Geschichte: Fanfiction / Prominente / Musik / Queen / My Bijou

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My Bijou

von papirossy
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Freddie Mercury
06.03.2019
06.03.2019
2
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06.03.2019 2.300
 
My Bijou




Teil 1: It’s a hard life


München, 1984
Bermuda Dreieck / Hans-Sachs-Straße

Freddie ließ es über sich ergehen wie eine Wurzelkanalbehandlung. Aber es war so schön, wenn der Schmerz nachließ.

Paul steckte sich eine Zigarette an und kratzte sich im Schritt. Mit derselben Hand reicht er Freddie anschließend die Zigarette. Freddie zog daran und flüchtete sich in seine Vorstellung von Glück: ein Garten, ein Mann und immer wieder dieser Blick, den zu beschreiben Freddie schwer fiel, weil ihn noch nie ein Mann so angesehen hatte.

Er legte die Hand an seine Wange und streichelte sich dort, nur um die Wärme seiner Berührung noch einmal zu spüren. „Ich mag dich auch, Freddie.“

„Freddie, brauchst du noch lange da drinnen?“, sagte eine irische Stimme auf der anderen Seite der Tür – aber sie gehörte dem falschen Iren. „Ich müsste nämlich auch mal.“ Sie war scharf wie eine Distel, an der man sich stach, wenn man nicht vorsichtig war. Freddie spülte, obwohl er nur gedankenverloren auf dem Klodeckel gesessen hatte. Er war mit Paul ins Bett gegangen, um der kalten Münchener Nacht zu entfliehen. Nach einer mehr feuchten, aber weniger fröhlichen Nacht im Bermuda Dreieck war er buchstäblich verloren gegangen.

Benommen hatte er dagelegen, während Paul sich an ihm satt gefressen hatte. Zwischen durch immer wieder dieser kalte, verzweifelte Blick aus toten Fischaugen und mit ihr kamen die Assoziationen an die abgeschlagenen Fischköpfte im Schlachtenviertel von New York.

Im Bermuda Dreieck war Freddie vor lauter Einsamkeit ins Taumeln geraten und fand sich auf einmal in Pauls Armen wieder. Seine Zuwendung hatte ihn einen kurzen Moment lang gerührt – auch wenn er sie so billig bekam, dass er sie jetzt ohne schlechtes Gewissen das Klo runterspülen konnte.

„Bring mich nach Hause!“, hatte Freddie benommen gekeucht, hatte aber nicht Paul damit gemeint. In Gedanken hatte er mit Jim gesprochen, den er immer dann sah, wenn er am weitesten weg von zu Hause oder sich selbst war. Er träumte von seiner großen, warmen irischen Brust – hatte mit feuchten Augen den ganzen Abend einen Mann angestarrt, der denselben aristokratischen Scheitel hatte wie er.

Wenn andere von Liebe sprechen, dachte er an Jim. Das musste doch etwas bedeuten.

Paul steckte ihn in ein Taxi und sie fuhren durch die neonverwaschene Münchner Nacht. Er brachte Freddie in sein Haus. Seine Lederjacke knirschte hungrig, als er sie auszog. Er starrte Freddie mit großen gierigen Augen an, bevor er ihn küsste. Seine Lippen waren nass und kalt. Freddie drückte ihn bald weg. „Lass uns nach oben gehen!“ Er knöpfte sein Flanellhemd auf und warf es bei Seite.

„Wer ist eigentlich Jim?“, rief Paul durch die offene Badezimmertür, während er in die Kloschüssel strullerte. Kränklich hatte Freddie seinen Namen ins Kissen geseufzt.

„Niemand“, sagte er jetzt so leise und zerbrechlich, dass es ihm keiner, der ihn gehört hätte, geglaubt hätte. Nebenan rauschte die Spülung.



London, 1985
In einem Supermarkt in Sutton

Im Supermarktradio lief seichter Gegenwartspop. Die Lautstärke war so leise, dass sie jeden Song egal machte. Erst im Gang mit den Dosensuppen, wo die Akustik besser war, erkannte er seine Stimme. „Emotionaler Betrug ist auch schon Betrug“, hatte Pete bei einem Bier im Pub gesagt. Jim hatte ihm von seiner nächtlichen Begegnung erzählt. Von dem Kuss hatte er nichts gesagt und auch nicht, dass er einen Herzschlag lang an mehr gedacht hatte. Tatsache war, dass er sich, als er nachts durch die verregneten Straßen von Surrey lief, sich zum ersten Mal seit Jahren wieder wie jemand gefühlt hatte, der aus Fleisch und Blut war, statt nur wie ein willenloses Subjekt, das vergaß sich die Hände zu waschen, wenn es nach der Arbeit nach Hause kam.

