You deserve it, Magnus.
von RamonaXX
Kurzbeschreibung
Alec spürt, dass mit Magnus etwas nicht stimmt. Er hat keine Ahnung was es ist, aber der Hexenmeister verhält sich seit Tagen seltsam, ganz so, als würde er etwas verbergen. Feinfühlig nimmt der Shadowhunter die Spur auf und stellt seinen Partner zur Rede. [Magnus x Alec, Hurt/Comfort, First Time – für den Autor!]
OneshotDrama, Schmerz/Trost / P12 / MaleSlash
Alexander "Alec" Lightwood
Magnus Bane
23.03.2018
23.03.2018
1
4.067
17
Alle Kapitel
10 Reviews
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Dieses Kapitel
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23.03.2018
4.067
Vorbemerkung:
Wie in der Kurzbeschreibung angedeutet, ist dies meine allererste Fanfiction in diesem Fandom. Die gute Ririchyo hat mich hier hergeführt und dafür gesorgt, dass ich mich in den Charakter von Magnus Bane verguckt habe. *Du Hexe! Du! :-)* Jetzt dürfen ein paar neugierige Leser diesen Salat ausbaden und sich meinen (zugegeben langen) One-Shot reinziehen.
Es geht hier um eine Szene aus Folge 15, der 2. Staffel, wo Magnus Alec unter Tränen gesteht, dass er seinen Stiefvater getötet hat. Ich hab den Dialog ein wenig umgeschrieben und alles etwas mehr „ausgeschmückt“. Ich hoffe es gefällt euch.
Etwas stimmte mit Magnus nicht. Und Alec wusste das. Er spürte es schon seit Tagen. Mehrere Male war er in der letzten Woche alleine in ihrem Bett aufgewacht; von Magnus keine Spur.
Es hatte ihn jedes Mal überrascht und kurzzeitig verwirrt. Denn seit er regelmäßig hier schlief, hatte Alec festgestellt, dass Magnus neben seiner extravaganten, partyfreudigen und zum Teil leicht hochnäsigen Art auch eine anschmiegsame und ruhige Seite hatte, die es liebte sich morgens im Bett nochmal umzudrehen und sich eng an ihn gekuschelt unter die warme Decke zu wühlen. Doch dieses Bedürfnis und alle damit verbundenen, schönen Momente schienen seit kurzem keine Bedeutung mehr für Magnus zu haben.
Zu oft war Alec alleine aufgewacht und aus dem Bett gestiegen, als dass er noch an einen Zufall glauben konnte. Er hatte Magnus stets nach kurzem Suchen gefunden, aber es war immer dasselbe Bild gewesen. Wie ein unruhiger Tiger durchstreifte der Hexenmeister am Morgen sein Apartment, stand entweder vor den großen Wohnzimmerfenstern oder saß – in eines seiner bunten Seidenhemden gekleidet – auf der Couch, den Blick starr geradeaus gerichtet. Er hatte jedes Mal abwesend auf Alec gewirkt und wenn überhaupt, nur zeitverzögert reagiert.
Wäre es nur dass gewesen, hätte Alec sich noch einreden können, dass es nun mal in Magnus’ Natur lag, dass er gelegentlich Abstand und Zeit für sich brauchte. Zeit, nur mit sich. Wer konnte schon in den Kopf eines mehrere hundert Jahre alten Hexenmeisters schauen? Aber es war mehr als das. Mehr als das allmorgendliche, fluchtartige Verlassen des Bettes, das ihn beunruhigte.
Magnus war dieser Tage ungewöhnlich schreckhaft. Gott, was hieß »dieser Tage«? Es war ein Wunder – ein gefährliches Wunder – dass er überhaupt schreckhaft war. Ein Magnus Bane, der grundsätzlich gefasst und charismatisch reagierte, was immer auch um ihn herum passierte und der nie seine Gewandtheit und Eleganz verlor, war schreckhaft geworden. Konnte das wirklich sein? Oder irrte Alec sich in seiner Beobachtung und das leichte Zucken, das durch seinen Partner ging, wenn er ihn ansprach, war reine Einbildung?
