Ein Herz aus Gold
von KiraCat
Kurzbeschreibung
[Octopath Traveler/H'aanit x Primrose] Liebe, was ist Liebe schon wert? Sie bringt doch nur Schmerzen und Kummer. Wie eine Rose blüht sie kurzzeitig auf, benebelt deine Sinne mit ihrem trügerisch süßem Geruch und sticht gnadenlos zu, wenn du unachtsam bist. Dann verwelkt sie, verschwindet und am Ende bist du alleine, einsamer als je zuvor. Keiner weiß das so gut wie Primrose. Doch obwohl ihre Situation dunkel und hoffnungslos scheint, besteht immer noch die Chance auf einen goldenen Funken Licht. Man muss ihn nur erkennen.
OneshotSchmerz/Trost / P12 / FemSlash
H'aanit
Primrose
26.02.2019
26.02.2019
1
1.657
3
26.02.2019
1.657
(ACHTUNG: Spoiler zum 3. Kapitel von Primrose!)
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Viele Menschen meinten, die Liebe wäre das Kostbarste im Leben, kostbarer als Gold oder Edelsteine. Aber so etwas konnte nur jemand behaupten, dem noch nie der unsagbare Schmerz des Verrates durch die „große Liebe“ widerfahren war. Jemand, der noch nie Opfer eines Betrügers gewesen war. Davon war Primrose fest überzeugt. Vor Kälte zitternd stand sie auf dem hohen, schneebedeckten Felsplateau, das am Rande von Flammhuld aus dem Erdboden ragte. Ophilia hatte den sieben Reisenden diesen Ort voller Stolz und Liebe gezeigt und beteuert, dass er ihr sehr wichtig sei. „Es ist, als wohne ihm ein Zauber inne. Der Zauber, Menschen verbinden zu können... Zumindest war es bei meiner Schwester Lianna und mir so“, hatte sie erklärt. Primrose hatte der Ort auf Anhieb gefallen und jetzt, da Nacht war und alle schliefen, konnte sie ihn ungestört besuchen. Natürlich fror die Tänzerin hier oben enorm in ihrem dünnen Kleid, aber das war ihr egal. Alles war ihr egal. Sie hatte den Glauben an die Liebe, womöglich sogar den Glauben an das Gute in Menschen verloren. Seit Simeon ihr den Dolch in die Schulter gestoßen und ohne ein Fünkchen Bedauern zugegeben hatte, dass seine Liebe zu ihr nur gespielt war, prallte alles an der Tänzerin ab. Keiner Beleidigung, keinem mitfühlenden Wort schenkte sie Beachtung. Keine Wunde bereitete ihr Schmerzen. Einzig und allein der Gedanke an Simeon ließ ihr eingefrorenes Herz bluten. Und so starrte sie in den Himmel, allmählich spürend, wie die beißende Kälte bis in ihre Knochen drang und ihre Glieder taub werden ließ.
Wie in jeder Nacht quälten die Tänzerin wieder die gleichen Fragen. Warum hatte Simeon das getan? War seine Zuneigung zu ihr wirklich nur Heuchelei gewesen? Zu welchem Zweck? Schon als Primrose ein junges Mädchen gewesen war, hatte der ehemalige Gärtner des Hauses Azelhart ihr Gedichte vorgelesen, wenn ihr Vater keine Zeit für sie hatte. Er hatte sie dazu ermuntert, ihre Tanzkünste weiterhin zu verfeinern, wenn niemand sonst ihr Zuspruch geliefert hatte. Er hatte sie getröstet, wenn der Druck, die Erwartungen aller erfüllen zu müssen, zu viel für sie geworden war. Jeden Tag. Zu jeder Zeit. Und das alles sollte nur gespielt sein, wie ein Theaterstück, das zur Belustigung anderer diente? Je länger Primrose darüber nachdachte, desto tiefer bohrte sich der Stachel von Simeons Verrat in ihr Herz und ließ es langsam verbluten. „Was ist Liebe? Was ist Liebe wert, wenn man ihr nicht trauen kann?“, richtete die Tänzerin ihre Frage gen Himmel, während die Sterne stumm auf sie herabschienen.
