden, wenn du mich brauchst“, ließ er ihn noch wissen und steuerte die Tür an. Taehyung hatte wohl verstanden, dass Jimin erstmal allein sein wollte, um über alles nachzudenken. Schenkte ihm an der Tür noch ein aufmunterndes Lächeln und winkte ihm zu, bis er die Tür wieder schloss.
Die leisen Klänge des Klaviers vermochten kaum gegen das laute Rauschen in Jimins Ohren anzukommen. Es war so penetrant, dass Jimin sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte, doch was sollte das bringen? Die schöne Klaviermusik würde er so aussperren können, seine eigene Nervosität jedoch nicht. Er hatte wirklich gehofft etwas ruhiger zu werden, wenn er hier stand und der zarten Melodie lauschte, aber das Gegenteil war der Fall. Seine Nerven flatterten immer mehr, machten den Anschein nie wieder Ruhe zu finden und Jimin schluckte schwer.
Es brachte nichts zu warten, er musste handeln. Als wolle sie noch eine letzte Sekunde Zeit schinden rutschte seine Brille ein Stück auf seiner Nase herab, sodass Jimin sie fahrig wieder an ihren Platz befördern musste, dann war seine Schonfrist vorbei. Mit pochendem Herzen legte er die schweißnassen Finger an die angelehnte Tür, vor der er bereits eine kleine Ewigkeit stand. Drückte sie behutsam auf und hoffte, dass sein Eintreten nicht bemerkt werden würde. Das Ersterben der Musik belehrte ihn eines Besseren und als er den Raum betrat sah er, dass er nie eine Chance gehabt hatte. Der Flügel stand gegenüber der Tür, sodass der Pianist den Eingang genau im Blick hatte.
Stumm trat er ein und schloss die Tür genauso leise hinter sich wie er sie geöffnet hatte, atmete noch einmal tief ein, vergaß auszuatmen und drehte sich um. Ein eisiger Schauer kroch seinen Rücken hinab, als er den Blick sah, der auf ihm ruhe. Kalt, hart, verletzt.
Was hatte er erwartet?
Das, was er getan hatte war schrecklich gewesen. Brutal und rücksichtslos. Hatte er wirklich mit einem Lächeln gerechnet? Damit freundlich willkommen geheißen zu werden. Nein, damit gerechnet hatte er nicht, aber darauf gehofft schon. Der kleine naive Teil in ihm, der zu gerne noch an Wunder glauben wollte, hatte die Hoffnung aufrecht erhalten und ihm die Kraft gegeben hier herzukommen, um sich der Wahrheit zu stellen.
Kurz stand er verunsichert an der Tür, brachte seine Beine dann fast gewaltsam zum Funktionieren und schritt tiefer in den Raum hinein, auf den Flügel zu. Yoongis Blick folgte ihm, auch wenn er sich sonst nicht regte, stumm auf dem Klavierhocker saß, die Hände locker im Schoß liegend und ihn anschaute. Die Kälte in den Augen des Älteren ließ Jimin wenige Schritte von ihm entfernt stehenbleiben. Näher konnte er nicht gehen, eine unsichtbare Mauer schien ihn aufzuhalten und ihm fehlte die Kraft sich gegen sie zu stemmen.
„Yoongi…“, hauchte Jimin mit vor Reue brüchiger Stimme. Der Angesprochene sah ihn nur unverwandt an, tat nichts, sagte nichts.
„Es tut mir leid… schrecklich leid“, brachte Jimin leise über die Lippen. Er wusste, dass Yoongi ihn gehört hatte, auch wenn er ihn nicht sehen konnte. Jimin hatte den Kopf gesenkt, sich leicht vor dem Älteren verbeugt und traute sich nicht den Blick wieder zu heben, auch als er sich wieder aufgerichtet hatte. Zittrig vergrub er die Finger in den Ärmeln seines dünnen Pullis, suchte krampfhaft nach Halt.