Zerbrach sich Alec nicht darüber den Kopf, hingen seine Gedanken der dritten Auffälligkeit von Magnus nach; seinen Ausflüchten und Beschwichtigungen. Wann immer er ihn auf sein sonderbares Verhalten in den letzten Tagen angesprochen hatte, war Magnus ihm ausgewichen. Er hatte seine eleganteste Mir-geht-es-gut-Miene aufgesetzt, eine schwingende Handbewegungen gemacht und gelächelt, als könnte nichts in der Welt sein Stimmung trüben.
Aber Alec wusste es besser. Er wusste, wann Magnus wirklich gute Laune hatte, und wann er es nur vorgab. Im Moment war Magnus’ Verhalten eine Fassade. Für was, dessen war sich Alec ganz und gar nicht sicher. Aber er wusste, dass er es herausfinden würde.
***
Die schwarze Eingangstür fiel ins Schloss und Alec betrat am Abend das Apartment. „Ich bin wieder da!“, rief er ohne jemanden zu sehen und durchschritt den Eingangsbereich. Im Wohnzimmer fand er Magnus. Den Rücken ihm zugewandt stand der Hexenmeister vor dem runden Glastisch mit seiner Hausbar und hantierte mit einer der Falschen. „Hey.“, sagte Alec freundlich und kam näher.
Magnus warf einen flüchtigen Blick über die Schulter und erwiderte den Gruß: „Alec, hey.“ Das Geräusch der zufallenden Tür hatte ihn mit einem gewaltigen Satz aus seinem Gedankenstrudel in die Gegenwart katapultiert und von der Couch aufspringen lassen, auf der er eben noch gesessen hatte. Schnell hatte Magnus sich an die Bar geflüchtet. Erstens, um sein Glas nachzufüllen, das sich mal wieder viel zu schnell geleert hatte. Und zweitens, um sein noch tränenfeuchtes Gesicht zu verbergen.
Eine Hand legte sich auf Magnus’ Seite und kurz darauf wurde ein sanfter Kuss in seinen Nacken gehaucht. Er musste sich mächtig zusammenreißen, um nicht die Fassung zu verlieren und seine Tränen ein weiteres Mal durchbrechen zu lassen. Die täglichen Liebkosungen von Alec waren so voller Zuneigung und Fürsorge, dass es Magnus immer schwerer fiel seine schützende Fassade aufrecht zu halten. Wie sehr er auch versuchte diesen kleinen Liebenswürdigkeiten zu entkommen, um seinen Kummer mit sich selbst auszumachen, der Shadowhunter fand ihn. Immer.
Schon wieder war da dieses schreckhafte Zucken gewesen. Alec hatte es deutlich unter seiner Hand gespürt. Es war ein hoffungsloser Versuch darauf eingehen zu wollen und nach dem Grund zu fragen. Worüber ein Magnus Bane nicht sprechen wollte, darüber schwieg er sich aus. Als Folge davon ging Alec zu etwas Unverfänglicherem über und fragte: „Wie war dein Tag?“
„Gut.“, log Magnus und stellte die Flasche aus der Hand. Gerne hätte er sich übers Gesicht gewischt, um sich zu vergewissern, dass seine Wangen inzwischen getrocknet waren, doch er widerstand dieser auffälligen Geste erfolgreich. Alecs Hand ruhte nach wie vor auf seiner Seite und je länger sie dort lag, desto größer schien sein innerer Konflikt zu werden. Er konnte es ihm nicht sagen. Wirklich nicht. Er hatte es die letzten Tage und Wochen nicht gekonnt und selbst wenn der Druck immer größer geworden war, er würde sein Schweigen und seinen Schein auch jetzt nicht brechen.
„Willst Du auch was trinken?“
Magnus’ Ausrede war mehr als durchschaubar und mit einer Mischung aus Trotz und Enttäuschung ließ Alec seinen Partner los. „Ich denke nicht.“ Je mehr Angebote er dem Hexenmeister machte, sich ihm anzuvertrauen, desto mehr schien er von ihm zurückgewiesen zu werden.
