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Das Licht am Ende des Tunnels

Kurzbeschreibung
OneshotDrama, Schmerz/Trost / P12 / Het
Bloody / Mary Hydra
11.05.2018
11.05.2018
1
1.938
 
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11.05.2018 1.938
 
Wie viel Zeit vergangen war, seitdem ich mich in dieser alten Burg zurückgezogen hatte, konnte ich nicht sagen. Mittlerweile war sie zu meinem neuen Zuhause geworden. Nacht für Nacht schwelgte ich in Selbstmitleid. Immer wieder schwor ich mir, keinem Menschen mehr zu vertrauen. Niemandem mehr so viel Macht über meine Gefühle zu geben. So lag ich nun hier und ließ die Tage vergehen, als ich plötzlich das laute Knarren der Eingangstür hörte. Die Aura eines Vampirs war nicht spürbar, also musste es ein Mensch sein. Es wäre nicht das erste mal, dass neugierige Menschen hier eindrangen. Für gewöhnlich reichte es, wenn ich ihnen einen Schrecken einjagte und sie so verscheuchte. Also ging ich die Treppe hinunter. Seine Schritte hallten durch den Raum. Als ich hinter ihm stand, packte ich den Jungen und warf ihn zu Boden. Mit einem finsteren Blick sah ich auf ihn herab und fragte ihn mit einer drohenden Stimme, ob er ebenfalls gekommen war, um getötet zu werden. So hatte ich bisher alle Eindringlinge verscheuchen können. Sie zitterten vor Angst und suchten das Weite. Doch dieser Junge nicht. Er grinste mich nur an. "Du bist also die Vampirin?", fragte er, während er aufstand. Er hatte keine Angst vor mir? "Du bist schön." Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und in meiner Verwirrung ließ ich es zu. Warum? Warum sagte er so etwas? Er kannte mich doch überhaupt nicht, also warum sollte er das ernst meinen? Er wollte sich doch bestimmt auch nur mein Vertrauen erschleichen, um unsterblich zu werden. Genau wie es bei Bloody Eye war. Nie wieder wollte ich einem Menschen trauen. Das hatte ich mir geschworen. Sie sind so oberflächliche und dumme Wesen. Nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Dieser Junge war bestimmt nicht anders. Doch trotzdem. Warum tat mein Herz so weh? Etwas in mir sehnte sich nach Liebe. Nach Zuneigung. Irgendwie genoss ich die warme Berührung des Jungen, auch wenn alles in mir danach schrie, seine Hand wegzuschlagen. Doch ich konnte es nicht. Stattdessen sah ich ihm unverwandt in die Augen und merkte, wie mir ohne, dass ich es wollte,eine Träne über die Wange lief. Ich hasste die Menschen. Schon seit Jahrhunderten behandelten sie uns Vampire wie Ungeziefer. Der Gedanke daran, schnürte mir die Brust zusammen. Ich wollte nicht weinen. Besonders nicht vor diesem Jungen, doch ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Schluchzend sank ich auf den Boden und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Warum ausgerechnet jetzt? Als ob ich ihn jetzt noch los wurde. Wo ich ihm doch so offensichtlich gezeigt hatte, wie schwach und verletzlich ich war. Ich zuckte zusammen, als ich spürte, wie er mir den Kopf streichelte. ''FASS MICH NICHT AN, MENSCH!!!'', schrie ich und stieß ihn von mir weg. ''War das etwa falsch? Tut mir leid.'' Der Junge saß vor mir und sah mich mit seinen braunen Augen an. ''Aber wenn eine Lady weint, kann ich doch nicht einfach so wegschauen.'', erklärte er, während er mir fest in die Augen sah. ''Wenn ich kein Mensch wäre,'', fuhr er fort. ''dürfte ich dich dann berühren?'' Was für eine Frage war das denn? ''Dann bin ich bereit dazu, ein Vampir zu werden.'' Schockiert riss ich die Augen auf und mein Blick verfinsterte sich. Ich wusste es, dachte ich verächtlich und richtete mich langsam auf. ''Das ist also der Grund, warum du hier bist...'', knurrte ich. Ich durfte diesen Fehler auf keinen Fall wiederholen. Den Menschen konnte man nicht trauen. ''NICHT NOCH EINMAL!!!'' Mit nur einer Bewegung schnappte ich mir den Kragen des Jungen und zog ihn zu mir heran. Ich holte aus, um ihm mit einem Hieb den Garaus zu machen. Doch er sah mich noch immer mit entschlossener Miene an und versuchte gar nicht erst, sich zu befreien. Meine Hand stoppte. Etwas