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Somebody to Love

von papirossy
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Freddie Mercury
27.12.2018
27.12.2018
5
13.933
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27.12.2018 3.332
 
Somebody to Love



1985

Freddie kippte erst mal einen Wodka. Mit zittriger Hand fuhr er sich über seinen nassen Schnauzer und lachte heiser. Wie im Taumel war er in den Wohnwagen geflüchtet und hatte jeden ausgesperrt. Brian, Rog und Deaky waren bei ihren Familien in den anderen Wohnwagen und ließen sich feiern. Freddie goss sich gerade sein zweites Glas ein, als ihm etwas Entscheidendes einfiel. Er riss die Wohnwagentür auf und sah in tausend euphorische Gesichter. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet.

„Freddie, du warst großartig“, sagte Mary in Tränen aufgelöst.

„Danke, Darling.“

Sie küssten sich auf die Wange. David machte sich bald in die Hosen vor Freude und Jim hatte die Fäuste tief in seine Bomberjacke geschoben und verkniff sich ein Grinsen. Die Idee eines Kusses. Aber nur ganz kurz. Eine Hand, die nach ihm griff, aber dann doch ins Leere.

„Du warst...“

Er suchte nach Worten, seine Augen leuchteten.

„Ach, spar dir deine Lobhudelein, Darling, ich weiß, dass ich fantastisch war.“

Freddie legte seine wodkanassen Lippen an sein Ohr.

„Komm“, flüsterte er mit heißem Atem und dann zu Mary und David: „Ich muss euch Jim kurz entführen.“ Er zog ihn hinter sich her, die Wohnwagentür fiel krachend ins Schloss. Sie waren allein. Blicke flatterten unsicher umher, keiner wusste, was er sagen sollte.

„Hat es dir gefallen?“, fragte Freddie beinahe schüchtern.

„Ob es mir gefallen hat? Freddie, du warst phänomenal.“

Das Wasser stand in Jims Augen, so ergriffen war er. Freddie zuckte mit den Schultern.

„Ich denke, es war okay.“

Jim schnaubte ein Lachen, während Freddie gegen die Tür lehnte wie ein Schulmädchen, das darauf wartete vom heißesten Jungen der Schule zum Tanzen aufgefordert zu werden.

Es war schwierig sich wieder zu finden. Jim schob seine Hand in Freddies Nacken und spürte nasse Haare. Heißer Atem vermischte sich, Blicke berührten sich. „Küss mich endlich, du alte Heulsuse.“

Jims ganze Anspannung floss in diesen Kuss hinein und löste sich darin auf. Er vergaß, dass er mit seiner Miete im Rückstand war, die Reparaturkosten für den Boiler, die Kalkablagerungen im Teekessel und bald sich selbst. Er schnaufte gierig und legte seine ganzen 1,92 in diesen Kuss hinein, gierig bissen sie sich ineinander fest. Ein Moment des atemlosen Innehaltens, staunend sahen sie sich in die Augen, kaum Zeit für ein kleines Lächeln, dann klopfte es wieder an der Tür.  

Eine Menge Leute stürzten sich auf Freddie und Jim konnte ihn für den Rest des Abends nur noch von weitem bewundern. Mary und David verabschiedeten sich zeitig und Jim fühlte sich etwas verloren, folgte Freddie von hier nach da, wurde David Bowie vorgestellt, den er schon vom Haareschneiden kannte.

„David, das ist mein neuer Mann. Jim!“, sagte Freddie und schmiegte sich an Jim. David zog an seiner Zigarette.

„Wir kennen uns“, sagte Jim.

„Ist das so?“

„Klar, was denkst du, wer dir letzte Woche die Haare geschnitten hat?“

David verzog keine Miene, Freddie sah ihn mit großen Augen von der Seite an und Jim fühlte sich noch viel verlorener.

„Mach dir nichts draus, Darling. Der hat manchmal nen Stock im Arsch.“

Am Abend ging Freddie noch einmal mit Brian für eine Nummer auf die Bühne. Danach herrschte Ratlosigkeit. Freddie war in Ekstase. „Wo wollt ihr denn hin, na los, lasst uns feiern!“

Deaky und Roger standen betroffen herum.

„Wir sind ehrlich gesagt ganz schön durch, Fred.“

„Ach, kommt schon, wann wenn nicht jetzt?“

Roger gab Freddie eine lange Umarmung. Freddie krallte sich an ihm fest.

