Collegezeit
von Lady Duchess
Kurzbeschreibung
Derek ist im letzten Semester seines Jurastudiums in Washington D.C., als sein Leben unvorhergesehen auf den Kopf gestellt wird. [AU]
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Derek Morgan
Dr. Spencer Reid
08.09.2018
18.05.2023
71
148.408
12
Alle Kapitel
96 Reviews
96 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
1 Review
29.09.2018
2.205
8.Kapitel: Rebekka
Der Dienstag brach windig und wenig einladend an.
Nach seinem ‚Jogging-Marathon‘ hatte er geschlafen wie ein Stein, aber schon jetzt beim Aufstehen, spürte er sein permanentes Antreiben an seine Grenzen, erheblich.
Jeder Muskel schien leicht zu schmerzen und trotz eines gründlichen Aufwärmens, hatte er Muskelkater.
Ein weiteres Zeichen, dass er es gestern etwas übertrieben hatte.
Langsam aus seinem Zimmer humpelnd, um ins Bad zu gehen, sah er anhand seines Weckers, dass er wieder einmal sich beeilen musste, und beschleunigte sein Tempo erheblich.
Die Vorlesung Strafrecht war äußerst interessant und ehe Derek es sich versah, waren 90 Minuten schon rum.
Aufstehend und seine Sachen zusammenpackend, war er kurz danach am Ausgang und wollte gerade hinaus treten, immer noch in Gedanken bei dem letzten Abschnitt der Vorlesung verweilend, als er angesprochen wurde.
„Mr. Morgan?“
Augenblicklich bei der Stimme aufsehend und stehen bleibend, sah er sich dem Gastdozenten gegenüber, der nur für ein Jahr hier lehrte.
„Ja?“, entgegnete der Dunkelhäutige und wartete ab, was der Ältere von ihm wollte.
„Mr. Morgan, ich habe letzte Woche ein längeres Gespräch mit Mr. McArthur, ihrem Professor für Strafrecht, geführt.
Er meinte, Sie hätten ungeheures Talent und Potential bei dieser Thematik. In Übereinstimmung würden wir Ihnen gerne nahe legen, ein wenig mehr Zusatzarbeit in diesem Fach zu leisten. Sollten Sie dies tun, könnten Sie erstklassig in diesem Fach werden.“, und der Andere lächelte ihn freundlich an.
Der Dunkelhäutige fühlte sich etwas überrumpelt und einen Moment später geschmeichelt.
Dies war ein ungeheures Kompliment!
Unsicher was er dem Dozenten darauf antworten sollte, schwieg er.
Der Ältere sah ihn noch einen Moment an, ehe er lächelnd sagte: „Wenn ich Ihnen einen Vorschlag machen darf: als Einstieg sind Bernhard Webers „Die verschiedenen Aspekte des Strafrechts“ und „Opfer und Täter. Wie damit umgehen?“, von Matthew Collins, genau richtig.“, beendete seinen Hinweis und wandte sich ab.
Derek wusste einen kurzen Moment nicht, ob er es sich eingebildet hatte oder nicht, aber er war fast sicher, dass der Dozent ihm kurz zugezwinkert hatte.
Immer noch ein wenig perplex und leicht verwirrt, sah er dem Anderen hinterher, wie er den Hörsaal verließ.
Was sollte das denn?!
Einen langen Augenblick stand er noch da, ehe er nun ebenfalls und als Letzter, den Raum verließ.
In der Mittagspause ging er in die Bibliothek, um nach den empfohlenen Büchern zu suchen.
Dieser merkwürdige Tipp des Dozenten ließ ihm irgendwie keine Ruhe.
Warum sollte er ein Buch lesen, dass sie teilweise schon im ersten Semester behandelt hatten?!
Es war ihm ein Rätsel.
Was war der Sinn des Ganzen?, fragte er sich und fand keine Antwort darauf.
Das dies ein ernstgemeinter Ratschlag gewesen war, da war er sich sicher.
Er ging die richtige Bücherregalreihe entlang und suchte nach der Nummer des Buches, die er sich kurz zuvor notiert hatte.
Da war sie schon und nun noch, nach dem Nachnamen des Autors, das genannte Buch suchend.
