Getting Out
von LonelyLeo
Kurzbeschreibung
Castiel willigt in einem Anflug gnadenloser Selbstüberschätzung ein, Nathaniel’s Nachhilfeschüler Jamie Chester zu übernehmen. Dass er sich daran die Zähne ausbeißen wird, ahnt er noch nicht und nimmt seine Aufgabe auf die leichte Schulter. Schnell holt Jamie ihn auf den Boden der Tatsachen zurück und scheint seinen Spaß daran zu haben, Castiel die ganze Sache schwerer zu machen als erwartet.
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Castiel
OC (Own Character)
19.02.2019
10.10.2021
24
53.385
4
Alle Kapitel
10 Reviews
10 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
1 Review
19.02.2019
1.587
Jamie Chester, zwei mal sitzengeblieben, unzählige Fehlstunden, muss sogar die Basics aufholen. Das war alles, was mir Nathaniel flüchtig über meinen neuen und auch einzigen Nachhilfeschüler erzählt hatte. Dass das schon reichte um den Schülersprecher hinschmeißen zu lassen war ja wirklich lachhaft. Damit würde ich schon fertig werden, nur um seinen Gesichtsausdruck zu genießen wenn er realisierte, dass ich diese Nachhilfestunden mit Leichtigkeit besser bewältigte als er.
Lysander hatte sich am Tag darauf bereits nach der sechsten Stunde verabschiedet, ich hingegen würde die Mittagspause mit der ersten Nachhilfestunde in der Schule verbringen, auch wenn ich heute keinen Unterricht am Nachmittag hatte. Ich kaufte noch schnell einen Mittagssnack am Kiosk, so viel Zeit musste sein. Bewaffnet mit einem belegten Brötchen und einem Kaffe schlurfte ich durchs Schulgebäude, bis ich den entsprechenden Raum fand und die Tür aufdrückte. In meinem Kopf war bereits ein Bild zu Jamie entstanden und wenngleich ich mit vielem gerechnet hatte, staunte ich erst mal nicht schlecht, als ich einen Moment im Türrahmen verharrte.
Vor dem offenen Fenster des Kursraumes saß ein schwarzhaariger Junge auf der Fensterbank und zog in aller Ruhe an einer Zigarette. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Stattdessen musterte ich ihn stumm. Abgesehen von den außerordentlich bunten auf seiner Jeansjacke aufgenähten Stofffetzen war er ganz in schwarz gekleidet. Er schien mich langsam bemerkt zu haben und sah zu mir, nachdem er den Rauch gelassen aus dem Fenster geblasen hatte. Sein Ausdruck wirkte nicht übermäßig begeistert, im Gegenteil.
„Du weißt schon, dass Lehrer auf dem Flur hoch und runter laufen?”, meinte ich, wobei ich meine Tasche neben einen der erstbesten Tische stellte. Herr Faraize hätte nur beiläufig einen Blick in den Raum werfen müssen und wäre schon die Wände hochgehen. Mein Gegenüber schien sich darüber allerdings herzlich wenig Gedanken zu machen. „Und?”, blaffte er nur zurück. Unter seinem desinteressierten Blick ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Na gut, Ich würde ja nicht unbedingt in einem Klassenraum rauchen, aber wenn er das tat, dann sollte mich das nicht stören. Bei dem Gedanken, dass er das auch schon vor Nathaniel abgezogen hatte musste ich mir ein Grinsen ernsthaft verkneifen. Unsympathisch war mir das jetzt nicht. Kein Wunder, dass der werte Herr Schülersprecher die Nerven verloren hatte.
Vielleicht würde sich ja später die Gelegenheit zu Smalltalk ergeben, um zumindest ein bisschen was über Jamie zu erfahren. Zuerst wollte ich mir aber mal ein Bild von der Arbeit machen, auf die ich mich mehr oder minder freiwillig eingelassen hatte. Ich schätzte Jamie auf 15, vielleicht 16. Wenn er zwei Ehrenrunden gedreht hatte, dann war er vielleicht ein möchtegern-rebellischer Achtklässler, der ohnehin nach dem nächsten Schuljahr das Handtuch schmeißen würde. Welches Fach auch immer ihm Probleme bereitete, ich würde mich ganz sicher erst einmal einlesen müssen. Immerhin lag der Stoff von damals für mich vier Jahre zurück.