„Habt Ihr etwas gesagt, Primrose?“, wollte eine raue Stimme wissen. Erschrocken wirbelte die Tänzerin herum. H'aanit stand, in Begleitung ihrer Leopardin Linde, einige Meter von ihr entfernt da und musterte sie ernst. Wie lange war sie bereits anwesend? Hoffentlich hatte sie wirklich nichts gehört... „H'aanit? Was macht Ihr hier?“ „Das Gleiche könnte ich Euch fragen. Allerdings habe ich nicht das Recht dazu. Es ist Eure Angelegenheit.“ Nervös biss sich Primrose auf die Lippe. Irgendwie brachte die respektvolle Ausstrahlung der Jägerin sie in Verlegenheit, sodass sie nicht wusste, was sie antworten sollte. So hatte sie sich schon seit Tagen nicht mehr gefühlt. Ob es an H'aanit lag? Einige wortlose Augenblicke später kam die Jägerin entschlossen heran, nahm ihren Umhang ab und legte ihn Primrose vorsichtig über die schmalen Schultern. Dabei war sie so nahe, dass ihr Atem Primroses Wange sanft kitzelte. Außerdem kuschelte Linde sich an ihre kalten Füße. Sofort erfüllte wohlige Wärme den ganzen Körper der Tänzerin und taute selbst ihr vereistes Herz etwas auf. Auch ihre Wangen fühlten sich ganz ungewohnt warm an und kribbelten. „D-danke“, stotterte sie, überwältigt von der selbstlosen Geste ihres Gegenübers. „Aber jetzt ist Euch doch kalt.“ H'aanit schüttelte den Kopf und trat etwas zurück. „Nein, das geht schon. Immerhin bin ich ja noch nicht durchgefroren, sondern komme erst aus dem Wirtshaus.“ Ihre Antwort verblüffte Primrose enorm. Wenn die Jägerin nur durch Zufall bei ihr vorbeigekommen wäre, hätte sie das nicht so sehr verwundert. Laut ihrer Aussage jedoch war sie extra aus dem warmen Wirtshaus hierher in die Kälte gelaufen, dazu mitten in der Nacht. Warum bloß? Ihr Versuch, H'aanits Gesichtsausdruck zu deuten, war nicht sonderlich erfolgreich.
„H'aanit... Ihr habt mich aber nicht mit Absicht aufgesucht, oder?“, sprach sie die leise Vermutung aus, die in ihr aufkam. Irritiert hob die Jägerin eine Augenbraue. „Doch, habe ich. Stört Euch das? Soll ich gehen?“ Beschwichtigend hob Primrose beide Hände und gestikulierte wild mit ihnen herum. „Nein, nein, so meinte ich das nicht! Es ist nur...“ Von ihrer eigenen Reaktion überrascht senkte sie wieder ihre Hände und ließ verunsichert den Kopf hängen. Schon seit Langem war sie nicht mehr so aufgeregt gewesen. Mittlerweile war sie davon überzeugt, dass H'aanit für ihre derzeitige Stimmungslage verantwortlich ist. „Wisst Ihr, Primrose, ich habe das Gefühl, dass irgendetwas Schweres auf Eurem Herzen lastet. Deswegen seid Ihr auch alleine aus dem Wirtshaus geschlichen“, ergriff H'aanit das Wort. Die Tänzerin beobachtete stumm Linde, die brummend zu ihren Füßen lag, spürte jedoch, wie sich der Blick der Jägerin durch den Stoff des Umhangs auf ihre Haut brannte. Irgendwie fühlte sie sich seltsam ertappt. „Ihr habt es also mitbekommen?“ „Nicht ich direkt, aber Linde hat mich auf ein Geräusch aufmerksam gemacht, als ich noch nicht schlafen konnte. Das Geräusch kam vom Zimmer nebenan, und Euer Zimmer war das einzige neben meinem. Somit wusste ich, dass Ihr es wart. Ich dachte eigentlich, Ihr würdet bald wiederkommen, doch selbst nach längerem Warten gab es keine Anzeichen für Eure Rückkehr. Und so bin ich mit Linde losgegangen, um Euch zu suchen. Ich habe mir Sorgen gemacht.“
„S-sorgen?“
„Ganz genau. Flammhuld ist zwar eine sehr gläubige Stadt mit vielen frommen Einwohnern, allerdings gibt es auch hier unanständige Banditen. Ihr kennt die Männer doch am besten. Besonders auf Frauen Eurer Schönheit haben sie es abgesehen.“