„Du denkst nicht?“, wiederholte Magnus in einem Anflug gespielter Beleidigung und war in Wahrheit erleichtert über die Unterbrechung des Kontaktes. Er wusste, dass Alec in seinem Rücken stand und ihn genauestens musterte. Ebenso wie er wusste, dass er jetzt nicht die Kraft besaß sich zu ihm umzudrehen. „Wenn das so ist“, fuhr Magnus fort und hob sein Glas, „dann muss ich wohl für dich mittrinken.“ Das Glas kaum an den Lippen, legte er den Kopf in den Nacken und leerte den Martini in wenigen Zügen. Anschließend stellte er es wieder ab und begann es von neuem zu füllen.
Das reichte! Alec hatte genug gesehen. Er hatte endgültig die Nase voll davon eine Mauer aus schöner-heiler-Welt-Bausteinen vorgelogen zu bekommen, wenn er doch genau sehen konnte, wie sehr Magnus dahinter litt. In absolut ernstem Tonfall sagte er: „Magnus, sieh mich an. Bitte.“
Die Worte trafen auf den Rücken des Hexenmeisters und hinterließen ein beklemmendes Gefühl in seinem Nacken. Alec hatte weder im Vorwurf, noch mit Wut zu ihm gesprochen. Es war offenherzig und ehrlich gemeint. Und gerade das war es, was Magnus am meisten schmerzte. Alec war ehrlicher zu ihm, als er zu sich selbst. Dennoch würde er nicht nachgeben. Nein, das würde er nicht! Aber er würde Alecs Bitte auch nicht einfach ignorieren können. Sein nächstes Getränk in der Hand, drehte Magnus sich langsam zu seinem Partner um.
Was Alec zu sehen bekam, verschlug ihm im ersten Moment die Sprache. Magnus schien nicht er selbst zu sein. Kein Glanz. Kein Glitzer. Keine Ausstrahlung. Nicht mal ein Funke von dem, was diesen Mann sonst tagtäglich zu einer so schillernden und anziehenden Persönlichkeit machte. Alles was Alec sah, war ein ihm unbekanntes, abgespanntes Gesicht, durchfurcht von Selbstzweifeln und tiefer Traurigkeit. Und erst auf den zweiten Blick bemerkte er, dass Magnus’ dunkler Lidschatten leicht verwischt war. Nicht so stark, dass es unangenehm auffiel, aber doch genug, um zusammen mit seinem gequälten Blick zu verdeutlichen, wie unsagbar schlecht es ihm ging. Im Wunsch etwas Tröstendes sagen oder tun zu können, fragte Alec ruhig: „Was ist los?“
„Was soll sein?“, gab Magnus ironisch zurück und zwang sich zu einem künstlichen Lächeln. „Alles ist gut.“, fügte er hinzu und brachte seine ganze Kraft auf, um Alecs durchdringendem Blick standzuhalten. Er wusste, dass es eine Lüge war, aber machte das wirklich einen Unterschied, bei all den Unwahrheiten in seinem viel zu langem Leben? Über sich selbst schmunzelnd hob der Hexenmeister sein Glas und führte es zum Mund.
