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Orpheus' Pfade

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteAbenteuer, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
25.12.2018
03.08.2019
6
22.525
5
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28 Reviews
Dieses Kapitel
6 Reviews
 
 
25.12.2018 1.635
 
A/N: Eigentlich wollte ich ein reines Weihnachtskapitel für die beiden schreiben, habe es mir aber anders überlegt (wegen mangelnder Zeit)  und direkt mit der Idee zusammengepackt, die mir schon ein paar Tage durch den Geist streift. Ein kleiner Teil ist jetzt noch davon erhalten, natürlich nicht direkt als Weihnachten, sondern als Sonnenwende, was zumindest in Europa das ursprüngliche Fest war. Trotz langer Suche konnte ich zwar nichts finden, was darauf hinweist, das die alten Griechen ein ähnliches Fest kannten, aber sie feierten gern. Von daher, warum nicht? ;-) Das Kapitel ist noch nicht überarbeitet und fehlerbereinigt, mach ich später. Vom Inhalt bleibt es aber etwa so.
Ansonsten wünsche ich Euch allen noch ein wundervolles und besinnliches Weihnachtsfest! Und kommt gut ins neue Jahr!


                                                                                ♣





Bauch an Rücken standen Alexios und Thaletas auf dem Dach ihres kleinen, gemütlichen Hauses und beobachteten die Feiernden unter ihnen. Ein Tage dauerndes Fest mit reichlich Wein, gebratenem Fleisch und Wettkämpfen der verschiedensten Art neigte sich seinem Ende und einem verkaterten Morgen zu. In Anbetracht der Unmengen an Wein, ging es relativ ruhig und besonnen zu. Nur wenige prügelten sich, einige frönten lustvollerer Dinge, teils schamlos, teils versteckter. Fackeln und bunte Laternen sorgten für ein beinahe andächtiges Licht. Einige sangen schöne, manchmal anrüchige Lieder. Unter anderen Umständen hätten Alexios und Thaletas sich dem fröhlichen Volke angeschlossen. Nur in dieser Nacht stand keinem von ihnen der Sinn danach. Für sie beide war es ein letzter Abend, eine letzte Nacht in stiller Zweisamkeit. Sie störten sich nicht an den singenden und tanzenden Menschen, so wie jene ihren Anblick nicht weiter beachteten. Wenige verstohlene Blicke wurden ihnen zugeworfen. Alexios bettete sein Kinn auf Thaletas' Schultern, küsste die stoppelige Haut an seinem Hals und ließ seine Hände über die festen Bauchmuskeln gleiten. Als er tiefer wandern wollte, hielt Thaletas die forschen Finger auf, indem er sie in seine nahm.
„Wenn wir weitermachen, bewege ich mich morgen wie ein alter Mann, und führe meine Truppe so vermutlich in den sicheren Tod.“  
Alexios akzeptierte es wortlos, zog ihn aber doch hinab auf die Schlafmatte, die sie für ihre letzte gemeinsame Nacht auf das   Dach gebracht hatten. Arm in Arm blickten sie in den Sternenhimmel. All die funkelnden Lichter auf dem samtschwarzen Grund, brachten Erinnerungen an vergangene Tage und Monate zurück. Sie beide, vertraulich im Mondschein oder Seite an Seite auf dem Schlachtfeld, umgeben von Tod und Wahnsinn. Immer wieder, selbst wenn der Krieg sie trennte, kamen sie zusammen, um die süßesten aller Momente miteinander zu verbringen.