Auf dem Tisch vor mir lag ein schwarzer Schnellhefter, der vermutlich Jamie gehörte. „Ist das deiner?“, fragte ich als ich den Ordner in die Hand nahm. „Siehst du noch wen Anders, dem das Ding gehören könnte?“ Also gehörte er ihm. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hatte. „Welches Fach ist da drin?“, hakte ich weiter nach. „Alle.“ „Alle? Ist das nicht ein bisschen wenig?“ Für ein Fach wäre das definitiv genug gewesen um Probleme aufzuarbeiten, aber für um die zehn Fächer war das absolut nichts. Ich ahnte, dass auch Nathaniel damit nicht sonderlich viel hatte anfangen können. Allerdings würde mich das nicht aus der Bahn werfen, ich würde schon alles Nötige finden.
Ich blätterte also oberflächlich durch die Unterlagen, die allesamt nur aus dem leicht bräunliche Umweltpapier der Schule bestanden. Nur Arbeitsblätter, keine selbstgeschriebenen Notizen. Ich hob meinen Blick wieder. Das Fenster stand noch immer offen, vermutlich um den Rauchgeruch schnell verfliegen zu lassen, aber Jamie hatte mittlerweile mir gegenüber Platz genommen. Zurückgelehnt auf dem Stuhl lagen seine Füße auf dem angrenzenden Tisch, was mich auch nicht wirklich stören sollte. „Was hast du mit Nathaniel schon gemacht? Beziehungsweise, was sollen wir zuerst durchgehen?”, wollte ich wissen. Irgendwo musste ich ja einen Anfang finden. „Nicht viel. Mir egal.” Die Aufmerksamkeit des Schwarzhaarigen lag nicht einmal auf den Unterlagen oder auf mir. Sein Blick war auf die Uhr neben der Tür gerichtet.
Na schön. Manchmal brauchten solche Rotzlöffel eben einfach eine klare Ansage, die Nathaniel natürlich nicht vernünftig verteilen konnte. „Hör mal, Kleiner. Ich bin kein Alleinunterhalter. Entweder du willst was lernen, oder ich hau ab. Ich mach’ das hier sicher nicht aus Überschuss an Freizeit.” Dass das eine Wette von Nathaniel und mir war musste Jamie ja nicht wissen. Ich musste ihm bloß klarmachen, dass man mir nicht auf der Nase herumtanzte, wie man es mit dem Blondchen machen könnte und dann würde hier alles einen geregelten Ablauf finden.
„Ich auch nicht. Warum gehst du nicht zu Nathaniel und sagst ihm einfach, ich hatte keinen Bock auf diesem Müll? Dann ist der Rotz hier schnell beendet, wenn du doch selbst keine Lust hast. Was lässt du dir von diesem Vollidioten auch seine Nachhilfe andrehen?”, entgegnete er und verschränkte dabei die Arme. Selbstverständlich konnte ich nicht hinschmeißen, aber ich musste zugeben, dass mir in dieser Diskussion schnell die Argumente ausgehen würden. Und das gegen so einen Möchtegern-Rebellen?
Ich begann so langsam zu verstehen, was Nathaniel meinte. Das bewegte mich aber noch immer ganz sicher nicht dazu, einfach hinzuschmeißen. Das gönnte ich dem Streber nicht.
Ich ignorierte Jamie‘s Vorschlag einfach. Dann würde eben einfach ich entscheiden, womit wir anfangen würden. Mit den Hauptfächern, womit auch sonst. Bevor ich mir keinen Überblick über seine Mathekenntnisse gemacht hatte, würde ich in Physik oder Chemie schon mal gar nichts erreichen. Meine Augen flogen also nun aufmerksamer über eines der Blätter um den Stoff zu identifizieren, mit dem ich mich beschäftigen müsste. Was ich las überraschte mich allerdings mehr als erwartet.
