Little Do You Know
Kurzbeschreibung
Egal, wen du triffst, Menschen hinterlassen ihre Spuren in deinem Leben. Manchmal sind es schöne Erinnerungen, manchmal jedoch nur Narben, von denen du dir nichts sehnlicher wünschst, als dass sie verheilen. Dreißig Briefe, dreißig Spuren, dreißig Erinnerungen aus meinem Leben.
GeschichteAllgemein / P6 / Gen
10.09.2018
16.04.2019
30
16.815
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26.09.2018
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11. Brief an eine Verstorbene
Meine M.
du hättest noch so viel mehr verdient gehabt, aber das ist jetzt alles vorbei. Vorbei. Ein hässliches Wort, wenn es im falschen Kontext auftaucht. Ein Song ist vorbei, eine Schulstunde oder ein Urlaub. Aber nie hätte ich gedacht, dass ich mal hier sitze und dein Leben ist vorbei. Vor allem nicht so bald. In meiner Vorstellung hatten wir eine Ewigkeit miteinander, ich sehe uns immer nur zusammen und ganz selten mal getrennt. Und jetzt bist du weg und ich hier alleine mit dem Wissen, dass wir nie mehr zusammen sein werden. Dass du nicht mehr zurückkommst. So langsam wird es mir erst ganz deutlich bewusst.
Du. Kommst. NIE. Mehr. Zurück.
Am Anfang war alles noch nicht real, es hat sich angefühlt, als wärst du mal für ein paar Tage weggefahren, den ganzen Tag über habe ich nicht so oft an dich gedacht und dich auch nicht so wahnsinnig vermisst. Angesichts deines Todes bin ich mir seltsam gefühllos vorgekommen, weil ich schon in den nächsten Tagen nach dieser ersten Schockwelle des Schmerzes recht gut damit klarkam. Ich wusste nicht, dass das die Ruhe vor dem Sturm ist, dass auf diese seltsame Taubheit nach dem ersten Zusammenbruch das Schlimmste erst folgen würde. Nachdem es sich in den Tagen nach deinem Tod fast schon wieder normal angefühlt hat, ist es etwa eine Woche später mit allergrößter Heftigkeit über mich hereingebrochen.
Es fühlte sich nicht länger so an, als wärst du nur kurz außer Reichweite, es wurde nun endgültig. Und das hat am meisten wehgetan. Das tut es auch heute noch. Eine Woche nach deinem Tod habe ich nachts im Bett gelegen und hatte das Gefühl, dass es mich innerlich zerreißt. Mit aller Macht habe ich mir gewünscht, mein Gehirn abschalten zu können, das immer wieder das Bild deines toten Körpers heraufbeschwor und mich stundenlang damit quälte. Irgendwann habe ich die Tränen gar nicht mehr gespürt, die mir übers Gesicht und in die Haare gelaufen sind, nur meine Augen brannten von der ungewohnten Anstrengung. Aber am allerschlimmsten war der körperliche Schmerz, den die seelische Qual auslöste. Ich hatte das Gefühl, dass meine Rippen jeden Moment in tausend nadelspitze Splitter zerbersten würden, so heftig war der Schmerz in meinem Brustkorb. Innerlich hat sich mir alles zusammengezogen, dem Gefühl nach zu urteilen war mein Herz eine einzige offene Wunde. Ich habe mich ganz klein zusammengerollt und versucht, die Krämpfe zu unterdrücken, aber das stundenlange Weinen und der Flüssigkeitsmangel haben es auch nicht unbedingt besser gemacht. Das anfangs noch laute, hektische Schluchzen war nach einiger Zeit nur noch ein tonloses Ringen nach Luft zum Atmen. So muss sich ersticken anfühlen. Und in gewisser Weise bin ich auch erstickt. Erstickt an der Trauer um dich, die mich nicht mehr loslassen wollte. Wie lange ich in diesem Zustand in meinem Bett gelegen und den Schlaf herbeigesehnt habe, weiß ich nicht. Aber jede Sekunde davon war die Hölle.
Das war das letzte Mal, das ich seither geweint habe. Weil nichts so schlimm sein kann wie diese eine Nacht, in der ich zum ersten Mal in meinem Leben gelernt habe, was es wirklich heißt, jemanden zu verlieren.