Nun aber, rief ein Einsatzbefehl Thaletas in weit entfernte Gefilde und Alexios in die entgegengesetzte Richtung.
Er seufzte leise und Thaletas schmiegte sich näher an ihn. „Wir sehen uns wieder. Bisher konnte keine Schlacht uns trennen.“
Alexios war sich dessen nicht sicher. Ihm war, als senke sich ein düsterer Schleier über ihr gemeinsames Heim, der ihn ergriff und auf ewig von Thaletas hinfort zerrte. Rasch vertrieb er diesen Gedanken und sah wieder in den Himmel, wo Nyx ihren dunklen Mantel in der längsten Nacht des Jahres ausbreitete, auf dem Kassiopeia funkelnd ihr langes Haar bürstete und Orion auf ewig den Plejaden nachjagte, ohne sie jemals erreichen zu können.
Es gab Tage, an denen Alexios sich den Göttern nahe fühlte und jene, an dem sie ihm so fremd und fern erschienen, wie die Sternbilder, die sie malten. In dieser Nacht glaubte er, ihnen nahe zu sein, doch nicht nah genug, um sie verstehen zu können. Wollten sie ihm Glück wünschen oder ihn warnen? Vielleicht bildete er es sich aber auch nur ein. Seine Gedanken drohten erneut ins Trudeln zu geraten, weshalb er sich von der Matte rollte und auf Thaletas' fragenden Blick mit einem Augenzwinkern antwortete.
„Warte kurz“, sagte er nur und stieg die Treppe hinab in den einzigen Raum, den das Häuschen zu bieten hatte. Es besaß eine Kochnische und einen Platz für ihre Schlafmatten, der mit einem Vorhang abgetrennt war. In einem Regal lagerten unordentlich ihre Kleider neben Gemüse und Käse. Unzählige Kerzen spendeten ein flackerndes, warmes Licht. Vielmehr als das, benötigten sie nicht.
Alexios griff in das Regal und zog eine lackierte Schatulle hervor, die er kurz mit einem Lächeln öffnete.
Damit kehrte er zu Thaletas zurück und überreichte sie  ihm.
Der setzte sich auf. „Was ist das?“
„Ein Abschiedsgeschenk, damit du mich nicht vergisst.“
„Als könnte ich dich vergessen.“
„Dann“, begann Alexios schmunzelnd, „nimm es als Geschenk zur Sonnenwende, wenn Nyx und Helios die Zeiten ihres Aufenthalts am Himmel tauschen.“
Thaletas hob eine Braue. „Oh? Möchtest du einen neuen Brauch einführen?“
Lachend verdrehte er die Augen. „Machst du es nun auf oder nicht?“
Ein wenig vorsichtig, als fürchte er, irgendein Tier würde hervorspringen, hob Thaletas den Deckel an und gab einen überraschten Laut von sich.

Behutsam nahm er den zerbrechlich wirkenden goldenen Armschmuck an sich und schob ihn sich auf  den Unterarm, bis er oberhalb des Handgelenks nicht mehr verrutschte. In einer filigranen Spirale wanden sich wundervoll gearbeitete, miteinander verschlungene Federn zu einem abschließenden Symbol, das Thaletas unbekannt war. Es erinnerte an einen Stern, hätte aber auch eine stilisierte Blüte sein können. Und es war aus Gold! Der Kunstschmied musste ein wahrer Meister seines Faches sein.  
„Das ist unglaublich schön“, sagte Thaletas voller Faszination und hauchte Alexios spontan einen Kuss auf die Lippen. „Danke.“
Alexios schlang seine Arme um ihn und gemeinsam sanken sie zurück auf ihr Nachtlager, um ihre letzten gemeinsamen Stunden zu genießen.

Gerne wäre Thaletas den Rest der Nacht wach geblieben. Nur um Alexios' friedliches, schlafendes Gesicht zu betrachten. Jemand wie er, war ihm noch nie begegnet, und das in vielerlei Hinsicht. Nicht nur war Alexios ein bemerkenswerter, wenn  nicht gar furchteinflößender Kämpfer. Unter seiner rauen, manchmal ein wenig aufbrausenden Schale, lag ein weiches Herz, eine Seele, die womöglich verletzlicher war als man bei einem ersten Eindruck glauben würde. Er haderte mit seinem nächsten Gedanken, aber nicht, weil er ihn nicht mochte. Der Grund war eher, dass es Alexios mindestens verstimmen würde, bezeichnete er ihn als „wunderschön.“ „Gutaussehend“ gefiele ihm gewiss besser, traf es nur nicht gänzlich. Letztlich einigte er sich in seinen Gedankengängen trotzdem auf „gutaussehend.“  Ein liebevolles Lächeln eroberte Thaletas' Lippen, das sich gar in seinen Augen widerspiegelte.
Erschöpft von dem langen Tag senkte er seine Lider und versuchte, nicht an den Abschied zu denken. Dennoch schlich er sich in seine Träume. Er sah, wie Alexios auf Phobos davon ritt, was das wäre, was er erwartete. Was ihm aber selbst im Traum seltsam vorkam, waren die weißen Federn. Alexios schien sie zu verlieren und Thaletas wusste nicht, ob das ein gutes Omen war oder ein schlechtes. Weiße Federn konnten beides bedeuten.
Als in den Morgenstunden der Traum verblasste und Thaletas seine Augen öffnete, stand Alexios bereits vor ihm. Vollständig gerüstet.