„Das ist derselbe Stoff den ich auch können muss.”, stellte ich mit gerunzelter Stirn fest, woraufhin Jamie auflachte „Was dachtest du denn bitte? Dass das Abi beim dritten Versuch leichter wird? Vollidiot.” „Wie hast du mich gerade - Du machst Abitur?” Ich wusste nicht, was mich mehr überraschte. „Nein, eigentlich studiere ich. Ich gehe nur gern irgendwelchen Schülern auf den Sack. Natürlich mach’ ich Abi. Ich sag’ doch, ich sitze hier nicht zum Spaß. Und schon gar nicht freiwillig.”, zischte er schon fast bitter.
Ich konnte gar nicht anders als darüber zu lachen! Das konnte nicht sein Ernst sein! Ich hätte ihn höchstens für besagten rebellierenden Achtklässler gehalten. Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass er mich auf den Arm nahm. Beim besten Willen war der Typ nicht alt genug für das Abitur. “Wie alt bist du? 16?”, spottete ich mit verschränkten Armen. Wenn das ein Plan von Nathaniel war, um mich auf den Arm zu nehmen, dann würde er das bitterböse bereuen.
„Ich bin 20.” „Scherzkeks.”
Ich schmunzelte noch immer vor mich hin, doch verfinsterte sich langsam die vorher noch sehr entspannte Miene des Schwarzhaarigen. Sichtlich gereizt griff er in seine Tasche und zog ein Portemonnaie heraus, um dann einen Ausweis über den Tisch zu schieben. „Sind wir dann damit fertig über mein Alter zu diskutieren? Ansonsten gehe ich jetzt, beleidigen lassen kann ich mich auch wo anders.” Mit dieser Antwort hatte er wirklich kurzen Prozess gemacht. Das Lachen blieb mir im Hals stecken. Scheinbar schien er mit dieser Frage öfter konfrontiert, diese blitzschnelle Reaktion wirkte reflexartig. Seine ganze Haltung war deutlich angespannter.
Was konnte ich denn dafür, er sah wirklich extrem jung aus und benahm sich auch noch so! „Für 20 führst du dich aber auf wie ein kleines Kind. Trotzphase hat man sonst eher so mit vier.”, neckte ich ihn ein wenig, immerhin war er ja selbst offensichtlich auf Krawall gebürstet.
Ich schien das Maß damit allerdings gerade tatsächlich überstrapaziert oder zumindest einen wunden Punkt angekratzt zu haben. Nur einen Moment später riss Jamie mir den Ordner aus der Hand, schulterte seinen Rucksack und hob den Mittelfinger seiner freien Hand. „Du kannst mich mal kreuzweise, dasselbe gilt für Nathaniel! Ich hab besseres zu tun.”
Ich hatte keine wirkliche Gelegenheit darauf zu reagieren. Jamie war schon aus dem Raum marschiert und hatte die Tür geräuschvoll hinter sich zugeschlagen. Noch etwas verdutzt blickte ich in Richtung Tür. Gut, ich hatte es darauf angelegt ihn ein wenig zu provozieren, aber mit diesem Ausmaß hatte ich nicht gerechnet.
Es dauerte nicht lang bis die Tür zu meiner Überraschung wieder aufging. Entgegen meiner Erwartung war es aber nicht Jamie, sondern Nathaniel. Er lehnte mit verschränkten Armen am Türrahmen. „Und? Gibst du auf?“ „Standest du die ganze Zeit vor der Tür?“ Ich hasste sein siegessicheres Grinsen. „Man hat Jamie problemlos bis zum SV-Büro gehört, da musste ich nicht vor der Tür stehen. Ich bin schon davon ausgegangen, dass er dich einfach sitzen lässt. Glückwunsch, du warst weniger erfolgreich als ich, Großkotz.“, entgegnete er mir, was mir ein Grummeln entlockte.