„Ich würde dir gerne erklären warum… das gestern passiert ist… aber… ich kann nicht.“ Tränen sammelten sich in Jimins Augen. Die Stille des anderen war schier unerträglich. Warum konnte der ihn nicht anschreien? Auslachen? Rausschmeißen? Irgendetwas tun, nur nicht so verdammt still sein und ihn durchdringend anschauen.
„Ich weiß absolut nicht was mich dazu getrieben hat“, beendete Jimin seine Erklärung und sein Kopf war leer. So viele Gefühle kämpften in seiner Brust, überforderten ihn und ließen die Verzweiflung wachsen.
Minutenlang stand er so da, den Blick gesenkt, Yoongis Blick auf sich gerichtet. Darum kämpfend die Fassung zu behalten, sich nicht weinend an den Älteren zu schmiegen. Der Gedanke war verlockend und doch war die Angst zu groß weggestoßen zu werden. Kälte erfasste Jimins Herz von neuem. Warum dachte er so etwas? Warum wollte er sich an Yoongi schmiegen? Warum nicht an Jungkook?
„Und die Nachricht?“, durchschnitt Yoongis Stimme hart und rau die Stille. Jimin zuckte heftig zusammen, hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass Yoongi ihn ansprechen würde.
Schwer schluckend hob er nun den Blick, versuchte Yoongis fest zu begegnen, scheiterte jedoch. Tränen verschleierten seine Sicht, dennoch brach er den Blickkontakt nicht. Bei allem was er angestellt hatte verdiente Yoongi die Wahrheit, auch wenn es schmerzte.
„Weil ich das nach dem Aufwachen so empfunden habe.“ Die Hilflosigkeit sprach deutlich aus Jimins Stimme und er meinte ein Zucken in Yoongis versteinerter Haltung zu sehen. Wirklich bewegen tat der Ältere sich aber nicht und so schrieb Jimin es den Tränen in seinen Augen zu. Langsam lösten sich diese und rollten über seine Wangen, ließen ihn Yoongis harten Gesichtsausdruck wieder klar sehen.
„Ich war total verwirrt heute Morgen und habe es geschrieben bevor ich richtig wach war, es… das war dumm… und grausam… es tut mir wirklich leid.“
Wieder geschah nichts. Yoongis Blick ruhte mit ungebrochener Härte auf dem Blonden und ihn diesem breitete sich eine betäubende Leere aus. Er hatte er vermasselt. Er mochte Yoongi und hatte ihm auf brutalste Weise wehgetan.
Kurz musste er blinzeln, um sicherzugehen, dass seine Augen ihm keinen Streich spielten, als Yoongi sich langsam erhob und gerade hinstelle. Die Hände unschlüssig neben dem Körper baumelnd stand er da, die Beine angespannt als wolle er näher treten, doch er tat es nicht.
„Ich weiß nicht wie ich mich dafür entschuldigen soll. Das kann ich nicht. Ich kann dir nur sagen, dass ich dir nicht wehtun wollte und dass es mir leidtut“, wisperte Jimin leise. Das höhnische Grinsen, welches auf Yoongis Lippen erschien war wie ein Stich ins Herz, tat schrecklich weh und war doch verdient. Jimin nahm kaum wahr, dass sich ein melancholischer Unterton in dieses Lächeln mischte und die Augen des Älteren vor Schmerz zu sprühen schienen.
„Du wolltest mir nicht wehtun, aber du hast es.“ Yoongis Stimme war nüchtern und abgeklärt, dabei aber doch so weich, dass sich Jimins Augen überrascht weiteten. Er glaubte schon sich verhört zu haben, als Yoongis schließlich doch auf ihn zukam. Mit zwei langsamen Schritten stand er vor ihm, legte dem Blonden die Hand an die Wange und strich hauchzart darüber.
