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Blutschuld

Kurzbeschreibung
GeschichteFamilie, Schmerz/Trost / P16 / Gen
Amon / Noatak OC (Own Character) Tarrlok
19.02.2019
20.12.2021
13
46.290
9
Alle Kapitel
9 Reviews
Dieses Kapitel
4 Reviews
 
 
19.02.2019 2.355
 
Hallo und ein herzliches Willkommen an jeden, der sich hierher verirrt hat! Ich konnte es mir einfach nicht nehmen lassen, erneut in die Welt von „Avatar“ beziehungsweise „Die Legende von Korra“ einzutauchen. Nach „Mondkind“ hin zu „Euer Blut in meinen Händen“ und „Rache meines Blutes“ widme ich mich abermals meinen liebsten Blutbändigern Noatak und Tarrlok, die zweifelsohne die Hauptrollen in dieser Fanfiktion einnehmen werden. Die Geschichte als solche ist unmittelbar angesiedelt nach den Ereignissen von „Buch 1: Luft“. Nun werdet ihr euch bestimmt ein wenig wundern, denn wie wohl jeder weiß, sind Noatak und Tarrlok am Ende der Staffel gestorben. Nun… seht es, wie ihr wollt, aber in meiner Fanfiktion ignoriere ich diesen Fakt ganz einfach! Dabei halte ich mich schlicht an Oscar Wilde:

Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.


Von daher, wer schon immer unzufrieden mit dem Ende von Buch 1 war, ein Fan von Noatak und Tarrlok ist oder sich schlicht fragt, was hätte seien können, wenn beide Tarrloks destruktives Verhalten überlebt hätten, ist recht herzlich zu dieser Fanfiktion eingeladen. Kommentare, Kritik und Verschwörungstheorien jeglicher Art sind immer willkommen. Also bleibt mir nur noch viel Spaß und noch einen schönen Tag zu wünschen!

OfficerSnickers


~~~ ~~~ ~~~


Zunächst war da nichts als Dunkelheit. Eine tiefe, pechschwarze, alles verschlingende Dunkelheit, die ihn umgab. Nichts anderes mehr existierte als diese Dunkelheit, die ein Teil von ihm geworden war, die er selbst war.

Nach der Dunkelheit kam der Schmerz. Erst leise, behutsam, schlich er sich an ihn heran, bis er gleich einer Welle über ihn schwappte, ihn erfasste, gnadenlos. Der Schmerz, er stach, er brannte, riss und zerrte, überall und nirgends in der Dunkelheit. Erträglich war er, noch. Aber würde der Schmerz sich weiter ausbreiten, sich tiefer in ihn hineinfressen, er würde glauben, verrückt zu werden.

Und nach der Dunkelheit, nach dem Schmerz, kamen die Bilder. Verschwommene Farben, die fortwährend Gestalt annahmen, Grau, Blau, leuchtendes Weiß, durchzuckten sie die nicht länger unendliche Finsternis, ein Kaleidoskop undefinierbarer Eindrücke. Erkennen konnte er nichts, doch er versuchte, sich aus dem anhaltendem Schmerz herauszukämpfen, um zu sehen, zu begreifen. Es gelang ihm nicht.

Bis das Rot kam.  

Geboren aus der Dunkelheit floss es in die anderen Töne, um sie wie Regentropfen hinfortzuschwemmen, bis nichts mehr als das Rot blieb. Rot, nur Rot, überall, von allen Seiten drang es auf ihn ein, aus ihm heraus.

Dann verstand er. Und sank hinab, zurück in die Dunkelheit, durch Kälte und Schmerz, hinab zum Rot. Zur Quelle der Farbe.

Zum zerfetzten Körper seines Bruders.

„Tarrlok!“

Innerhalb eines Herzschlages riss Noatak die Augen auf, stemmte sich hoch, versuchte aufzuspringen, Tarrlok zu erfassen, ihn aus der Dunkelheit zu ziehen. Sein erstickter Schrei verstummte lautlos, nicht einmal ein Stöhnen drang aus seinem Mund, als der Schmerz ihn abermals überrollte, stärker und peinigender als zuvor. Panisch blickte er umher, ohne zu begreifen, was er sah, noch immer geblendet von der ihn zuvor umhüllenden Finsternis.

