The Celebration
von Ravaari
Kurzbeschreibung
Auch, wenn die Hoffnung winzig klein und verschwindend ist wie ein Staubkorn, ein Nichts vergleichbar mit einem einzelnen Planeten in den Weiten des Alls, kann sie für den jenigen alles sein, der wirklich daran glaubt und noch hoffen kann... Sidestory / Prequel zu The Conversion, Sequel zu (In)voluntary und A Host´s Life.
GeschichteSchmerz/Trost, Sci-Fi / P16 / Gen
OC (Own Character)
19.03.2019
19.03.2019
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A/N: Für die liebe Frau Beutlin als kleines Geburtstagsgeschenk, auch wenn ich es zu ihrem Geburtstag leider nicht rechtzeitig geschafft habe <3
***
Ich war müde.
Mein Körper war müde.
Immer wieder war ich eingenickt, im Volontärbereich am Pool und auch danach, als Issrin einem ihrer Yirkkollegen einen kurzen Besuch abgestattet hatte, um sich umzuziehen, hatte ich so gut wie nichts davon mitbekommen.
Die Uniform die sie bis vor kurzem noch gut versteckt unter meiner normalen Straßenkleidung getragen hatte, war enganliegend, hochgeschlossen mit langen Ärmeln und Hosenbeinen.
Sie bestand aus einem merkwürdig kühlen, glänzenden Material, das angenehm auf der Haut lag und sich meinem Körper perfekt anpasste.
Gleichzeitig war sie großteils in Schwarz gehalten mit Ausnahme von ein paar wenigen Partien an Armen und Beinen, die sich in einem kräftigen, dunklen Orange präsentierten.
An meiner Brust prangten seltsame Abzeichen, unter anderem eines das wie eine ockerfarbene untergehende Sonne aussah.
Genauer gesagt war es ein kleiner Halbkreis mit nach unten gerichteten Strahlen und drei silbrig glänzenden Streifen direkt darunter.
Meine Haare waren geglättet und zu einem sehr ordentlichen Zopf geflochten, der allerdings so fest war, dass meine Kopfhaut spannte.
Alles, sogar die Schuhe und das schwarz-orange gemusterte Haargummi passten perfekt zum Outfit.
Issrin sah sehr eindrucksvoll aus, auch wenn sie mitten auf der Straße gewirkt hätte, als käme sie direkt vom Karneval.
Aber wir waren ja auch nicht mehr auf der Straße, sondern standen inzwischen auf dem Dach eines gewaltigen Bürokomplexes, während nur wenige Meter vor uns ein Raumschiff den Sinkflug einleitete.
Natürlich war dieses Schiff gut getarnt. Verborgen vor dem irdischen Radar dank äußerst fortschrittlicher Technologie man sah es fast nicht, selbst wenn man wusste, dass es da war, bis man unmittelbar davorstand und auch dann erkannte man nur bei genauerem Hinsehen und wenn man ein geübtes Auge hatte wie Issrin, allerhöchstens ein diffuses Flirren im Nichts.
Ähnlich dem merkwürdigen Zittern bei einer Luftspiegelung, wenn es sehr heiß ist.
Das Haus selbst hingegen war nicht zu übersehen.
Über sechzig Meter hoch, mit siebzehn Stockwerken.
Eines der höchsten Bauwerke auf dem Platz, da die Pläne eines gewissen Herrn K.- eines ziemlich ambitionierten Architekten, der am liebsten einige Gebäude hatte einstampfen wollen, um stattdessen seine neuen, noch viel höheren Türme hochzuziehen, von den Yirks erfolgreich vereitelt worden war.
Mittlerweile war das Bauwerk nämlich zu mindestens neunzig Prozent fest in der Hand der Aliens. Angefangen hatte aber alles eigentlich schon Mitte der Neunziger,wo einer von den Eigentümern der auch Mitinvestor für die neuen Hochhäuser war, aufeinmal das Haus komplett renoviert und anschließend auch erfolgreich vermietet. Einige Zeit später wurde es sogar verkauft, so daß ein weiterer der ursprünglichen Investoren keine Chance mehr hatte.
Freie Bahn also für die Tarnorganisation der Besucher von "Ausserhalb", denn gleichzeitig wurde das Gebäude dank der neuen "Interessenten" recht schnell eine Art oberirdische Kommandozentrale.
So gut wie jeder der hier ein und aus ging war ein Controller und für die die es noch nicht waren, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie es wurden.
Auch dass der Name des Gebäudes etwas mit Reisen zu tun hatte, war reiner Zufall.
Die Yirks hatten zwar Sinn für Humor, aber hielten verständlicherweise nicht viel von Auffälligkeiten und hatten es einfach nur ausgewählt, weil es ihnen gelegen kam.
Weil es dem Pool sehr nahe war und die Menschen den Bürokomplex eigentlich beinahe schon abgeschrieben hatten, bis sie auf den Plan traten.
Aber trotzdem kam es mir an diesem einen Tag wie blanke Ironie vor , dass ausgerechnet dort wo vor wenigen Jahrzehnten noch die Hauptdirektion eines Reisebüros ihren Sitz gehabt hatte, jetzt Alienschiffe auf dem Dach landeten.
Noch dazu ausgerechnet an diesem einen Sonntagmorgen.
Eigentlich war es nämlich ein ganz besonderer Tag, nun ja nicht für andere, aber zumindest für mich denn heute war ich achtzehn Jahre alt geworden.
Das bedeutete also endlich mehr!
Mehr Selbstständigkeit und Freiheit.
Erwachsensein.
Nun ja zumindest für die meisten anderen Mädchen wäre es so gewesen.
Der achtzehnte Geburtstag war normalerweise ein Grund zum feiern. Leider aber nicht für mich, denn ich war nicht normal oder wie jeder andere, sondern ein Sklave.
Gefangen in meinem eigenen Körper während ein Yirk ihn benutzte.
Nicht ich hatte Apfelkuchen mit Sahne zum Frühstück gegessen, sondern Issrin.
Nicht ich hatte meine Mama umarmt und meiner Schwester einen Kuss auf die Wange gegeben, sondern sie.
Sie, sie, sie!
Auch wenn ich zumindest teilweise alles fühlte, was sie fühlte, war ich doch zu einem Nutznießer von Dingen und Momenten degradiert worden, die eigentlich mir ganz allein gehören sollten und wie sooft in den letzten Wochen und Tagen fragte ich mich auch dieses Mal wieder, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich an diesem verdammten Tag vor zehn Wochen am Abend nach der Arbeit nicht mehr in den Park, sondern gleich Nachhause gegangen wäre.
