Don't go breaking my heart
von Dorian Alexander
Kurzbeschreibung
Alexios und Thaletas, bezogen auf die Szenerie im Gasthauskap auf Mykonos, enthält also Spoiler! (Odyssey)
OneshotSchmerz/Trost, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
03.12.2018
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In der Dunkelheit wurde es still. Ruhiger, leiser als üblich. Bedrückendes Schweigen schien sich des kleinen Hauses in Sparta bemächtigt zu haben.
Barnabas lehnte im Türrahmen, atmete flach und wagte sich keinen Schritt weiter in jenen Raum, in dem Alexios vor der Strohmatte kniete. Unbeweglich, und das seit zwei Tagen.
„Ich habe ihn noch nie so aufgewühlt gesehen“, sagte er leise zu der zu ihm getretenen Myrrine.
„Aufgewühlt? Der hockt nur auf dem Boden und rührt keinen Muskel“, schimpfte Kassandra mit einer fahrigen Handbewegung als sie an ihnen vorbeiging.
„Eben. Er ist angespannt und eine falsche Bewegung von uns und er schlägt uns wenigstens bewusstlos.“ Er kannte Alexios nur allzu gut, wusste, wie leidenschaftlich er sein konnte, wusste aber auch, wie tief Trauer sich in ihn graben konnte. Alexios war unglaublich loyal und ehrlich. Wenn er liebte, dann aus tiefstem Herzen und mit ganzer Seele. Und hasste er, so konnte sich derjenige, auf den sein abgrundtiefer Zorn sich bezog, nicht mal in den finsteren Sphären des Hades verstecken. Barnabas stand noch gut vor Augen, mit welch brachialer Gewalt er die Wachen des Kults zerschmetterte, die Phoibe auf dem Gewissen hatten. Wären er und Sokrates nicht dagewesen, er hätte womöglich noch den ganzen Tempel niedergerissen, in den seine kleine Freundin floh und ihr junges Leben verlor. Bedauernd schüttelte er den Kopf. Diesmal mochte das Problem eine Mischung aus ehrlicher Liebe und Unverständnis sein, was in diesem Fall auch ein rauhbeiniger Seemann wie er nachvollziehen konnte. Thaletas hatte ihm eine Art von Leben, von Seele und Licht eingehaucht, die einer Naturgewalt gleichkam. Und ausnahmslos jeder, mit noch nicht vom schweren Wein vernebeltem Hirn, konnte an jenem Tag am Gasthauskap in Alexios' Gesicht ablesen, was er fühlte und dass ihm das Herz brach.
Barnabas selbst, würde Thaletas die Zähne dafür ausschlagen, wenn es die Angelegenheit nicht noch verschlimmert hätte. Kyra würde er den Hintern versohlen … mindestens.
Kassandra, die für einen Moment stehengeblieben war, schnaubte, ging dann jedoch ihrer Wege, während Myrrine zaghaft eine Hand auf Barnabas' Schulter legte.
„Was ist nur auf Mykonos vorgefallen?“
„Ich erzähl's dir. Komm mit.“
♣
Obwohl er wirkte, als bekäme er von seiner Umgebung nichts mit, so war Alexios sehr wohl aufgefallen, was hinter ihm geschah, hörte die Worte und spürte die Sorge seines Freundes. Trotzdem hob er seinen Blick nicht von Thaletas, dessen geschwächter, hager gewordener Körper auf der Strohmatte ruhte. Sein einst rundes, für einen Krieger so weiches Gesicht mit den schön geschwungenen Brauen und den sinnlichen Lippen, deren Färbung in ein blasses Grau übergegangen war, wirkte ausgezehrt. War Hades schon nah, vernahm er bereits die Wellen des Styx, die an ein karges Ufer schlugen? Hörte er den Ruf des Charon, ihm auf die Barke zu folgen?
Nein, es durfte nicht zu spät und seine Zeit gekommen sein!
Dieser eine verfluchte Abend! Alexios rieb sich mit zwei Fingern über die Augen.
Dieser Abend und das Geräusch, mit dem Thaletas auf dem Boden aufschlug, das Röcheln als das Gift sich durch seinen Körper fraß und seine Lunge zu lähmen drohte und der rote, doch so harmlos wirkende Wein, der sich über den Boden schlängelte und in den Fugen versank. Ein tödliches Rinnsal.
Es war Ikaros zu verdanken, dass Thaletas nur wenig des Giftes aufnahm. Ein Warnruf seines Adlers und Alexios hatte ihm den Weinbecher aus der Hand geschlagen. Der anwesende Herodotos reagierte schnell und steckte dem Spartaner zwei Finger so tief in den Rachen, dass er sich übergab.
Dennoch war er besinnungslos auf den beschmutzen Marmor gestürzt. Kyras Aufschrei hatte in Alexios' Ohren dumpf und falsch geklungen und sein eigenes Denken setzte für einen kurzen Moment aus. Andere feierten weiter. Wie konnten sie nur? Er aber, er hatte Thaletas wortlos und ohne Blick für seine Umgebung geschultert und auf sein Schiff verfrachtet, ihm ein weiches Lager gerichtet und das Segel gesetzt.
Nach dem, was Thaletas ihm antat, hätte er ihn an Ort und Stelle sterben lassen, wäre es eben nicht Thaletas gewesen. So tief hatte er noch nie diese Art der Liebe empfunden. Magisch auf eine Art, sinnlich und rein wie ein Sommerregen. Letztlich jedoch hatten sie den von einem Boten mit einem schnellen Ross herbeigebrachten Hippokrates unterwegs aufgesammelt und waren weiter Richtung Sparta gesegelt. Wenn er Thaletas schon nicht retten konnte, so sollte er wenigstens in seiner Heimat sterben. Zumindest redete Alexios sich ein, dass das der alleinige Grund war.