„Du hast uns beiden wehgetan.“ Jimins Magen verkrampfte sich. Die Nähe tat gut und war fürchterlich zugleich. Dazu noch Yoongis Augen, die mit jeder Sekunde weicher wurden, wieder Gefühle zeigten die Jimin zu erdrücken drohten. Stumm sahen sie sich an, merkten nicht, dass sie sich immer näher kamen. Sacht neigte Jimin seinen Kopf zur Seite, während Yoongi sich zu ihm beugte. Beide ließen die Augen langsam zufallen und verharrten kurz bevor sich ihre Lippen trafen.
Yoongis warmer Atem auf Jimins Lippen brach den Bann. Erschrocken riss er die Augen wieder auf und taumelte einen Schritt zurück. Schlug sich dabei die Hand vor den Mund und starrte Yoongi fassungslos an. Was war los mit ihm? Warum hatte Yoongi eine solche Wirkung?
Auch Yoongi realisierte die Situation und trat zögerlich einen Schritt zurück, fuhr sich dabei durchs Haar und dann übers Gesicht. Ließ sich schließlich wieder auf den Hocker fallen und blickte nachdenklich zu Jimin.
„Wir beide können momentan wohl nicht allein miteinander sein“, stellte er wieder mit dieser schrecklichen Härte in der Stimme fest. Jimin zuckte zusammen, fühlte sich angegriffen, obwohl es nur eine Feststellung war. Ein Blick in Yoongis Augen verriet, dass diesem die Erkenntnis genauso wenig gefiel wie Jimin und dieser dumme kleine Eindruck brachte Jimins Herz erneut aus dem Takt.
Sich verlegen räuspernd suchte der Jüngere nach Worten und einem unverfänglichen Thema, wurde aber bei beidem nicht so recht fündig.
„Was ist mit eurem Projekt? Sollen wir die Zusammenarbeit abbrechen?“ Die Angst vor einem Ja lähmte fast Jimins Stimme, machte sie zu einem heiseren Flüstern, gerade laut genug damit Yoongi sie hören konnte. Er wollte das Ganze nicht beenden, nicht nur wegen Yoongi auch wegen Taehyung und seiner eigenen Freude an der Arbeit.
„Das wäre eine sehr effektive Methode, damit wir uns nicht mehr sehen“, setzte Yoongi grübelnd an und Jimin wurde schlecht. Leicht taumelnd versuchte er sein Gleichgewicht zu halten und nicht zu Boden zu sacken.
„Denn wenn wir das wirklich machen, bringt Taehyung uns definitiv um.“ Yoongis Blick wanderte wieder zu dem Blonden und seine Augen weiteten sich etwas, als er Jimins Reaktion sah. Ein Ruck schien durch seinen Körper zu gehen, wollte ihn von seinem Hocker hochreißen, geradewegs zu dem Jüngeren, doch er blieb verkrampft sitzen und beeilte sich weiterzusprechen.
„Nein, wir machen das weiter… Wir zwei sollten nur zusehen, dass wir nicht allein miteinander sind.“
Jimin nickte ehrlich erleichtert, auch wenn die Übelkeit und die Angst noch immer in ihm wogten beruhigten ihn Yoongis Worte weitgenug, damit sich der Schwindel verzog und er sich wieder sicherer auf seinen Beinen fühlte.
„Das klingt vernünftig“, stimmte er dem Älteren zu und wieder trat Stille ein. Keiner wusste, was er sagen sollte, genauso wenig wie sich einer traute sich zu bewegen. Sie wollten sich nicht voneinander entfernen, aber aufeinander zu durften sie nicht und das war schwerer zu ertragen, als Jimin sich eingestehen wollte. Mit all seiner Willenskraft schaffte er es schließlich sich abzuwenden und auf die Tür zuzuhalten. Kurz bevor er sie erreichte drehte er sich noch einmal zu Yoongi um.