„Ich habe nicht aufgegeben, also habe ich hier gar nichts verloren.“, verteidigte ich mich. „Ich sagte, du musst als Nachhilfe etwas taugen.“ „Und woran machst du das bitte sehr fest?“ Nathaniel schien einen Moment lang zu überlegen. „Du darfst ihn heute nicht endgültig vergrault haben und er muss dieses Halbjahr regelmäßig zur Nachhilfe auftauchen. Passiert das nicht hast du die Wette zum Halbjahr verloren. Und ich gehe davon aus, dass dir bewusst ist, dass Wettschulden Ehrenschulden sind.“
Ob Jamie der Kopf danach stand, sich das Halbjahr über regelmäßig mit mir auseinander zu setzen sollte also darüber entscheiden, ob ich die nächsten anderthalb Jahre mit Nathaniel Akten in seinem Büro sortierte? Wunderbar...
Lysander hatte sich am Tag darauf bereits nach der sechsten Stunde verabschiedet, ich hingegen würde die Mittagspause mit der ersten Nachhilfestunde in der Schule verbringen, auch wenn ich heute keinen Unterricht am Nachmittag hatte. Ich kaufte noch schnell einen Mittagssnack am Kiosk, so viel Zeit musste sein. Bewaffnet mit einem belegten Brötchen und einem Kaffe schlurfte ich durchs Schulgebäude, bis ich den entsprechenden Raum fand und die Tür aufdrückte. In meinem Kopf war bereits ein Bild zu Jamie entstanden und wenngleich ich mit vielem gerechnet hatte, staunte ich erst mal nicht schlecht, als ich einen Moment im Türrahmen verharrte.
Vor dem offenen Fenster des Kursraumes saß ein schwarzhaariger Junge auf der Fensterbank und zog in aller Ruhe an einer Zigarette. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Stattdessen musterte ich ihn stumm. Abgesehen von den außerordentlich bunten auf seiner Jeansjacke aufgenähten Stofffetzen war er ganz in schwarz gekleidet. Er schien mich langsam bemerkt zu haben und sah zu mir, nachdem er den Rauch gelassen aus dem Fenster geblasen hatte. Sein Ausdruck wirkte nicht übermäßig begeistert, im Gegenteil.
„Du weißt schon, dass Lehrer auf dem Flur hoch und runter laufen?”, meinte ich, wobei ich meine Tasche neben einen der erstbesten Tische stellte. Herr Faraize hätte nur beiläufig einen Blick in den Raum werfen müssen und wäre schon die Wände hochgehen. Mein Gegenüber schien sich darüber allerdings herzlich wenig Gedanken zu machen. „Und?”, blaffte er nur zurück. Unter seinem desinteressierten Blick ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Na gut, Ich würde ja nicht unbedingt in einem Klassenraum rauchen, aber wenn er das tat, dann sollte mich das nicht stören. Bei dem Gedanken, dass er das auch schon vor Nathaniel abgezogen hatte musste ich mir ein Grinsen ernsthaft verkneifen. Unsympathisch war mir das jetzt nicht. Kein Wunder, dass der werte Herr Schülersprecher die Nerven verloren hatte.
Vielleicht würde sich ja später die Gelegenheit zu Smalltalk ergeben, um zumindest ein bisschen was über Jamie zu erfahren. Zuerst wollte ich mir aber mal ein Bild von der Arbeit machen, auf die ich mich mehr oder minder freiwillig eingelassen hatte. Ich schätzte Jamie auf 15, vielleicht 16. Wenn er zwei Ehrenrunden gedreht hatte, dann war er vielleicht ein möchtegern-rebellischer Achtklässler, der ohnehin nach dem nächsten Schuljahr das Handtuch schmeißen würde. Welches Fach auch immer ihm Probleme bereitete, ich würde mich ganz sicher erst einmal einlesen müssen. Immerhin lag der Stoff von damals für mich vier Jahre zurück.
Auf dem Tisch vor mir lag ein schwarzer Schnellhefter, der vermutlich Jamie gehörte. „Ist das deiner?“, fragte ich als ich den Ordner in die Hand nahm. „Siehst du noch wen Anders, dem das Ding gehören könnte?“ Also gehörte er ihm. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hatte. „Welches Fach ist da drin?“, hakte ich weiter nach. „Alle.“ „Alle? Ist das nicht ein bisschen wenig?“ Für ein Fach wäre das definitiv genug gewesen um Probleme aufzuarbeiten, aber für um die zehn Fächer war das absolut nichts. Ich ahnte, dass auch Nathaniel damit nicht sonderlich viel hatte anfangen können. Allerdings würde mich das nicht aus der Bahn werfen, ich würde schon alles Nötige finden.