Walter, Walters, Warner, Washington, Watson, Webber, Weber.
Weber, Ann Luise, Weber, Arthur, Weber, Benjamin, Weber, Bernd, Weber, Bernhard.
Da war es.
Nach dem Buch greifend, zog er es kurz darauf aus dem Regal und betrachtete den dunkelbraunen Einband auf dem nichts weiter als Titel und Autor aufgedruckt war.
Einen langen Augenblick einfach darauf sehend, kam er wieder aus seinen Gedanken und sah sich nach dem zweiten, genannten Buch um.
Nach der richtigen Nummer auf den umgebenden Regalreihen suchend, fand er sie auch.
Darauf zugehend, schritt er an dem langen Bücherregal entlang und suchte nun nach dem Namen Matthew Collins.
Am späten Nachmittag.
Das benutzte Geschirr von einem Tisch am Fenster abräumend und es auf sein Tablett stellend, sah er kurz nach draußen.
Der Wind hatte im Lauf des Tages an Stärke zugenommen und es sah nach Regen aus.
Zum Glück war es recht ruhig im Café und nur wenige Gäste da.
Was ihm nur Recht war.
Kaum hatte er die Bibliothek verlassen und sich für die Spätschicht auf den Weg ins Café gemacht, hatte ihn die Neugier gepackt und in das Buch von Bernhard Weber hineingeschaut.
Im ersten Moment kam ihm der Gedanke, dass er das doch alles schon kannte, da sie es ja in seinem ersten Collegejahr schon behandelt hatten und wollte es schon wieder aus der Hand legen, als er inne hielt.
Er war sich nicht sicher, was es genau und warum er gerade über diese Worte gestolpert war, aber es sorgte dafür, dass sein Interesse geweckt wurde.
Und ehe er sich selbst davon abhalten konnte, hatte er die ersten fünfzehn Seiten gelesen.
Nur der Gedanke, dass er jetzt arbeiten musste, hatte ihn dazu veranlasst, dass Buch wegzulegen.
Mit dem eben Gelesenen und darüber noch in Gedanken versunken, hatte er sich an die Arbeit gemacht.
Tja, und nun dachte er schon wieder darüber nach.
Seinen Blick von dem Geschehen draußen weglenkend, stellte er die letzte Tasse auf sein Tablett und ging in Richtung Küche.
18.58 Uhr.
Ein kleines Gähnen unterdrückend, obwohl nicht allzu viel los war, ging er in den Umkleideraum, um kurz etwas aus seinem Spind zu holen.
Die Tür hinter sich schließend, ging er kurz nach rechts und dann geradezu zu seinem Spind, öffnete ihn und griff nach dem gesuchten Gegenstand, als er ein Geräusch hörte und inne hielt.
Aufmerksam lauschend, hörte er es noch einmal, schloss seinen Spind, ging nach links um die Ecke, wo weitere Spinde waren und sah jemanden auf der Sitzbank, vor den Spinden sitzen, ihm den Rücken zuwendend.
Ein wenig irritiert, musterte er diese Person und trat näher, als er das Geräusch wieder hörte.
Es war ein Schluchzen.
Sich leicht anspannend, ging er weiter auf die Person zu und um auf sich aufmerksam zu machen, sagte er: „Hey!“
Was die Person dazu brachte, erschrocken zusammen zu zucken und sich herum zudrehen.
Es war Rebekka.
Tränen liefen ihr in Strömen über ihr Gesicht und immer wieder musste sie schluchzen.
Sich übers Gesicht wischend, entgegnete sie krächzend: „Derek?“, und klang so gar nicht nach sich selbst.
Derek hatte in keinerlei Weise mit so einem Anblick gerechnet, und dennoch traf ihn dieser mitten ins Herz.
Etwas nervös trat er noch näher, setzte sich vorsichtig neben seine Kollegin auf die Bank und sah sie an.
Diese weinte immer noch und da er nicht recht wusste, was er sagen sollte, fragte er einfach: „Rebekka. Was ist denn passiert?“, und klang mitfühlend.
Die Schwarzhaarige schluchzte einige Male, ehe sie ausweichend sagte: „Es ist…es ist nichts, Derek. Ich komme in fünf Minuten, okay?“, und versuchte ein Lächeln, was gründlich misslang.