„Sagst du mir, wenn du mir verziehen hast?“, hauchte er leise. Yoongi blickte ihn verwirrt an, nickte dann stumm und Jimin verließ den Raum. Flüchtete nahezu. Vor was wusste er nicht, nur dass er sich getrieben und gejagt fühlte.
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Eine Ewigkeit wartete er auf das Freizeichen und erhielt es nicht, nur die Bandansage, dass der gewünschte Gesprächspartner gerade nicht erreichbar war und er eine Nachricht hinterlassen solle, erklang. Jimin legte auf und kämpfte mit den Tränen, biss sich fest auf die bebende Unterlippe und beschleunigte seine Schritte. Es würde nicht mehr lange dauern bis er seine Beherrschung verlor und er wollte nicht auf offener Straße zusammenbrechen.
Warum nur war Jungkook ausgerechnet jetzt bei seinen Eltern und damit unerreichbar für ihn? Er brauchte ihn so dringend. Egal wie schlimm das war, was er getan hatte, er musste mit Jungkook darüber sprechen, sonst würde er daran ersticken. Nichts lieber wollte er, als sich in die starken Arme seines Freundes zu verkriechen und ihn sagen hören, dass alles gut würde und sie auch das überstehen würden. Sie hatten so viel miteinander durchgestanden, da war sein Gefühlschaos doch nur eine weitere Hürde auf ihrem Weg. Egal wie oft er sich das sagte, es half nicht, würde erst bedeutend werden, wenn Jungkook es ihm sagte.
In seinem Zimmer angekommen sackte er hinter der Tür zusammen, seine Beine wollten einfach nicht mehr. Sie hatten so lange durchgehalten, wie sie konnten und ließen ihn nun im Stich, so wie seine Beherrschung es am Abend zuvor getan hatte. Jimin konnte seinem eigenen Körper nicht mehr vertrauen, dieser ließ ihn Dinge tun, die er nicht tun sollte und er sah sich hilflos dabei zu.
Leise schniefend scrollte er durch seine Kontakte, er brauchte jemanden zum Reden. Wenn nicht Jungkook dann jemand anders, er musste diese Last loswerden. Wehmütig blickte er auf Hoseoks Nummer und scrollte schweren Herzens weiter. Das konnte er nicht tun, hatte der Ältere ihm doch erst gestern Abend geschrieben, wie toll alles lief und wie sehr er sich auf den Ausflug heute mit der ganzen Familie freute.
Bei einer weiteren Nummer stockte er, ignorierte die Zweifel, die ihm ein 'Nein' zuriefen und wählte sie, hielt sich zittrig das Handy ans Ohr und wartete. Mit geschlossenen Augen lehnte er den Kopf gegen die Tür in seinem Rücken und versuchte seine Atmung wieder gleichmäßig werden zu lassen, während er dem stetigen Tuten lauschte. Er erwartete schon, dass sich wieder eine Bandansage meldete und ihn um eine Nachricht bat, als das Freizeichen kam.
„Was ist los?“, erklang Taehyungs gehetzte Stimme und die Panik darin trieb Jimin erneut die Tränen in die Augen. Das hatte er nicht gewollt. Warum versetzte er Taehyung in Sorge?
„K-kannst du herkommen?“, kam es brüchig über Jimins Lippen, auch wenn er etwas anderes hatte sagen wollen. Sich für die Störung entschuldigen und ihm versichern, dass alles gut war. Aber das ließ seine Zunge nicht zu, gab nur die Worte weiter, die ihm wirklich halfen und keine halbgaren Lügen, die ihn mit seiner Verzweiflung allein ließen.
„Geht’s dir gut?“, fragte Taehyung noch immer besorgt. Jimin glaubte im Hintergrund eine zweite Stimme zu hören und sein Magen krampfte sich zusammen. Taehyung war gerade bestimmt bei Seokjin und er verdarb den beiden den gemeinsamen Tag.