Thaletas sah an ihm auf und ab, woraufhin Alexios sich lachend in Pose warf. Aber es war ein leeres Lachen, in dem kein Hauch ehrlicher Freude mitschwang. Natürlich nicht.
Seufzend erhob auch er sich, suchte seine Sachen zusammen und schlüpfte hinein. Nachdem er sein Schwert umgegürtet hatte, gesellte er sich zu Alexios, der vor dem Haus bereits auf ihn wartete.
Gewichen war all die fröhliche Stimmung des Vorabends und hatte  einer schwermütigen Stille Platz gemacht. Alexios legte ihm einen Arm um die Hüfte und betont langsam gingen sie auf diese Weise dem Hafen entgegen.
Nyx übergab die Herrschaft des Himmels für diesen Tag an Helios ab und auf den Straßen und Pfaden wurde es geschäftiger. Arbeiter lärmten. Möwen stürzten sich kreischend auf einen frischen Fang und wurden von bellenden Hunden vertrieben.
Am Anlegesteg schwankte die „Adrasteia“ auf den Wellen. Einer der Bootsmänner hing kotzend über dem Heck, zwei weitere schoben und zerrten den störrischen Phobos an Bord. Immer wieder stemmte das Pferd seine Hufe fest auf die Planke, riss den Kopf empor und schleifte den Seemann der ihn am Zügel hielt von einer Seite zur anderen. Als zwei weitere Männer einsprangen und Phobos von hinten schoben, gelang es endlich, aber das Pferd sah nicht glücklich aus. Mit angelegten Ohren und gebleckten Zähnen schnappte es nach einem der Männer.
Thaletas blinzelte und rieb sich über die Augen.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Alexios besorgt, aber er schüttelte den Kopf. Das einfallende Sonnenlicht, das sich in den Wellen brach, musste ihm einen Streich gespielt haben. Doch er hätte schwören können, dass sich über den falbbraunen Phobos ein anderes Bild legte. Immer noch Phobos und trotzdem anders. Blütenweiß. Und waren das Federn anstelle des Pelzes gewesen?  
Absurd, dachte er und umarmte Alexios für einen Abschiedskuss.  Barnabas lehnte bereits an der Reling und sah ihnen zu. Nichts, was ihn stören würde. Alexios nahm sein Gesicht in die Hände, streichelte mit seinen Daumen darüber, über jede Stelle seiner Haut, ertastete jede Unebenheit, jede Bartstoppel, seine Brauen, seine Lippen. Ganz so, als wollte er sich alles ganz genau einprägen.

Schließlich beugte er sich vor, küsste ihm das Ohrläppchen und flüsterte: „Versprich mir, dass du das Geschenk immer tragen wirst. Bis wir uns wieder sehen.“
Es klang so eindringlich, so ungewohnt flehend, dass Thaletas ein frostiger Schauer den Rücken herab rieselte.
„Ich verspreche es.“
Sie versanken in einem innigen Kuss und als kurz darauf Alexios' warme Finger von den seinen glitten, fühlte Thaletas sich seltsam kalt und einsam. Er wartete am Hafen, bis die „Adrasteia“ mit dem Horizont verschmolz.  
Hinter sich vernahm er die festen, harschen Schritte der Truppe, die er anführen würde, setzte ein Lächeln auf das falscher nicht sein könnte, und wollte sich vom Hafen abwenden.
Nur ganz schwach wahrnehmbar, sah er etwas auf dem Boden zu seinen Füßen liegen. Er hob es auf und öffnete stumm den Mund, wusste plötzlich, dass Alexios nicht zu der Seeschlacht zu Spartas Ruhme aufgebrochen war, von der er ihm erzählte.  Er presste seine Lippen so fest zusammen, dass sämtliche Farbe daraus wich und sah zurück auf den zarten Gegenstand in seiner Hand. Eine weiße Feder ...
 
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