Der Dunkelhäutige glaubte ihr nicht ein Wort.
Es war mehr als offensichtlich, dass etwas nicht stimmte.
Das sah ein Blinder mit Krückstock.
Er gab ihr noch ein paar Minuten, um sich zu sammeln und ihm doch zu sagen was los war und auch, um ihr zu zeigen, dass er keinesfalls weggehen würde.
Es vergingen weitere Minuten in leicht angespannter Stille, nur unterbrochen von Rebekkas Schluchzern und weiteren Tränenströmen.
Nach einem weiteren langen Moment, wiederholte er leise die Frage: „Rebekka, was ist passiert?“, und sah sie immer noch eindringlich an.
Derek bemerkte zuerst ihr Zögern und die defensive Haltung, als dies mit einem Mal zerbrach und sie leise zu erzählen begann: „Meine Tochter. Sie hatte im Kindergarten einen Unfall und ist jetzt im Krankenhaus. Ich wollte bei ihr sein, aber ich kann es mir nicht leisten, diesen Job hier zu verlieren. Mein zweiter Job, in einer Wäscherei, bin ich wahrscheinlich los, als ich, nach dem Anruf des Kindergartens, sofort zu ihr ins Krankenhaus fuhr. Sie wollte nicht, dass ich gehe, aber ich brauche das Geld!“, und damit sah sie ihn so verzweifelt und mit hoffnungslosem Blick an, dass ihm kurz die Luft wegblieb.
Vieles hatte er vermutet, was der Grund war, aber garantiert nicht das.
Neben diesem herzzerreißenden Anblick versuchte er der Fülle an Informationen, Herr zu werden und zu sortieren.
Weder hatte er gewusst, dass sie eine Tochter hatte, noch dass sie einen Zweitjob besaß, noch, dass sie scheinbar kaum über die Runden kam.
Verwirrt davon, fragte er einfach nach: „Was ist denn genau passiert?“, und war sich nicht sicher, ob er das wirklich wissen wollte.
Rebekka schluchzte wieder lauter auf und sagte: „Sie ist vom Klettergerüst gefallen und hat sich den Arm gebrochen. Mehr konnten die Ärzte noch nicht sagen.“
Auch wenn er jetzt gleich etwas unsensibel klang, fragte er weiter: „Was ist mit dem Vater der Kleinen? Hast du ihn schon benachrichtigt?“
Der Blick, der ihn daraufhin traf, war eine seltsame Mischung aus Wut, Trauer und Bedauern und er dachte schon, sie würde ihm nicht antworten, als sie leise sagte: „Ihr Vater ist tot.“
Was ihn Erstarren ließ und sich schon sein schlechtes Gewissen meldete, dass er überhaupt gefragt hatte, als Rebekka fortfuhr: „Mein Freund hatte mich sitzen lassen, als er erfuhr, dass ich schwanger war. Nur zwei Wochen nach Annas Geburt, ist er bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er ist betrunken und high Auto gefahren.“
Und das Letzte klang sehr verbittert, wie auch durchsetzt mit einem leicht gefährlichen Unterton, was bedeutete, dass er nicht weiter fragen sollte.
Was er auch nicht tat.
Stattdessen fragte er jetzt: „Was ist mit deiner Familie? Kann sie dir nicht irgendwie helfen?“
Ihr ohnehin schon trauriger Anblick, wurde noch trauriger und zeigte nun eine tiefe Trauer, als sie flüsternd sagte: „Ich habe niemanden mehr.“
Auf diese Aussage gab es keine Antwort.
Derek wandte den Blick ab und versank in Gedanken.
Er fühlte sich gerade irgendwie hilflos.
Ein weiterer, langer Augenblick der Stille verstrich, nur immer wieder von Rebekkas Schluchzern unterbrochen.
Als sich die Stille immer weiter in die Länge zog und allmählich unangenehm wurde, kam ihm eine Idee.