„J-ja… es tut mir leid, wenn ich störe…“, stammelte Jimin erstickt als wieder Tränen über seine Wangen rollten. Er machte allen nur Ärger, es war schrecklich mit ihm.
„Red keinen Unsinn. Ich bin in zehn Minuten bei dir“, kam es zurück, es raschelte kurz und ein leises Klacken ertönte, dann sprach Taehyung weiter.
„Mach keinen Unsinn, bis ich da bin.“ Damit legte er auf und Jimin atmete tief durch. Ein kleiner Teil in ihm wusste, dass er das Richtige getan hatte, auch wenn ihm seine Schuldgefühle etwas anderes erzählen wollten. Er brauchte gerade jemanden der für ihn da war, da musste er Selbstsüchtig sein, alles andere wäre selbstzerstörerisch.
Taehyung behielt unrecht, es waren keine zehn Minuten vergangen, vielleicht gerade einmal fünf, als es energisch gegen Jimins Tür klopfte. Der Blonde saß immer noch davor und rappelte sich mühsam auf, öffnete die Tür und fand sich in Taehyungs Armen wieder. Dieser drückte ihn an sich, schob ihn dann auf Armlänge von sich, um ihn zu mustern. Ein kurzer verwirrter Blick, dann ein zufriedenes Nicken und er lag wieder in den Armen des Größeren. Jimin war es nur recht, ohne Zögern krallte er die Hände in die Taehyungs Jacke und klammerte sich an ihn. Sein ganzer Körper schien zu zittern unter der Anspannung, die ganz langsam von ihm abfiel.
„Was ist passiert?“, fragte Taehyung, nachdem er Jimin reichlich Zeit gegeben hatte sich zu beruhigen. Sie saßen zusammen auf Jimins Bett, der Blonde in den Armen seines Besuchs, an den er sich noch immer klammerte und seine Wange gegen dessen Brust lehnte, um Löcher in die Luft zu starren.
„Ich bin ein absolutes Arschloch“, kam es leise zurück. Taehyung lachte auf und schob Jimin etwas von sich, um ihn ansehen zu können, auch wenn dieser den Blick nicht erwiderte.
„Nein bist du nicht“, bestimmte er mit fester Stimme, ließ keinen Widerspruch zu und Jimin akzeptierte es. Ihm fehlte die Kraft zu widersprechen, auch wenn es erst Mittag war, war der Tag einfach viel zu anstrengend gewesen und er konnte langsam nicht mehr.
„Wie nennst du dann jemanden, der fast fremdgeht und nicht mal den Mumm hat es seinem Freund zu sagen, sich lieber von diesem ficken lässt?“, gab er leise zurück und überlegte selbst welches Wort hier angebracht war. Verräter? Feigling? Betrüger?
Taehyung stand leicht der Mund offen und starrte ihn fassungslos an. Als Jimin den Blick hob, blinzelte er ein paar Mal, schloss den Mund wieder und räusperte sich.
„Du hast fast mit Yoongi geschlafen?“, versicherte er sich und Jimin nickte bloß. Es leugnen würde es nicht ungeschehen machen, also warum nicht dazu stehen.
In Taehyung schienen die Gedanken zu toben, immer wieder öffnete er den Mund, sprach aber kein Wort, zog Jimin schließlich stumm wieder an sich und vergrub die Nase in seinem Haar.
„Naja, du warst betrunken und Yoongi sah schon ziemlich heiß aus, ganz wundern tut es mich nicht…“, brachte er schließlich vorsichtig heraus, schien sich vortasten zu wollen, um zu sehen wie viel der Blonde vertrug. Dieser schnaubte nur abfällig.
„Alles keine Gründe fremdzugehen.“
Wieder schob Taehyung ihn von sich und blickte ihn stumm an, bis Jimin den Kopf schief legte und ihn mit Blicken aufforderte seine Gedanken laut auszusprechen. Er traute sich nicht es Taehyung zu sagen, etwas in ihm hatte Angst vor den Worten, die er hören würde und die Angst lähmte seine Stimme.