Es war mehr dahinter verborgen und in seinem tiefsten Inneren wusste er es auch. Er wollte mehr als nur eine Erklärung. Aber es war gleich, welche Worte ihm auf der Seele brannten, die er Thaletas liebend gern entgegen geschleudert hätte, er würde ihn nicht hören.
Ein Schlaf, so tief, so kalt und lähmend, dass nichts und niemand ihn herausreißen könnte, hielt ihn seitdem gefangen. Jeder Muskel schien steif und leblos, nur die Wärme seiner Haut zeugte noch von dem Leben, das matt in seinen Venen pulsierte.
Alexios ergriff behutsam eine von Thaletas' Händen die ihm über der Brust gefaltet worden waren, zog sie an seine Lippen und küsste jede einzelne Fingerkuppe. Sanft hielt er sie, presste sie an seine Wange und kämpfte gegen die Tränen, die in ihm aufzusteigen drohten. Nicht nur Tränen der Trauer, der Furcht um den drohenden Verlust, sondern auch solche der Wut.
„Idiot“, sagte er leise. „Idiot. Wage es nicht, mich zu verlassen. Nicht, bevor ich dir die Meinung gesagt habe. Hörst du?“
Natürlich reagierte Thaletas nicht. Ein plötzlicher, wirrer Gedanke stob durch Alexios' Geist, eine flüsternde Stimme, die er nur schwerlich verstand, doch die ihm bekannt war. An den Toren zu Atlantis und in der alten Schmiede vernahm er sie einst, nur wesentlich deutlicher. Ihm war, als löse sie sich auf. Mehrmals glaubte er das Wort „Blut“ zu verstehen. „Blut, dein Blut.“
Er schüttelte den Kopf, um den Eindruck zu vertreiben, den er sich zu begreifen weigerte.
„Ich brauche dich, du Idiot, du dämlicher Spartaner. Mehr als je zuvor.“
Alexios wollte ihn halten, umarmen, fest an sich pressen, seine Hände in Thaletas' festem Hintern vergraben, wollte mit ihm über das reden, was sie sich auf dem Berg versprachen.
Stattdessen fühlte er sich, als wäre sein Herz zerrissen und getrennt von seinem vor Sehnsucht brennenden Körper vom Berg Taygetos geworfen worden. Ein weiterer Tod, ein weiterer Schmerz.
Die Siegesfeier und die dort gewechselten Worte, auch jene von Kyra, waren wie ein eisiger Guss gewesen. Ebenso gut hätte auch Thaletas sagen können: „Danke, dass du mir einen geblasen hast und wir bis in die Morgenstunden gefickt haben, war geil, aber ich bleibe hier bei Kyra. Einfach so.“
Alexios' Lippen verzogen sich zornig, nur um sich sogleich wieder zu entspannen. Thaletas hatte Licht in die Finsternis seines Lebens gebracht. Und waren es nur wenige Wochen, so hatte er doch für diese Zeit all das Blutvergießen und den Wahnsinn eines nicht enden wollenden Krieges vergessen. Es gab nur sie beide. Ihre vom Schweiß feuchten Körper, gierig umschlungen, vereint in einer Ekstase die heißer loderte als Hephaistos' Schmiedefeuer. Pure Gefühle, wild, kochend, ungebändigt. Thaletas' fester, gestählter Körper unter seinem, die raschen Atemzüge und der stramme Schwanz, der sich ihm gegen die Schenkel presste. Reine Leidenschaft. Und er wusste, dass es Thaletas ebenso erging, dass er ebenso empfand. So blieb die Frage: warum nur diese kalte Abkehr? Wenigstens das sollte er ihm noch beantworten, bevor er auf Charons Barke stieg und den Styx überquerte.
Irgendwann holte Alexios die Schwere der Müdigkeit ein und er schlief an Ort und Stelle ein, geplagt von einem merkwürdigen Traum, der ihn noch in den frühesten Morgenstunden erwachen ließ.
Noch wagte kein Vogel zu zwitschern und kein Sonnenstrahl durchdrang die sternengesäumte Dunkelheit. Stöhnend streckte Alexios seine schmerzenden und tauben Glieder und zog einen seiner Dolche hervor. Flüchtig betrachtete er die glänzende Klinge und nagte an seiner Unterlippe. Mit einer schnellen Bewegung schnitt er sich in den Daumen und beobachtete, wie die Wunde sich binnen zweier Atemzüge verschloss und nicht den Hauch einer Narbe zurückließ.
Er kannte das praktisch zeitlebens. Es war der Grund, dass er und Kassandra den eigentlich tödlichen Fall vom Gipfel des Taygetos überlebten. Ihr Blut, ihr nahezu göttliches Blut. Dasselbe, welches durch Myrrines Adern floss und Leonidas ungeheure Macht und Kraft verlieh. Jene Kraft, die auch ihn und seine Schwester durchströmte. Das Blut des Herakles und damit des Zeus. Gottgleich und uralt.
Kleine Wunden verheilten praktisch sofort, größere benötigten ein wenig mehr Zeit und hinterließen, je nach Tiefe, durchaus Narben.
Und mehrere Stiche ins Herz, die Lunge oder ein anderes lebenswichtiges Organ zugleich, würden auch ihn töten. Aber, erinnerte er sich, auch er trank einmal unbewusst Gift, reines Gift, nicht verdünnt durch Wein, und ihm war lediglich entsetzlich übel geworden.
Leise erhob er sich und folgte den Bildern aus seinem Traum nach, nahm einen Becher, füllte etwas Wasser und Wein hinein, schnitt sich quer über die Handfläche und ließ sein Blut zu dem Weingemisch in den Becher rinnen.
„Das ist verrückt“, sagte er zu sich selbst. „Absolut verrückt.“
Trotzdem brachte er den Becher zu Thaletas, kniete sich neben ihn und blieb ratlos sitzen. Wie sollte er es ihm jetzt einflössen? Thaletas konnte nicht schlucken, aber er hatte gesehen, wie Hippokrates ihm Wasser und einen äußerst flüssigen Brei gab. Nachdenklich schloss er die Augen und versuchte sich zu erinnern, wie der Heiler das machte. Ein dünner Schlauch war im Spiel gewesen.