Kurz die junge Frau vor sich musternd, legte er ihr behutsam seine Hände auf ihre Schultern, so dass sie aufsah, ihrem fragenden Blick begegnete und entschlossen sagte: „Geh zu deiner Tochter!“
Das unausgesprochene ‚Was?‘ überdeutlich im Gesicht zu erkennen, so dass der Dunkelhäutige wiederholte, diesmal energischer: „Geh zu deiner Tochter! Ich werde den Rest deiner Schicht übernehmen!“
Nun die Sprache wieder findend, sagte sie verwundert: „Aber Derek, ich…“
Doch er entgegnete nur: „Geh! Sie braucht dich! Ich regle das mit Mr. Caine.“, und lächelte sie an.
Nachdem sie sich einen Moment lang nur angesehen hatten, stand er plötzlich auf und ging in Richtung seines Spinds.
Vor Überraschung so überrumpelt davon, wurde Rebekkas Schluchzen und Weinen unterbrochen.
Als sie sah, dass sich ihr Kollege auch noch erhob, um zu gehen, konnte sie nicht anders, als ebenfalls aufzustehen und ihm zu folgen.
Nach rechts gehend, sah sie ihn an seinem Spind nach etwas suchen, trat vorsichtig näher, als er zu ihr herumwirbelte, immer noch mit einem leichten Lächeln im Gesicht.
Sie prüfend ansehend, griff er mit seiner linken Hand nach ihrer Rechten, legte etwas aus seiner rechten Hand hinein und schloss ihre Rechte wieder.
Immer noch perplex begegnete Rebekka seinem Blick, ehe sie die Hand öffnete und sah, was er ihr gegeben hatte.
Ungläubig sah sie wieder auf und fragte: „Was ist das?“
Und wusste eigentlich genau, was es war.
Doch der Angesprochene antwortete ihr nur: „Geh zu deiner Tochter! Kauf dir unterwegs etwas Gutes zu Essen, was du sicher lange nicht hattest, und nimm dir den Abend frei.“
Immer noch überrascht, erwiderte sie: „Das kann ich nicht annehmen! Das ist viel zu viel!“
Aber er schüttelte den Kopf und sagte mit einem Lächeln: „Doch du kannst! Und du wirst!“, und grinste nun fast dabei.
Rebekka sah ihn noch einen Moment an, erkannte dass er eine Ablehnung keinesfalls akzeptierte und sagte nur: „Das zahle ich dir irgendwann zurück.“, und sprach es aus Überzeugung.
Derek sah sie an und bemerkte ihre Entschlossenheit.
Doch er hatte schon entschieden, dass er es ihr Schenken würde und sollte sie es wirklich zurückzahlen wollen, würde er es nicht annehmen.
Um die Unterhaltung zu beenden und damit sie endlich zu ihrer Tochter konnte, sagte er nochmals: „Geh jetzt! Deine Tochter wartet sicher schon sehnsüchtig auf dich.“, und lächelte immer noch leicht.
Rebekka sah endlich ein, dass ihr Kollege sich nicht umstimmen ließ.
Und innerlich war sie sehr froh, denn es fraß sie fast auf, nicht zu wissen was genau mit ihrer Tochter los war.
Einen Augenblick sah sie ihn noch an, ehe sie ihn heftig umarmte und mit erneut aufkommenden Tränen, aber lächelnd sagte: „Danke!“
Und ergänzte noch: „Das vergesse ich dir nie!“, und drückte ihn noch einmal fest, ehe sie sich von ihm löste.
Nun war es an Derek sich überrumpelt zu fühlen, erwiderte ihren Blick und konnte nur noch sagen: „Gern geschehen.“
Was Rebekka lächeln ließ, ihn noch einen Moment dankbar ansah, bevor sie sich endgültig abwandte und den Raum verließ, um schnell zu ihrer kranken Tochter zu kommen.
Seiner Kollegin nachsehend, konnte er nicht anders, als sich großartig zu fühlen.
In solchen Momenten kam ihm immer das Sprichwort: „Jeden Tag eine gute Tat.“, in den Sinn.
Und dies war wahrhaftig Eine gewesen.
Auch, wenn sein Geld für die restliche Woche auf weniger als die Hälfte gesunken war.
Aber das war unbedeutend.
Materielle Dinge waren nichts im Vergleich zu den Immateriellen.
Und ihr glückliches Lächeln war ein mehr als schöner Dank gewesen.