Fragte mich, was ich wohl genau jetzt, in diesem Moment tun würde, wenn Kerir Acht-Acht-Neun mich nicht angesprochen und mir diesen Freundschaftsklub-Flyer in die Hand gedrückt hätte.
Was passiert wäre, wenn ich Elenas verzweifelte Anstrengungen mir zu helfen gesehen hätte.
Das verräterische Zucken in ihrem Gesicht, das Blinzeln in ihren Augen, anstatt dem falschen, verlogenen Grinsen ihres Yirks.
Ob ich trotzdem da gewesen wäre, wo ich jetzt war, wenn ich diesen widerlichen Fetzen einfach nur in den nächsten Mülleimer geworfen hätte, anstatt ihn mit Nachhause zu nehmen und dann achtlos in der Garderobe liegenzulassen, wo "Melanie" ihn leicht finden konnte.
Melanie war die beste Freundin meiner Mutter.
Sie war eine von den lautesten Schreiern in den Käfigen.
Eine von denen, die ihre Kleider zerrissen und mit dem Kopf solange gegen die Gitterstäbe schlugen, bis sie ohnmächtig wurden, oder sich schwer verletzten.
Deshalb hatte Odet inzwischen dafür gesorgt, dass sie sich innerhalb des Pool-Areals unter Aufsicht befand. Nicht frei natürlich, aber "außerhalb" und unter der Kontrolle eines untergebenen Yirks bis er selbst in seinen Wirt zurückkehrte .
Das Beseitigen der Verletzungen und Austauschen von kaputten Klamotten wr ihm anscheinend auf die Dauer zu Anstrengend geworden.
Ich hingegen war ein Leichtes für ihn gewesen.
Ein stiller und in sich gekehrter Teenager mit nur einer handvoll Freunden.
Zwar hatte ich mit den Augen gerollt, als Odet mir den Flyer unter die Nase gehalten und vorgeschlagen hatte, mich zusammen mit Melanies Töchtern zu einem Kennenlern-Treffen mitzunehmen.
Gemacht hatte ich es dann aber trotzdem, einfach, weil "sie" den ganzen Nachmittag keine Ruhe damit gegeben hatte und es ja nur einmal sein sollte. Nur auf Probe und vor allem meiner Mama zuliebe, die ja immer gewollt hatte, dass ich "endlich aus meinem Schneckenhaus rauskomme und unter die Leute gehe"…
Außerdem waren Corinna und Angela auch viel netter zu mir, seit sie Vollmitglieder geworden waren.
Sie hatten sich sogar für ihre Gemeinheiten und blöden Sprüche bei mir entschuldigt an diesem einen Abend.
Ehrlich, mit vielen Umarmungen plus Küsschen und dem Allem.
Sie hatten mit mir geredet, mich den anderen Mädchen vorgestellt und Spiele gespielt.
Alles war so wunderbar gewesen: die Atmosphäre, die Party, das gute Essen.
Die ganzen Leute, die einfach nur so unglaublich glücklich wirkten, gleichzeitig aber auch total cool und nett waren. Fast schon auf eine unnatürliche Weise nett…
Es hatte einfach perfekt gewirkt.
So als wären alle beim Freundschaftsklub sowas wie eine große glückliche Familie oder zumindest eine bunt zusammengewürfelte Gruppe Fremder, die zu Freunden geworden waren und sich jetzt schon ewig kannten.
Einfach Leute, die mich anscheinend wirklich dabei haben wollten…
Mich, die noch nie besonders beliebt gewesen war und bisher eigentlich auch immer geglaubt hatte, nicht sonderlich viel Wert auf Gruppendynamik und Cliquentum zu legen.
Tja, leider hatte ich mich getäuscht, nicht nur was das Cliquentum betraf und war nichtsahnend auch zum nächsten Treffen gegangen.
Genauso wie zum Übernächsten und allen darauffolgenden, alle drei Tage einen ganzen Monat lang.
Zusammen waren wir im Museum gewesen, hatten Wanderungen gemacht, Radtouren und im Park Müll eingesammelt, oder auch Lagerfeuer gemacht und Würstchen gegrillt, bevor Kerir anscheinend beschlossen hatte, dass die Schonzeit für ahnungslose Teenagermädchen vorbei wäre und mich fragte, ob ich nicht Vollmitglied werden wollte.
Eigentlich, das gebe ich zu, hatte ich damals nicht wirklich gedacht, mich sonderlich für Organisation von Veranstaltungen zu eignen.
Ich hatte mich generell nie für besonders talentiert oder wichtig gehalten, deshalb war es in meinem Fall also nicht dieser "werde-Teil-von-etwas-Größerem-Gedanke" der mich dazu gebracht hatte ja zu sagen, sondern einfach nur die Angst, dass sie mich fortschicken würden, wenn ich es nicht tun würde.
Natürlich hatte das niemand von ihnen irgendwann mal wirklich zu mir gesagt. Schon gar nicht Kerir. Aber ich denke, manche Dinge hat man einfach im Gefühl und deshalb hatte ich ohne lange Fürs und Wieders abzuwägen, ja gesagt und mein Schicksal besiegelt.
An diesem Abend hatte man mich nach dem Gruppentreffen zusammen mit drei anderen "Probemitgliedern" zu genau diesem Gebäude bestellt auf dessen Dach ich jetzt stand.
In einem der vielen Büroräume, die dauerhaft für den Freundschaftsklub reserviert waren, hatte man uns zum ersten Mal wirklich von den Yirks und der Invasion erzählt und am Anfang hatten wir alle nur darüber gelacht.
Genauso wie ein paar Stunden zuvor auf dem allgemeinen Treffen, wo "Elena" behauptet hatte, sie wäre nicht das, was sie zu sein scheint, sondern eine Art Alien.
Auch als sie uns durch einen Geheimgang in dem Gebäude runter zum unterirdischen Pool geführt hatten, hatte ich es für eine Art dummen Scherz gehalten, oder für einen dämlichen Initiationsritus, aber das war es leider nicht gewesen. Das Lachen war mir sehr schnell vergangen und bis heute im Hals stecken geblieben….
Wump!
Sanft setzte das Raumschiff auf und brachte mich zurück in die Wirklichkeit.
Ein warmes Summen, das eindeutig vom Schiff kam, durchdrang den Beton unter meinen Füßen und eine seltsame Art von Energie sorgte gleichzeitig dafür, dass meine Haare sich anfühlten, wie elektrisiert.