In den traurigen Augen flackerte plötzlich eine vertraute Arroganz auf und selbst wenn es nur für den Bruchteil einer Sekunde war, reichte dieser Moment der Überheblichkeit aus, um Alecs anfängliches Entsetzen in blindes Unverständnis zu kehren. Es war genau der Punkt, dem er am meisten misstraute – nämlich, wenn Magnus sich von ihm entfernte, je näher er ihm kam. Ungläubig begann er den Kopf zu schütteln. „Nein.“, sagte Alec und blieb beharrlich, „Nichts ist gut. Du weichst mir seit Tagen aus. Du ziehst dich zurück. Du schläfst nicht mehr mit mir in einem Bett. Und Du… Du…“ – Es kostete ihn sichtlich Überwindung den letzten Punkt seiner Ausführung anzusprechen – „Du lügst mich an.“
Seine Worte standen im Raum, wie eine geladene Waffe mit dem Finger am Abzug. Es war keineswegs seine Absicht gewesen seinem Partner die Pistole auf die Brust zu setzen und als hätte er etwas gutzumachen, nahm Alec von neuem Anlauf sich einfühlsam durch Magnus’ harte Schale zu bohren. „Irgendwas stimmt nicht, Magnus.“ Er hielt kurz inne, um seinem Partner eine Chance zum Antworten zu geben. Als nichts kam, bohrte er weiter nach: „Was ist es?“
Fast schon beschämt drehte Magnus den Kopf zur Seite. Alec war auf dem besten Weg seine schützende Fassade zu durchbrechen und an das zu gelangen, was er mit aller Kraft vor ihm geheim hielt. Was dann geschehen würde, hatte Magnus im Kopf bereits tausendmal durchgespielt und es hatte ihm viele schlaflose Nächte bereitet. Als ein Kompromiss aus Selbstschutz und Zugeständnis antwortete er wahrheitsgemäß: „Ich will nicht darüber sprechen.“
Es waren die ersten zusammenhängen ehrlichen Worte, die Alec an diesem Abend hörte und die Art wie Magnus sich dabei von ihm wegdrehte, seinem Blick auswich, ließ ihn einen Schritt nach vorne machen. „Magnus, bitte.“, sagte er eindringlich und griff nach dem schlanken Handgelenk, das wie so oft mit Ketten und Armbändern geschmückt war. Alec hatte das dringende Bedürfnis ihn wieder zu berühren, Kontakt mit Magnus zu schließen, um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, ihn zu verstehen.
Magnus’ Blick fiel auf Alecs Hand und Alec folgte ihm. Leise sagte er: „Du weißt, dass ich nicht locker lasse. Du hast es damals selbst zu mir gesagt. Hast mich darum gebeten dich nicht wegzustoßen, wenn harte Zeiten kommen. Erinnerst Du dich?“ Alec spürte, dass seine Worte Gewicht hatten, da Magnus sich ihm nicht entzog, sondern auf der Stelle verharrte. Fragend neigte der Shadowhunter den Kopf und suchte den Blick des anderen.
Die Hand, ihr sicherer Griff, die warmen Finger auf seiner Haut – all das war Magnus sehr vertraut. Er spürte wie die Sehnsucht sich das Herz auszuschütten als große Welle auf ihn zu rollte. Doch seine alten Zweifel hielten ihn zurück. Wenn Alec beim bloßen Anblick seines kummervollen Gesichtes schon so betroffen reagierte, wie sollte es dann erst sein, wenn er mit ihm darüber sprach, was ihn tatsächlich quälte? Wenn er ihm die Wahrheit über seine wochenlangen Albträume erzählte? Langsam zog Magnus seine Hand zurück und fragte gedämpft: „Weißt Du was Schmerz ist, Alexander?“
Alec beobachtete wie sich Magnus mit seinem Glas in der Hand von ihm entfernte und nervös daran nippte. Ihm war klar, dass Magnus eine Fährte ausgelegt hatte, nur wohin sie ihn führen sollte, war für ihn nicht ersichtlich. Er dachte daran zurück als Magnus im Körper von Valentine Morgenstern gesteckt hatte und fälschlicherweise gefangen gehalten und verhört worden war. Ohne sich wirklich sicher zu sein, fragte Alec: „Du meinst Folter?“
Magnus fühlte wie sich Kräfte in ihm zusammenbrauten. Mächtige Kräfte. Böse Kräfte. Alecs erste Eingebung war nicht grundlegend verkehrt gewesen. Man hatte ihn in Valentines Körper gefoltert, doch es waren nicht die Erinnerungen an die Folter selbst, die ihn fest umklammert hielt. Es waren längst verdrängte Bilder seiner Kindheit, die ihm seit jeher nicht mehr aus dem Kopf gingen. Verzögert beantwortete Magnus Alecs Frage: „Nein, ich spreche nicht von physischem Schmerz.“ Abwesend glitt sein Blick zum nächsten Fenster und raus in die schwarze Nacht. „Ich meine, wenn da etwas ist… Eine Erinnerung, etwas, das Du immer wieder erlebst. Das dich durch deine Träume jagt. Dich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt. Etwas, das dich…“ Seine Hand umfasste das fragile Martiniglas fester und zwischen seinen Fingerspitzen setzte ein gefährliches Kribbeln ein.