Einen kleinen Augenblick stand er noch so da, ehe er tief Luft holte und Richtung Tür ging.
Seine Pause war vorbei und er musste nun weiter arbeiten.
Damit trat er durch die Tür, wieder hinaus in den Gästebereich.
Der Dienstag brach windig und wenig einladend an.
Nach seinem ‚Jogging-Marathon‘ hatte er geschlafen wie ein Stein, aber schon jetzt beim Aufstehen, spürte er sein permanentes Antreiben an seine Grenzen, erheblich.
Jeder Muskel schien leicht zu schmerzen und trotz eines gründlichen Aufwärmens, hatte er Muskelkater.
Ein weiteres Zeichen, dass er es gestern etwas übertrieben hatte.
Langsam aus seinem Zimmer humpelnd, um ins Bad zu gehen, sah er anhand seines Weckers, dass er wieder einmal sich beeilen musste, und beschleunigte sein Tempo erheblich.
Die Vorlesung Strafrecht war äußerst interessant und ehe Derek es sich versah, waren 90 Minuten schon rum.
Aufstehend und seine Sachen zusammenpackend, war er kurz danach am Ausgang und wollte gerade hinaus treten, immer noch in Gedanken bei dem letzten Abschnitt der Vorlesung verweilend, als er angesprochen wurde.
„Mr. Morgan?“
Augenblicklich bei der Stimme aufsehend und stehen bleibend, sah er sich dem Gastdozenten gegenüber, der nur für ein Jahr hier lehrte.
„Ja?“, entgegnete der Dunkelhäutige und wartete ab, was der Ältere von ihm wollte.
„Mr. Morgan, ich habe letzte Woche ein längeres Gespräch mit Mr. McArthur, ihrem Professor für Strafrecht, geführt.
Er meinte, Sie hätten ungeheures Talent und Potential bei dieser Thematik. In Übereinstimmung würden wir Ihnen gerne nahe legen, ein wenig mehr Zusatzarbeit in diesem Fach zu leisten. Sollten Sie dies tun, könnten Sie erstklassig in diesem Fach werden.“, und der Andere lächelte ihn freundlich an.
Der Dunkelhäutige fühlte sich etwas überrumpelt und einen Moment später geschmeichelt.
Dies war ein ungeheures Kompliment!
Unsicher was er dem Dozenten darauf antworten sollte, schwieg er.
Der Ältere sah ihn noch einen Moment an, ehe er lächelnd sagte: „Wenn ich Ihnen einen Vorschlag machen darf: als Einstieg sind Bernhard Webers „Die verschiedenen Aspekte des Strafrechts“ und „Opfer und Täter. Wie damit umgehen?“, von Matthew Collins, genau richtig.“, beendete seinen Hinweis und wandte sich ab.
Derek wusste einen kurzen Moment nicht, ob er es sich eingebildet hatte oder nicht, aber er war fast sicher, dass der Dozent ihm kurz zugezwinkert hatte.
Immer noch ein wenig perplex und leicht verwirrt, sah er dem Anderen hinterher, wie er den Hörsaal verließ.
Was sollte das denn?!
Einen langen Augenblick stand er noch da, ehe er nun ebenfalls und als Letzter, den Raum verließ.
In der Mittagspause ging er in die Bibliothek, um nach den empfohlenen Büchern zu suchen.
Dieser merkwürdige Tipp des Dozenten ließ ihm irgendwie keine Ruhe.
Warum sollte er ein Buch lesen, dass sie teilweise schon im ersten Semester behandelt hatten?!
Es war ihm ein Rätsel.
Was war der Sinn des Ganzen?, fragte er sich und fand keine Antwort darauf.
Das dies ein ernstgemeinter Ratschlag gewesen war, da war er sich sicher.
Er ging die richtige Bücherregalreihe entlang und suchte nach der Nummer des Buches, die er sich kurz zuvor notiert hatte.
Da war sie schon und nun noch, nach dem Nachnamen des Autors, das genannte Buch suchend.
Walter, Walters, Warner, Washington, Watson, Webber, Weber.
Weber, Ann Luise, Weber, Arthur, Weber, Benjamin, Weber, Bernd, Weber, Bernhard.
Da war es.