„Fred, du hast jetzt jemanden, der mit dir nach Hause gehen und feiern will“, sagte der Drummer sanft in sein Ohr, fast so als würde er ihm ein intimes Geheimnis verraten, und ließ ihn los. „Na los, geh zu deinem Mann!“

Freddie sah sich um. Jim.

„Hey.“

„Hey.“

Ein Moment der Schüchternheit inmitten von Gitarrenriffs, Gejubel und Gedränge.

„Na los, lass uns gehen! Ich hab genug.“

Und einfach so gingen sie. Vorbei an Elton John, Bono und Co. Freddie stolzierte lächelnd voran, winkte und warf Leuten Luftküsse zu. In seiner Pilotenbrille spiegelten sich strahlende Gesichter, Neid und Missgunst.

„Willst du denn gar nicht zur Aftershow-Party? Die Leute feiern dich wie verrückt, das ist dein Moment!“

„Ich hatte meinen Moment, Darling. Ich habe meine eigenen Pläne für die Aftershow-Party.“

„Oh, erwartest du Gesellschaft?“

Jim kletterte zu Freddie auf den Rücksitz seines Rolls Royce.

„Nach Hause bitte“, sagte Freddie sanft zum Fahrer, dann nahm er Jims Hand und küsste sie. Eine seltsam intime Geste. Seine großen hoffnungsvollen Augen blickten ihn an. „Die Beste!“, war seine Antwort auf eine längst vergessene Frage.

Mit klopfendem Herzen trat Jim durch Freddies Tür. Es dämmerte bereits. Irgendwo durch seinen Tinnitus hörte Jim eine Wanduhr ticken und das Schnurren einer Katze. „Oooh, Oscar! Komm her!“ Freddie hob die getigerte Katze vom Boden auf und drückte sie an sein durchgeschwitztes weißes Tanktop. „Oscar, das ist Jim. Mein neuer Mann!“ Er drückte sein Gesicht in das weiche Fell und lächelte wie ein kleiner Junge, „du wirst ihn mögen!“ Jim war sich nicht sicher, wem genau das galt. Große weiße Zähne blitzten auf. Etwas unbeholfen stand er neben ihnen.

War das sein neuer Mann?

Freddie stellte die Katze ab. „Na los, zieh deine Jacke aus. Ich mach dir einen Tee.“ Er gab ihm einen Klaps auf den Arm und ging in die Küche. Teewasser wurde aufgesetzt, Schranktüren geöffnet, Tassen herausgenommen, Beutel in eine Kanne gehangen. Es war piekfeines Porzellan, sogar Untersetzer. Jim dachte an seine „Kiss me, I’m Irish“-Tasse mit dem Sprung.

„Mach schon mal den Fernseher an, ich bring uns den Tee.“

„Den Fernseher? Was willst du schauen?“

„Na Live Aid, was sonst!“

„Ich dachte das ist vorbei?“

„Nein, das geht doch jetzt weiter in Philadelphia.“

Freddie grinste. Er war so ruhig und sanft. Wie er seinen Tee machte in seinem Superheldenkostüm: Der ausgewaschenen Jeans und dem weißen Hemd, dem Glitzer an seinem Gürtel, das schwarze Nietenarmband noch immer um den Arm geschnallt.

Als Freddie den Tee brachte, spielte Phil Collins gerade sein Set in Zimmerlautstärke. Freddie ließ sich neben Jim auf das Sofapolster fallen. Sie waren wieder da, wo sie vor fünf Jahren angefangen hatten. Jim legte seine Hand in Freddies Nacken und streichelte seine Haare. Freddie saß nur da und grinste, die Hände in seinem Schoß zusammengefaltet.

„Kannst du mich einfach halten?“

Die Frage hatte etwas so Unschuldiges, Jim schluckte schwer. „Natürlich.“ Freddie kroch in seine Arme.

„Das wollte ich schon so lange.“

„Was?“

„Meinen Kopf auf deine Brust legen.“

Jim brummte und Freddie lauschte. „Deine Stimme“, sagte er heiser lächelnd. Es klang wie eine Feststellung.