Nicht einmal der Anruf, in dem ich von deinem Tod erfahren habe, hat mich so verletzt zurückgelassen. Im Gegenteil, in diesem Moment ist noch nichts wirklich zu mir durchgedrungen, es war nur eine Information, die es zu verarbeiten galt. Die Bedeutung kam später. Ich war am Telefon sogar so ruhig, dass es mir selbst in diesem Moment Angst gemacht hat. Sofort nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte und das Gespräch beendet war, kam dann der Zusammenbruch. Aber auch davon hatte ich mich nach wenigen Minuten erholt.
Ich werde niemals vergessen, wie du im Tod ausgesehen hast. Nämlich überhaupt nicht wirklich tot. Eher in einer Schlafposition, wie ich sie immer von dir kannte. Deswegen wollte ich es auch dann nicht wahrhaben und habe fünfmal geprüft, ob auch wirklich kein Puls vorhanden ist. Fünf qualvolle Minuten lang. Nichts.
Weißt du eigentlich, wie sehr ich mir wünsche, dich nur noch einmal im Arm halten zu können und dir zu sagen, dass alles gut wird, weil ich dich so sehr liebe?
Ist dir eigentlich klar, dass ich seit deinem Tod verzweifelt an ein Leben danach glaube, weil ich es mir für dich so sehr wünsche?
Kannst du mich gerade sehen und ist dir bewusst, welches Loch dein Tod in unsere Familie gerissen hat?
Und weißt du auch, wie sehr ich an diesem Brief zerbreche, weil er mich zwingt, das alles wieder zu durchleben?
Ich liebe dich, ich liebe dich bis zum Mond und wieder zurück, ich liebe dich so sehr, dass du es eigentlich spüren musst, egal, wo du jetzt bist.
Und jedem, der mir gesagt hat, dass es für dich vielleicht sogar besser so ist und dass ich nicht weinen soll, habe ich dasselbe geantwortet. Du bist jede einzelne Träne, die ich um dich weine, wert. Du hast diese Tränen verdient, weil dir dein Leben genommen wurde, obwohl du noch so jung warst. Und jeder, der auch nur ansatzweise etwas anderes behauptet, braucht mir nicht mehr unter die Augen zu kommen.
Seltsam ist es aber schon irgendwie. Wenn ich jetzt so an dich denke, kommen mir außer dieser erdrückenden Trauer erstmal deine ganzen komischen Charaktereigenschaften in den Sinn, wegen denen ich dich andauernd aufgezogen und geneckt habe. Und ich glaube, ich weiß auch, warum das so ist. Alles, was mir früher auf die Nerven ging oder worüber ich nur den Kopf schütteln konnte, fehlt mir jetzt. Was würde ich dafür geben, wenn du in diesem Moment lautstark neben mir einen Apfel oder Salat essen würdest. Und deine seltsame und abnormale Vorliebe für Kamillentee habe ich auch nie verstanden, aber wie gerne würde ich jetzt sehen, wie du eine Tasse davon in Rekordgeschwindigkeit leerst. Es sind eben auch diese kleinen Dinge, die dich ausgemacht haben und von denen ich eigentlich nie gedacht hätte, dass ich sie mal so vermissen würde, wie ich es jetzt tue. Vor deinem Tod habe ich den Geruch von Kamillentee regelrecht verabscheut, wenn ich jetzt an jemandem vorbeigehe, der Kamillentee trinkt oder auch nur die Teebeutel in unserer Küche rieche, bleibt mir nur ein müdes Lächeln. Mittlerweile mag ich den Geruch sogar, weil er mich immer an dich erinnert.
Aber die Erinnerung ist nicht länger schmerzhaft, wie sie es in den ersten Tagen und Wochen war, sondern nur noch ein bisschen wehmütig und mit einem winzigen Stich im Herzen verbunden. Es stimmt also, die Zeit heilt alle Wunden.
Nur manchmal gibt es noch Momente, die sehr wehtun, aber dann erinnere ich mich immer daran, dass du niemals leiden wolltest und dein Tod dir dieses Leid größtenteils erspart hat.
Wie sehr hoffe ich, dass du auf mich hinuntersiehst und mich begleitest, wo immer ich auch bin. Das ist es, was ich mir wünsche. Damit du mein Leben mit mir zusammen leben kannst, auch wenn dir deines genommen wurde.
Vor ein paar Wochen habe ich stundenlang in den Himmel gestarrt und die Wolken beobachtet, weil ich in jeder einzelnen nach dir gesucht habe. Und je länger ich in den Himmel geblickt habe, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass du zurückschaust und mich auslachst, weil du nie an so etwas geglaubt hast. Töricht, ich weiß. Aber irgendwie hat auch das geholfen.