Nach dem Buch greifend, zog er es kurz darauf aus dem Regal und betrachtete den dunkelbraunen Einband auf dem nichts weiter als Titel und Autor aufgedruckt war.
Einen langen Augenblick einfach darauf sehend, kam er wieder aus seinen Gedanken und sah sich nach dem zweiten, genannten Buch um.
Nach der richtigen Nummer auf den umgebenden Regalreihen suchend, fand er sie auch.
Darauf zugehend, schritt er an dem langen Bücherregal entlang und suchte nun nach dem Namen Matthew Collins.
Am späten Nachmittag.
Das benutzte Geschirr von einem Tisch am Fenster abräumend und es auf sein Tablett stellend, sah er kurz nach draußen.
Der Wind hatte im Lauf des Tages an Stärke zugenommen und es sah nach Regen aus.
Zum Glück war es recht ruhig im Café und nur wenige Gäste da.
Was ihm nur Recht war.
Kaum hatte er die Bibliothek verlassen und sich für die Spätschicht auf den Weg ins Café gemacht, hatte ihn die Neugier gepackt und in das Buch von Bernhard Weber hineingeschaut.
Im ersten Moment kam ihm der Gedanke, dass er das doch alles schon kannte, da sie es ja in seinem ersten Collegejahr schon behandelt hatten und wollte es schon wieder aus der Hand legen, als er inne hielt.
Er war sich nicht sicher, was es genau und warum er gerade über diese Worte gestolpert war, aber es sorgte dafür, dass sein Interesse geweckt wurde.
Und ehe er sich selbst davon abhalten konnte, hatte er die ersten fünfzehn Seiten gelesen.
Nur der Gedanke, dass er jetzt arbeiten musste, hatte ihn dazu veranlasst, dass Buch wegzulegen.
Mit dem eben Gelesenen und darüber noch in Gedanken versunken, hatte er sich an die Arbeit gemacht.
Tja, und nun dachte er schon wieder darüber nach.
Seinen Blick von dem Geschehen draußen weglenkend, stellte er die letzte Tasse auf sein Tablett und ging in Richtung Küche.
18.58 Uhr.
Ein kleines Gähnen unterdrückend, obwohl nicht allzu viel los war, ging er in den Umkleideraum, um kurz etwas aus seinem Spind zu holen.
Die Tür hinter sich schließend, ging er kurz nach rechts und dann geradezu zu seinem Spind, öffnete ihn und griff nach dem gesuchten Gegenstand, als er ein Geräusch hörte und inne hielt.
Aufmerksam lauschend, hörte er es noch einmal, schloss seinen Spind, ging nach links um die Ecke, wo weitere Spinde waren und sah jemanden auf der Sitzbank, vor den Spinden sitzen, ihm den Rücken zuwendend.
Ein wenig irritiert, musterte er diese Person und trat näher, als er das Geräusch wieder hörte.
Es war ein Schluchzen.
Sich leicht anspannend, ging er weiter auf die Person zu und um auf sich aufmerksam zu machen, sagte er: „Hey!“
Was die Person dazu brachte, erschrocken zusammen zu zucken und sich herum zudrehen.
Es war Rebekka.
Tränen liefen ihr in Strömen über ihr Gesicht und immer wieder musste sie schluchzen.
Sich übers Gesicht wischend, entgegnete sie krächzend: „Derek?“, und klang so gar nicht nach sich selbst.
Derek hatte in keinerlei Weise mit so einem Anblick gerechnet, und dennoch traf ihn dieser mitten ins Herz.
Etwas nervös trat er noch näher, setzte sich vorsichtig neben seine Kollegin auf die Bank und sah sie an.
Diese weinte immer noch und da er nicht recht wusste, was er sagen sollte, fragte er einfach: „Rebekka. Was ist denn passiert?“, und klang mitfühlend.
Die Schwarzhaarige schluchzte einige Male, ehe sie ausweichend sagte: „Es ist…es ist nichts, Derek. Ich komme in fünf Minuten, okay?“, und versuchte ein Lächeln, was gründlich misslang.
Der Dunkelhäutige glaubte ihr nicht ein Wort.
Es war mehr als offensichtlich, dass etwas nicht stimmte.