Letztlich erhob Alexios sich wieder, schlich in die Kammer in der Hippokrates schlief und weckte ihn halbwegs sanft. Zu seiner Überraschung war der Mann sofort hellwach und blickte ihn besorgt an.
„Ist etwas mit-“
Rasch verneinte Alexios und bat ihn, ihm zu folgen, erklärte ihm seinen Traum und sein Vorhaben.
Zweifelnd sah der Arzt ihn an. „Da könnten wir auch gleich eine Ziege opfern“, meinte er. „Das hätte vermutlich mehr Erfolg.“ Er schien mehr als skeptisch, doch trug deutliche Sorge um den Freund im Gesicht.
Als Hippokrates ansetzte, ihm in einer tröstenden Geste die Hand auf die Schulter zu legen, trat Alexios unwirsch zur Seite, nahm erneut sein Messer und schnitt sich ein weiteres Mal in den Daumen. Hippokrates wurde erst blass und schlug sich dann die Hände vor den Mund. „Die Gerüchte sind also wahr?“, hauchte er in die Stille. Sichtlich ergriffen und verwirrt, regte Hippokrates keinen Muskel, bis er sagte: „Wie ist das möglich? Oh, wie viele Menschen wir mit solch einer Macht heilen könnten.“ Aufregung hatte ihn erfasst, ungezählte enthusiastische Gedanken ließen seine Lippen beben. Welch Möglichkeiten, welch Behandlungsmethoden mochte ein Tropfen von Alexios' Blut ihm offenbaren!
„Mir würde es genügen, wenn es Thaletas heilt.“
Eilig, zurück auf dem Boden dessen was geschah und verstehend nickte der Arzt, besorgte sich seine Utensilien und bereitete alles vor. Über einen festen Schafsdarm und mittels eines hölzernen Trichters goss er behutsam das Gemisch in Thaletas' Kehle und rückte anschließend von ihm weg.
„Und jetzt?“ Gebannt wartete Alexios ab, doch als nichts geschah, wandte er sich um und fuhr sich in schierer Verzweiflung fest durch die Haare.
„Alexios? Sieh nur, da geschieht etwas.“
Er ließ sich neben Hippokrates fallen und öffnete den Mund, aus dem nicht mehr als ein erstauntes Schnaufen drang. Rötlichgolden schimmerten Thaletas' Adern und Venen durch die Haut, ein Leuchten, das jedes Organ erfasste und sichtbar machte. Wie ein kleines, göttliches Feuer breitete es sich in dem schlafenden Körper aus und verblasste schließlich, bis es erlosch.
„Jetzt können wir nur noch abwarten.“
Wiederum blieb Alexios unverrückbar neben Thaletas' Lager sitzen, achtete nicht auf Myrrine, die ihm einen Teller mit Früchten auf den Boden stellte und ihn mit einem liebevollen Lächeln bedachte. Selbst Stentor, vermutlich von Nikolaos „überredet“, ließ sich dazu herab, ihn kurz zu besuchen und ihm zu wünschen, dass es seinem Liebsten alsbald besser erging und der sich erholen möge. Wenn er es auch nicht zu sagen vermochte, so war Alexios voller Rührung und ihnen allen dankbar.
Nach zwei weiteren Nächten regte Thaletas sich zum ersten Mal und öffnete seine Augen. Ein Schleier lag über dem hellen sanften Braun, als wäre Prometheus' Funke bereits erloschen.
Alexios beugte sich über ihn, strich ihm über die Wange und lehnte seine Stirn gegen Thaletas'.
„Hörst du mich? Bitte, sag etwas.“
Thaletas blinzelte erschöpft und der helle Funke kehrte in seine Augen zurück.
„Alexios? Wo bin ich?“
„In Sparta...“ Alexios schluckte hart. Beinahe hätte er „Geliebter“ gesagt. „Ruh dich noch ein bisschen aus.“
Von diesem Moment an, erholte Thaletas sich rasant. Jede Stunde erging es ihm besser und am folgenden Abend war er vollends genesen. Mit seiner Gesundheit, kehrte jedoch auch Thaletas' Erinnerung zurück, und mit dieser ein entsetzlicher Schrecken. Als er begriff, wo er war, warum er hier war und vor allem, wer bei ihm war, schlüpfte er in einem der seltenen Momente, in denen Alexios nicht im Hause war, nach draußen in die nächtliche Kühle und lief davon. Obwohl er sich wie ein Feigling fühlte, so konnte und wollte er sich Alexios und dessen verständlichen Fragen nicht stellen.
Weit war er noch nicht gekommen, da hörte er Ikaros' Ruf und sah hinter sich. Alexios war noch kaum mehr als ein vom Mond beleuchteter Schemen, aber er kam rasch näher.
Alexios konnte sein aufbrausendes Gemüt kaum unter Kontrolle halten, nachdem er bemerkte, dass Thaletas geflohen war, und er wünschte sich beinahe, ihn gefesselt zu haben. Dafür würde vielleicht unter anderen Umständen noch Zeit sein. Es käme darauf an, was folgen würde, sobald er ihn eingeholt hatte.
Er schickte Ikaros voraus und folgte dem Weg, den sein Adler ihm wies. Thaletas war flink, anderes würde er von ihm auch nicht erwarten, und verschwand in einem Getreidefeld, dessen Ähren ihn beinahe verdeckten. Jetzt, kurz vor Sonnenaufgang, brandete das erste Licht über das Gold des Getreides, zog eine feine, glänzende Spur über die sich sacht bewegenden Halme. Ein Wald hob sich grau gegen den erblühenden Himmel ab. Mächtige Eichen, Symbol des Zeus. Als sich ihm die Möglichkeit bot, kürzte Alexios seinen Weg über eine Hügelkuppe und den Wald ab und überholte Thaletas dadurch, ohne dass der es bemerkte.