hielt mich zurück. Überrascht fragte ich ihn, warum er so ruhig blieb und ich erstarrte, als er antwortete: ''Ich weiß, dass du mir nichts tun willst.'' Warum? Wie konnte dieser Mensch wissen, was ich fühlte? Ich konnte es nicht glauben. Doch das Schlimmste daran war, dass er damit gar nicht mal so falsch lag. Ich konnte ihn wirklich nicht töten. Mit interessiertem Blick erklärte er, dass ich ja bereits beste Gelegenheiten dazu gehabt hätte. ''Deinen Worten nach zu urteilen, hast du wohl schon einmal jemanden verwandelt.'', fuhr er fort. ''Hasst du die Menschen, weil dich diese Person verraten hat?'' Der Junge nahm meine Hand in seine. Nun lag Entschlossenheit in seinen Augen und er schwor mir, dass er mich niemals verraten würde. ''Ich habe nur zwei Wünsche. Erfülle mir nur einen von beiden und ich werde für immer dir gehören.'' Er versprach mir, dafür alles zu tun, was ich von ihm wollte. Du warst wirklich ein großartiges Spielzeug! Die Worte, die Bloody Eye zu mir sagte, kamen mir wieder in den Sinn. Mir war klar, dass Ich diesem Menschen nicht vertrauen durfte. Die Menschen sind durchtriebene, selbstsüchtige Wesen. Doch auch wenn sich mein Verstand darüber im Klaren war. Warum wollte ich diese Hand dennoch nicht loslassen?
Schlussendlich hatte ich sein Angebot angenommen. Er hatte mir erklärt, dass er das tat, um seinen Bruder zu retten. Natürlich wollte ich ihm das nicht glauben, doch nun tat ich es trotzdem. Während ich alles für die Verwandlung vorbereitete, dachte ich nach. Es würde nicht sofort funktionieren. Zuerst mussten wir sehen, wie stark er war. Wenn er den Strapazen nicht gewachsen war, könnte er dabei sterben. Mit dem Kelch ging ich zurück zu ihm. Ich hatte für den Anfang nur eine kleine Menge hinein gefüllt. Mary wartete im Nebenzimmer auf mich und ich überreichte ihm den Kelch. Er nahm ihn entgegen und trank. Kurz darauf begann er heftig zu husten und brach auf dem Boden zusammen. ''...was war das...?'', brachte er keuchend hervor. ''Mein Blut.'', antwortete ich ihm. ''Du scheinst gut dafür geeignet zu sein, ein Vampir zu werden.'' Ich beugte mich zu ihm herunter. ''Aber das braucht noch Zeit. Noch bist du nicht bereit dazu.'' Der Junge sah irritiert zu mir auf. Ich legte eine Hand an seine Wange und lächelte leicht. ''Du willst doch wohl nicht sterben?'' Er schien zu verstehen.
Ich stand neben dem Bett, in dem Mary lag. Er kämpfte mit der Verwandlung, nachdem ich ihm gesagt hatte, er solle sich ausruhen. Ich schwöre es dir. Es waren Worte ohne Bedeutung. Nichts als leere Hüllen. Doch sie gaben mir trotz allem ein gutes Gefühl, auch wenn ich nicht wusste warum. Ich glaubte nicht an die Liebe. Doch wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der Moment eines Tages kommen würde, an dem ich begann, es zu tun.
Einige Monate waren vergangen und er war nun bereit, die Verwandlung zu vollenden. ''Wach auf, Mary.'' Mittlerweile hatten seine Augen, wie auch sein Haar, eine rote Farbe angenommen und als er mich anlächelte, waren seine Reißzähne klar erkennbar. ''Es hat funktioniert.'', sagte ich zu ihm, als er sich im Bett aufrichtete. Er hustete und würgte. ''Nicht überanstrengen.'', ermahnte ich ihn. ''Du musst dich erst noch an dein neues Wesen gewöhnen.'' Nachdem ich ihm erklärt hatte, dass von nun an sehr viele Vampire hinter ihm her waren, fragte ich Mary noch einmal, ob er auch wirklich vorhatte bei mir zu bleiben. ''Ja.'', sagte er und strich mir mit der Hand über die Wange. ''Ich werde für immer an deiner Seite bleiben, Hydra.'' Diese Worte machten mich unglaublich glücklich. Auch wenn mein Verstand mir sagte, sie seien gelogen. Irgendwann würde er mich verlassen und zu seinem Bruder gehen. Das war doch überhaupt der Grund, warum er zum Vampir werden wollte. Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, doch ich ignorierte sie. ''Ich liebe dich, Mary!'' Ich wollte, dass auch er mich liebte. Wollte, dass er mich nicht nur benutzte. Ein Teil von mir wusste, dass er mich liebte, doch der andere wollte ihm noch immer nicht trauen.