Mit einem Mal spürte Noatak einen sanften Druck auf seinen Schultern, sodass er seinen Kopf herumriss. Ein Mensch war bei ihm, berührte ihn, und plötzlich fühlte er nichts mehr als nackte Angst. Eine Frau stand da, die Hände erhoben, Verwirrung zierte ihre Züge, wie sie da verharrte und nun auch noch ihre Hände auf seine Arme legte. Ihr Mund öffnete und schloss sich, immer wieder, und Noatak fragte sich, warum sie dies tat. Sekunden verstrichen, in denen er zu verstehen versuchte, warum sie nicht sprach. Bis er seinerseits seine Wangen ergriff, mit den Fingern über die Ohren strich – und fassungslos aufkeuchte. Nichts. Gar nichts! Kein Laut, kein Geräusch, nichts nahm er mehr war… taub. Er war taub. Die Welt, sie war verstummt um ihn herum.

Weiterhin seine Hände auf die Ohren pressend sah Noatak, wie die Frau von ihm zurückwich und sogleich eine weitere neben ihr erschien. Sie trugen die gleiche, weiße Kleidung, hatten ihr Haar ähnlich zurückgesteckt und schienen sich einmal mehr zu unterhalten, über ihn.
Diejenige, die er als erstes erblickt hatte, eilte nun davon, durch eine einfache Holztür, die Noatak zuvor gar nicht bemerkt hatte. Zu viele Eindrücke waren es, zu viele Bilder, zu viel Schmerz. Gleich einem Peitschenhieb kam Noatak abermals sein Bruder in den Sinn, den er über den Schock des Erwachens hinweg vollkommen vergessen hatte. Wo war Tarrlok? Wie ging es ihm? War er überhaupt noch…?

Noatak hatte das Gefühl, allmählich den Verstand zu verlieren. Er wusste nicht, wo er sich befand, wie er hierhergekommen war, in welchem Albtraum er gefangen war. Bloß noch fort wollte er, fort von diesem Ort, dieser Ungewissheit und vor allem fort von den Bildern, die unnachgiebig auf ihn einstürmten.
Er spürte, wie eine warme, feste Hand sich auf seine Schulter legte. Verwundert schaute Noatak auf zu der Frau, die sich zu ihm beugte und mitleidig lächelte. Anscheinend fragte sie ihn etwas, doch nichts als ein dumpfes Rausches ertönte in seinen Ohren. Weil er seiner eigenen Stimme nicht traute schüttelte Noatak nur den Kopf, glücklicherweise verständlich genug für die Frau, die erst ein überraschtes Gesicht machte, dann allerdings nickte. Sanft schob sie seine Hände fort und rückte noch näher an ihn heran, drehte vorsichtig seinen Kopf, um sich beide Ohren zu betrachten. Noatak schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Es war ihm äußerst unangenehm, einer Fremden derart nahe zu sein, und sich ihr auch noch solcher Weise ausgeliefert zu fühlen. Ihre Wärme auf seiner Haut, der Duft ihres Haars, ihr dröhnender Herzschlag, den er klar und deutlich wahrnahm – am liebsten hätte Noatak sie von sich gestoßen. Diese Empfindungen waren ihm zuwider, nachdem er sich in der Dunkelheit verloren hatte, ihre untrüglichen Lebenszeichen erinnerten ihn viel zu sehr an sein eigenes, das beinahe geendet hatte. Und an das, von dem er noch nicht wusste, ob es überhaupt noch existierte…

Die Frau ließ ihn los und nahm von einer Kommode, neben der sie stand, ein Klemmbrett, auf das sie etwas zu notieren schien. Aufmerksam beobachtete Noatak sie, inspizierte aber zugleich auch das Zimmer, in dem er sich befand. Groß war es nicht, in einem hellen, warmen Braunton gehalten und abgesehen von einem Stuhl, der neben einem Fenster stand, nicht weiter möbliert.
Bis auf das Bett, von dem Noatak erst in ebendiesem Moment bemerkte, dass er aufrecht in diesem saß und aus dem er wohl unmittelbar nach seinem Erwachen hatte flüchten wollen. Langsam blickte er an seinem Körper herab. Ob es nun seine Arme oder der Brustkorb waren, überall waren ihm Verbände angebracht worden. Bis auf eine weiße Hose trug er nichts weiter am Leib, und obwohl ihm nicht kalt war, begann er augenblicklich zu zittern. Seine Finger fühlten sich fremd an, wie sie flüchtig über seine tauben Ohren strichen, abtasteten, ob er auch im Gesicht Verbände trug, aber glücklicherweise erst an der Kehle wieder Binden aus Stoff berührten.

Die Frau legte das Klemmbrett zurück auf die Kommode. Reflexartig beobachtete Noatak ihre Bewegungen, ihr Verhalten, als seine Aufmerksamkeit sich plötzlich auf eine Wasserschüssel auf der kleinen Kommode richtete. Trüb sah die Flüssigkeit aus, ein gräulicher, blutgetränkter Lappen hing halb über dem Schüsselrand.