So lief er ihm entgegen. Thaletas machte augenblicklich wieder kehrt, als er seiner angesicht wurde.
„Bleib doch stehen!“
„Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe? Bitte!“, brüllte Thaletas atemlos zurück.
Alexios knurrte wütend, spannte seine Muskeln an, schloss mit raumgreifenden Schritten zu ihm auf und riss ihn zu Boden.
Gemeinsam stürzten sie die grasbewachsene Hügelkuppe hinab, prallten gegen eine Eiche und blieben kurz schnaufend liegen. Doch dann sprang Alexios auf, zerrte Thaletas an der Tunika auf die Füße, drückte ihn gegen einen Stamm und presste ihm den Unterarm gegen die Kehle.
Ergeben schloss Thaletas seine Augen und Alexios gab ihn sofort frei. Verängstigen wollte er ihn schließlich nicht, verletzen schon gar nicht. „Bleib jetzt hier. Verstanden?“
Ein langsames Nicken war die Antwort.
„Sag mir nur eines, Thaletas, warum hast du das getan?“
„Ich ahnte nicht, dass dich das stören oder verletzen würde.“
Alexios schnaubte und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Ach? Wofür hältst du mich? Glaubst du, ich hätte kein Herz, keine Gefühle?“
„Das ist es nicht ...“
„Was dann?“
Er konnte spüren, wie schwer es Thaletas fiel, weiterzusprechen.
„Erinnerst du dich an unseren letzten Abend auf dem Plateau? Den vor der Schlacht?“
Oh, und wie er sich erinnerte! Sofort wurde der Inhalt seines Schurzes schmerzhaft hart. Ihm hatte der Hintern wehgetan und Thaletas konnte damals kaum mehr klar denken.
„Du bist noch auf dem Plateau geblieben als ich ging, und dann ...“
Alexios ahnte, was folgen würde.
„Ich habe mich kurz nochmals nach dir umgesehen. Du bist von der Klippe gesprungen, verdammt nochmal! Nicht ins Meer, nein, auf den Strand! Voller Panik bin ich zurückgelaufen und du bist am Strand einfach weiter spaziert! Kein Mensch kann einen solchen Sprung überleben! Kein Mensch ...“ Am Ende wurde seine Stimme leiser.
„Dann glaubst du, ich sei ein Monster?“
„Was?! Nein! Ich glaube, du bist ein Gott. Ein Gott in Menschengestalt.“
„Und wenn es so wäre? Wieso ist das ein Grund mich fortzustoßen und wegzulaufen?“
Thaletas senkte den Blick, setzte sich, lehnte sich an den Stamm und sah mit einem wundervollen Augenaufschlag zu ihm auf. Alexios ließ sich neben ihn fallen und zog die Knie an seinen Körper.
„Warum sollte ein Gott mich erwählen? Und wie sollte ich einem Gott genügen, ihn zufriedenstellen? Die Macht, die du besitzt, wie könnte ich dem gerecht werden?“ Thaletas seufzte tief. „Ich würde dich nur enttäuschen und irgendwann langweilen.“
Alexios drehte sich zur Seite, strich Thaletas eine Strähne aus der Stirn und schüttelte den Kopf.
„Enttäuscht hast du mich bereits und ich vergebe es dir. Langweilen wirst du mich nie.“
Er zog Thaletas zu sich heran und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Wäre ich ein Gott, würde ich mich in einen Adler verwandeln und dich ins Elysion entführen. Auf dass dir kein Harm geschieht.“
„Wie Zeus Ganymed?“ Thaletas lachte unwillkürlich und erfrischend. „Du vergleichst mich mit Ganymed, den Zeus so sehr liebte?“
„Wenn es dir gefällt.“
Thaletas schwieg, deutete zwar ein Nicken an, doch senkte dann die Augenlider mit den langen, dunklen Wimpern.
„Wenn du mich für einen Gott hältst“, fragte Alexios schelmisch in die Stille und um die Anspannung zu mildern, „wieso bist du dann überhaupt fortgelaufen? Wer kann schon vor einem Gott fliehen?“
Thaletas lächelte erwärmend. „Eine berechtigte Frage.“ Flüsternd fügte er hinzu: „Und bist du ein Gott oder ein Halbgott? Sei ehrlich.“
Eine Zeitlang überlegte Alexios, ehe er Thaletas von Leonidas und dessen Blutlinie, den Agiaden, berichtete.
Am Ende der Erzählung schürzte Thaletas nachdenklich die Lippen. „Dann bist du nicht nur ein Nachfahre von Herakles, sondern auch noch ein Prinz. Eigentlich gehörst du auf Spartas Thron ...oder in den Olymp. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit zurechtkomme.“
„Wenn du mich nicht wieder zurückstößt, mir nicht erneut das Herz brichst, können wir es ja herausfinden. Gemeinsam. Wenn du es willst ...“
„Habe ich es nicht verdorben? Willst du es denn noch?“
Amüsiert verdrehte Alexios die Augen. „Musst du wirklich fragen? Wäre es anders, hätte ich wohl kaum diesen Aufwand betrieben.“
Thaletas lachte und schlang seine Arme um ihn. „Nein, ich schätze nicht.“
„Wollen wir dann wieder gehen?“
Mit Blick auf die in Licht getauchten Wolken, das Blattwerk der Eiche und Alexios' strammen Schritt, verneinte er.