Genauso wie ich deine Nähe jedes Mal deutlich spüren kann, wenn ich an deinem Grab stehe. Als wolltest du mir sagen, dass es dir gutgeht und auch mir nahe sein. Es ist ein schönes Gefühl, deswegen bin ich so oft bei dir, wie ich kann.
Und weil du meine Stimme so sehr geliebt und mich immer dazu gedrängt hast, dir vorzusingen, singe ich jedes Mal etwas für dich. Dabei ist es mir auch vollkommen egal, ob mich die anderen Leute für verrückt halten. Denn tief in mir weiß ich, dass du mich hören kannst und mir dankbar bist. Deine Lieblingslieder habe ich dir schon oft vorgesungen, aber auch neue Titel, die du noch nicht kennst, will ich dir nicht vorenthalten.
Ach ja, und ich hatte dir ja versprochen, mal mit dir zusammen die neuen Songs von Imagine Dragons zu hören, weil du das Album noch nicht vollständig gekannt hast. Daraus ist wohl nichts mehr geworden, aber ich gebe mein Bestes, dir daraus vorzusingen. Das gelingt mir zwar nicht annähernd so gut wie den Jungs, aber es wird dir wahrscheinlich auch genügen.
So. Mein ganzes Herz habe ich dir in diesem Brief anvertraut, aber es macht mir trotzdem nichts aus. Weil ich weiß, dass es bei dir in guten Händen ist.
Ich hoffe wirklich, dass du bei mir bist und mir dabei zusiehst, wie ich unsere Träume nun alleine verwirkliche. Ich verspreche dir, dass ich alles in meiner Macht stehende dafür tun werde, alles zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben.
Und ich hoffe, dass du stolz auf mich sein kannst, so wie ich stolz auf dich bin, weil du den Kampf nie aufgegeben hast und immer weitergemacht hast.
Eines Tages möchte ich genauso stark sein, wie du es warst.
Ich will weiterkämpfen, weil du das auch gekonnt hast.
Und wenn ich trotzdem scheitere, wenn ich es nicht schaffe, dann gib mir Kraft.
Gib mir die Kraft, die mir fehlt.
Ich weiß, dass du sie hast.
In ewiger Liebe
Deine Freundin
„We’ll be friends forever, won’t we?“
„Even longer.“
Winnie the Pooh, A.A. Milne
Meine M.
du hättest noch so viel mehr verdient gehabt, aber das ist jetzt alles vorbei. Vorbei. Ein hässliches Wort, wenn es im falschen Kontext auftaucht. Ein Song ist vorbei, eine Schulstunde oder ein Urlaub. Aber nie hätte ich gedacht, dass ich mal hier sitze und dein Leben ist vorbei. Vor allem nicht so bald. In meiner Vorstellung hatten wir eine Ewigkeit miteinander, ich sehe uns immer nur zusammen und ganz selten mal getrennt. Und jetzt bist du weg und ich hier alleine mit dem Wissen, dass wir nie mehr zusammen sein werden. Dass du nicht mehr zurückkommst. So langsam wird es mir erst ganz deutlich bewusst.
Du. Kommst. NIE. Mehr. Zurück.
Am Anfang war alles noch nicht real, es hat sich angefühlt, als wärst du mal für ein paar Tage weggefahren, den ganzen Tag über habe ich nicht so oft an dich gedacht und dich auch nicht so wahnsinnig vermisst. Angesichts deines Todes bin ich mir seltsam gefühllos vorgekommen, weil ich schon in den nächsten Tagen nach dieser ersten Schockwelle des Schmerzes recht gut damit klarkam. Ich wusste nicht, dass das die Ruhe vor dem Sturm ist, dass auf diese seltsame Taubheit nach dem ersten Zusammenbruch das Schlimmste erst folgen würde. Nachdem es sich in den Tagen nach deinem Tod fast schon wieder normal angefühlt hat, ist es etwa eine Woche später mit allergrößter Heftigkeit über mich hereingebrochen.