Sofort schoss heißes Blut in Primroses Wangen. „Ihr... findet mich also schön?“ „Selbstverständlich. Ihr seid eine sehr hübsche Frau. Und Ihr habt ein edles Gemüt. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Euch etwas zustoßen würde. Deswegen bin ich hier. Um sicherzugehen, dass Ihr wohlbehalten seid.“ Obwohl sie es eigentlich nicht wollte, musste die Tänzerin den Kopf heben und in die blattgrünen Augen der Jägerin schauen. Sie musste wissen, ob H'aanit log oder die Wahrheit sprach. Sie musste einfach. Und alles, was sie im warmen Blick ihres Gegenübers sah, war pure, echte Besorgnis. Aber konnte sie dem trauen? Sie wusste es nicht. Was sie jedoch wusste, war, dass sie dem trauen wollte. Und endlich das Gefühl der Einsamkeit loswerden wollte. Unwillkürlich sammelten sich heiße Tränen in Primroses Augenwinkeln und rollten ihre Wangen hinab. „Primrose? Ist alles in Ordnung mit Euch?“, erkundigte die Jägerin sich, die Augen vor Schreck geweitet. Schluchzend nickte die Tänzerin, unfähig zu sprechen. Sie war hin- und hergerissen zwischen Misstrauen und Vertrauen. Mit zögerlichen Schritten kam H'aanit näher und legte unsicher eine Hand auf Primroses Schulter, als wüsste sie nicht, ob sie das Richtige tat. Die Berührung fühlte sich wie ein kleiner Stromschlag an. Dann machte sie das Gleiche mit ihrer anderen Hand. Schließlich zog sie die Tänzerin in ihre Umarmung und drückte sie fest an sich. Ganz vorsichtig strich sie mit ihren Fingern über ihren Rücken, was Primrose kribbelnde Schauer durch den ganzen Körper jagte. „Ich... Es tut mir leid. Ich bin nicht gut im Trösten“, entschuldigte die Jägerin sich. Das macht doch nichts..., wollte Primrose erwidern, doch kein Wort verließ ihre Kehle.
Nach einigen Minuten, in denen die Tänzerin sich ganz ihren Gefühlen hingab und so bitterlich weinte, dass selbst ein Stein weich werden würde, beruhigte sie sich. „Danke, H'aanit“, schniefte sie und wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht, hatte aber nicht vor, aus der Umarmung zu schlüpfen.
„Kein Problem. Ich hab es wohl richtig gemacht... Freut mich, dass es Euch nun besser zu gehen scheint.“ Primrose kicherte leise und schaute zur Jägerin hoch. „Keine Sorge, Ihr seid gar nicht so schlecht im Trösten.“ Nun lachte auch H'aanit. „Gut zu wissen. Um ehrlich zu sein, habe ich nur intuitiv gehandelt. Ich hab so etwas noch nie gemacht.“ „Die Intuition einer Jägerin, was?“ Lachend legte die Tänzerin ihren Kopf auf H'aanits Schulter. Sie war froh, dass sie anscheinend nicht auf den Gedanken kam, die Umarmung aufzulösen, denn sie genoss die Nähe der anderen wirklich sehr. Und so standen sie schweigend da, in stummer Eintracht, bis Primroses Worte die Stille durchbrachen.
„Wisst Ihr was, H'aanit? Ich dachte die ganze Zeit, ich wäre allein. Zumindest fühlte ich mich so, gefangen in einem schwarzen Strudel aus Verzweiflung und Einsamkeit. Ich dachte, es gäbe kein Entkommen, keine Rettung, doch ich war blind. Ihr habt mich befreit und mir gezeigt, dass es nicht nur Verrat auf dieser Welt gibt. Ihr seid wie ein Licht der Hoffnung im Dunkeln. Ich weiß nicht, wie ich Euch bloß danken soll. Das einzige, was ich Euch wohl entgegenbringen kann, ist mein vollstes Vertrauen in Euch. Ihr habt es verdient, die Wahrheit zu erfahren.“ Sie spürte, wie H'aanit ihre Arme noch enger um ihren Körper schlang. „Euer Vertrauen ist mir Dank genug. Ihr müsst Schlimmes durchgestanden haben. Ich wünschte, ich hätte Euch irgendwie beschützen können... Wenn es Euch hilft, dann werde ich Euch so lange zuhören, wie Ihr möchtet.“ Als Primrose noch einmal den Kopf hob, sah sie, wie die grünen Augen sowohl mitfühlend als auch entschlossen auf sie hinabblickten. Grün wie die Wiesen, grün wie die Wälder. Grün wie die Hoffnung. Ein prickelndes Glücksgefühl breitete sich in ihrem Körper aus und sie erinnerte sich an Ophilias Worte.