„Ich meine es nicht böse nur… deine Beziehung erscheint mir sehr ungesund. Es würde mich nicht wundern, wenn… etwas in dir sich nach etwas anderem sehnt und das mit Jungkook beenden will“, kam es langsam und kontrolliert. Immer wieder stockte Taehyung, von seiner spontanen Unbeschwertheit, die er sonst an den Tag legte, war nichts mehr zu finden. Er schien sich jedes Wort genau zu überlegen und Jimin fühlte sich verprügelt. Jedes Wort war ein Schlag, gegen ihn, sein Herz, sein Gewissen.
Kurz schloss er die Augen, kämpfte die neuen Tränen nieder. Er hatte heute genug geweint, das brachte ihn nicht weiter.
„Nein, das kann nicht sein. Ich bin glücklich mit Jungkook“, behauptete er tapfer und fand selbst das diese Worte wie eine schöne Lüge in seinen Ohren klangen.
„Du solltest dir eine Frage stellen. Bist du glücklich mit ihm oder wärst du es gerne?“
Taehyung sah ihm nur fest in die Augen, kein Funke Mitleid glimmte in ihnen und Jimin war ihm dafür dankbar. Er wollte nicht bemitleidet werden, er brauchte genau diese ruhige Entschlossenheit, die der andere gerade ausstrahlte, um sich zu sammeln und endlich wieder klar zu denken. Auch wenn diese Frage genauso schmerzte wie die Worte zuvor, sie war etwas mit dem er seinen Problemen auf den Grund gehen konnte.
Stumm nickte er und lehnte sich dann wieder gegen Taehyung, welcher ihm sacht über den Arm strich und wartete.
„Ich hab' dich von Seokjin weggeholt, oder?“, kam es schließlich reuevoll vom Blonden und Taehyung drückte ihn an sich.
„Ja hast du. Aber jetzt mach dir mal keine Vorwürfe, wenn ich ans Handy gehe, bin ich auch bereit ein Schäferstündchen zu unterbrechen“, meinte er augenzwinkernd und Jimin wurde ein wenig rot um die Nase. Hatte er sich doch bisher versucht einzureden, dass der herbe Duft des anderen sein neues Aftershave war, aber es war tatsächlich Seokjins und das machte ihn seltsam verlegen.
„Oh Mann bist du niedlich“, quietschte Taehyung auf, als er die roten Wangen sah und zog Jimin wieder an sich, schmiss sich auf sein Kissen und rollte sich mit dem Kleineren hin und her. Erst als Jimin sich schwer atmend und leicht lachend losmachte beruhigte sich auch Taehyung und sah ihn zufrieden an.
„So gefällst du mir schon viel besser. Lächeln steht dir, Tränen eher weniger“, feixte er munter und Jimin knuffte ihn gegen die Schulter, als auch er sich wieder aufsetzte.
„Tae du bist echt 'ne Marke“, meinte Jimin kopfschüttelnd, bevor er sich vom Bett erhob und ihm ein verhaltenes Lächeln schenkte.
„Ja ich weiß. Eine einzigartige, also sei gefälligst stolz darauf, dass du mich kennen darfst“, brüstete sich Taehyung und stand ebenfalls auf, zwinkerte Jimin frech zu, während er ihm mit einer Hand durch die zerzausten Haare fuhr.
„Danken Tae“, murmelte dieser, drückte sich nochmals an den Größeren, welcher diese Geste ebenso zügig erwiderte.
„Kein Problem. Kannst dich immer melden, wenn du mich brauchst“, ließ er ihn noch wissen und steuerte die Tür an. Taehyung hatte wohl verstanden, dass Jimin erstmal allein sein wollte, um über alles nachzudenken. Schenkte ihm an der Tür noch ein aufmunterndes Lächeln und winkte ihm zu, bis er die Tür wieder schloss.