Es fühlte sich nicht länger so an, als wärst du nur kurz außer Reichweite, es wurde nun endgültig. Und das hat am meisten wehgetan. Das tut es auch heute noch. Eine Woche nach deinem Tod habe ich nachts im Bett gelegen und hatte das Gefühl, dass es mich innerlich zerreißt. Mit aller Macht habe ich mir gewünscht, mein Gehirn abschalten zu können, das immer wieder das Bild deines toten Körpers heraufbeschwor und mich stundenlang damit quälte. Irgendwann habe ich die Tränen gar nicht mehr gespürt, die mir übers Gesicht und in die Haare gelaufen sind, nur meine Augen brannten von der ungewohnten Anstrengung. Aber am allerschlimmsten war der körperliche Schmerz, den die seelische Qual auslöste. Ich hatte das Gefühl, dass meine Rippen jeden Moment in tausend nadelspitze Splitter zerbersten würden, so heftig war der Schmerz in meinem Brustkorb. Innerlich hat sich mir alles zusammengezogen, dem Gefühl nach zu urteilen war mein Herz eine einzige offene Wunde. Ich habe mich ganz klein zusammengerollt und versucht, die Krämpfe zu unterdrücken, aber das stundenlange Weinen und der Flüssigkeitsmangel haben es auch nicht unbedingt besser gemacht. Das anfangs noch laute, hektische Schluchzen war nach einiger Zeit nur noch ein tonloses Ringen nach Luft zum Atmen. So muss sich ersticken anfühlen. Und in gewisser Weise bin ich auch erstickt. Erstickt an der Trauer um dich, die mich nicht mehr loslassen wollte. Wie lange ich in diesem Zustand in meinem Bett gelegen und den Schlaf herbeigesehnt habe, weiß ich nicht. Aber jede Sekunde davon war die Hölle.
Das war das letzte Mal, das ich seither geweint habe. Weil nichts so schlimm sein kann wie diese eine Nacht, in der ich zum ersten Mal in meinem Leben gelernt habe, was es wirklich heißt, jemanden zu verlieren.
Nicht einmal der Anruf, in dem ich von deinem Tod erfahren habe, hat mich so verletzt zurückgelassen. Im Gegenteil, in diesem Moment ist noch nichts wirklich zu mir durchgedrungen, es war nur eine Information, die es zu verarbeiten galt. Die Bedeutung kam später. Ich war am Telefon sogar so ruhig, dass es mir selbst in diesem Moment Angst gemacht hat. Sofort nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte und das Gespräch beendet war, kam dann der Zusammenbruch. Aber auch davon hatte ich mich nach wenigen Minuten erholt.
Ich werde niemals vergessen, wie du im Tod ausgesehen hast. Nämlich überhaupt nicht wirklich tot. Eher in einer Schlafposition, wie ich sie immer von dir kannte. Deswegen wollte ich es auch dann nicht wahrhaben und habe fünfmal geprüft, ob auch wirklich kein Puls vorhanden ist. Fünf qualvolle Minuten lang. Nichts.
Weißt du eigentlich, wie sehr ich mir wünsche, dich nur noch einmal im Arm halten zu können und dir zu sagen, dass alles gut wird, weil ich dich so sehr liebe?
Ist dir eigentlich klar, dass ich seit deinem Tod verzweifelt an ein Leben danach glaube, weil ich es mir für dich so sehr wünsche?
Kannst du mich gerade sehen und ist dir bewusst, welches Loch dein Tod in unsere Familie gerissen hat?
Und weißt du auch, wie sehr ich an diesem Brief zerbreche, weil er mich zwingt, das alles wieder zu durchleben?
Ich liebe dich, ich liebe dich bis zum Mond und wieder zurück, ich liebe dich so sehr, dass du es eigentlich spüren musst, egal, wo du jetzt bist.
Und jedem, der mir gesagt hat, dass es für dich vielleicht sogar besser so ist und dass ich nicht weinen soll, habe ich dasselbe geantwortet. Du bist jede einzelne Träne, die ich um dich weine, wert. Du hast diese Tränen verdient, weil dir dein Leben genommen wurde, obwohl du noch so jung warst. Und jeder, der auch nur ansatzweise etwas anderes behauptet, braucht mir nicht mehr unter die Augen zu kommen.