Das sah ein Blinder mit Krückstock.
Er gab ihr noch ein paar Minuten, um sich zu sammeln und ihm doch zu sagen was los war und auch, um ihr zu zeigen, dass er keinesfalls weggehen würde.
Es vergingen weitere Minuten in leicht angespannter Stille, nur unterbrochen von Rebekkas Schluchzern und weiteren Tränenströmen.
Nach einem weiteren langen Moment, wiederholte er leise die Frage: „Rebekka, was ist passiert?“, und sah sie immer noch eindringlich an.
Derek bemerkte zuerst ihr Zögern und die defensive Haltung, als dies mit einem Mal zerbrach und sie leise zu erzählen begann: „Meine Tochter. Sie hatte im Kindergarten einen Unfall und ist jetzt im Krankenhaus. Ich wollte bei ihr sein, aber ich kann es mir nicht leisten, diesen Job hier zu verlieren. Mein zweiter Job, in einer Wäscherei, bin ich wahrscheinlich los, als ich, nach dem Anruf des Kindergartens, sofort zu ihr ins Krankenhaus fuhr. Sie wollte nicht, dass ich gehe, aber ich brauche das Geld!“, und damit sah sie ihn so verzweifelt und mit hoffnungslosem Blick an, dass ihm kurz die Luft wegblieb.
Vieles hatte er vermutet, was der Grund war, aber garantiert nicht das.
Neben diesem herzzerreißenden Anblick versuchte er der Fülle an Informationen, Herr zu werden und zu sortieren.
Weder hatte er gewusst, dass sie eine Tochter hatte, noch dass sie einen Zweitjob besaß, noch, dass sie scheinbar kaum über die Runden kam.
Verwirrt davon, fragte er einfach nach: „Was ist denn genau passiert?“, und war sich nicht sicher, ob er das wirklich wissen wollte.
Rebekka schluchzte wieder lauter auf und sagte: „Sie ist vom Klettergerüst gefallen und hat sich den Arm gebrochen. Mehr konnten die Ärzte noch nicht sagen.“
Auch wenn er jetzt gleich etwas unsensibel klang, fragte er weiter: „Was ist mit dem Vater der Kleinen? Hast du ihn schon benachrichtigt?“
Der Blick, der ihn daraufhin traf, war eine seltsame Mischung aus Wut, Trauer und Bedauern und er dachte schon, sie würde ihm nicht antworten, als sie leise sagte: „Ihr Vater ist tot.“
Was ihn Erstarren ließ und sich schon sein schlechtes Gewissen meldete, dass er überhaupt gefragt hatte, als Rebekka fortfuhr: „Mein Freund hatte mich sitzen lassen, als er erfuhr, dass ich schwanger war. Nur zwei Wochen nach Annas Geburt, ist er bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er ist betrunken und high Auto gefahren.“
Und das Letzte klang sehr verbittert, wie auch durchsetzt mit einem leicht gefährlichen Unterton, was bedeutete, dass er nicht weiter fragen sollte.
Was er auch nicht tat.
Stattdessen fragte er jetzt: „Was ist mit deiner Familie? Kann sie dir nicht irgendwie helfen?“
Ihr ohnehin schon trauriger Anblick, wurde noch trauriger und zeigte nun eine tiefe Trauer, als sie flüsternd sagte: „Ich habe niemanden mehr.“
Auf diese Aussage gab es keine Antwort.
Derek wandte den Blick ab und versank in Gedanken.
Er fühlte sich gerade irgendwie hilflos.
Ein weiterer, langer Augenblick der Stille verstrich, nur immer wieder von Rebekkas Schluchzern unterbrochen.
Als sich die Stille immer weiter in die Länge zog und allmählich unangenehm wurde, kam ihm eine Idee.
Kurz die junge Frau vor sich musternd, legte er ihr behutsam seine Hände auf ihre Schultern, so dass sie aufsah, ihrem fragenden Blick begegnete und entschlossen sagte: „Geh zu deiner Tochter!“
Das unausgesprochene ‚Was?‘ überdeutlich im Gesicht zu erkennen, so dass der Dunkelhäutige wiederholte, diesmal energischer: „Geh zu deiner Tochter! Ich werde den Rest deiner Schicht übernehmen!“
Nun die Sprache wieder findend, sagte sie verwundert: „Aber Derek, ich…“
Doch er entgegnete nur: „Geh! Sie braucht dich! Ich regle das mit Mr. Caine.“, und lächelte sie an.
