Die Suche
von rosa Kueken
Kurzbeschreibung
"Elliott ist der perfekte Mann. Zumindest wenn man den wenigen Erinnerungen, die Tara an diesen einen Abend hat, glauben kann. Das Problem? Elliott ist unauffindbar und wenn man als Ansatzpunkt nicht viel mehr als einen Namen und einen Hut hat, dann ist London mit einem Mal eine ziemlich große Stadt." - Das wäre meine Beschreibung, sollte ich Taras Tagebuch zusammenfassen. Tara würde das anders sehen, aber Tara scheint ihr Tagebuch verlegt zu haben.
GeschichteHumor, Liebesgeschichte / P12 / Gen
01.03.2019
28.02.2021
74
63.572
1
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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10.11.2019
1.693
31. Dezember 2018, 23.17 Uhr, Berlin
Alle waren sie da, was komisch war, weil wir eigentlich alle nichts miteinander zu tun haben. Also untereinander ja, ich und Elias, Adi und Marco, Simon und Ralfi. Ich glaube, Elias hat einiges an Bieren ausgegeben, damit die Jungs ausgerechnet zu dieser Silvesterparty kommen. Adi passte her, der Rest eigentlich nicht. Wir hatten auch überlegt, richtig feiern zu gehen, aber so eine kleine Fabrikhalle mit lauter geladenen und deshalb definitiv coolen Leuten… viel besser. Seltsame Version vom Berghain-Klientel. Schmiss das Berghain eine Silvesterparty? Wahrscheinlich nicht, die hätten uns die Leute streitig gemacht. Das klingt jetzt, als hätte das Bergahain großzügig darauf verzichtet, eine Party zu schmeißen. Vielleicht war es auch so, Frauke arbeitete da und die war hier. Ich laber kompletten Stuss, ich hab Frauke seit September nicht mehr gesehen und Berlin ist eine schnelle Stadt. Vielleicht ist das Berghain einfach nicht mehr cool.
Ich rede zuerst mit Adi. Adi und ich sind früher sehr gut befreundet gewesen. Was heißt Adi und ich, Adi und Lorenz und deswegen auch Adi und ich. Adi ist Halbtürke, sieht aber aus, als wäre er Halbitaliener. Adi, das fällt mir immer wieder auf, ist sehr hübsch, braun (auch im Winter, wie unfair) und muskulös, gepflegt, dunkle Haare, die selbst direkt nach dem Friseurbesuch ein bisschen zu lang sind (es sei denn er lässt mich schneiden, aber das erste war bisher auch das letzte Mal), kantiges Gesicht, angenehmes Lächeln. Adis Aussehen macht Adi wett. Adi hat uns damals Berlin gezeigt, er wusste alles, kannte jeden, jeder mag Adi, obwohl ich um ehrlich zu sein, nicht weiß warum, weil, wie gesagt, Adi ist nicht so besonders. Wenn er vor mehr als einer Person redet, wirkt er immer nervös, druckst herum, redet zu schnell und zu viel und zu hochgestochen, bis niemand, er selber mit eingeschlossen, mehr mitkommt. Ich mag es, wenn Adi über Literatur redet, obwohl Adi in jeder Geschichte viel zu sehr drinsteckt, im Prinzip schon seine Bachelor- oder Master-Arbeit drüber schreiben könnte. Hat er aber nicht, noch nicht mal die Bachelor-Arbeit, obwohl er schon viel zu lange studiert, aber ihn stört das nicht, weil er findet das ja interessant, außerdem muss er ja feiern, in jeder Szene irgendwie drin bleiben, ab und an bei irgendeiner Initiative mitorganisieren, da ist das schwer, das Studium zu schaukeln. Er erzählte ein bisschen von Lore (der war letztens zu Besuch, sah gut aus, hat sich nicht verändert - das war mir vorher schon klar), wir reden über Foer, weil ich den ja gerade gelesen habe, Adi weiß zu viel, macht mir fast die Lust kaputt, andere Bücher von Foer zu lesen. Aber ich freue mich, Adi zu sehen, auch wenn Adi drauf ist, Koks, würde ich sagen, weil er nicht so ein bisschen, sondern wirklich komplett drauf ist.