„Ich hätte nichts dagegen, mit meinem eigenen Halbgott noch ein Weilchen zu bleiben.“
Dagegen hatte Alexios nichts einzuwenden und etwas zum Fesseln, ließe sich gewiss auch finden …
A/N: So, das war mal ein ganz spontaner Oneshot, weil mich die Sache mit Thaletas so dermaßen geärgert hat! Die einzige, meiner Meinung nach, ernstzunehmende Romanze, mit einer tiefen, knisternden Spannung zwischen den beiden Charakteren, und dann endet das so? Willst du mich veräppeln, Ubisoft? Bringt das ins Lot, aber flott! *keuch keuch* ;-)
Barnabas lehnte im Türrahmen, atmete flach und wagte sich keinen Schritt weiter in jenen Raum, in dem Alexios vor der Strohmatte kniete. Unbeweglich, und das seit zwei Tagen.
„Ich habe ihn noch nie so aufgewühlt gesehen“, sagte er leise zu der zu ihm getretenen Myrrine.
„Aufgewühlt? Der hockt nur auf dem Boden und rührt keinen Muskel“, schimpfte Kassandra mit einer fahrigen Handbewegung als sie an ihnen vorbeiging.
„Eben. Er ist angespannt und eine falsche Bewegung von uns und er schlägt uns wenigstens bewusstlos.“ Er kannte Alexios nur allzu gut, wusste, wie leidenschaftlich er sein konnte, wusste aber auch, wie tief Trauer sich in ihn graben konnte. Alexios war unglaublich loyal und ehrlich. Wenn er liebte, dann aus tiefstem Herzen und mit ganzer Seele. Und hasste er, so konnte sich derjenige, auf den sein abgrundtiefer Zorn sich bezog, nicht mal in den finsteren Sphären des Hades verstecken. Barnabas stand noch gut vor Augen, mit welch brachialer Gewalt er die Wachen des Kults zerschmetterte, die Phoibe auf dem Gewissen hatten. Wären er und Sokrates nicht dagewesen, er hätte womöglich noch den ganzen Tempel niedergerissen, in den seine kleine Freundin floh und ihr junges Leben verlor. Bedauernd schüttelte er den Kopf. Diesmal mochte das Problem eine Mischung aus ehrlicher Liebe und Unverständnis sein, was in diesem Fall auch ein rauhbeiniger Seemann wie er nachvollziehen konnte. Thaletas hatte ihm eine Art von Leben, von Seele und Licht eingehaucht, die einer Naturgewalt gleichkam. Und ausnahmslos jeder, mit noch nicht vom schweren Wein vernebeltem Hirn, konnte an jenem Tag am Gasthauskap in Alexios' Gesicht ablesen, was er fühlte und dass ihm das Herz brach.
Barnabas selbst, würde Thaletas die Zähne dafür ausschlagen, wenn es die Angelegenheit nicht noch verschlimmert hätte. Kyra würde er den Hintern versohlen … mindestens.
Kassandra, die für einen Moment stehengeblieben war, schnaubte, ging dann jedoch ihrer Wege, während Myrrine zaghaft eine Hand auf Barnabas' Schulter legte.
„Was ist nur auf Mykonos vorgefallen?“
„Ich erzähl's dir. Komm mit.“
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Obwohl er wirkte, als bekäme er von seiner Umgebung nichts mit, so war Alexios sehr wohl aufgefallen, was hinter ihm geschah, hörte die Worte und spürte die Sorge seines Freundes. Trotzdem hob er seinen Blick nicht von Thaletas, dessen geschwächter, hager gewordener Körper auf der Strohmatte ruhte. Sein einst rundes, für einen Krieger so weiches Gesicht mit den schön geschwungenen Brauen und den sinnlichen Lippen, deren Färbung in ein blasses Grau übergegangen war, wirkte ausgezehrt. War Hades schon nah, vernahm er bereits die Wellen des Styx, die an ein karges Ufer schlugen? Hörte er den Ruf des Charon, ihm auf die Barke zu folgen?
Nein, es durfte nicht zu spät und seine Zeit gekommen sein!
Dieser eine verfluchte Abend! Alexios rieb sich mit zwei Fingern über die Augen.
Dieser Abend und das Geräusch, mit dem Thaletas auf dem Boden aufschlug, das Röcheln als das Gift sich durch seinen Körper fraß und seine Lunge zu lähmen drohte und der rote, doch so harmlos wirkende Wein, der sich über den Boden schlängelte und in den Fugen versank. Ein tödliches Rinnsal.
Es war Ikaros zu verdanken, dass Thaletas nur wenig des Giftes aufnahm. Ein Warnruf seines Adlers und Alexios hatte ihm den Weinbecher aus der Hand geschlagen. Der anwesende Herodotos reagierte schnell und steckte dem Spartaner zwei Finger so tief in den Rachen, dass er sich übergab.
Dennoch war er besinnungslos auf den beschmutzen Marmor gestürzt. Kyras Aufschrei hatte in Alexios' Ohren dumpf und falsch geklungen und sein eigenes Denken setzte für einen kurzen Moment aus. Andere feierten weiter. Wie konnten sie nur? Er aber, er hatte Thaletas wortlos und ohne Blick für seine Umgebung geschultert und auf sein Schiff verfrachtet, ihm ein weiches Lager gerichtet und das Segel gesetzt.
Nach dem, was Thaletas ihm antat, hätte er ihn an Ort und Stelle sterben lassen, wäre es eben nicht Thaletas gewesen. So tief hatte er noch nie diese Art der Liebe empfunden. Magisch auf eine Art, sinnlich und rein wie ein Sommerregen. Letztlich jedoch hatten sie den von einem Boten mit einem schnellen Ross herbeigebrachten Hippokrates unterwegs aufgesammelt und waren weiter Richtung Sparta gesegelt. Wenn er Thaletas schon nicht retten konnte, so sollte er wenigstens in seiner Heimat sterben. Zumindest redete Alexios sich ein, dass das der alleinige Grund war.
Es war mehr dahinter verborgen und in seinem tiefsten Inneren wusste er es auch. Er wollte mehr als nur eine Erklärung. Aber es war gleich, welche Worte ihm auf der Seele brannten, die er Thaletas liebend gern entgegen geschleudert hätte, er würde ihn nicht hören.