Jim atmete schwer unter dem schläfrigen Pop-Idol in seinen Armen. Da war jemand, der einfach nur gehalten werden wollte. Was für ein merkwürdiger Umstand in Zeiten von Toiletten-Blow-Jobs und blöden Anmachsprüchen an der Bar.

Während Jim sich noch wunderte, amüsierte sich Freddie über Phil Collins, der nach seinem Set in London nach Philadelphia gejettet war, um diese dürftige Nummer abzuliefern. „Der kriegt auch nie genug.“

Freddie wusste, dass er der Held des Tages war. Und doch umgab ihn eine allumfassende Traurigkeit. Mehr noch als sonst. Sonst – das war das eine Mal, als Jim ihn auf der Party gesehen hatte. Er hatte erst nur Mitleid für ihn übrig gehabt. Er war nicht sein Typ. Schmächtig, weibisch, kompliziert. Jim hatte sich sonst nur auf große, bärige Typen eingelassen, die mit beiden Füßen fest auf dem Boden standen, statt ihren Kopf irgendwo in den Wolken zu haben.

„Willst du mich gar nicht küssen?“

„Hm?“

Freddie reckte seinen Kopf. Er grinste unsicher.

„Ich sagte, ob du mich nicht endlich küssen willst?“

„Sehr gern.“

Diese Höflichkeit.

Jim küsste ihn. Phil Collins legte ein flottes Schlagzeugsolo hin.

„Hnf.“

„Was?“

Staunend schauten sie sich an. Jim streichelte zärtlich sein Gesicht.

„Nichts es ist nur...“

„Hm?“

„Roger könnte das besser.“

„Dich küssen?“

„Nein, das Drum-Solo, du Spinner.“

Freddie kicherte und rollte sich in Jims Armen zusammen. Als Phil Collins fertig war und von der Bühne ging, kamen Rückblenden von den London-Konzerten. U2 mit ihrer waghalsigen Nummer, Bowie, Queen... Jims Herz schlug und er zog den schlafenden Mann in seinen Armen fester an seine Brust. Er könnte platzen vor Glück.

Freddie grunzte und stand wie vom Blitz getroffen auf. Jim erschrak.

„Was ist denn?“

„Nichts, ich bin müde. Ich gehe jetzt ins Bett.“

Freddie zog sich das Unterhemd über den Kopf und warf es auf seine Chaise Longue. Sogar die Katze erschrak und nahm das Hemd missbilligend ins Visier.

„Kommst du auch?“

„Ins Bett?“

„Ja, natürlich. Du kannst dort nicht schlafen. Das ist Mikos Schlafplatz.“


*


„Mach’s dir bequem, Darling“, sagte er im Schlafzimmer, „ich nehme kurz ein Bad.“ Seine Gürtelschnalle klimperte. Wie ein Kind schälte er sich aus seiner knallengen Jeans, sodass sie am Ende linksrum von seinem Fuß baumelte.  

Jim konnte nur staunen und sah einen nackten Hintern im angrenzenden Bad verschwinden. Die Tür blieb angelehnt. Wasser wurde eingelassen, bald hörte er Geplätscher und Gejodel.

I wanna be loved by you…

Jim grinste. Das Gefühl der Matratze, die unter ihm nachgab, als er sich auf die Bettkante setzte, war so unerwartet intim, dass ihm der Atem stockte. Er sah auf seine Armbanduhr. Kurz vor Mitternacht. Dann war der Zauber wahrscheinlich vorbei und er würde in seiner bescheidenen Maisonette-Wohnung in Surrey aufwachen.

„Jim, Darling!“

„Ja?“

„Na los! Komm zu mir!“

Jim stand mit klopfendem Herzen auf. Von Freddie war nicht viel zu sehen, als er ins Bad kam. Stattdessen nur ein riesiger weißer Schaumberg mit einem weit aufgerissenen Mund. Jim grinste und setzte sich an den Badewannenrand.

„Das ist echt mal ein Schaumbad!“

Immer wieder schöpfte er neue Schaumkronen auf Freddies Kopf, bis er laut aufschrie. Wobei es mehr ein Quietschen war als ein Schrei.

„Ah! Nicht ins Gesicht!“

Er lachte und freute sich wie ein kleines Kind, während er sich den Schaum aus den Augen wischte.