Nachdem sie sich einen Moment lang nur angesehen hatten, stand er plötzlich auf und ging in Richtung seines Spinds.
Vor Überraschung so überrumpelt davon, wurde Rebekkas Schluchzen und Weinen unterbrochen.
Als sie sah, dass sich ihr Kollege auch noch erhob, um zu gehen, konnte sie nicht anders, als ebenfalls aufzustehen und ihm zu folgen.
Nach rechts gehend, sah sie ihn an seinem Spind nach etwas suchen, trat vorsichtig näher, als er zu ihr herumwirbelte, immer noch mit einem leichten Lächeln im Gesicht.
Sie prüfend ansehend, griff er mit seiner linken Hand nach ihrer Rechten, legte etwas aus seiner rechten Hand hinein und schloss ihre Rechte wieder.
Immer noch perplex begegnete Rebekka seinem Blick, ehe sie die Hand öffnete und sah, was er ihr gegeben hatte.
Ungläubig sah sie wieder auf und fragte: „Was ist das?“
Und wusste eigentlich genau, was es war.
Doch der Angesprochene antwortete ihr nur: „Geh zu deiner Tochter! Kauf dir unterwegs etwas Gutes zu Essen, was du sicher lange nicht hattest, und nimm dir den Abend frei.“
Immer noch überrascht, erwiderte sie: „Das kann ich nicht annehmen! Das ist viel zu viel!“
Aber er schüttelte den Kopf und sagte mit einem Lächeln: „Doch du kannst! Und du wirst!“, und grinste nun fast dabei.
Rebekka sah ihn noch einen Moment an, erkannte dass er eine Ablehnung keinesfalls akzeptierte und sagte nur: „Das zahle ich dir irgendwann zurück.“, und sprach es aus Überzeugung.
Derek sah sie an und bemerkte ihre Entschlossenheit.
Doch er hatte schon entschieden, dass er es ihr Schenken würde und sollte sie es wirklich zurückzahlen wollen, würde er es nicht annehmen.
Um die Unterhaltung zu beenden und damit sie endlich zu ihrer Tochter konnte, sagte er nochmals: „Geh jetzt! Deine Tochter wartet sicher schon sehnsüchtig auf dich.“, und lächelte immer noch leicht.
Rebekka sah endlich ein, dass ihr Kollege sich nicht umstimmen ließ.
Und innerlich war sie sehr froh, denn es fraß sie fast auf, nicht zu wissen was genau mit ihrer Tochter los war.
Einen Augenblick sah sie ihn noch an, ehe sie ihn heftig umarmte und mit erneut aufkommenden Tränen, aber lächelnd sagte: „Danke!“
Und ergänzte noch: „Das vergesse ich dir nie!“, und drückte ihn noch einmal fest, ehe sie sich von ihm löste.
Nun war es an Derek sich überrumpelt zu fühlen, erwiderte ihren Blick und konnte nur noch sagen: „Gern geschehen.“
Was Rebekka lächeln ließ, ihn noch einen Moment dankbar ansah, bevor sie sich endgültig abwandte und den Raum verließ, um schnell zu ihrer kranken Tochter zu kommen.
Seiner Kollegin nachsehend, konnte er nicht anders, als sich großartig zu fühlen.
In solchen Momenten kam ihm immer das Sprichwort: „Jeden Tag eine gute Tat.“, in den Sinn.
Und dies war wahrhaftig Eine gewesen.
Auch, wenn sein Geld für die restliche Woche auf weniger als die Hälfte gesunken war.
Aber das war unbedeutend.
Materielle Dinge waren nichts im Vergleich zu den Immateriellen.
Und ihr glückliches Lächeln war ein mehr als schöner Dank gewesen.
Einen kleinen Augenblick stand er noch so da, ehe er tief Luft holte und Richtung Tür ging.
Seine Pause war vorbei und er musste nun weiter arbeiten.
Damit trat er durch die Tür, wieder hinaus in den Gästebereich.