„Oh how I want to break free…”, sang der Mann jetzt, mit dem er beinahe geschlafen hatte, und Jim dachte „Keine schlechte Idee!“, als er von hinten angerempelt wurde. „Entschuldigen Sie, stehen Sie in der Schlange?“

Als er abends im Bett lag und der Regen gegen die Fensterscheibe klopfte, dachte er an Freddie und überlegte, was er tun würde, wenn er jetzt wirklich bei ihm auf der Matte stünde. Er sah zu dem atmenden Körper neben sich. Natürlich hatte er einen Anranzer dafür kassiert, dass er mit dem Fleischimitat aus Soja statt dem hochwertigeren Seidentofu nach Hause gekommen war, aber zum ersten Mal war es ihm egal. Und die Hände gewaschen hatte er sich auch nicht. Aber auch das war ihm egal. „Dann geh doch deinen Kram einfach selber kaufen! Das nächste Mal bringe ich dir ein schönes saftiges Steak mit.“

Jim sehnte sich nach Fleisch. Er kaufte es heimlich und aß es heimlich, aber John konnte es immer riechen und hatte sich dann immer nachts von ihm weggedreht.

Jim schaute auf die Digitaluhr. Kurz nach eins und an Schlaf war nicht zu denken. Als er sich zu laut ächzend aus dem Bett erhob, wurde er auch dafür angeranzt. Er rauchte eine am offenen Wohnzimmerfenster, lauschte dem Regen und kramte anschließend nach der Bratpfanne.

Bald stand auch schon John in der Tür und wischte sich über sein vermutlich zerknittertes Gesicht. Jim erkannte nur seine Silhouette. Die weite Boxer Shorts und die drahtigen Beine.

„Was um Gottes Willen machst du hier?“

„Steak“, sagte Jim und zündete mit einem Streichholz die Gasflamme an, hatte sich die nächste Fluppe schon zwischen die Lippen geklemmt.

„Es ist zwei Uhr nachts!“

„Na und?“

Es zischte als Jim das Steak in das heiße Öl warf und John rupfte ihm die Zigarette aus dem Mund. „Sei wenigstens vorsichtig mit deiner Fluppe!“

Er drückte sie im Waschbecken aus und fluchte, als er zurück ins Schlafzimmer ging. „Und deinen Sarkasmus kannst du dir sparen. Das ist, als würde man barfuß in eine Kotzepfütze treten.“




London, derselbe Abend
Garden Lodge

„Hast du dich jemals so nach jemanden gesehnt, dass du beim Laufen einfach weggeknickt bist?“

Phoebe dachte nach, als er das Steak in der Pfanne wendete. Freddie saß am Küchentisch mit Delilah auf seinem Schoß und kraulte sie unter dem Kinn.

„Hm, nein ich glaube nicht“, sagte Phoebe routiniert herzlich. „Du?“

Fett spritze und Phoebe drehte die Flamme etwas runter.

„Es gibt da jemanden. Ich muss immer öfter an ihn denken.“

Seit Freddie zurück in London war, hatte Phoebe – ursprünglich Garderobiere von Queen – eine zunehmend wichtige Rolle in Freddies Leben übernommen. Er war sein Koch, Einkäufer, Kummerkastentante, engster Vertrautet, Mädchen für alles – mit anderen Worten: Sein neuer Paul Prenter. Nur ohne die sexuellen Eskapaden.

„So, wie heißt er denn?“

Phoebe servierte ihm das Steak zusammen mit Bratkartoffeln und Gemüse und ließ sich Zeit mit dem Aufräumen. Fürs Hinsetzen und Zuhören wollte er sich nicht bezahlen lassen.

Einladungen sich hinzusetzen oder mit ihm einen trinken zu gehen, lehnte er grundsätzlich ab. Nicht weil er Freddie nicht mochte – sondern weil er wusste, dass Menschen wie Freddie Grenzen gut taten.