„Bist du nicht bald mal ganz runzelig?“

„Ich werde nicht runzelig, Darling, ich bin ein Fisch!“

„Ein Fisch, aha.“

„Ja, ein Koikarpfen.“

„Ah.“

Es war entzückend. War das der Mann, der eben noch Milliarden von Zuschauern in seinen Bann gezogen hatte? Der Mann, der von Club zu Club zog und nichts anbrennen ließ?

„Ist das Wasser nicht langsam mal kalt?“

Jim ließ vorsichtshalber warmes Wasser nachlaufen und auf einmal hatte er selbst eine Schaumkrone auf dem Kopf. Freddie kichert und hielt sich die Hand vor den Mund dabei.

„Haha, sehr witzig!“

Freddie sang wieder und schwang das Bein in die Luft wie eine Diva. Es war seltsam, dachte Jim, dass es sich gar nicht seltsam anfühlte. Es herrschte eine merkwürdige Vertrautheit hier zwischen ihnen im Bad, als wären sie bereits 50 Jahre verheiratet.

Ganz abrupt hatte Freddie dann genug. „Na los, hol mal das Handtuch.“

Jim legte ein Handtuch auf dem Boden aus und hüllte den pitschnassen Freddie in ein riesiges Frotteehandtuch. Mit großen staunenden Augen sah Freddie ihn an, plötzlich ganz still, und sagte irgendwann mit brechender Stimme: „Ich mag dich!“

„Ich mag dich auch, Freddie!“

Und dann küsste Jim ihn wie der Prinz, der das schlafende Dornröschen wach küsste. Es war wie damals auf dem Sofa. Freddie liebte es, seine Lieblingsmomente zu wiederholen. Das merkte Jim schnell und spielte gerne mit.

Freddie hatte ihm den Ring im Rolls Royce abgeluchst. Er hatte seinen Finger in Jims Ausschnitt gesteckt und den Ring, der an seiner Kette hing, aus seinem Unterhemd gezogen. „Das ist ein schöner Ring!“, hatte Freddie gesagt und beinahe verträumt dabei gewirkt, „Elton John sagt, mit einem Ring am Finger kann man viel besser auftreten. Er verleiht deinen Bewegungen viel mehr Gravitas.“ Jim hatte ihn daraufhin wortlos abgenommen und ihn Freddie an den Ringfinger gesteckt. Er passte wie angegossen. „Was, wieso—er muss dir doch viel bedeuten.“

„Tut er. Aber du bedeutest mir auch viel.“

An diesem Nachmittag in Wembley war Freddie mit Ring am Finger aufgetreten und hatte Jim in einem leisen Moment gestanden, dass es stimmte: Jede Bewegung hatte mehr Gewicht.

„Warum sollte ich?“, fragte Jim jetzt und hielt Freddies Gesicht in den Händen wie eine kostbare Vase. „Du bedeutest mir noch immer sehr viel.“

„Ich hätt ihn dir eh nicht zurückgegeben!“ Freddie gab Jim einen Klaps und verschwand nach nebenan. Nackt wie er war kroch er unter seine sündhaft teure Seidenbettdecke. Jim stand nur peinlich berührt in der Gegend herum und Freddie reagierte genervt. „Los, leg dich endlich zu mir.“

Jim zögerte kurz, dann zog er sein schwarzes Unterhemd aus und stieg etwas umständlich aus seiner Jeans. Die Seide war angenehm kühl, als er zu Freddie unter die Decke kroch, der Mann darunter aufregend warm und klamm. Dünne Arme umschlangen Jim. „Halt mich.“ Freddie brummte zufrieden und schlief in Jims Armen ein. Jim fand so schnell keinen Schlaf, aber dafür fand er etwas anderes.


*


Als er am Morgen aufwachte, hörte er Geschirrgeklimper und er dachte erst, es wäre seine Vermieterin, Mrs. Taverner, die ihn mit lautem Haushaltskrach wachzumachen versuchte wie eine zornige Mutter. Seine Hand fuhr über kühle Seide und dann fiel es ihm wieder ein. Irritiert sah er sich um. Auf der Chaise Longue hockte eine getigerte Katze und starrte ihn an. „Morgen“, brummte er. War es Delilah? Oder Miko?

Als Jim in Unterwäsche in die Küche schlurfte, saß Freddie mit Phoebe am Esstisch und ging durch die Morgenpresse. „Morgen!“ Zeitungsgeraschel.