Die Silhouette des Flugkörpers ließ sich jetzt eindeutig erahnen, auch wenn es immer noch nicht mehr war als ein Flimmern in der Luft.
Gleichzeitig bildete sich direkt vor mir ein schmaler Spalt in diesem Fast-Nichts.
Eine ovale Luke öffnete sich.
Sie war gerade groß genug, dass ein halbwegs großer Mann aufrecht hindurchgehen könnte und gab die Sicht auf das Innere frei: Da waren eine Menge Armaturen und eine Art Cockpit mit vielen Instrumenten, Anzeigen, Knöpfen, Hebeln und zwei riesigen Sitzen, die wahrscheinlich die Pilotensessel waren. Der Linke war leer, aber im Rechten saß jemand: Die Person die das Raumschiff hierher gebracht hatte.
Erst hatte ich nur schmale Schultern gesehen und glatte, dunkle, ziemlich lange Haare, die bereits leicht grau am Ansatz wurden,. Aber dann als sie aufstand und zu uns herüberkam hätte mir der Atem gestockt, vorausgesetzt ich hätte atmen können, denn sie war nicht nur irgendwer. Nicht nur irgendeine Frau Ende vierzig, oder irgend ein anderer bedauernswerter Wirt, sondern der Sub-Nessirk höchstpersönlich.
Momentan zwar auch in derselben Uniform wie Issrin, wenn auch mit wesentlich mehr und anderen Abzeichen, aber trotzdem immer noch ganz eindeutig sie…
Meiner Yirk fuhr der Schreck mindestens genauso in die Knochen wie mir, ich konnte es fühlen.
Mental und auch physisch, wie sie für einen Moment zusammenzuckte bevor sie sich wieder fasste.
"Möge das Kandrona auf Euch scheinen und Euch stärken, Sub-Nessirk."
Meine Stimme- ihre, zitterte nicht, während sie sprach und die Mimik zeigte keine Regung.
Aber trotzdem wusste zumindest ich als Issrins Wirt, dass sie eindeutig überrascht war und mit allem gerechnet hatte, nur eben nicht damit.
Nicht mit ihr.
"Und auch dich Issrin. Ich weiß, du hast jemand anderes erwartet. Aber so kann ich dir wenigstens die Nachricht überbringen, dass Sie in guter Stimmung sind, was ein Glück für dich ist. Heute ist immerhin ein großer Tag. Ich hoffe wirklich sehr, dein Commander hat sich richtig entschieden und du erledigst deine Aufgabe zu unserer Zufriedenheit ."
Sie? Was oder wen meint der Sub-Nessirk damit?
Nein, nicht der Sub-Nessirk,sondern Shalif.
Sie hatte mir erlaubt sie Shalif zu nennen und dann…
Wieder musste ich an diesen einen Abend vor zwei Wochen denken.
Ich erinnerte mich an die lange Nacht in ihrem Büro.
An starken, aber guten Kaffee und interessante Gespräche, während ich gezwungenermaßen auf fremde Buchstaben starrte die rasend schnell einen holografischen Bildschirm runter ratterten.
Vor allem aber erinnerte ich mich an ihr angenehmes Wesen und die unerwartete Freundlichkeit.
Nicht nur, weil ich eine Freiwillige war, sondern allgemein mirgegenüber.
Als Person und als Lebewesen.
Ich erinnerte mich an meine Trauer und die Enttäuschung, als die Zeit abgelaufen war und ich wieder zurück zum Pool musste.
Zurück zu Issrin...
"Ja natürlich."
Die Anspannung in meinem Kiefer verstärkte sich und leichter Ärger gesellte sich dazu.
Leichter Ärger auf mich.
Meine Yirk mochte meine Erinnerungen an diese wenigen Stunden im Büro des Sub-Nessirks nämlich nicht besonders, auch wenn sie natürlich ganz genau wusste, wie mein Verstand funktionierte und dass ich nichts gegen meine Erinnerungen tun konnte.
<Nein, das kannst du nicht. Aber du könntest endlich damit aufhören, den Sub-Nessirk derart zu glorifizieren. Er ist ein Yirk wie ich, nicht besser oder schlechter. Abgesehen davon halten ihn viele für einen Spion und für gefährlich. Deshalb werde ich es auch nicht zulassen, sollte er dich wieder beanspruchen wollen. Abgesehen von dem Risiko, war es schon nach dem ersten Mal schwierig genug, die gewohnte Disziplin wieder herzustellen, also hör auf daran zu denken, Mensch! Es wird kein zweites Mal geben, solange dieser Körper unter meiner Kontrolle steht>
<G l o r i f i z i e r e n Issrin? Ich meine entschuldige, aber was bitte sollte ich daran glorifizieren? Etwa das mich jemand von deinen Leuten zumindest für ein paar Stunden mal mit einem Funken Respekt behandelt und nach meiner M e i n u n g gefragt hat oder dass?…>
<Ich s a g t e , sei still! Erspare mir deine unnötigen Sentimentalitäten. Um in der Hierachie so weit aufzusteigen, wie er es getan hat, muss dieser Yirk weit wertvollere Dinge für das Imperium getan haben als ich. Weit g r a u s a m e r e Dinge. Nur ein I d i o t würde etwas Anderes denken. >
Issrins Gedankenstimme wurde zu einem gefährlichen Zischen und ihr Ärger zu Wut.
Es stand ausser Frage, dass sie mit dem Idioten mich meinte.
Meine Stimme blieb davon allerdings vollkommen unberührt, als sie sagte:
"Ich werde meine Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen, mein Sub-Nessirk."
"Ja, da bin ich mir sicher und ich wünsche dir viel Erfolg dabei. Issrin, Lou."
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen nickte Sub-Nessirk Shalif uns kurz zu, bevor sie an uns vorbeiging.
Das Schiff schien sie allerdings meiner Yirk zu überlassen, was auch immer die jetzt damit vorhatte.
Ich war immerhin, auch wenn ich inzwischen "freiwillig" war, nichts weiter als ein Wirt und wusste deshalb auch nichts von einer Mission, oder was Issrin vorhatte und da ich sie durch jeden weiteren Gedanken meinerseits an sie nur noch wütender machen würde, wagte ich es auchnicht, sie zu fragen.
Als stummer Beobachter sah ich dabei zu, wie sie auf der Pilotenseite Platz nahm und das Ufo startete.