Ein Schlaf, so tief, so kalt und lähmend, dass nichts und niemand ihn herausreißen könnte, hielt ihn seitdem gefangen. Jeder Muskel schien steif und leblos, nur die Wärme seiner Haut zeugte noch von dem Leben, das matt in seinen Venen pulsierte.
Alexios ergriff behutsam eine von Thaletas' Händen die ihm über der Brust gefaltet worden waren, zog sie an seine Lippen und küsste jede einzelne Fingerkuppe. Sanft hielt er sie, presste sie an seine Wange und kämpfte gegen die Tränen, die in ihm aufzusteigen drohten. Nicht nur Tränen der Trauer, der Furcht um den drohenden Verlust, sondern auch solche der Wut.
„Idiot“, sagte er leise. „Idiot. Wage es nicht, mich zu verlassen. Nicht, bevor ich dir die Meinung gesagt habe. Hörst du?“
Natürlich reagierte Thaletas nicht. Ein plötzlicher, wirrer Gedanke stob durch Alexios' Geist, eine flüsternde Stimme, die er nur schwerlich verstand, doch die ihm bekannt war. An den Toren zu Atlantis und in der alten Schmiede vernahm er sie einst, nur wesentlich deutlicher. Ihm war, als löse sie sich auf. Mehrmals glaubte er das Wort „Blut“ zu verstehen. „Blut, dein Blut.“
Er schüttelte den Kopf, um den Eindruck zu vertreiben, den er sich zu begreifen weigerte.
„Ich brauche dich, du Idiot, du dämlicher Spartaner. Mehr als je zuvor.“
Alexios wollte ihn halten, umarmen, fest an sich pressen, seine Hände in Thaletas' festem Hintern vergraben, wollte mit ihm über das reden, was sie sich auf dem Berg versprachen.
Stattdessen fühlte er sich, als wäre sein Herz zerrissen und getrennt von seinem vor Sehnsucht brennenden Körper vom Berg Taygetos geworfen worden. Ein weiterer Tod, ein weiterer Schmerz.
Die Siegesfeier und die dort gewechselten Worte, auch jene von Kyra, waren wie ein eisiger Guss gewesen. Ebenso gut hätte auch Thaletas sagen können: „Danke, dass du mir einen geblasen hast und wir bis in die Morgenstunden gefickt haben, war geil, aber ich bleibe hier bei Kyra. Einfach so.“
Alexios' Lippen verzogen sich zornig, nur um sich sogleich wieder zu entspannen. Thaletas hatte Licht in die Finsternis seines Lebens gebracht. Und waren es nur wenige Wochen, so hatte er doch für diese Zeit all das Blutvergießen und den Wahnsinn eines nicht enden wollenden Krieges vergessen. Es gab nur sie beide. Ihre vom Schweiß feuchten Körper, gierig umschlungen, vereint in einer Ekstase die heißer loderte als Hephaistos' Schmiedefeuer. Pure Gefühle, wild, kochend, ungebändigt. Thaletas' fester, gestählter Körper unter seinem, die raschen Atemzüge und der stramme Schwanz, der sich ihm gegen die Schenkel presste. Reine Leidenschaft. Und er wusste, dass es Thaletas ebenso erging, dass er ebenso empfand. So blieb die Frage: warum nur diese kalte Abkehr? Wenigstens das sollte er ihm noch beantworten, bevor er auf Charons Barke stieg und den Styx überquerte.
Irgendwann holte Alexios die Schwere der Müdigkeit ein und er schlief an Ort und Stelle ein, geplagt von einem merkwürdigen Traum, der ihn noch in den frühesten Morgenstunden erwachen ließ.
Noch wagte kein Vogel zu zwitschern und kein Sonnenstrahl durchdrang die sternengesäumte Dunkelheit. Stöhnend streckte Alexios seine schmerzenden und tauben Glieder und zog einen seiner Dolche hervor. Flüchtig betrachtete er die glänzende Klinge und nagte an seiner Unterlippe. Mit einer schnellen Bewegung schnitt er sich in den Daumen und beobachtete, wie die Wunde sich binnen zweier Atemzüge verschloss und nicht den Hauch einer Narbe zurückließ.
Er kannte das praktisch zeitlebens. Es war der Grund, dass er und Kassandra den eigentlich tödlichen Fall vom Gipfel des Taygetos überlebten. Ihr Blut, ihr nahezu göttliches Blut. Dasselbe, welches durch Myrrines Adern floss und Leonidas ungeheure Macht und Kraft verlieh. Jene Kraft, die auch ihn und seine Schwester durchströmte. Das Blut des Herakles und damit des Zeus. Gottgleich und uralt.
Kleine Wunden verheilten praktisch sofort, größere benötigten ein wenig mehr Zeit und hinterließen, je nach Tiefe, durchaus Narben.
Und mehrere Stiche ins Herz, die Lunge oder ein anderes lebenswichtiges Organ zugleich, würden auch ihn töten. Aber, erinnerte er sich, auch er trank einmal unbewusst Gift, reines Gift, nicht verdünnt durch Wein, und ihm war lediglich entsetzlich übel geworden.
Leise erhob er sich und folgte den Bildern aus seinem Traum nach, nahm einen Becher, füllte etwas Wasser und Wein hinein, schnitt sich quer über die Handfläche und ließ sein Blut zu dem Weingemisch in den Becher rinnen.
„Das ist verrückt“, sagte er zu sich selbst. „Absolut verrückt.“
Trotzdem brachte er den Becher zu Thaletas, kniete sich neben ihn und blieb ratlos sitzen. Wie sollte er es ihm jetzt einflössen? Thaletas konnte nicht schlucken, aber er hatte gesehen, wie Hippokrates ihm Wasser und einen äußerst flüssigen Brei gab. Nachdenklich schloss er die Augen und versuchte sich zu erinnern, wie der Heiler das machte. Ein dünner Schlauch war im Spiel gewesen.