Dann kommt Marco dazu und unterbricht Adis Redeschwall zu Foers komischen jüdischen Komplexen (ist gut, dass er unterbricht, ich habe schon mehr als einen Witz gemacht, über den weder Adi noch ich lachen konnten). Marco finde ich klasse, noch hübscher als Adi, obwohl Marco eigentlich ein bisschen zu klein für meinen Geschmack ist und eigentlich nicht wirklich krass hübsch, sondern einfach positiv normal aussieht. Normaler Style (kann er tragen), blonder Typ, aber auch irgendwie gesund braun (oder rosa, er ist ja kein Halbtürke) mit verschmitztem Grinsen und guter Laune, redet gerne, vor allem über nun wirklich belanglose Dinge, wie ich also, wir können gut miteinander reden. Seine Ohren sind nicht wirklich spitz, höchstens ein bisschen weniger rund als so ein Durchschnitts-Ohr, in meiner Vorstellung aber schon, ich hab ihn früher immer als Elfe bezeichnet, obwohl Kobold (weil Größe) wohl passender wäre, aber Kobold ist ja irgendwie eher negativ konnotiert – er ist so ein frecher Wichtel. Marco und Adi sind fast genauso unzertrennlich, wie Elias und Henni und ich, aber halt mit noch komplementäreren Charakteren, deswegen noch seltsamere Freundschaft.
Dann spiele ich mit Marco Tischkicker und das natürlich gegen Simon und Ralfi, weil wir es vorher nicht geschafft haben, eine gute Gesprächsbasis zu finden und ich mit denen noch reden wollte, bevor wir auf einmal zusammen in den Urlaub fahren und Tischkicker geht da natürlich als Einstieg immer.
Simon ist mir zu groß, auch ein bisschen zu breit, er wirkt irgendwie ein bisschen zu prollig, ein bisschen zu aufgepumpt, ist aber ein lieber Kerl, sehr gutmütig und sehr klug, nur vergisst man das immer (und er manchmal auch und dann geht es nur um Ernährung und wie wichtig das ist). Simon redet gerne darüber, wie schädlich Alkohol und Zigaretten sind (und andere Drogen, die für ihn persönlich aber wenig Relevanz haben, obwohl er Adi kennt (und seien wir ehrlich: auch mich, Henni, Elias, Marco, eigentlich sein ganzes Umfeld), bleibt er da in seiner Blase), vor allem, wenn er betrunken ist, redet er darüber. Und dann halte ich ihm immer vor, dass wir alle das wissen und uns aufgrund einer intensiveren, wenn auch kürzeren Lebenserwartung schädlichen Substanzen jeglicher Art zugewandt haben. Manchmal habe ich Glück und Simse erzählt mir, was er vom Leben will und warum es so schwer ist, Entscheidungen zu treffen, das ist dann cool. Nur zu lange kann ich mit ihm halt nicht reden, weil man immer wieder zurück zu den Drogen kommt. Ernährung als Thema geht ja noch klar, mit Ernährung kenne ich mich aus, das ist gerade bei Simons Expertise spannend, aber bei Drogen sind wir auf zu unterschiedlichen Seiten, um da rational diskutieren zu können.
Ralfi wiederum sieht meiner Meinung nach nicht gut aus, ist groß, dabei aber zu dünn und blass und wirkt viel schüchterner, als er ist – das Gegenteil von Adi, hier macht das Gesprächstalent das Aussehen wett. Vor anderthalb Jahren hat er sich die Arme tätowiert, einen Tunnel stechen und einen Bart stehen lassen. Das macht den Rest der Ausstrahlung, deswegen hat er es dann endlich in den engeren Freundeskreis geschafft, vorher war er ein überraschend vorlautes Anhängsel, was gemeiner klingt, als es gemeint ist, weil, wie gesagt, er hätte da schon viel früher sein müssen, unglaublicher Alleskönner, gibt ein bisschen zu gerne an. Ralfi ist gerne informiert über alles und jeden und hält, Gott sei Dank, mit seiner sehr komplexen Meinung nicht hinterm Berg. Er spielt schlecht, das regt ihn auf, das merke ich, ich frage mich bei ihm immer, ob dieses „Am besten sein" ihm über „nicht am besten aussehen" hinweghilft. Ziemlich oberflächlich bin ich heute, aber wenn man sich die Leute hier anschaut, dann ist es schwer nicht oberflächlich zu sein, weil alle hier irgendwie sehr oberflächlich sind oder zumindest (oberflächlich betrachtet) so wirken.