Phoebe war eigentlich ein Mann und hieß eigentlich Peter Freestone. Sie hatten sich gestern die Hände geschüttelt, stellten aber zu ihrer Überraschung fest, dass sie sich schon kannten. Sie waren vor ein paar Jahren im Restaurant von Selfridges ins Gespräch gekommen, hatten sich dann aber wieder aus den Augen verloren.

Freddie schaute auf und sagte nur: „Morgen!“ Als er Wasser in den Kessel liefen ließ, hörte er Freddie noch tuscheln: „Wer ist das denn?“

Und Phoebe sagte recht trocken und so, dass auch Jim ihn gut hören konnte: „Das ist dein Mann.“

Freddie lachte laut.

Jim nahm es ihm nicht übel. Er wusste, dass er gern seine kleinen Shows abzog. Er stellte den Kessel auf den Herd und ging ins Bad.

„Wo willst du denn hin?“, fragte Freddie, der ihm erst Beachtung schenkte, als er sich schon die Jacke überzog.

„Na zur Arbeit!“

„Du arbeitest?“

„Ja. Als Friseur. Im Savoy.“

„Oh.“ Freddie ließ den Kopf hängen, als hätte man ihm ein Eis versprochen, das er dann nicht bekam. „Musst du denn da jetzt hin?“

Jim zuckte mit den Achseln

„Es ist Arbeit.“

„Oh. Aber du kommst doch wieder heute Abend?“

„Wenn du das willst.“

„Natürlich, Darling.“

Freddie wirkte unbeholfen. Er schien es gewohnt zu sein, dass die Leute ihn verließen, und verwechselte die Trennung für ein paar Stunden mit einem großen Verlust.

„Hey, ich komme wieder!“

„Okay!“ Er grinste nervös. Sie standen im Schutz der Diele, Phoebe raschelte im Hintergrund mit der Daily Mail und Jim gab Freddie einen Schmatzer auf den Mundwinkel.

„Bis heute Abend!“


*


Auf Arbeit gab es kein anderes Thema als Live Aid.

„Hast du das Konzert gestern gesehen?“, fragte sein Kollege. „Wie der Sänger von Duran Duran, wie hieß er noch gleich, sich versungen hat. Mann, das war peinlich.“

„Ja.“

„Aber Freddie Mercury, mann. Der hat sie alle in Grund und Boden gesungen. Hast du gesehen, er trägt einen Ring! Da ist so ein Artikel in der SUN. Alle spekulieren, wer die Glückliche ist.“

„Wohl eher DER Glückliche!“, mischte sich der Sohn des Managers ein.

„Hm“, machte Jim und gab sich konzentriert. Er griff zum Trimmer, um dem älteren Herren in seinem Stuhl die Schläfen zu stutzen. Das willkommene Surren übertönte das Geschwätz seiner Kollegen.

Der Rest des Tages verlief weitestgehend öde. Sie schlossen sonntags um sechs. Jim sah immer wieder zur Uhr, aber die Zeiger wollten sich einfach nicht bewegen. Er fegte Haare bei Seite und verrichtete seine Arbeit, als ob nichts wäre. Als er dann endlich die Tür abschloss, nahm er den Bus nach Sutton, um sich zu duschen und frische Klamotten anzuziehen. Sollte er Wechselwäsche mitnehmen? Es war alles sehr unwirklich.

Auf dem Weg nach Earl’s Court kaufte er an einem Stand einen Strauß Freesien. Als er in Kensington aus der U-Bahn stieg, war es ihm jedoch plötzlich zu albern. Er hatte noch nie einem Mann Blumen mitgebracht und wollte jetzt auch nicht damit anfangen. Sie landeten im nächsten Mülleimer.

Es war ein lauer Juliabend, als er den völlig wahnwitzigen Weg von der U-Bahn nach Garden Lodge antrat. Diesen Moment würde er wahrscheinlich niemals vergessen. Er wollte sich nicht reinsteigern, aber mittlerweile hatte es Jim irgendwo zwischen Surrey und Kensington ganz schön erwischt.

Mit klopfenden Herzen drückte er die Türklingel. Es stand kein Name darauf. Aber trotzdem wusste jeder, wer hier wohnte.

„Ja?“, sagte eine nervöse Stimme durch das Interkom.

„Ich bin’s.“

„Wer?“

„Jim! Hier ist Jim!“

„Jim-Wer?“

„Hutton!“

Die Stimme lachte.