Letztlich erhob Alexios sich wieder, schlich in die Kammer in der Hippokrates schlief und weckte ihn halbwegs sanft. Zu seiner Überraschung war der Mann sofort hellwach und blickte ihn besorgt an.
„Ist etwas mit-“
Rasch verneinte Alexios und bat ihn, ihm zu folgen, erklärte ihm seinen Traum und sein Vorhaben.
Zweifelnd sah der Arzt ihn an. „Da könnten wir auch gleich eine Ziege opfern“, meinte er. „Das hätte vermutlich mehr Erfolg.“ Er schien mehr als skeptisch, doch trug deutliche Sorge um den Freund im Gesicht.
Als Hippokrates ansetzte, ihm in einer tröstenden Geste die Hand auf die Schulter zu legen, trat Alexios unwirsch zur Seite, nahm erneut sein Messer und schnitt sich ein weiteres Mal in den Daumen. Hippokrates wurde erst blass und schlug sich dann die Hände vor den Mund. „Die Gerüchte sind also wahr?“, hauchte er in die Stille. Sichtlich ergriffen und verwirrt, regte Hippokrates keinen Muskel, bis er sagte: „Wie ist das möglich? Oh, wie viele Menschen wir mit solch einer Macht heilen könnten.“ Aufregung hatte ihn erfasst, ungezählte enthusiastische Gedanken ließen seine Lippen beben. Welch Möglichkeiten, welch Behandlungsmethoden mochte ein Tropfen von Alexios' Blut ihm offenbaren!
„Mir würde es genügen, wenn es Thaletas heilt.“
Eilig, zurück auf dem Boden dessen was geschah und verstehend nickte der Arzt, besorgte sich seine Utensilien und bereitete alles vor. Über einen festen Schafsdarm und mittels eines hölzernen Trichters goss er behutsam das Gemisch in Thaletas' Kehle und rückte anschließend von ihm weg.
„Und jetzt?“ Gebannt wartete Alexios ab, doch als nichts geschah, wandte er sich um und fuhr sich in schierer Verzweiflung fest durch die Haare.
„Alexios? Sieh nur, da geschieht etwas.“
Er ließ sich neben Hippokrates fallen und öffnete den Mund, aus dem nicht mehr als ein erstauntes Schnaufen drang. Rötlichgolden schimmerten Thaletas' Adern und Venen durch die Haut, ein Leuchten, das jedes Organ erfasste und sichtbar machte. Wie ein kleines, göttliches Feuer breitete es sich in dem schlafenden Körper aus und verblasste schließlich, bis es erlosch.
„Jetzt können wir nur noch abwarten.“
Wiederum blieb Alexios unverrückbar neben Thaletas' Lager sitzen, achtete nicht auf Myrrine, die ihm einen Teller mit Früchten auf den Boden stellte und ihn mit einem liebevollen Lächeln bedachte. Selbst Stentor, vermutlich von Nikolaos „überredet“, ließ sich dazu herab, ihn kurz zu besuchen und ihm zu wünschen, dass es seinem Liebsten alsbald besser erging und der sich erholen möge. Wenn er es auch nicht zu sagen vermochte, so war Alexios voller Rührung und ihnen allen dankbar.
Nach zwei weiteren Nächten regte Thaletas sich zum ersten Mal und öffnete seine Augen. Ein Schleier lag über dem hellen sanften Braun, als wäre Prometheus' Funke bereits erloschen.
Alexios beugte sich über ihn, strich ihm über die Wange und lehnte seine Stirn gegen Thaletas'.
„Hörst du mich? Bitte, sag etwas.“
Thaletas blinzelte erschöpft und der helle Funke kehrte in seine Augen zurück.
„Alexios? Wo bin ich?“
„In Sparta...“ Alexios schluckte hart. Beinahe hätte er „Geliebter“ gesagt. „Ruh dich noch ein bisschen aus.“
Von diesem Moment an, erholte Thaletas sich rasant. Jede Stunde erging es ihm besser und am folgenden Abend war er vollends genesen. Mit seiner Gesundheit, kehrte jedoch auch Thaletas' Erinnerung zurück, und mit dieser ein entsetzlicher Schrecken. Als er begriff, wo er war, warum er hier war und vor allem, wer bei ihm war, schlüpfte er in einem der seltenen Momente, in denen Alexios nicht im Hause war, nach draußen in die nächtliche Kühle und lief davon. Obwohl er sich wie ein Feigling fühlte, so konnte und wollte er sich Alexios und dessen verständlichen Fragen nicht stellen.
Weit war er noch nicht gekommen, da hörte er Ikaros' Ruf und sah hinter sich. Alexios war noch kaum mehr als ein vom Mond beleuchteter Schemen, aber er kam rasch näher.
Alexios konnte sein aufbrausendes Gemüt kaum unter Kontrolle halten, nachdem er bemerkte, dass Thaletas geflohen war, und er wünschte sich beinahe, ihn gefesselt zu haben. Dafür würde vielleicht unter anderen Umständen noch Zeit sein. Es käme darauf an, was folgen würde, sobald er ihn eingeholt hatte.
Er schickte Ikaros voraus und folgte dem Weg, den sein Adler ihm wies. Thaletas war flink, anderes würde er von ihm auch nicht erwarten, und verschwand in einem Getreidefeld, dessen Ähren ihn beinahe verdeckten. Jetzt, kurz vor Sonnenaufgang, brandete das erste Licht über das Gold des Getreides, zog eine feine, glänzende Spur über die sich sacht bewegenden Halme. Ein Wald hob sich grau gegen den erblühenden Himmel ab. Mächtige Eichen, Symbol des Zeus. Als sich ihm die Möglichkeit bot, kürzte Alexios seinen Weg über eine Hügelkuppe und den Wald ab und überholte Thaletas dadurch, ohne dass der es bemerkte.
So lief er ihm entgegen. Thaletas machte augenblicklich wieder kehrt, als er seiner angesicht wurde.