„Jim“, sagte Freddie mit zittriger Stimme, als wäre es ihm peinlich. „Jim Hutton.“

„Ah, ich kenne einen Jim Hutton“, sagte Phoebe, als er mit einem nassen Lappen über die Anrichte wischte, und war sich seiner schmerzhaften Beiläufigkeit nicht bewusst. Freddie schluckte schwer und ließ das Besteck fallen. „Stimmt was nicht?“, wollte Phoebe wissen.

„Du kennst – Jim?“

„Ja, ich habe ihn vor Jahren in der Fressabteilung von Selfridges kennengelernt. Ich sehe ihn manchmal in der RVT. Letzte Mal hatte er allerdings einen Freund dabei. Ist aber auch schon eine Weile her.“




RVT, Vauxhall, London
kurze Zeit später

Jim sprach in Gedanken einen Toast und nahm einen Schluck von seinem Guinness. „Alone again, naturally“, murmelte er und wischte sich den Schaum von seinem Schnauzer.

„Lang nicht mehr gesehen”, rief der Barmann durch einen Klangteppich von schräger Popmusik und lachenden Schwuppen, „Wir haben dich schon vermisst.“ Jim lächelte nervös. Schon seltsam, wie allein man sich in einem Raum voller Menschen fühlen konnte. So also fühlte sich Freiheit an, dachte er schwermütig und bewegte sich träge zur Musik. Ließ sich langsam von dem Beat in den Song hineintragen, bis er umgeben von schwitzenden Körpern laut mitsang. „I’m so in love with you, I’ll be forever blue... that you gimme no reason… why you making me work so hard… that you gimme no, that you gimme no, that you gimme no… duh duh duh duh.. oh baby pleeeeeaaaase, give a little respect tohoohoohoo meeee…”

Smalltown Boy war schließlich der richtige Song, um inne zu halten und sich eine Zigarette anzuzünden. Jim blies den Rauch über die Köpfe tanzender Männer hinweg. Weiter hinten am Eingang glaubte er ein bekanntes Gesicht zu sehen. Es war ein freundliches Gesicht, das er mit etwas Gutem in Verbindung brachte. Dem Gefühl von Wochenende und dem Geruch von frischem Baguette. Selfridges! Er hatte ihn bei Selfriges getroffen. Sie hatten sich um das letzte Baguette gestritten und der Mann – Peter – hatte es ihm überlassen unter der Bedingung, dass Jim ihm einen Kaffee spendieren würde. Jim hob die Hand, um zu winken, aber der Mann ergriff die Flucht. Merkwürdig.

*

Sonntagnachmittag mit Seamus und Pete im Pub. Sie rauchten und erzählten viel, während Jims Gedanken so trübe wurden wie das Pint, an dem er sich seit Stunden aus Kostengründen festhielt.

Ihre Gespräche drehten sich fast nur noch darum, wen es jetzt schon wieder erwischt hatte.

„Patrick ist letzten Freitag gestorben.“

„Oh Gott.“

Betretenes Schweigen. Irgendjemand zog an seiner Zigarette. Im Radio lief U2. Sunday Bloody Sunday.

„Und Ian?“

Ian war Patricks Partner.

„Total am Ende natürlich. Er wusste ja von Anfang an, dass Paddy es hatte. Ist halt schwer. Was würdet ihr denn machen?“

Seamus und Pete sahen sich an, zuckten beide mit den Achseln, dann sahen sie Jim an, der seine Zigarette ausdrückte und den Restrauch aus seinem Mund blies.

„Ist schwierig“, sagte er. „Ich glaube, ich würd’s nicht tun.“ Seamus und Pete nickten. Sie gingen davon aus, dass Jim es nicht tun würde aus Angst sich anzustecken, Jim selbst dachte jedoch an die Zeit, als es mit seinem Vater zu Ende ging und wie hässlich es gewesen war und dass er sich das auf keinen Fall ein zweites Mal antun würde. Schon gar nicht mit jemandem, den er liebte.

Als er im Nieselregen in die Brewer Street bog, kam er an einem Plattenladen vorbei und sah Freddies Platte im Schaufenster stehen. Er trug eine Pilotenbrille und ein weißes Unterhemd. Der Schnauzer stand ihm noch immer gut. Das Album – Mr. Bad Guy – war im Sale. Jim wusste nicht, was schlimmer war: dass der Laden bereits geschlossen hatte oder dass er nicht mehr genug Kleingeld hatte es sich zu kaufen. Noch immer hatte er die heimliche Hoffnung, dass er, wenn er abends in seine Straße bog, vor seiner Tür stehen und auf ihn warten würde. Was natürlich albern war. Weil er – erstens – gar nicht wusste, wo er wohnte und – zweitens – irgendwo in München war und feuchtfröhliche Partys feierte. Das zumindest hatte Jim in einem der Käseblätter gelesen, die seine Vermieterin immer auf ihrem Küchentisch liegen ließ.