''Schon zweimal hast du unsere Blutlinie befleckt!'' Gekonnt wich ich dem Schlag aus, der auf mich zu sauste. ''Eine Schande bist du!'' Wie ich es vorausgesagt hatte, waren am späten Abend Vampire in unsere Burg eingedrungen. Zwar hatte ich bereits einige meiner Gegner erledigt, doch waren es mehr, als ich dachte. Schnell schaltete ich meinen Angreifer aus, um mich sogleich um den nächsten zu kümmern. Mary war kurz vorher ausgegangen und wollte bis zum Morgengrauen wieder zurück sein. Ich hoffte, ihm war nichts passiert.
Als ich nach einiger Zeit alle Angreifer eliminiert hatte, ging ich los, um ihn zu suchen. Es regnete in Strömen. Ich durchsuchte die Gassen in der näheren Umgebung, bis ich ihn schließlich fand. ''M... Mary...?'' Vor mir lagen zwei blutverschmierte Körper. Mir kam eine Frage in den Sinn, die mir Mary vor ein paar Wochen gestellt hatte. Er fragte mich, ob auch er nach seiner Verwandlung dazu fähig wäre, seinen Bruder zu verwandeln. Zwar hatte ich ihn davor gewarnt, dass er bei dem Versuch sterben könnte, doch nun sah es so aus, als ob er es doch getan hätte. Schockiert stand ich nun vor ihm. Das kann nicht sein, dachte ich verzweifelt. Er durfte nicht tot sein. Er hatte doch versprochen, immer an meiner Seite zu bleiben. Als ich sah, wie seine Hände begannen, sich aufzulösen, stürzte ich zu ihm und nahm ihn in meine Arme. ''Nein!'', rief ich unter Tränen. Ich würde es nicht zulassen, dass Mary zu Asche wurde. Er durfte nicht verschwinden. Er musste bei mir bleiben. Ich spürte, wie sich neben uns jemand aufrichtete. Es war sein Bruder. Die Verwandlung war anscheinend erfolgreich gewesen. Ich hielt Mary noch immer umklammert. ''Mary?!'' In Marias Gesicht lag Entsetzen und Traurigkeit, doch ich achtete nicht darauf. Ich hatte selbst mit den Gefühlen in mir zu kämpfen. Trauer. Zorn. Verzweiflung. Nur weil er seinen Bruder retten wollte, war Mary gestorben. Wäre doch nur sein Bruder an seiner Stelle gestorben. Maria wollte nach ihm greifen, doch ich schrie ihn an, er solle ihn nicht anfassen. Voller Hass schaute ich ihm in die Augen. ''Das ist nur deine Schuld!'', rief ich. Traurig und fassungslos starrte er mich an. ''Weist du das etwa nicht?'', fauchte ich ihm entgegen. ''Nur deinetwegen ist er zum Vampir geworden! Nur, dass du leben kannst, ist Mary bei dem Versuch, dich auch zu verwandeln, gestorben!'' Das hier ist nicht fair, dachte ich traurig. Das war einfach nicht fair. Warum. Warum musste er sterben? War es etwa mein Schicksal, auf ewig allein zu bleiben? ''Dass er tot ist, ist allein deine Schuld!!'', brüllte ich nun fast. ''Deine bloße Existenz hat Mary getötet!!!'' Maria richtete sich entsetzt auf und rannte im Regen davon. Noch immer hielt ich Marys Körper laut schluchzend umklammert, bis ich ihn schließlich nach Hause trug. Ich dachte, dass Mary das Licht am Ende eines dunklen Tunnels voller Kummer und Leid war. Doch nun musste ich schmerzlich feststellen, dass es wohl doch nur die alles verzehrenden Flammen der Hoffnungslosigkeit waren.
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