Doch dies war Noatak egal. Hatte jahrelang mit allergrößter Vorsicht darauf geachtet, vor keiner Menschenseele auch nur einen Tropfen Wasser zu bändigen, streckte er nun seine Hand aus und ließ es zu sich kommen. Die Fremde, die ihn mit überraschtem Gesicht musterte, die unbekannte Umgebung, ja selbst der Schmerz – alles blendete er aus, als das Wasser sich über seine Handflächen legte und begann, hell weiß zu glühen.
Noatak schloss die Augen, auf nichts anderes mehr fokussiert als das Bändigen, und hielt sich die Hände an die Ohren. Zunächst geschah nichts, bis es begann, im Inneren seines Gehörganges zu kribbeln, zu zwicken, als verbände sich etwas, das zerrissen war. Angenehm war es nicht, doch es war nicht von langer Dauer, und der feine Schmerz verging.
Nun, da es nicht mehr gebraucht wurde, rann das Wasser Noataks Arme hinab, wurde von den festen Stoffbinden aufgesogen, sodass es ein Gefühl der Kälte auf seiner Haut hinterließ. Ob er erfolgreich gewesen war? Noch wagte er es nicht, die Augen zu öffnen, ließ seine Hände sinken und versuchte zu lauschen. Nach einem Geräusch, und sei es noch so leise, noch so unbedeutend.

Im ersten Moment spürte er weiterhin nichts als seinen dröhnenden, viel zu schnellen Herzschlag, bis es kam. Ein Rauschen, unfassbar leise, kaum wahrzunehmen. Von allen Seiten schien es heranzuschleichen, wurde lauter, pulsierender, ging über in ein hohes Fiepen, das nur langsam wieder abebbte. Aber das machte nichts. Es war da, das Geräusch, wurde zunehmend stärker, ausdauernder. Das allein schon ließ Noatak erleichtert aufseufzen. Als er abermals über seine Ohren tastete, nahm er dies nicht nur körperlich war, was wohl bedeuten musste, sein Heilversuch hatte Erfolg gehabt. Perfekt war es noch nicht, aber das würde schon noch werden. Hoffentlich.

Interessiert drein blickend trat die Frau erneut an ihn heran, um sogleich seine Ohren nochmals in Augenschein zu nehmen. Ein leises Murmeln gab sie dabei von sich, oder zumindest war es das, was Noatak hörte. Verstanden hatte er sie nicht, was ihn nicht weiter verwunderte.
Endlich ließ sie von ihm ab und notierte ohne Umschweife die neueste Entwicklung auf dem Klemmbrett. Während Noatak so da saß, einerseits versucht, mehr und mehr Geräusche zu erhaschen, andererseits weiterhin erschöpft und verwirrt offensichtlich als Beobachtungsobjekt diente, wurde ihm eines bewusst. Seine Lage hätte kaum schlechter seien können. Verwundet und so gut wie taub, nicht wissend, wo er war, in wessen Obhut – oder gar Gefangenschaft – er sich befand, und dann auch noch…

Noatak stöhnte auf. Es war zu viel. Er… er konnte einfach nicht mehr. Hätte er nicht bereits gesessen, er wäre wohl in sich zusammengesunken, so schwach fühlte er sich urplötzlich. Als hätte jegliche Kraft, mit der er bis eben noch durchgehalten hatte, innerhalb eines Sekundenbruchteiles verlassen und nichts als Erschöpfung hinterlassen.
Die Frau schien seinen veränderten Zustand bemerkt zu haben, sodass sie das Brett fortlegte und ihn erneut an der Schulter berührte. Sein Blick folgte den Bewegungen ihrer Hand, bevor Noatak ungeahnt flink ihren Unterarm packte und sie von sich stieß. Zunächst schien die Fremde verblüfft, ja geradezu erschrocken, doch es blieb nicht lange dabei. Die Brauen vor Verärgerung zusammenziehend schnappte sie sich ihre Notizen und schickte sich wohl an, den Raum zu verlassen.

Weit kam sie jedoch nicht. Hatte er sie zuvor von sich weggestoßen, griff Noatak jetzt nach ihr und bekam gerade noch den Ärmel ihres Kleides zu fassen. Skeptisch dreinschauend drehte sie sich zu ihm um, blieb aber auf der Stelle stehen. Noatak verstand das. Er selbst wusste ja nicht recht, was er überhaupt bezwecken wollte, geschweige denn von ihr verlangte. Berühren sollte sie ihn nicht, das wohl. Es war ihm einfach zu unangenehm. Aber er brauchte sie, trotzdem.