Es ist, als wohne diesem Ort ein Zauber inne. Der Zauber, Menschen verbinden zu können.
Wie Recht die Klerikerin doch hatte. Langsam streckte sie ihre Hand aus und strich sanft über die Wange der Jägerin. „Ich danke Euch, H'aanit. Ihr habt wirklich ein Herz aus Gold.“
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Viele Menschen meinten, die Liebe wäre das Kostbarste im Leben, kostbarer als Gold oder Edelsteine. Aber so etwas konnte nur jemand behaupten, dem noch nie der unsagbare Schmerz des Verrates durch die „große Liebe“ widerfahren war. Jemand, der noch nie Opfer eines Betrügers gewesen war. Davon war Primrose fest überzeugt. Vor Kälte zitternd stand sie auf dem hohen, schneebedeckten Felsplateau, das am Rande von Flammhuld aus dem Erdboden ragte. Ophilia hatte den sieben Reisenden diesen Ort voller Stolz und Liebe gezeigt und beteuert, dass er ihr sehr wichtig sei. „Es ist, als wohne ihm ein Zauber inne. Der Zauber, Menschen verbinden zu können... Zumindest war es bei meiner Schwester Lianna und mir so“, hatte sie erklärt. Primrose hatte der Ort auf Anhieb gefallen und jetzt, da Nacht war und alle schliefen, konnte sie ihn ungestört besuchen. Natürlich fror die Tänzerin hier oben enorm in ihrem dünnen Kleid, aber das war ihr egal. Alles war ihr egal. Sie hatte den Glauben an die Liebe, womöglich sogar den Glauben an das Gute in Menschen verloren. Seit Simeon ihr den Dolch in die Schulter gestoßen und ohne ein Fünkchen Bedauern zugegeben hatte, dass seine Liebe zu ihr nur gespielt war, prallte alles an der Tänzerin ab. Keiner Beleidigung, keinem mitfühlenden Wort schenkte sie Beachtung. Keine Wunde bereitete ihr Schmerzen. Einzig und allein der Gedanke an Simeon ließ ihr eingefrorenes Herz bluten. Und so starrte sie in den Himmel, allmählich spürend, wie die beißende Kälte bis in ihre Knochen drang und ihre Glieder taub werden ließ.
Wie in jeder Nacht quälten die Tänzerin wieder die gleichen Fragen. Warum hatte Simeon das getan? War seine Zuneigung zu ihr wirklich nur Heuchelei gewesen? Zu welchem Zweck? Schon als Primrose ein junges Mädchen gewesen war, hatte der ehemalige Gärtner des Hauses Azelhart ihr Gedichte vorgelesen, wenn ihr Vater keine Zeit für sie hatte. Er hatte sie dazu ermuntert, ihre Tanzkünste weiterhin zu verfeinern, wenn niemand sonst ihr Zuspruch geliefert hatte. Er hatte sie getröstet, wenn der Druck, die Erwartungen aller erfüllen zu müssen, zu viel für sie geworden war. Jeden Tag. Zu jeder Zeit. Und das alles sollte nur gespielt sein, wie ein Theaterstück, das zur Belustigung anderer diente? Je länger Primrose darüber nachdachte, desto tiefer bohrte sich der Stachel von Simeons Verrat in ihr Herz und ließ es langsam verbluten. „Was ist Liebe? Was ist Liebe wert, wenn man ihr nicht trauen kann?“, richtete die Tänzerin ihre Frage gen Himmel, während die Sterne stumm auf sie herabschienen.