„Wovon redest Du?“, fragte Alec verwirrt. Es war unübersehbar, dass Magnus sich mit jeder Silbe quälte und gegen einen großen Widerstand ankämpfte, dennoch konnte Alec sich keinen Reim auf seine Fragmente machen.
Das Kribbeln steigerte sich rasch zu einem fiesen Brennen und Magnus’ Finger verkrampften sich. Sein ganzer Arm verspannte sich, in dem Versuch die wachsende Magie in seiner Hand in Schach zu halten.
Vom sichtbaren Kummer seines Partners getrieben, drängte Alec auf eine Antwort. „Magnus“, bettelte er inständig, „sprich mit mir.“
Der Hexenmeister konnte es vorhersehen, kurz bevor es passierte. Mit einem gewaltigen Klirren zersprang das Glas in seiner Hand. Ein Scherbenhaufen regnete zu Boden und feine Martinitröpfchen verteilten sich in der Luft. Hastig schnappe Magnus nach Luft, als sei ein großer Schmerz von ihm genommen worden. Dann sah er in seine Handfläche, die durch den Zauber unverletzt geblieben war und beobachtete wie sich die Überreste seiner Magie als blau-weißer Schleier verflüchtigten. Vollkommen neben sich stehend hob er den Kopf. „Ich hab sie getötet, Alexander. Ich hab sie getötet.“
Ein Paar leuchtend gelbe Katzenaugen starrten Alec an, doch abschrecken konnten sie ihn nicht. Er hatte Respekt vor Magnus’ Macht, wusste um ihre gewaltigen Auswirkungen und ließ sich in diesem Moment mehr denn je von seinem Gefühl leiten. Magnus brauchte ihn. Jetzt. „Wen?“, fragte er leise und näherte sich dem Hexenmeister, der so aussah, als würde er selbst jeden Augenblick zerbrechen, mit der gebotenen Vorsicht. Wohlüberlegt wiederholte Alec seine Frage: „Wen hast Du getötet?“
Magnus begann zu zittern. Die Bilder ihres toten Körpers erschienen ihm plötzlich gestochen scharf und schmerzten ihn so sehr, als hätte er sie gerade erst gefunden. Gequält kniff er die Augen zusammen, sog die Luft tief durch die Nase ein und hatte doch Angst davor von innen zu ersticken. Seine Wangen wurden feucht. Seine Brust zog sich weiter zusammen. Und unter Tränen gestand Magnus: „Meine Mutter. Ich habe meine Mutter getötet.“
Mit offenem Mund stand Alec da und starrte auf den aufgelösten Mann, der sich weinend und verzweifelt zur Couch flüchtet. „Was?“, fragte er mit dünner Stimme und traute seinen Ohren nicht. Es dauerte einen Augenblick bis sein Gehirn die Information verarbeitet hatte, und noch einen weiteren, bis sein Körper ihm wieder gehorchte. Dann setzte Alec sich umgehend in Bewegung und ging ohne lange zu überlegen vor der Couch auf die Knie.
Reflexartig presste Magnus die Beine zusammen und drehte sich weg. Jetzt war alles zu spät. Alec wusste Bescheid und mit Gewissheit würde er ihm nun den Rücken kehren und ihn verlassen. Niemand wollte mit jemandem zusammen sein, dessen Gewissen mit dem Leben der eigenen Mutter belastete war; dessen war Magus sich absolut sicher. Er verdiente keine Liebe. Und schon gar nicht die des gutherzigen Alexander Lightwood. Nicht nach dem, was er getan hatte. Die Erkenntnis nicht liebenswert zu sein, schmerzte mehr als alles andere und aufgeregt fing Magnus an um seinen Atem zu ringen.