Elias ist während all dem draußen, telefoniert mit Tania, er muss aber auch ein Zeichen setzen, wie die Weiber (überwiegend Weiber, ein paar Männer wohl auch, aber die rechnen sich da keine Chancen aus) ihn anhimmeln, ist nicht ganz so einfach. Mich stört das kein bisschen, wenn er ein Zeichen setzen will, kann er sich darauf verlassen, dass Henni und ich neben ihm sitzen und alle anderen Frauen von seiner Seite verdrängen. Henni hat übrigens schon einen Ex zum Gehen angeregt, labert gerade irgendein Mädel zu, dass ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen noch nie mit einer betrunkenen Henni geredet hat und vermutlich eher mit tiefgründigen Gesprächen, die man uns Kulturwissenschaftlich orientierten Studis so gerne nachsagt, gerechnet hätte. Und jetzt tanzen alle und spielen Saufspiele und Henni fragt sie wahrscheinlich gerade, wie hoch die Kleine Unions Aufstiegschancen schätzt. Vielleicht frage ich sie nachher mal, ob Kant noch gelehrt werden sollte, weil der doch schon viele sehr rassistische Ansätze hatte – das sollte sie trösten. Und dann lade ich sie in den Mellowpark ein, damit ich nicht meine ganze Würde bei der Kant-Frage aufgeben muss. Neben den beiden steht übrigens ein sehr gutaussehender Typ, den Henni trotz des sehr guten Aussehens so konsequent ignoriert, dass das wohl Tomek sein muss. Vielleicht frage ich Tomek nachher noch mal, inwiefern er an Monogamie glaubt und ob ihm bewusst ist, dass Henni zwar im Schlaf Kristevas Auffassung von Intertextualität erklären könnte, von Monogamie aber nur über mich und Elias gehört hat. Kann einem glatt leid tun, der Typ.
Ob ich drauf bin, fragt Simse schmunzelnd nach dem Spiel (katastrophale Niederlage, von Marco und mir, weil wir eher in der Gegend herumschauten und Skrupel hatten, unsere Gegner zu verletzen, während Simon und Ralf zwar hacke sind, der Alkohol aber eher den Ehrgeiz als Mitgefühl mit den Figuren geweckt hat). Jedenfalls schüttele ich erst den Kopf und nicke dann. Natürlich bin ich drauf, fällt mir ein, was für eine Frage, ich bin mit Adi hier, ich hab in London nie was genommen, ich hab schon fast wirklich Lust darauf gehabt. Ich bin aber nicht so drauf, wie Adi jetzt, der nämlich drei Leute auf einmal unterhält, ganz ohne Ähms und dann wieder tanzen geht, viel wilder als der Adi, den man sonst so kennt.
Ich bin aber auch nur auf Speed (glaube ich, ich hab Adi nicht gefragt, aber Adi weiß, dass ich halluzinogenen und stark aufputschenden Drogen arg skeptisch gegenüber stehe und er berücksichtigt das, da muss ich gar nichts sagen, so gut kennen wir uns noch, außerdem halluziniere ich nicht, sondern quatsche nur viel und rauche Zigaretten in Rekordzeit, ich könnte theoretisch auch einen sehr guten Brownie gegessen haben) und Simon lächelt, fängt wieder an, mir zu erklären, wo im Körper Alkohol Schaden anrichtet, kann sich selbst aber noch viel schlechter auf den Beinen halten als ich, ich hab wenig getrunken, nur geraucht wie ein Schlot, aber das machen wir hier alle, außer Simse und Adi auch nur wenig, der hat von Nikotin und THC vermutlich schon lange nichts mehr, der ganze Raum riecht, als wären sämtliche Aschenbecher schon mehrmals umgefallen (ich glaub, es gibt hier gar keine, ich hab noch keine gesehen, das erklärt das viel besser als mein Vergleich) und natürlich weiß ich alles, was Simon mir da jetzt erzählt und frage ihn dann, ob er mich in London besuchen will und dann kann ich ein bisschen über London reden, ein bisschen beschönigen, obwohl da auch ohne Beschönigungen viele schöne Geschichten zustande gekommen wären, aber ein bisschen beschönigen, nur für den Effekt, das gehört ja dazu, zum Erzählen.