„Bleib doch stehen!“
„Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe? Bitte!“, brüllte Thaletas atemlos zurück.
Alexios knurrte wütend, spannte seine Muskeln an, schloss mit raumgreifenden Schritten zu ihm auf und riss ihn zu Boden.
Gemeinsam stürzten sie die grasbewachsene Hügelkuppe hinab, prallten gegen eine Eiche und blieben kurz schnaufend liegen. Doch dann sprang Alexios auf, zerrte Thaletas an der Tunika auf die Füße, drückte ihn gegen einen Stamm und presste ihm den Unterarm gegen die Kehle.
Ergeben schloss Thaletas seine Augen und Alexios gab ihn sofort frei. Verängstigen wollte er ihn schließlich nicht, verletzen schon gar nicht. „Bleib jetzt hier. Verstanden?“
Ein langsames Nicken war die Antwort.
„Sag mir nur eines, Thaletas, warum hast du das getan?“
„Ich ahnte nicht, dass dich das stören oder verletzen würde.“
Alexios schnaubte und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Ach? Wofür hältst du mich? Glaubst du, ich hätte kein Herz, keine Gefühle?“
„Das ist es nicht ...“
„Was dann?“
Er konnte spüren, wie schwer es Thaletas fiel, weiterzusprechen.
„Erinnerst du dich an unseren letzten Abend auf dem Plateau? Den vor der Schlacht?“
Oh, und wie er sich erinnerte! Sofort wurde der Inhalt seines Schurzes schmerzhaft hart. Ihm hatte der Hintern wehgetan und Thaletas konnte damals kaum mehr klar denken.
„Du bist noch auf dem Plateau geblieben als ich ging, und dann ...“
Alexios ahnte, was folgen würde.
„Ich habe mich kurz nochmals nach dir umgesehen. Du bist von der Klippe gesprungen, verdammt nochmal! Nicht ins Meer, nein, auf den Strand! Voller Panik bin ich zurückgelaufen und du bist am Strand einfach weiter spaziert! Kein Mensch kann einen solchen Sprung überleben! Kein Mensch ...“ Am Ende wurde seine Stimme leiser.
„Dann glaubst du, ich sei ein Monster?“
„Was?! Nein! Ich glaube, du bist ein Gott. Ein Gott in Menschengestalt.“
„Und wenn es so wäre? Wieso ist das ein Grund mich fortzustoßen und wegzulaufen?“
Thaletas senkte den Blick, setzte sich, lehnte sich an den Stamm und sah mit einem wundervollen Augenaufschlag zu ihm auf. Alexios ließ sich neben ihn fallen und zog die Knie an seinen Körper.
„Warum sollte ein Gott mich erwählen? Und wie sollte ich einem Gott genügen, ihn zufriedenstellen? Die Macht, die du besitzt, wie könnte ich dem gerecht werden?“ Thaletas seufzte tief. „Ich würde dich nur enttäuschen und irgendwann langweilen.“
Alexios drehte sich zur Seite, strich Thaletas eine Strähne aus der Stirn und schüttelte den Kopf.
„Enttäuscht hast du mich bereits und ich vergebe es dir. Langweilen wirst du mich nie.“
Er zog Thaletas zu sich heran und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Wäre ich ein Gott, würde ich mich in einen Adler verwandeln und dich ins Elysion entführen. Auf dass dir kein Harm geschieht.“
„Wie Zeus Ganymed?“ Thaletas lachte unwillkürlich und erfrischend. „Du vergleichst mich mit Ganymed, den Zeus so sehr liebte?“
„Wenn es dir gefällt.“
Thaletas schwieg, deutete zwar ein Nicken an, doch senkte dann die Augenlider mit den langen, dunklen Wimpern.
„Wenn du mich für einen Gott hältst“, fragte Alexios schelmisch in die Stille und um die Anspannung zu mildern, „wieso bist du dann überhaupt fortgelaufen? Wer kann schon vor einem Gott fliehen?“
Thaletas lächelte erwärmend. „Eine berechtigte Frage.“ Flüsternd fügte er hinzu: „Und bist du ein Gott oder ein Halbgott? Sei ehrlich.“
Eine Zeitlang überlegte Alexios, ehe er Thaletas von Leonidas und dessen Blutlinie, den Agiaden, berichtete.
Am Ende der Erzählung schürzte Thaletas nachdenklich die Lippen. „Dann bist du nicht nur ein Nachfahre von Herakles, sondern auch noch ein Prinz. Eigentlich gehörst du auf Spartas Thron ...oder in den Olymp. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit zurechtkomme.“
„Wenn du mich nicht wieder zurückstößt, mir nicht erneut das Herz brichst, können wir es ja herausfinden. Gemeinsam. Wenn du es willst ...“
„Habe ich es nicht verdorben? Willst du es denn noch?“
Amüsiert verdrehte Alexios die Augen. „Musst du wirklich fragen? Wäre es anders, hätte ich wohl kaum diesen Aufwand betrieben.“
Thaletas lachte und schlang seine Arme um ihn. „Nein, ich schätze nicht.“
„Wollen wir dann wieder gehen?“
Mit Blick auf die in Licht getauchten Wolken, das Blattwerk der Eiche und Alexios' strammen Schritt, verneinte er.
„Ich hätte nichts dagegen, mit meinem eigenen Halbgott noch ein Weilchen zu bleiben.“
Dagegen hatte Alexios nichts einzuwenden und etwas zum Fesseln, ließe sich gewiss auch finden …
A/N: So, das war mal ein ganz spontaner Oneshot, weil mich die Sache mit Thaletas so dermaßen geärgert hat! Die einzige, meiner Meinung nach, ernstzunehmende Romanze, mit einer tiefen, knisternden Spannung zwischen den beiden Charakteren, und dann endet das so? Willst du mich veräppeln, Ubisoft? Bringt das ins Lot, aber flott! *keuch keuch* ;-)
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