„Habt Ihr etwas gesagt, Primrose?“, wollte eine raue Stimme wissen. Erschrocken wirbelte die Tänzerin herum. H'aanit stand, in Begleitung ihrer Leopardin Linde, einige Meter von ihr entfernt da und musterte sie ernst. Wie lange war sie bereits anwesend? Hoffentlich hatte sie wirklich nichts gehört... „H'aanit? Was macht Ihr hier?“ „Das Gleiche könnte ich Euch fragen. Allerdings habe ich nicht das Recht dazu. Es ist Eure Angelegenheit.“ Nervös biss sich Primrose auf die Lippe. Irgendwie brachte die respektvolle Ausstrahlung der Jägerin sie in Verlegenheit, sodass sie nicht wusste, was sie antworten sollte. So hatte sie sich schon seit Tagen nicht mehr gefühlt. Ob es an H'aanit lag? Einige wortlose Augenblicke später kam die Jägerin entschlossen heran, nahm ihren Umhang ab und legte ihn Primrose vorsichtig über die schmalen Schultern. Dabei war sie so nahe, dass ihr Atem Primroses Wange sanft kitzelte. Außerdem kuschelte Linde sich an ihre kalten Füße. Sofort erfüllte wohlige Wärme den ganzen Körper der Tänzerin und taute selbst ihr vereistes Herz etwas auf. Auch ihre Wangen fühlten sich ganz ungewohnt warm an und kribbelten. „D-danke“, stotterte sie, überwältigt von der selbstlosen Geste ihres Gegenübers. „Aber jetzt ist Euch doch kalt.“ H'aanit schüttelte den Kopf und trat etwas zurück. „Nein, das geht schon. Immerhin bin ich ja noch nicht durchgefroren, sondern komme erst aus dem Wirtshaus.“ Ihre Antwort verblüffte Primrose enorm. Wenn die Jägerin nur durch Zufall bei ihr vorbeigekommen wäre, hätte sie das nicht so sehr verwundert. Laut ihrer Aussage jedoch war sie extra aus dem warmen Wirtshaus hierher in die Kälte gelaufen, dazu mitten in der Nacht. Warum bloß? Ihr Versuch, H'aanits Gesichtsausdruck zu deuten, war nicht sonderlich erfolgreich.
„H'aanit... Ihr habt mich aber nicht mit Absicht aufgesucht, oder?“, sprach sie die leise Vermutung aus, die in ihr aufkam. Irritiert hob die Jägerin eine Augenbraue. „Doch, habe ich. Stört Euch das? Soll ich gehen?“ Beschwichtigend hob Primrose beide Hände und gestikulierte wild mit ihnen herum. „Nein, nein, so meinte ich das nicht! Es ist nur...“ Von ihrer eigenen Reaktion überrascht senkte sie wieder ihre Hände und ließ verunsichert den Kopf hängen. Schon seit Langem war sie nicht mehr so aufgeregt gewesen. Mittlerweile war sie davon überzeugt, dass H'aanit für ihre derzeitige Stimmungslage verantwortlich ist. „Wisst Ihr, Primrose, ich habe das Gefühl, dass irgendetwas Schweres auf Eurem Herzen lastet. Deswegen seid Ihr auch alleine aus dem Wirtshaus geschlichen“, ergriff H'aanit das Wort. Die Tänzerin beobachtete stumm Linde, die brummend zu ihren Füßen lag, spürte jedoch, wie sich der Blick der Jägerin durch den Stoff des Umhangs auf ihre Haut brannte. Irgendwie fühlte sie sich seltsam ertappt. „Ihr habt es also mitbekommen?“ „Nicht ich direkt, aber Linde hat mich auf ein Geräusch aufmerksam gemacht, als ich noch nicht schlafen konnte. Das Geräusch kam vom Zimmer nebenan, und Euer Zimmer war das einzige neben meinem. Somit wusste ich, dass Ihr es wart. Ich dachte eigentlich, Ihr würdet bald wiederkommen, doch selbst nach längerem Warten gab es keine Anzeichen für Eure Rückkehr. Und so bin ich mit Linde losgegangen, um Euch zu suchen. Ich habe mir Sorgen gemacht.“
„S-sorgen?“
„Ganz genau. Flammhuld ist zwar eine sehr gläubige Stadt mit vielen frommen Einwohnern, allerdings gibt es auch hier unanständige Banditen. Ihr kennt die Männer doch am besten. Besonders auf Frauen Eurer Schönheit haben sie es abgesehen.“