Vauxhall, die Nacht zuvor

Phoebe stieg in den wartenden Mercedes. Regen klopfte aufs Dach. Große Augen sahen ihn an.

„Und? Ist er da?“

Phoebe nickte.

„Ist er alleine?“

„Sah zumindest so aus.“

Phoebe war bestimmt zwanzig Minuten im Club gewesen. Kein Typ weit und breit. Freddie sank erleichtert in den weichen Ledersitz und lachte. Seine Augen hatten ein fiebriges Leuchten.

„Gut.“

Phoebe sah ihn an.

„Willst du gar nicht reingehen? Dein Mann ist da drinnen, hol ihn dir!“

„Nein, nicht hier. Zu viele Leute.“

Phoebe nickte und fand das irgendwie traurig.

„Warte nicht zu lang“, sagte er und startete den Wagen, „die Kerle stehen auf ihn.“





Ein paar Wochen später.

Buchstaben wurden auf ein Spielbrett gelegt, Rauch in die Luft geblasen und Roger stöhnte.

„UV ist kein Wort, Fred. Wie oft hatten wir das jetzt schon?“

„Ach, komm schon, Rog, irgendwie müssen wir doch jetzt mal weiterkommen!“

„Aber UV ist nun mal kein Wort, sondern eine Abkürzung.“

Freddie seufzte und Roger rieb sich die Augen.

„Es ist fast Mitternacht, Fred, du solltest ins Bett. Morgen ist ein großer Tag.“

„Ja, ich weiß.“

Freddie fiel zurück in seinen Sessel und zog an seiner Zigarette.

„Danke, dass du noch geblieben bist.“ Sein träumerischer Blick fiel auf das Scrabble-Brett zwischen ihnen. „Es ist fast wie früher.“

„Ja. Fast.“

Roger zog an seiner Zigarette und betrachtete den Mann, der einmal sein bester Freund gewesen war.

„Was hat sich so bei dir getan?“

„Was soll sich schon bei mir getan haben?“

„Naja, ich weiß nicht, hast du jemanden?“

Freddie schnaubte traurig.

„Seh ich denn aus wie jemand, der jemanden hat?“

„Aber es muss doch irgendjemanden für dich geben, Fred.“

„Ich verlieb mich eben immer in die Falschen.“

Roger schaute betroffen auf die Zigarette, die zwischen seinen Fingern brannte, und ließ das Gesagte auf sich wirken.

Freddie stand auf und holte ihnen noch ein Bier. „Aber eigentlich gibt es da schon jemanden.“

„Wirklich? Wen?“

„Es war nach meinem Geburtstag vor ein paar Jahren. Ich habe ihn begrabscht und er wollte mir eine reinhauen. Aber am Ende hat er mich geküsst.“

„Haha, guter Mann!“

Freddie grinste.

„Cheers, Fred.“

„Cheers.“

Sie stießen an und das Geräusch von klirrenden Glasflaschen ließ ihn vor Sehnsucht erstarren.

„Ich will nicht alleine sterben.“

Roger sah ihn lang an.

„Ich weiß, Kumpel.“




Sutton, 12. Juli 1985

Er öffnete die Augen. Es war Samstag. Husten. Trockner Hals. Griff zu einem Glas Wasser. Er streifte sich ein schwarzes Unterhemd über und schlüpfte schon mal in seine Ausgehjeans. Unten machte er sich eine Tasse Tee und raschelte mit der Morgenzeitung. Mrs Taverner schaltete durch ihren Küchenfernseher, wobei die Knöpfe jedes mal viel zu laut klackten.

Klack-Klack „Auf welchem Sender lief noch gleich dieses Konzert?“ Klack-Klack-Klack. Jim stellte die Tasse ab und ächzte. Der Tee war kochend heiß. „Welches Konzert?“

„Dieses Konzert gegen den Hunger in Afrika, ach Junge, du kriegst aber auch gar nichts mit.“

„Hm.“

Ein Klopfen an der Tür riss Jim aus seinen Gedanken.

„Kannst du mal schauen, wer da ist?“
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