Alle waren sie da, was komisch war, weil wir eigentlich alle nichts miteinander zu tun haben. Also untereinander ja, ich und Elias, Adi und Marco, Simon und Ralfi. Ich glaube, Elias hat einiges an Bieren ausgegeben, damit die Jungs ausgerechnet zu dieser Silvesterparty kommen. Adi passte her, der Rest eigentlich nicht. Wir hatten auch überlegt, richtig feiern zu gehen, aber so eine kleine Fabrikhalle mit lauter geladenen und deshalb definitiv coolen Leuten… viel besser. Seltsame Version vom Berghain-Klientel. Schmiss das Berghain eine Silvesterparty? Wahrscheinlich nicht, die hätten uns die Leute streitig gemacht. Das klingt jetzt, als hätte das Bergahain großzügig darauf verzichtet, eine Party zu schmeißen. Vielleicht war es auch so, Frauke arbeitete da und die war hier. Ich laber kompletten Stuss, ich hab Frauke seit September nicht mehr gesehen und Berlin ist eine schnelle Stadt. Vielleicht ist das Berghain einfach nicht mehr cool.
Ich rede zuerst mit Adi. Adi und ich sind früher sehr gut befreundet gewesen. Was heißt Adi und ich, Adi und Lorenz und deswegen auch Adi und ich. Adi ist Halbtürke, sieht aber aus, als wäre er Halbitaliener. Adi, das fällt mir immer wieder auf, ist sehr hübsch, braun (auch im Winter, wie unfair) und muskulös, gepflegt, dunkle Haare, die selbst direkt nach dem Friseurbesuch ein bisschen zu lang sind (es sei denn er lässt mich schneiden, aber das erste war bisher auch das letzte Mal), kantiges Gesicht, angenehmes Lächeln. Adis Aussehen macht Adi wett. Adi hat uns damals Berlin gezeigt, er wusste alles, kannte jeden, jeder mag Adi, obwohl ich um ehrlich zu sein, nicht weiß warum, weil, wie gesagt, Adi ist nicht so besonders. Wenn er vor mehr als einer Person redet, wirkt er immer nervös, druckst herum, redet zu schnell und zu viel und zu hochgestochen, bis niemand, er selber mit eingeschlossen, mehr mitkommt. Ich mag es, wenn Adi über Literatur redet, obwohl Adi in jeder Geschichte viel zu sehr drinsteckt, im Prinzip schon seine Bachelor- oder Master-Arbeit drüber schreiben könnte. Hat er aber nicht, noch nicht mal die Bachelor-Arbeit, obwohl er schon viel zu lange studiert, aber ihn stört das nicht, weil er findet das ja interessant, außerdem muss er ja feiern, in jeder Szene irgendwie drin bleiben, ab und an bei irgendeiner Initiative mitorganisieren, da ist das schwer, das Studium zu schaukeln. Er erzählte ein bisschen von Lore (der war letztens zu Besuch, sah gut aus, hat sich nicht verändert - das war mir vorher schon klar), wir reden über Foer, weil ich den ja gerade gelesen habe, Adi weiß zu viel, macht mir fast die Lust kaputt, andere Bücher von Foer zu lesen. Aber ich freue mich, Adi zu sehen, auch wenn Adi drauf ist, Koks, würde ich sagen, weil er nicht so ein bisschen, sondern wirklich komplett drauf ist.