Noatak schluckte und unternahm den Versuch, ihr eine Frage zu stellen – doch mehr als ein heiseres Krächzen drang nicht aus seiner Kehle. Zitternd legte er die Hände um seinen Hals, die sich bebend in den Verbandsstoff gruben. Erst sein Gehör, seine körperliche Stärke, und jetzt auch noch seine Stimme.
Ein bitteres Lächeln schlich sich auf Noataks Züge. Er war wirklich zu einem Wrack verkommen.

Währenddessen er sich einmal mehr seiner katastrophalen Lage bewusst wurde, weichte Mitleid die harten Züge der Frau vor ihm auf. Erneut ging sie näher an ihn heran, hielt diesmal aber ausreichend Abstand und machte keinerlei Anstalten, ihn berühren zu wollen.

„Kannst du mich hören?“ Ihre leise, sanfte, wenngleich hohe Stimme ließ Noatak zusammenzucken; er schaute auf zu ihr und nickte schließlich zögerlich.

„Das freut mich. Du hast bestimmt viele Fragen.“ Sie lächelte, doch ein Hauch Traurigkeit verbarg sich darin, ehe sie kurz ihre Notizen überflog und sich dann wieder ihrem Patienten zuwandte.
„Wie du bestimmt bereits bemerkt hast, befindest du dich in einem Krankenhaus. Fischer fanden dich vor zwei Tagen an der Küste und brachten dich hierher. Du bist schwer verletzt, aber mit viel Ruhe und etwas Pflege wird alles wieder gut.“

Alles wird wieder gut. Höhnisch schnaubte Noatak auf. Wohl kaum. Es war zweifelsohne nett gemeint, doch in seiner momentanen Situation zu hören zu bekommen, alles werde wieder gut, war mehr Spott als alles andere. Was sollte denn wieder gut werden? Sein ramponierter Körper? Sein Traum, sein alleiniger Lebensinhalt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Die Möglichkeit, noch einmal ganz von vorne anzufangen?

Noatak erstarrte, ein Tropfen kalter Schweiß rann über sein Gesicht. Und er? Würde er wieder… gut werden?

Mit aller Kraft, die er aufzubringen vermochte, räusperte Noatak sich. Es kostete ihm einen Moment, seine Stimme wiederzufinden, aber endlich brachte er heraus: „Und was ist mit meinem… Begleiter?“

Hatte die Frau zuvor einen gut gelaunten Eindruck erweckt, schien ihre Zuversicht innerhalb einer Sekunde zu verschwinden. Sie senkte den Blick, umklammerte fester ihr Klemmbrett.
Und antwortete nicht.

Hätte man ihm in diesem Augenblick ein Messer in das Herz gerammt, er hätte es nicht einmal bemerkt. Ein bleischweres Gewicht schien sich auf Noatak zu legen, wie er da auf eine Aussage, nur ein einziges Wort wartete, und einfach nichts geschah. Selbst als er versuchte die Frau zu packen, zu schütteln, eine Reaktion aus ihr herauszuschütteln, gelang es ihm nicht. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr, ließ ihn nicht die Augen abwenden, nicht mehr atmen.

Als wolle er Noatak mit sich in die Tiefe ziehen, jetzt, da alles aus war.

„Er lebt.“

Zuerst glaubte er, die Stimme entspränge seiner selbst, der Hoffnung, die doch längst begraben worden war. Aber nein, sie gehörte der Frau, zweifelsohne. Sie hatte gesprochen. Was hatte sie gesagt? Er… lebt? Tarrlok lebte?

Mehr als ein Keuchen brachte Noatak nicht zustande, denn seine Lungen schmerzten ob der einströmenden Luft, die ihnen zuvor verwehrt geblieben war. Tarrlok lebte! Es war mehr, als er zu hoffen gewagt hatte… mehr, als er verdient hatte…

„Dein Begleiter, er lebt“, wiederholte die Frau und erhielt nun wieder Noataks volle Aufmerksamkeit. Sie klang jedoch nicht glücklich, ganz und gar nicht.
„Aber ich werde es dir gleich sagen, damit du dir nicht zu viele Hoffnungen machst. Meine Kollegen und ich, wir kämpfen noch um ihn. Er ist weit schwerer verletzt als du, und wir wissen nicht, wie lange wir ihn noch am Leben erhalten können. Du solltest dich darauf einstellen, Abschied zu nehmen.“
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