Seltsam ist es aber schon irgendwie. Wenn ich jetzt so an dich denke, kommen mir außer dieser erdrückenden Trauer erstmal deine ganzen komischen Charaktereigenschaften in den Sinn, wegen denen ich dich andauernd aufgezogen und geneckt habe. Und ich glaube, ich weiß auch, warum das so ist. Alles, was mir früher auf die Nerven ging oder worüber ich nur den Kopf schütteln konnte, fehlt mir jetzt. Was würde ich dafür geben, wenn du in diesem Moment lautstark neben mir einen Apfel oder Salat essen würdest. Und deine seltsame und abnormale Vorliebe für Kamillentee habe ich auch nie verstanden, aber wie gerne würde ich jetzt sehen, wie du eine Tasse davon in Rekordgeschwindigkeit leerst. Es sind eben auch diese kleinen Dinge, die dich ausgemacht haben und von denen ich eigentlich nie gedacht hätte, dass ich sie mal so vermissen würde, wie ich es jetzt tue. Vor deinem Tod habe ich den Geruch von Kamillentee regelrecht verabscheut, wenn ich jetzt an jemandem vorbeigehe, der Kamillentee trinkt oder auch nur die Teebeutel in unserer Küche rieche, bleibt mir nur ein müdes Lächeln. Mittlerweile mag ich den Geruch sogar, weil er mich immer an dich erinnert.
Aber die Erinnerung ist nicht länger schmerzhaft, wie sie es in den ersten Tagen und Wochen war, sondern nur noch ein bisschen wehmütig und mit einem winzigen Stich im Herzen verbunden. Es stimmt also, die Zeit heilt alle Wunden.
Nur manchmal gibt es noch Momente, die sehr wehtun, aber dann erinnere ich mich immer daran, dass du niemals leiden wolltest und dein Tod dir dieses Leid größtenteils erspart hat.
Wie sehr hoffe ich, dass du auf mich hinuntersiehst und mich begleitest, wo immer ich auch bin. Das ist es, was ich mir wünsche. Damit du mein Leben mit mir zusammen leben kannst, auch wenn dir deines genommen wurde.
Vor ein paar Wochen habe ich stundenlang in den Himmel gestarrt und die Wolken beobachtet, weil ich in jeder einzelnen nach dir gesucht habe. Und je länger ich in den Himmel geblickt habe, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass du zurückschaust und mich auslachst, weil du nie an so etwas geglaubt hast. Töricht, ich weiß. Aber irgendwie hat auch das geholfen.
Genauso wie ich deine Nähe jedes Mal deutlich spüren kann, wenn ich an deinem Grab stehe. Als wolltest du mir sagen, dass es dir gutgeht und auch mir nahe sein. Es ist ein schönes Gefühl, deswegen bin ich so oft bei dir, wie ich kann.
Und weil du meine Stimme so sehr geliebt und mich immer dazu gedrängt hast, dir vorzusingen, singe ich jedes Mal etwas für dich. Dabei ist es mir auch vollkommen egal, ob mich die anderen Leute für verrückt halten. Denn tief in mir weiß ich, dass du mich hören kannst und mir dankbar bist. Deine Lieblingslieder habe ich dir schon oft vorgesungen, aber auch neue Titel, die du noch nicht kennst, will ich dir nicht vorenthalten.
Ach ja, und ich hatte dir ja versprochen, mal mit dir zusammen die neuen Songs von Imagine Dragons zu hören, weil du das Album noch nicht vollständig gekannt hast. Daraus ist wohl nichts mehr geworden, aber ich gebe mein Bestes, dir daraus vorzusingen. Das gelingt mir zwar nicht annähernd so gut wie den Jungs, aber es wird dir wahrscheinlich auch genügen.
So. Mein ganzes Herz habe ich dir in diesem Brief anvertraut, aber es macht mir trotzdem nichts aus. Weil ich weiß, dass es bei dir in guten Händen ist.
Ich hoffe wirklich, dass du bei mir bist und mir dabei zusiehst, wie ich unsere Träume nun alleine verwirkliche. Ich verspreche dir, dass ich alles in meiner Macht stehende dafür tun werde, alles zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben.
Und ich hoffe, dass du stolz auf mich sein kannst, so wie ich stolz auf dich bin, weil du den Kampf nie aufgegeben hast und immer weitergemacht hast.
Eines Tages möchte ich genauso stark sein, wie du es warst.
Ich will weiterkämpfen, weil du das auch gekonnt hast.
Und wenn ich trotzdem scheitere, wenn ich es nicht schaffe, dann gib mir Kraft.
Gib mir die Kraft, die mir fehlt.
Ich weiß, dass du sie hast.
In ewiger Liebe
Deine Freundin
„We’ll be friends forever, won’t we?“
„Even longer.“
Winnie the Pooh, A.A. Milne