Dann kommt Marco dazu und unterbricht Adis Redeschwall zu Foers komischen jüdischen Komplexen (ist gut, dass er unterbricht, ich habe schon mehr als einen Witz gemacht, über den weder Adi noch ich lachen konnten). Marco finde ich klasse, noch hübscher als Adi, obwohl Marco eigentlich ein bisschen zu klein für meinen Geschmack ist und eigentlich nicht wirklich krass hübsch, sondern einfach positiv normal aussieht. Normaler Style (kann er tragen), blonder Typ, aber auch irgendwie gesund braun (oder rosa, er ist ja kein Halbtürke) mit verschmitztem Grinsen und guter Laune, redet gerne, vor allem über nun wirklich belanglose Dinge, wie ich also, wir können gut miteinander reden. Seine Ohren sind nicht wirklich spitz, höchstens ein bisschen weniger rund als so ein Durchschnitts-Ohr, in meiner Vorstellung aber schon, ich hab ihn früher immer als Elfe bezeichnet, obwohl Kobold (weil Größe) wohl passender wäre, aber Kobold ist ja irgendwie eher negativ konnotiert – er ist so ein frecher Wichtel. Marco und Adi sind fast genauso unzertrennlich, wie Elias und Henni und ich, aber halt mit noch komplementäreren Charakteren, deswegen noch seltsamere Freundschaft.
Dann spiele ich mit Marco Tischkicker und das natürlich gegen Simon und Ralfi, weil wir es vorher nicht geschafft haben, eine gute Gesprächsbasis zu finden und ich mit denen noch reden wollte, bevor wir auf einmal zusammen in den Urlaub fahren und Tischkicker geht da natürlich als Einstieg immer.
Simon ist mir zu groß, auch ein bisschen zu breit, er wirkt irgendwie ein bisschen zu prollig, ein bisschen zu aufgepumpt, ist aber ein lieber Kerl, sehr gutmütig und sehr klug, nur vergisst man das immer (und er manchmal auch und dann geht es nur um Ernährung und wie wichtig das ist). Simon redet gerne darüber, wie schädlich Alkohol und Zigaretten sind (und andere Drogen, die für ihn persönlich aber wenig Relevanz haben, obwohl er Adi kennt (und seien wir ehrlich: auch mich, Henni, Elias, Marco, eigentlich sein ganzes Umfeld), bleibt er da in seiner Blase), vor allem, wenn er betrunken ist, redet er darüber. Und dann halte ich ihm immer vor, dass wir alle das wissen und uns aufgrund einer intensiveren, wenn auch kürzeren Lebenserwartung schädlichen Substanzen jeglicher Art zugewandt haben. Manchmal habe ich Glück und Simse erzählt mir, was er vom Leben will und warum es so schwer ist, Entscheidungen zu treffen, das ist dann cool. Nur zu lange kann ich mit ihm halt nicht reden, weil man immer wieder zurück zu den Drogen kommt. Ernährung als Thema geht ja noch klar, mit Ernährung kenne ich mich aus, das ist gerade bei Simons Expertise spannend, aber bei Drogen sind wir auf zu unterschiedlichen Seiten, um da rational diskutieren zu können.
Ralfi wiederum sieht meiner Meinung nach nicht gut aus, ist groß, dabei aber zu dünn und blass und wirkt viel schüchterner, als er ist – das Gegenteil von Adi, hier macht das Gesprächstalent das Aussehen wett. Vor anderthalb Jahren hat er sich die Arme tätowiert, einen Tunnel stechen und einen Bart stehen lassen. Das macht den Rest der Ausstrahlung, deswegen hat er es dann endlich in den engeren Freundeskreis geschafft, vorher war er ein überraschend vorlautes Anhängsel, was gemeiner klingt, als es gemeint ist, weil, wie gesagt, er hätte da schon viel früher sein müssen, unglaublicher Alleskönner, gibt ein bisschen zu gerne an. Ralfi ist gerne informiert über alles und jeden und hält, Gott sei Dank, mit seiner sehr komplexen Meinung nicht hinterm Berg. Er spielt schlecht, das regt ihn auf, das merke ich, ich frage mich bei ihm immer, ob dieses „Am besten sein" ihm über „nicht am besten aussehen" hinweghilft. Ziemlich oberflächlich bin ich heute, aber wenn man sich die Leute hier anschaut, dann ist es schwer nicht oberflächlich zu sein, weil alle hier irgendwie sehr oberflächlich sind oder zumindest (oberflächlich betrachtet) so wirken.