Ich sah dabei zu, wie die Ausgangsluke sich schloss und fühlte, dass mein Magen sich leicht hob, als das Ding abhob und auf den Himmel zusteuerte.
Durch die runden Cockpitfenster konnte ich die Wolken sehen, die Sonne und die Vögel.
Ich konnte die Häuser unter uns sehen, wie sie immer kleiner wurden und schließlich eine undurchdringliche Wolkendecke die die Erdoberfläche vor unseren Blicken verbarg.
Dann kurz darauf das erste Mal den Weltraum.
Sicher, ich hatte schon viele Bilder davon gesehen, diverse Artikel gelesen oder fantasievolle Beschreibungen davon in unzähligen Sciencefiction-Geschichten, aber natürlich niemals Gelegenheit gehabt, es in Wirklichkeit zu erleben.
Das Weltall zu sehen, den Sternen so nahe zu sein wie jetzt war immer mein Traum gewesen.
Einer von vielen Träumen und wieder war es pure Ironie, dass ich ausgerechnet an meinem Geburtstag einen meiner größten Träume und einen nicht enden wollenden wahr gewordenen Alptraum der seit etwa drei Monaten mein Leben bestimmte, gleichzeitig erleben durfte.
Issrins Wut war inzwischen so gut wie verraucht und immer mehr der Belustigung gewichen, während ich wie gebannt auf die unzähligen Sterne vor uns starrte.
Starren konnte, weil sie mich ließ, wenn auch nur für einen Moment,bevor sie das Raumschiff wendete, sodass ich direkt auf meinen Planeten sehen konnte. Auf die Wolkenwirbel und Kontinente. Auf das gewaltige Meer in dem sich das Licht der Sonne spiegelte.
<Wohin fliegen wir?>
Fragte ich zittrig und immer noch überwältigt, einerseits von der Situation an sich, andererseits von dem Anblick und eigentlich glaubte ich erst gar nicht wirklich eine Antwort zu bekommen, denn meistens gab Issrin keine, wenn ich Fragen stellte.
Eher erklärte sie mir Dinge, wenn sie es denn überhaupt tat, nur beiläufig und so gut wie nie im Detail.
Aber dieses mal und in diesem einen Moment schien sie, vielleicht angesteckt durch meine eigene Euphorie, meinen Heimatplaneten vom Weltraum aus sehen zu können, fast schon gute Laune zu haben.
<Ich überbringe eine Nachricht für meinen Visser an einen seiner Kontrahenten.>
<Aha, deswegen also die Uniform und das Ganze. Na ja, Glückwunsch, scheint eine wichtige Aufgabe zu sein. Vielleicht gibt es ja sogar ein kleines Fest, wär´ doch angebracht so zur Feier des Tages.>
besonders die letzte Bemerkung war witzig gemeint gewesen, doch Issrin blieb seltsam ernst und antwortete mir sogar.
<Ja. Es ist eine wichtige Aufgabe und wahrscheinlich werden Feierlichkeiten an Bord des Kommandoschiffes stattfinden.>
<Kommandoschiff?!>
<Das persönliche Schiff eines Vissers, in dem Fall von Visser Sechzehn. Es befindet sich in der Umlaufbahn um den Planeten, den ihr Venus nennt. Wir werden nur wenige Minuten reisen und da du allem Anschein nach den Ernst der Lage begreifst, rechne ich mit deiner Kooperation.>
Keine Frage, sondern eine Feststellung, nein viel mehr war es ein Befehl, ganz eindeutig.
<Ja Issrin...Sicher, ich-.>
<Gut>
Das war anscheinend alles, was die Yirk von mir hören wollte, deshalb unterbrach sie mich noch mitten in dem an sie gereichteten Gedankensatz und die plötzliche Freundlichkeit machte schlagartig wieder viel ernsthafteren Emotionen Platz, während Issrin den ruhigen Schwebeflug beendete.
Ich konnte nur noch einen kurzen Blick auf die Erde erhaschen, bevor sie aus meinem Blickfeld verschwand weil das Raumschiff sich wieder drehte kurz bevor alles um mich herum verschwamm und die Sterne zu langgezogenen Linien im endlosen Schwarz wurden, als das Schiff von einer Sekunde zur anderen massiv beschleunigte, allerdings, ähnlich wie bei der unterirdischen Yirkbahn, ohne dass wir im Inneren des Raumschiffes irgendwelche Auswirkungen davon spürten.
Meine Welt, der Planet, auf dem ich geboren worden war, war von jetzt auf gleich unglaublich weit entfernt und lag hinter uns.
Ein winziger Punkt wie all die anderen Planeten und Sonnen um uns herum den ich nicht einmal mehr sehen konnte.
Einer von vielen und doch besonders.
Besonders, so wie jeder Mensch besonders war und auch jedes Wesen.
Besonders, wie es dieser eine Tag sein sollte , zumindest für mich.
Unglaublich und besonders, dass ausgerechnet mein schlimmster Feind mir dieses Geschenk gemacht hatte.
Nicht willentlich oder bewusst natürlich, aber dennoch sah ich es so in diesem einen Moment.
Als eine Art Gabe und als Gelegenheit.
Fast so als wolle mir das Universum zurufen, in allem das Gute zu sehen, ganz egal wie vorherrschend oder überwältigend das Schreckliche dabei war. Auch, wenn die Hoffnung winzig klein und verschwindend war wie ein Staubkorn, ein Nichts vergleichbar mit einem einzelnen Planeten in den Weiten des Alls, konnte sie für denjenigen Alles sein, der wirklich daran glaubte und noch hoffen konnte.
Happy Birthday, Lou dachte ich leise.
***
*A/N II Das hier beschriebene Gebäude gibt es auch in Wirklichkeit, da meine FF eine alternative Realität des Animorphs-Universums darstellt und somit natürlich auch eine alternative Realität zu unserer Zeitlinie. Wie die Originalautorin in den Büchern , verwende ich manchmal Schauplätze die auch in der realen Welt eine Entsprechung finden. Es ist allerdings, auch wenn das Hochhaus existiert und seine Geschichte hier ebenfalls an die Geschichte des realen Gebäudes angelehnt ist, auch schon die einzige Ähnlichkeit und nichts weiter als pure Fiktion, die niemanden beleidigen oder verärgern, sondern einfach nur Spaß machen soll.
Immerhin bezweifle ich stark, dass irgendwo in Europa tatsächlich Hochhäuser von bösen Aliens gemietet und für Eroberungszwecke besetzt werden. XD
Von daher also viel Freude beim Raten , welches Gebäude es sein könnte und wo es steht . Dem der es errät, steht es dann frei, sich einen virtuellen Keks zu nehmen, und/oder seine Erkenntnis in den Kommentaren zu verewigen ^^
...