„Ich weiß, ich will dich nur verarschen.“

Die Klingel surrte und Jim trat durch das Tor. Ganz blumenlos ging er den schmalen Weg zur Haustür. Jetzt hätte er sie doch lieber dabei, einfach nur, damit er sich an etwas festhalten konnte.

Freddie stand bereits mit strahlendem Gesicht in der offenen Tür.

„Hallo, schöner Mann.“

„Hallo, Freddie.“

Sie waren immer noch so höflich. Jim trat ein und hängte seine Jacke an den Haken und dann standen sie sich schwer atmend gegenüber. Blicke streiften sich schmerzhaft wie Sandpapier, Griffe gingen ins Leere. „Willst du einen Tee?“

„Tee. Klingt gut.“

„Wie war dein Tag, Darling? Du hast sicher Hunger!“

„Gut. Äh, hast du die Presse gelesen?“

„Ja, alle wollen wissen, wer der Mann ist, der mir den Ring an den Finger gesteckt hat.“

Jim wurde rot, Freddie stellte den Kessel auf den Herd. Als das erledigt war, drückte er sich an Jims Brust. „Aber das verrate ich nicht.“

„Nicht?“

„Nein. Es ist zu kostbar.“

Und endlich ließ Freddie sich küssen. Er sank tief hinein in Jims Arme und gleichzeitig schien ihn etwas unendlich fern zu halten.

„Sind wir allein?“, nuschelte Jim in den Kuss. Die Finger schon an Freddies Gürtelschnalle.

„Ja, aber...“

Der Teekessel pfiff und Freddie wand sich aus Jims Armen.

„Was ist los, Freddie, hm?“

„Nichts, das Wasser hat gekocht.“

Freddie goss Wasser in eine Kanne und strich sich wieder die Haare glatt.

„Hey, sieh mich mal an.“ Jim stellte sich zu ihm an die Küchenzeile und suchte seinen Blick, sagte noch einmal mit sanftem Nachdruck: „Sieh mich an“, da blickte Freddie auf und hatte Tränen in den Augen.

„Ich hab das alles schon so oft durch. Ich lande mit einem Bett, verliebe mich Hals über Kopf und dann ist er weg. Es ist immer dasselbe. Ich will nicht, dass es mit dir auch so läuft. Nicht mit dir!“

„Das wird“, sagte Jim zu schnell, zu verzweifelt und dann ganz leise und warm: „es nicht!“

„Ich will es einfach langsam angehen.“

„Das heißt, du willst nicht mit mir schlafen?“

„Das ist nicht alles. Jim. Ich.“

„Freddie?“

„Ich hab AIDS, Jim.“

Jim schluckte schwer.

„Ich weiß, ich hätte gar nicht erst zu dir kommen dürfen. Aber wie hätte ich nicht zu dir kommen können?“

Jim wich keinen Zentimeter zurück, hielt sanft Freddies Kopf hoch, obwohl es ihn selbst alle Kraft kostete.

„Ich kann verstehen, wenn du jetzt nichts mehr von mir wissen willst. Es war selbstsüchtig von mmh...“ Jim drückte seine Lippen auf die von Freddie und schnaufte danach seinen schweren Entschluss in die behagliche Nachmittagsruhe: „Ich gehe nirgendwohin!“

Und Jim blieb. Er nahm seinen Mann mit ins Bett und liebte ihn wie er noch nie geliebt worden war. Ganz ohne Risiko, ganz ohne Demütigung, einfach zwei Menschen, die sich nahe waren. Freddie konnte nicht damit umgehen, zu zärtlich angefasst zu werden, und damit er unter einer zu sanften Berührung nicht zu zerbrechen drohte, packte Jim ordentlich zu und ließ Freddie spüren, dass er stark genug für zwei war.

„Ich fürchte es ist bereits geschehen“, säuselte Freddie hinterher erschöpft in Jims Schulter. Sein Finger fuhr von Leberfleck zu Leberfleck und zeichnete so ein Bild auf Jims blasse Haut, das sich nicht sehen, sondern nur fühlen ließ.

„Was ist geschehen?“

„Dass ich mich Hals über Kopf in dich verliebt habe.“

Er versteckte sein breites Grinsen in seiner Achselhöhle wie ein Teenagermädchen.
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