Sofort schoss heißes Blut in Primroses Wangen. „Ihr... findet mich also schön?“ „Selbstverständlich. Ihr seid eine sehr hübsche Frau. Und Ihr habt ein edles Gemüt. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Euch etwas zustoßen würde. Deswegen bin ich hier. Um sicherzugehen, dass Ihr wohlbehalten seid.“ Obwohl sie es eigentlich nicht wollte, musste die Tänzerin den Kopf heben und in die blattgrünen Augen der Jägerin schauen. Sie musste wissen, ob H'aanit log oder die Wahrheit sprach. Sie musste einfach. Und alles, was sie im warmen Blick ihres Gegenübers sah, war pure, echte Besorgnis. Aber konnte sie dem trauen? Sie wusste es nicht. Was sie jedoch wusste, war, dass sie dem trauen wollte. Und endlich das Gefühl der Einsamkeit loswerden wollte. Unwillkürlich sammelten sich heiße Tränen in Primroses Augenwinkeln und rollten ihre Wangen hinab. „Primrose? Ist alles in Ordnung mit Euch?“, erkundigte die Jägerin sich, die Augen vor Schreck geweitet. Schluchzend nickte die Tänzerin, unfähig zu sprechen. Sie war hin- und hergerissen zwischen Misstrauen und Vertrauen. Mit zögerlichen Schritten kam H'aanit näher und legte unsicher eine Hand auf Primroses Schulter, als wüsste sie nicht, ob sie das Richtige tat. Die Berührung fühlte sich wie ein kleiner Stromschlag an. Dann machte sie das Gleiche mit ihrer anderen Hand. Schließlich zog sie die Tänzerin in ihre Umarmung und drückte sie fest an sich. Ganz vorsichtig strich sie mit ihren Fingern über ihren Rücken, was Primrose kribbelnde Schauer durch den ganzen Körper jagte. „Ich... Es tut mir leid. Ich bin nicht gut im Trösten“, entschuldigte die Jägerin sich. Das macht doch nichts..., wollte Primrose erwidern, doch kein Wort verließ ihre Kehle.
Nach einigen Minuten, in denen die Tänzerin sich ganz ihren Gefühlen hingab und so bitterlich weinte, dass selbst ein Stein weich werden würde, beruhigte sie sich. „Danke, H'aanit“, schniefte sie und wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht, hatte aber nicht vor, aus der Umarmung zu schlüpfen.
„Kein Problem. Ich hab es wohl richtig gemacht... Freut mich, dass es Euch nun besser zu gehen scheint.“ Primrose kicherte leise und schaute zur Jägerin hoch. „Keine Sorge, Ihr seid gar nicht so schlecht im Trösten.“ Nun lachte auch H'aanit. „Gut zu wissen. Um ehrlich zu sein, habe ich nur intuitiv gehandelt. Ich hab so etwas noch nie gemacht.“ „Die Intuition einer Jägerin, was?“ Lachend legte die Tänzerin ihren Kopf auf H'aanits Schulter. Sie war froh, dass sie anscheinend nicht auf den Gedanken kam, die Umarmung aufzulösen, denn sie genoss die Nähe der anderen wirklich sehr. Und so standen sie schweigend da, in stummer Eintracht, bis Primroses Worte die Stille durchbrachen.
„Wisst Ihr was, H'aanit? Ich dachte die ganze Zeit, ich wäre allein. Zumindest fühlte ich mich so, gefangen in einem schwarzen Strudel aus Verzweiflung und Einsamkeit. Ich dachte, es gäbe kein Entkommen, keine Rettung, doch ich war blind. Ihr habt mich befreit und mir gezeigt, dass es nicht nur Verrat auf dieser Welt gibt. Ihr seid wie ein Licht der Hoffnung im Dunkeln. Ich weiß nicht, wie ich Euch bloß danken soll. Das einzige, was ich Euch wohl entgegenbringen kann, ist mein vollstes Vertrauen in Euch. Ihr habt es verdient, die Wahrheit zu erfahren.“ Sie spürte, wie H'aanit ihre Arme noch enger um ihren Körper schlang. „Euer Vertrauen ist mir Dank genug. Ihr müsst Schlimmes durchgestanden haben. Ich wünschte, ich hätte Euch irgendwie beschützen können... Wenn es Euch hilft, dann werde ich Euch so lange zuhören, wie Ihr möchtet.“ Als Primrose noch einmal den Kopf hob, sah sie, wie die grünen Augen sowohl mitfühlend als auch entschlossen auf sie hinabblickten. Grün wie die Wiesen, grün wie die Wälder. Grün wie die Hoffnung. Ein prickelndes Glücksgefühl breitete sich in ihrem Körper aus und sie erinnerte sich an Ophilias Worte.
Es ist, als wohne diesem Ort ein Zauber inne. Der Zauber, Menschen verbinden zu können.
Wie Recht die Klerikerin doch hatte. Langsam streckte sie ihre Hand aus und strich sanft über die Wange der Jägerin. „Ich danke Euch, H'aanit. Ihr habt wirklich ein Herz aus Gold.“