A\N III Gewidmet auch der FF-Autorin Chai die mich hier mit ihrer OS-Idee eines Yirk-Mondspaziergangs zum Plot inspiriert hat <3 thx.
***
Ich war müde.
Mein Körper war müde.
Immer wieder war ich eingenickt, im Volontärbereich am Pool und auch danach, als Issrin einem ihrer Yirkkollegen einen kurzen Besuch abgestattet hatte, um sich umzuziehen, hatte ich so gut wie nichts davon mitbekommen.
Die Uniform die sie bis vor kurzem noch gut versteckt unter meiner normalen Straßenkleidung getragen hatte, war enganliegend, hochgeschlossen mit langen Ärmeln und Hosenbeinen.
Sie bestand aus einem merkwürdig kühlen, glänzenden Material, das angenehm auf der Haut lag und sich meinem Körper perfekt anpasste.
Gleichzeitig war sie großteils in Schwarz gehalten mit Ausnahme von ein paar wenigen Partien an Armen und Beinen, die sich in einem kräftigen, dunklen Orange präsentierten.
An meiner Brust prangten seltsame Abzeichen, unter anderem eines das wie eine ockerfarbene untergehende Sonne aussah.
Genauer gesagt war es ein kleiner Halbkreis mit nach unten gerichteten Strahlen und drei silbrig glänzenden Streifen direkt darunter.
Meine Haare waren geglättet und zu einem sehr ordentlichen Zopf geflochten, der allerdings so fest war, dass meine Kopfhaut spannte.
Alles, sogar die Schuhe und das schwarz-orange gemusterte Haargummi passten perfekt zum Outfit.
Issrin sah sehr eindrucksvoll aus, auch wenn sie mitten auf der Straße gewirkt hätte, als käme sie direkt vom Karneval.
Aber wir waren ja auch nicht mehr auf der Straße, sondern standen inzwischen auf dem Dach eines gewaltigen Bürokomplexes, während nur wenige Meter vor uns ein Raumschiff den Sinkflug einleitete.
Natürlich war dieses Schiff gut getarnt. Verborgen vor dem irdischen Radar dank äußerst fortschrittlicher Technologie man sah es fast nicht, selbst wenn man wusste, dass es da war, bis man unmittelbar davorstand und auch dann erkannte man nur bei genauerem Hinsehen und wenn man ein geübtes Auge hatte wie Issrin, allerhöchstens ein diffuses Flirren im Nichts.
Ähnlich dem merkwürdigen Zittern bei einer Luftspiegelung, wenn es sehr heiß ist.
Das Haus selbst hingegen war nicht zu übersehen.
Über sechzig Meter hoch, mit siebzehn Stockwerken.
Eines der höchsten Bauwerke auf dem Platz, da die Pläne eines gewissen Herrn K.- eines ziemlich ambitionierten Architekten, der am liebsten einige Gebäude hatte einstampfen wollen, um stattdessen seine neuen, noch viel höheren Türme hochzuziehen, von den Yirks erfolgreich vereitelt worden war.
Mittlerweile war das Bauwerk nämlich zu mindestens neunzig Prozent fest in der Hand der Aliens. Angefangen hatte aber alles eigentlich schon Mitte der Neunziger,wo einer von den Eigentümern der auch Mitinvestor für die neuen Hochhäuser war, aufeinmal das Haus komplett renoviert und anschließend auch erfolgreich vermietet. Einige Zeit später wurde es sogar verkauft, so daß ein weiterer der ursprünglichen Investoren keine Chance mehr hatte.
Freie Bahn also für die Tarnorganisation der Besucher von "Ausserhalb", denn gleichzeitig wurde das Gebäude dank der neuen "Interessenten" recht schnell eine Art oberirdische Kommandozentrale.
So gut wie jeder der hier ein und aus ging war ein Controller und für die die es noch nicht waren, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie es wurden.
Auch dass der Name des Gebäudes etwas mit Reisen zu tun hatte, war reiner Zufall.
Die Yirks hatten zwar Sinn für Humor, aber hielten verständlicherweise nicht viel von Auffälligkeiten und hatten es einfach nur ausgewählt, weil es ihnen gelegen kam.
Weil es dem Pool sehr nahe war und die Menschen den Bürokomplex eigentlich beinahe schon abgeschrieben hatten, bis sie auf den Plan traten.
Aber trotzdem kam es mir an diesem einen Tag wie blanke Ironie vor , dass ausgerechnet dort wo vor wenigen Jahrzehnten noch die Hauptdirektion eines Reisebüros ihren Sitz gehabt hatte, jetzt Alienschiffe auf dem Dach landeten.
Noch dazu ausgerechnet an diesem einen Sonntagmorgen.
Eigentlich war es nämlich ein ganz besonderer Tag, nun ja nicht für andere, aber zumindest für mich denn heute war ich achtzehn Jahre alt geworden.
Das bedeutete also endlich mehr!
Mehr Selbstständigkeit und Freiheit.
Erwachsensein.
Nun ja zumindest für die meisten anderen Mädchen wäre es so gewesen.
Der achtzehnte Geburtstag war normalerweise ein Grund zum feiern. Leider aber nicht für mich, denn ich war nicht normal oder wie jeder andere, sondern ein Sklave.
Gefangen in meinem eigenen Körper während ein Yirk ihn benutzte.
Nicht ich hatte Apfelkuchen mit Sahne zum Frühstück gegessen, sondern Issrin.
Nicht ich hatte meine Mama umarmt und meiner Schwester einen Kuss auf die Wange gegeben, sondern sie.
Sie, sie, sie!
Auch wenn ich zumindest teilweise alles fühlte, was sie fühlte, war ich doch zu einem Nutznießer von Dingen und Momenten degradiert worden, die eigentlich mir ganz allein gehören sollten und wie sooft in den letzten Wochen und Tagen fragte ich mich auch dieses Mal wieder, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich an diesem verdammten Tag vor zehn Wochen am Abend nach der Arbeit nicht mehr in den Park, sondern gleich Nachhause gegangen wäre.
Fragte mich, was ich wohl genau jetzt, in diesem Moment tun würde, wenn Kerir Acht-Acht-Neun mich nicht angesprochen und mir diesen Freundschaftsklub-Flyer in die Hand gedrückt hätte.