Ich blätterte also oberflächlich durch die Unterlagen, die allesamt nur aus dem leicht bräunliche Umweltpapier der Schule bestanden. Nur Arbeitsblätter, keine selbstgeschriebenen Notizen. Ich hob meinen Blick wieder. Das Fenster stand noch immer offen, vermutlich um den Rauchgeruch schnell verfliegen zu lassen, aber Jamie hatte mittlerweile mir gegenüber Platz genommen. Zurückgelehnt auf dem Stuhl lagen seine Füße auf dem angrenzenden Tisch, was mich auch nicht wirklich stören sollte. „Was hast du mit Nathaniel schon gemacht? Beziehungsweise, was sollen wir zuerst durchgehen?”, wollte ich wissen. Irgendwo musste ich ja einen Anfang finden. „Nicht viel. Mir egal.” Die Aufmerksamkeit des Schwarzhaarigen lag nicht einmal auf den Unterlagen oder auf mir. Sein Blick war auf die Uhr neben der Tür gerichtet.
Na schön. Manchmal brauchten solche Rotzlöffel eben einfach eine klare Ansage, die Nathaniel natürlich nicht vernünftig verteilen konnte. „Hör mal, Kleiner. Ich bin kein Alleinunterhalter. Entweder du willst was lernen, oder ich hau ab. Ich mach’ das hier sicher nicht aus Überschuss an Freizeit.” Dass das eine Wette von Nathaniel und mir war musste Jamie ja nicht wissen. Ich musste ihm bloß klarmachen, dass man mir nicht auf der Nase herumtanzte, wie man es mit dem Blondchen machen könnte und dann würde hier alles einen geregelten Ablauf finden.
„Ich auch nicht. Warum gehst du nicht zu Nathaniel und sagst ihm einfach, ich hatte keinen Bock auf diesem Müll? Dann ist der Rotz hier schnell beendet, wenn du doch selbst keine Lust hast. Was lässt du dir von diesem Vollidioten auch seine Nachhilfe andrehen?”, entgegnete er und verschränkte dabei die Arme. Selbstverständlich konnte ich nicht hinschmeißen, aber ich musste zugeben, dass mir in dieser Diskussion schnell die Argumente ausgehen würden. Und das gegen so einen Möchtegern-Rebellen?
Ich begann so langsam zu verstehen, was Nathaniel meinte. Das bewegte mich aber noch immer ganz sicher nicht dazu, einfach hinzuschmeißen. Das gönnte ich dem Streber nicht.
Ich ignorierte Jamie‘s Vorschlag einfach. Dann würde eben einfach ich entscheiden, womit wir anfangen würden. Mit den Hauptfächern, womit auch sonst. Bevor ich mir keinen Überblick über seine Mathekenntnisse gemacht hatte, würde ich in Physik oder Chemie schon mal gar nichts erreichen. Meine Augen flogen also nun aufmerksamer über eines der Blätter um den Stoff zu identifizieren, mit dem ich mich beschäftigen müsste. Was ich las überraschte mich allerdings mehr als erwartet.
„Das ist derselbe Stoff den ich auch können muss.”, stellte ich mit gerunzelter Stirn fest, woraufhin Jamie auflachte „Was dachtest du denn bitte? Dass das Abi beim dritten Versuch leichter wird? Vollidiot.” „Wie hast du mich gerade - Du machst Abitur?” Ich wusste nicht, was mich mehr überraschte. „Nein, eigentlich studiere ich. Ich gehe nur gern irgendwelchen Schülern auf den Sack. Natürlich mach’ ich Abi. Ich sag’ doch, ich sitze hier nicht zum Spaß. Und schon gar nicht freiwillig.”, zischte er schon fast bitter.