Elias ist während all dem draußen, telefoniert mit Tania, er muss aber auch ein Zeichen setzen, wie die Weiber (überwiegend Weiber, ein paar Männer wohl auch, aber die rechnen sich da keine Chancen aus) ihn anhimmeln, ist nicht ganz so einfach. Mich stört das kein bisschen, wenn er ein Zeichen setzen will, kann er sich darauf verlassen, dass Henni und ich neben ihm sitzen und alle anderen Frauen von seiner Seite verdrängen. Henni hat übrigens schon einen Ex zum Gehen angeregt, labert gerade irgendein Mädel zu, dass ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen noch nie mit einer betrunkenen Henni geredet hat und vermutlich eher mit tiefgründigen Gesprächen, die man uns Kulturwissenschaftlich orientierten Studis so gerne nachsagt, gerechnet hätte. Und jetzt tanzen alle und spielen Saufspiele und Henni fragt sie wahrscheinlich gerade, wie hoch die Kleine Unions Aufstiegschancen schätzt. Vielleicht frage ich sie nachher mal, ob Kant noch gelehrt werden sollte, weil der doch schon viele sehr rassistische Ansätze hatte – das sollte sie trösten. Und dann lade ich sie in den Mellowpark ein, damit ich nicht meine ganze Würde bei der Kant-Frage aufgeben muss. Neben den beiden steht übrigens ein sehr gutaussehender Typ, den Henni trotz des sehr guten Aussehens so konsequent ignoriert, dass das wohl Tomek sein muss. Vielleicht frage ich Tomek nachher noch mal, inwiefern er an Monogamie glaubt und ob ihm bewusst ist, dass Henni zwar im Schlaf Kristevas Auffassung von Intertextualität erklären könnte, von Monogamie aber nur über mich und Elias gehört hat. Kann einem glatt leid tun, der Typ.
Ob ich drauf bin, fragt Simse schmunzelnd nach dem Spiel (katastrophale Niederlage, von Marco und mir, weil wir eher in der Gegend herumschauten und Skrupel hatten, unsere Gegner zu verletzen, während Simon und Ralf zwar hacke sind, der Alkohol aber eher den Ehrgeiz als Mitgefühl mit den Figuren geweckt hat). Jedenfalls schüttele ich erst den Kopf und nicke dann. Natürlich bin ich drauf, fällt mir ein, was für eine Frage, ich bin mit Adi hier, ich hab in London nie was genommen, ich hab schon fast wirklich Lust darauf gehabt. Ich bin aber nicht so drauf, wie Adi jetzt, der nämlich drei Leute auf einmal unterhält, ganz ohne Ähms und dann wieder tanzen geht, viel wilder als der Adi, den man sonst so kennt.
Ich bin aber auch nur auf Speed (glaube ich, ich hab Adi nicht gefragt, aber Adi weiß, dass ich halluzinogenen und stark aufputschenden Drogen arg skeptisch gegenüber stehe und er berücksichtigt das, da muss ich gar nichts sagen, so gut kennen wir uns noch, außerdem halluziniere ich nicht, sondern quatsche nur viel und rauche Zigaretten in Rekordzeit, ich könnte theoretisch auch einen sehr guten Brownie gegessen haben) und Simon lächelt, fängt wieder an, mir zu erklären, wo im Körper Alkohol Schaden anrichtet, kann sich selbst aber noch viel schlechter auf den Beinen halten als ich, ich hab wenig getrunken, nur geraucht wie ein Schlot, aber das machen wir hier alle, außer Simse und Adi auch nur wenig, der hat von Nikotin und THC vermutlich schon lange nichts mehr, der ganze Raum riecht, als wären sämtliche Aschenbecher schon mehrmals umgefallen (ich glaub, es gibt hier gar keine, ich hab noch keine gesehen, das erklärt das viel besser als mein Vergleich) und natürlich weiß ich alles, was Simon mir da jetzt erzählt und frage ihn dann, ob er mich in London besuchen will und dann kann ich ein bisschen über London reden, ein bisschen beschönigen, obwohl da auch ohne Beschönigungen viele schöne Geschichten zustande gekommen wären, aber ein bisschen beschönigen, nur für den Effekt, das gehört ja dazu, zum Erzählen.