Was passiert wäre, wenn ich Elenas verzweifelte Anstrengungen mir zu helfen gesehen hätte.
Das verräterische Zucken in ihrem Gesicht, das Blinzeln in ihren Augen, anstatt dem falschen, verlogenen Grinsen ihres Yirks.
Ob ich trotzdem da gewesen wäre, wo ich jetzt war, wenn ich diesen widerlichen Fetzen einfach nur in den nächsten Mülleimer geworfen hätte, anstatt ihn mit Nachhause zu nehmen und dann achtlos in der Garderobe liegenzulassen, wo "Melanie" ihn leicht finden konnte.
Melanie war die beste Freundin meiner Mutter.
Sie war eine von den lautesten Schreiern in den Käfigen.
Eine von denen, die ihre Kleider zerrissen und mit dem Kopf solange gegen die Gitterstäbe schlugen, bis sie ohnmächtig wurden, oder sich schwer verletzten.
Deshalb hatte Odet inzwischen dafür gesorgt, dass sie sich innerhalb des Pool-Areals unter Aufsicht befand. Nicht frei natürlich, aber "außerhalb" und unter der Kontrolle eines untergebenen Yirks bis er selbst in seinen Wirt zurückkehrte .
Das Beseitigen der Verletzungen und Austauschen von kaputten Klamotten wr ihm anscheinend auf die Dauer zu Anstrengend geworden.
Ich hingegen war ein Leichtes für ihn gewesen.
Ein stiller und in sich gekehrter Teenager mit nur einer handvoll Freunden.
Zwar hatte ich mit den Augen gerollt, als Odet mir den Flyer unter die Nase gehalten und vorgeschlagen hatte, mich zusammen mit Melanies Töchtern zu einem Kennenlern-Treffen mitzunehmen.
Gemacht hatte ich es dann aber trotzdem, einfach, weil "sie" den ganzen Nachmittag keine Ruhe damit gegeben hatte und es ja nur einmal sein sollte. Nur auf Probe und vor allem meiner Mama zuliebe, die ja immer gewollt hatte, dass ich "endlich aus meinem Schneckenhaus rauskomme und unter die Leute gehe"…
Außerdem waren Corinna und Angela auch viel netter zu mir, seit sie Vollmitglieder geworden waren.
Sie hatten sich sogar für ihre Gemeinheiten und blöden Sprüche bei mir entschuldigt an diesem einen Abend.
Ehrlich, mit vielen Umarmungen plus Küsschen und dem Allem.
Sie hatten mit mir geredet, mich den anderen Mädchen vorgestellt und Spiele gespielt.
Alles war so wunderbar gewesen: die Atmosphäre, die Party, das gute Essen.
Die ganzen Leute, die einfach nur so unglaublich glücklich wirkten, gleichzeitig aber auch total cool und nett waren. Fast schon auf eine unnatürliche Weise nett…
Es hatte einfach perfekt gewirkt.
So als wären alle beim Freundschaftsklub sowas wie eine große glückliche Familie oder zumindest eine bunt zusammengewürfelte Gruppe Fremder, die zu Freunden geworden waren und sich jetzt schon ewig kannten.
Einfach Leute, die mich anscheinend wirklich dabei haben wollten…
Mich, die noch nie besonders beliebt gewesen war und bisher eigentlich auch immer geglaubt hatte, nicht sonderlich viel Wert auf Gruppendynamik und Cliquentum zu legen.
Tja, leider hatte ich mich getäuscht, nicht nur was das Cliquentum betraf und war nichtsahnend auch zum nächsten Treffen gegangen.
Genauso wie zum Übernächsten und allen darauffolgenden, alle drei Tage einen ganzen Monat lang.
Zusammen waren wir im Museum gewesen, hatten Wanderungen gemacht, Radtouren und im Park Müll eingesammelt, oder auch Lagerfeuer gemacht und Würstchen gegrillt, bevor Kerir anscheinend beschlossen hatte, dass die Schonzeit für ahnungslose Teenagermädchen vorbei wäre und mich fragte, ob ich nicht Vollmitglied werden wollte.
Eigentlich, das gebe ich zu, hatte ich damals nicht wirklich gedacht, mich sonderlich für Organisation von Veranstaltungen zu eignen.
Ich hatte mich generell nie für besonders talentiert oder wichtig gehalten, deshalb war es in meinem Fall also nicht dieser "werde-Teil-von-etwas-Größerem-Gedanke" der mich dazu gebracht hatte ja zu sagen, sondern einfach nur die Angst, dass sie mich fortschicken würden, wenn ich es nicht tun würde.
Natürlich hatte das niemand von ihnen irgendwann mal wirklich zu mir gesagt. Schon gar nicht Kerir. Aber ich denke, manche Dinge hat man einfach im Gefühl und deshalb hatte ich ohne lange Fürs und Wieders abzuwägen, ja gesagt und mein Schicksal besiegelt.
An diesem Abend hatte man mich nach dem Gruppentreffen zusammen mit drei anderen "Probemitgliedern" zu genau diesem Gebäude bestellt auf dessen Dach ich jetzt stand.
In einem der vielen Büroräume, die dauerhaft für den Freundschaftsklub reserviert waren, hatte man uns zum ersten Mal wirklich von den Yirks und der Invasion erzählt und am Anfang hatten wir alle nur darüber gelacht.
Genauso wie ein paar Stunden zuvor auf dem allgemeinen Treffen, wo "Elena" behauptet hatte, sie wäre nicht das, was sie zu sein scheint, sondern eine Art Alien.
Auch als sie uns durch einen Geheimgang in dem Gebäude runter zum unterirdischen Pool geführt hatten, hatte ich es für eine Art dummen Scherz gehalten, oder für einen dämlichen Initiationsritus, aber das war es leider nicht gewesen. Das Lachen war mir sehr schnell vergangen und bis heute im Hals stecken geblieben….
Wump!
Sanft setzte das Raumschiff auf und brachte mich zurück in die Wirklichkeit.
Ein warmes Summen, das eindeutig vom Schiff kam, durchdrang den Beton unter meinen Füßen und eine seltsame Art von Energie sorgte gleichzeitig dafür, dass meine Haare sich anfühlten, wie elektrisiert.
Die Silhouette des Flugkörpers ließ sich jetzt eindeutig erahnen, auch wenn es immer noch nicht mehr war als ein Flimmern in der Luft.
Gleichzeitig bildete sich direkt vor mir ein schmaler Spalt in diesem Fast-Nichts.
Eine ovale Luke öffnete sich.