Ich konnte gar nicht anders als darüber zu lachen! Das konnte nicht sein Ernst sein! Ich hätte ihn höchstens für besagten rebellierenden Achtklässler gehalten. Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass er mich auf den Arm nahm. Beim besten Willen war der Typ nicht alt genug für das Abitur. “Wie alt bist du? 16?”, spottete ich mit verschränkten Armen. Wenn das ein Plan von Nathaniel war, um mich auf den Arm zu nehmen, dann würde er das bitterböse bereuen.
„Ich bin 20.” „Scherzkeks.”
Ich schmunzelte noch immer vor mich hin, doch verfinsterte sich langsam die vorher noch sehr entspannte Miene des Schwarzhaarigen. Sichtlich gereizt griff er in seine Tasche und zog ein Portemonnaie heraus, um dann einen Ausweis über den Tisch zu schieben. „Sind wir dann damit fertig über mein Alter zu diskutieren? Ansonsten gehe ich jetzt, beleidigen lassen kann ich mich auch wo anders.” Mit dieser Antwort hatte er wirklich kurzen Prozess gemacht. Das Lachen blieb mir im Hals stecken. Scheinbar schien er mit dieser Frage öfter konfrontiert, diese blitzschnelle Reaktion wirkte reflexartig. Seine ganze Haltung war deutlich angespannter.
Was konnte ich denn dafür, er sah wirklich extrem jung aus und benahm sich auch noch so! „Für 20 führst du dich aber auf wie ein kleines Kind. Trotzphase hat man sonst eher so mit vier.”, neckte ich ihn ein wenig, immerhin war er ja selbst offensichtlich auf Krawall gebürstet.
Ich schien das Maß damit allerdings gerade tatsächlich überstrapaziert oder zumindest einen wunden Punkt angekratzt zu haben. Nur einen Moment später riss Jamie mir den Ordner aus der Hand, schulterte seinen Rucksack und hob den Mittelfinger seiner freien Hand. „Du kannst mich mal kreuzweise, dasselbe gilt für Nathaniel! Ich hab besseres zu tun.”
Ich hatte keine wirkliche Gelegenheit darauf zu reagieren. Jamie war schon aus dem Raum marschiert und hatte die Tür geräuschvoll hinter sich zugeschlagen. Noch etwas verdutzt blickte ich in Richtung Tür. Gut, ich hatte es darauf angelegt ihn ein wenig zu provozieren, aber mit diesem Ausmaß hatte ich nicht gerechnet.
Es dauerte nicht lang bis die Tür zu meiner Überraschung wieder aufging. Entgegen meiner Erwartung war es aber nicht Jamie, sondern Nathaniel. Er lehnte mit verschränkten Armen am Türrahmen. „Und? Gibst du auf?“ „Standest du die ganze Zeit vor der Tür?“ Ich hasste sein siegessicheres Grinsen. „Man hat Jamie problemlos bis zum SV-Büro gehört, da musste ich nicht vor der Tür stehen. Ich bin schon davon ausgegangen, dass er dich einfach sitzen lässt. Glückwunsch, du warst weniger erfolgreich als ich, Großkotz.“, entgegnete er mir, was mir ein Grummeln entlockte.
„Ich habe nicht aufgegeben, also habe ich hier gar nichts verloren.“, verteidigte ich mich. „Ich sagte, du musst als Nachhilfe etwas taugen.“ „Und woran machst du das bitte sehr fest?“ Nathaniel schien einen Moment lang zu überlegen. „Du darfst ihn heute nicht endgültig vergrault haben und er muss dieses Halbjahr regelmäßig zur Nachhilfe auftauchen. Passiert das nicht hast du die Wette zum Halbjahr verloren. Und ich gehe davon aus, dass dir bewusst ist, dass Wettschulden Ehrenschulden sind.“
Ob Jamie der Kopf danach stand, sich das Halbjahr über regelmäßig mit mir auseinander zu setzen sollte also darüber entscheiden, ob ich die nächsten anderthalb Jahre mit Nathaniel Akten in seinem Büro sortierte? Wunderbar...