Sie war gerade groß genug, dass ein halbwegs großer Mann aufrecht hindurchgehen könnte und gab die Sicht auf das Innere frei: Da waren eine Menge Armaturen und eine Art Cockpit mit vielen Instrumenten, Anzeigen, Knöpfen, Hebeln und zwei riesigen Sitzen, die wahrscheinlich die Pilotensessel waren. Der Linke war leer, aber im Rechten saß jemand: Die Person die das Raumschiff hierher gebracht hatte.
Erst hatte ich nur schmale Schultern gesehen und glatte, dunkle, ziemlich lange Haare, die bereits leicht grau am Ansatz wurden,. Aber dann als sie aufstand und zu uns herüberkam hätte mir der Atem gestockt, vorausgesetzt ich hätte atmen können, denn sie war nicht nur irgendwer. Nicht nur irgendeine Frau Ende vierzig, oder irgend ein anderer bedauernswerter Wirt, sondern der Sub-Nessirk höchstpersönlich.
Momentan zwar auch in derselben Uniform wie Issrin, wenn auch mit wesentlich mehr und anderen Abzeichen, aber trotzdem immer noch ganz eindeutig sie…
Meiner Yirk fuhr der Schreck mindestens genauso in die Knochen wie mir, ich konnte es fühlen.
Mental und auch physisch, wie sie für einen Moment zusammenzuckte bevor sie sich wieder fasste.
"Möge das Kandrona auf Euch scheinen und Euch stärken, Sub-Nessirk."
Meine Stimme- ihre, zitterte nicht, während sie sprach und die Mimik zeigte keine Regung.
Aber trotzdem wusste zumindest ich als Issrins Wirt, dass sie eindeutig überrascht war und mit allem gerechnet hatte, nur eben nicht damit.
Nicht mit ihr.
"Und auch dich Issrin. Ich weiß, du hast jemand anderes erwartet. Aber so kann ich dir wenigstens die Nachricht überbringen, dass Sie in guter Stimmung sind, was ein Glück für dich ist. Heute ist immerhin ein großer Tag. Ich hoffe wirklich sehr, dein Commander hat sich richtig entschieden und du erledigst deine Aufgabe zu unserer Zufriedenheit ."
Sie? Was oder wen meint der Sub-Nessirk damit?
Nein, nicht der Sub-Nessirk,sondern Shalif.
Sie hatte mir erlaubt sie Shalif zu nennen und dann…
Wieder musste ich an diesen einen Abend vor zwei Wochen denken.
Ich erinnerte mich an die lange Nacht in ihrem Büro.
An starken, aber guten Kaffee und interessante Gespräche, während ich gezwungenermaßen auf fremde Buchstaben starrte die rasend schnell einen holografischen Bildschirm runter ratterten.
Vor allem aber erinnerte ich mich an ihr angenehmes Wesen und die unerwartete Freundlichkeit.
Nicht nur, weil ich eine Freiwillige war, sondern allgemein mirgegenüber.
Als Person und als Lebewesen.
Ich erinnerte mich an meine Trauer und die Enttäuschung, als die Zeit abgelaufen war und ich wieder zurück zum Pool musste.
Zurück zu Issrin...
"Ja natürlich."
Die Anspannung in meinem Kiefer verstärkte sich und leichter Ärger gesellte sich dazu.
Leichter Ärger auf mich.
Meine Yirk mochte meine Erinnerungen an diese wenigen Stunden im Büro des Sub-Nessirks nämlich nicht besonders, auch wenn sie natürlich ganz genau wusste, wie mein Verstand funktionierte und dass ich nichts gegen meine Erinnerungen tun konnte.
<Nein, das kannst du nicht. Aber du könntest endlich damit aufhören, den Sub-Nessirk derart zu glorifizieren. Er ist ein Yirk wie ich, nicht besser oder schlechter. Abgesehen davon halten ihn viele für einen Spion und für gefährlich. Deshalb werde ich es auch nicht zulassen, sollte er dich wieder beanspruchen wollen. Abgesehen von dem Risiko, war es schon nach dem ersten Mal schwierig genug, die gewohnte Disziplin wieder herzustellen, also hör auf daran zu denken, Mensch! Es wird kein zweites Mal geben, solange dieser Körper unter meiner Kontrolle steht>
<G l o r i f i z i e r e n Issrin? Ich meine entschuldige, aber was bitte sollte ich daran glorifizieren? Etwa das mich jemand von deinen Leuten zumindest für ein paar Stunden mal mit einem Funken Respekt behandelt und nach meiner M e i n u n g gefragt hat oder dass?…>
<Ich s a g t e , sei still! Erspare mir deine unnötigen Sentimentalitäten. Um in der Hierachie so weit aufzusteigen, wie er es getan hat, muss dieser Yirk weit wertvollere Dinge für das Imperium getan haben als ich. Weit g r a u s a m e r e Dinge. Nur ein I d i o t würde etwas Anderes denken. >
Issrins Gedankenstimme wurde zu einem gefährlichen Zischen und ihr Ärger zu Wut.
Es stand ausser Frage, dass sie mit dem Idioten mich meinte.
Meine Stimme blieb davon allerdings vollkommen unberührt, als sie sagte:
"Ich werde meine Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen, mein Sub-Nessirk."
"Ja, da bin ich mir sicher und ich wünsche dir viel Erfolg dabei. Issrin, Lou."
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen nickte Sub-Nessirk Shalif uns kurz zu, bevor sie an uns vorbeiging.
Das Schiff schien sie allerdings meiner Yirk zu überlassen, was auch immer die jetzt damit vorhatte.
Ich war immerhin, auch wenn ich inzwischen "freiwillig" war, nichts weiter als ein Wirt und wusste deshalb auch nichts von einer Mission, oder was Issrin vorhatte und da ich sie durch jeden weiteren Gedanken meinerseits an sie nur noch wütender machen würde, wagte ich es auchnicht, sie zu fragen.
Als stummer Beobachter sah ich dabei zu, wie sie auf der Pilotenseite Platz nahm und das Ufo startete.
Ich sah dabei zu, wie die Ausgangsluke sich schloss und fühlte, dass mein Magen sich leicht hob, als das Ding abhob und auf den Himmel zusteuerte.
Durch die runden Cockpitfenster konnte ich die Wolken sehen, die Sonne und die Vögel.
Ich konnte die Häuser unter uns sehen, wie sie immer kleiner wurden und schließlich eine undurchdringliche Wolkendecke die die Erdoberfläche vor unseren Blicken verbarg.
Dann kurz darauf das erste Mal den Weltraum.
Sicher, ich hatte schon viele Bilder davon gesehen, diverse Artikel gelesen oder fantasievolle Beschreibungen davon in unzähligen Sciencefiction-Geschichten, aber natürlich niemals Gelegenheit gehabt, es in Wirklichkeit zu erleben.
Das Weltall zu sehen, den Sternen so nahe zu sein wie jetzt war immer mein Traum gewesen.
Einer von vielen Träumen und wieder war es pure Ironie, dass ich ausgerechnet an meinem Geburtstag einen meiner größten Träume und einen nicht enden wollenden wahr gewordenen Alptraum der seit etwa drei Monaten mein Leben bestimmte, gleichzeitig erleben durfte.
Issrins Wut war inzwischen so gut wie verraucht und immer mehr der Belustigung gewichen, während ich wie gebannt auf die unzähligen Sterne vor uns starrte.
Starren konnte, weil sie mich ließ, wenn auch nur für einen Moment,bevor sie das Raumschiff wendete, sodass ich direkt auf meinen Planeten sehen konnte. Auf die Wolkenwirbel und Kontinente. Auf das gewaltige Meer in dem sich das Licht der Sonne spiegelte.
<Wohin fliegen wir?>
Fragte ich zittrig und immer noch überwältigt, einerseits von der Situation an sich, andererseits von dem Anblick und eigentlich glaubte ich erst gar nicht wirklich eine Antwort zu bekommen, denn meistens gab Issrin keine, wenn ich Fragen stellte.
Eher erklärte sie mir Dinge, wenn sie es denn überhaupt tat, nur beiläufig und so gut wie nie im Detail.
Aber dieses mal und in diesem einen Moment schien sie, vielleicht angesteckt durch meine eigene Euphorie, meinen Heimatplaneten vom Weltraum aus sehen zu können, fast schon gute Laune zu haben.
<Ich überbringe eine Nachricht für meinen Visser an einen seiner Kontrahenten.>
<Aha, deswegen also die Uniform und das Ganze. Na ja, Glückwunsch, scheint eine wichtige Aufgabe zu sein. Vielleicht gibt es ja sogar ein kleines Fest, wär´ doch angebracht so zur Feier des Tages.>
besonders die letzte Bemerkung war witzig gemeint gewesen, doch Issrin blieb seltsam ernst und antwortete mir sogar.
<Ja. Es ist eine wichtige Aufgabe und wahrscheinlich werden Feierlichkeiten an Bord des Kommandoschiffes stattfinden.>
<Kommandoschiff?!>
<Das persönliche Schiff eines Vissers, in dem Fall von Visser Sechzehn. Es befindet sich in der Umlaufbahn um den Planeten, den ihr Venus nennt. Wir werden nur wenige Minuten reisen und da du allem Anschein nach den Ernst der Lage begreifst, rechne ich mit deiner Kooperation.>
Keine Frage, sondern eine Feststellung, nein viel mehr war es ein Befehl, ganz eindeutig.
<Ja Issrin...Sicher, ich-.>
<Gut>
Das war anscheinend alles, was die Yirk von mir hören wollte, deshalb unterbrach sie mich noch mitten in dem an sie gereichteten Gedankensatz und die plötzliche Freundlichkeit machte schlagartig wieder viel ernsthafteren Emotionen Platz, während Issrin den ruhigen Schwebeflug beendete.
Ich konnte nur noch einen kurzen Blick auf die Erde erhaschen, bevor sie aus meinem Blickfeld verschwand weil das Raumschiff sich wieder drehte kurz bevor alles um mich herum verschwamm und die Sterne zu langgezogenen Linien im endlosen Schwarz wurden, als das Schiff von einer Sekunde zur anderen massiv beschleunigte, allerdings, ähnlich wie bei der unterirdischen Yirkbahn, ohne dass wir im Inneren des Raumschiffes irgendwelche Auswirkungen davon spürten.
Meine Welt, der Planet, auf dem ich geboren worden war, war von jetzt auf gleich unglaublich weit entfernt und lag hinter uns.
Ein winziger Punkt wie all die anderen Planeten und Sonnen um uns herum den ich nicht einmal mehr sehen konnte.
Einer von vielen und doch besonders.
Besonders, so wie jeder Mensch besonders war und auch jedes Wesen.
Besonders, wie es dieser eine Tag sein sollte , zumindest für mich.
Unglaublich und besonders, dass ausgerechnet mein schlimmster Feind mir dieses Geschenk gemacht hatte.
Nicht willentlich oder bewusst natürlich, aber dennoch sah ich es so in diesem einen Moment.
Als eine Art Gabe und als Gelegenheit.
Fast so als wolle mir das Universum zurufen, in allem das Gute zu sehen, ganz egal wie vorherrschend oder überwältigend das Schreckliche dabei war. Auch, wenn die Hoffnung winzig klein und verschwindend war wie ein Staubkorn, ein Nichts vergleichbar mit einem einzelnen Planeten in den Weiten des Alls, konnte sie für denjenigen Alles sein, der wirklich daran glaubte und noch hoffen konnte.
Happy Birthday, Lou dachte ich leise.
***
*A/N II Das hier beschriebene Gebäude gibt es auch in Wirklichkeit, da meine FF eine alternative Realität des Animorphs-Universums darstellt und somit natürlich auch eine alternative Realität zu unserer Zeitlinie. Wie die Originalautorin in den Büchern , verwende ich manchmal Schauplätze die auch in der realen Welt eine Entsprechung finden. Es ist allerdings, auch wenn das Hochhaus existiert und seine Geschichte hier ebenfalls an die Geschichte des realen Gebäudes angelehnt ist, auch schon die einzige Ähnlichkeit und nichts weiter als pure Fiktion, die niemanden beleidigen oder verärgern, sondern einfach nur Spaß machen soll.
Immerhin bezweifle ich stark, dass irgendwo in Europa tatsächlich Hochhäuser von bösen Aliens gemietet und für Eroberungszwecke besetzt werden. XD
Von daher also viel Freude beim Raten , welches Gebäude es sein könnte und wo es steht . Dem der es errät, steht es dann frei, sich einen virtuellen Keks zu nehmen, und/oder seine Erkenntnis in den Kommentaren zu verewigen ^^
...
A\N III Gewidmet auch der FF-Autorin Chai die mich hier mit ihrer OS-Idee eines Yirk-Mondspaziergangs zum Plot inspiriert hat <3 thx.