Alec wusste nicht was er tun sollte. Noch nie hatte er Magnus so zerstreut und in Tränen aufgelöst erlebt. Es brach ihm tief im Inneren das Herz, dass er nicht auf Anhieb wusste, wie er ihm helfen konnte. Im Versuch ihn zu beruhigen, legte Alec seine Hände auf Magnus’ Schenkel und begann tröstend darüber zu reiben. Wenn ihm schon keine Worte einfielen, um seinen Schmerz lindern, dann tat es vielleicht diese Geste.
Es half. Und während Magnus langsam wieder zu Luft kam, sortierte Alec angestrengt seine Gedanken. Er wusste, dass Magnus’ leibliche Mutter gestorben war, als er noch ein kleines Kind gewesen war. Jedoch waren die ihm bis jetzt bekannten Umstände ganz andere gewesen.
Die Hände vor das eigene Gesicht geschlagen, versuchte Magnus die Kontrolle über seinen Körper wiederzugewinnen. Die auf und ab gleitenden Hände von Alec, die eine gleichmäßige Wärme auf seiner Haut verteilten, halfen ihm dabei. Aber warum war der Shadowhunter überhaupt noch hier? Warum ging er nicht weg, jetzt, wo er die Wahrheit aus seinem Mund gehört hatte?
Als Alec den Eindruck hatte, dass Magnus sich gefangen hatte und halbwegs aufnahmefähig war, brachte er ihn mit seinen widersprüchlichen Gedanken zusammen. „Ich dachte immer“, begann Alec ruhig und hörte nicht auf über Magnus’ Beine zu reiben, „deine Mutter hätte sich das Leben genommen?“
„Hat sie auch!“, entfuhr es Magnus heftig und er musste laut schniefen. „Aber es war meine Schuld. Ich habe sie dazu getrieben. Ich! Verstehst Du?“ Der überwältigende Schmerz kehrte zurück und kopflos fuhr sich Magnus mit den Händen über den Mund und durch das tränennasse Gesicht. Das war zu viel. Das war einfach alles zu viel.
Alec konnte das Leid seines Partners keine Sekunde länger mit ansehen. Entschlossen griff er nach Magnus’ Handgelenken und zog sie von seinem Gesicht weg. „Ruhig, Magnus. Ganz ruhig.“, versuchte er ihn wieder auf den Teppich zu holen. „Ich bin ja hier.“ Ein ungehinderter Blick in das Gesicht des Hexenmeisters offenbarte, dass sein schöner Lidschatten nun endgültig verwischt war. Doch Alec hatte dafür nur wenig Aufmerksamkeit übrig. Er besann sich weiter darauf Magnus zu trösten. Mitfühlend sagte er: „Erzähl mir, was passiert ist. Aber fang erst an zu sprechen, wenn Du das Gefühl hast, dass Du soweit bist. Was immer es ist, ich bin hier und hör dir zu.“
Die Worte legten sich wie Balsam auf Magnus’ brennende Brust und es gelang ihm sich auf seinen Atem zu konzentrieren. Für einige Minuten tat er nichts anderes, als bewusst und tief zu atmen, seine Erinnerungen im Kopf zu ordnen und sich dabei Alecs Gegenwart zu versichern, die ihm den nötigen Rückhalt gab.
Dann fühlte er sich bereit und die Geschichte floss mit einem Mal geschlossen und zügiger aus ihm hinaus, als er es erwartet hatte. „Meine Mutter“, begann Magnus und schluckte, „sie hat sich damals so sehr dafür geschämt, mich zur Welt gebracht zu haben. Nie werde ich den Tag vergessen, an dem sie das erste Mal vor mir zurückgewichen ist. Sie… Sie hat meine Katzenaugen gesehen, sich die Hand vor den Mund geschlagen und ist aus dem Raum gelaufen. Einige Zeit hat sie noch versucht damit klarzukommen, aber ihre Schuldgefühle sind immer größer geworden. Schließlich hat sie sich dann umgebracht, aus Scham ein Monster geboren zu haben. Und ich… Ich…“
Magnus fühlte große, salzige Tränen von neuem über seine Wangen rinnen und war dankbar, als Alec seine zitternden Hände in diesem Moment fest mit seinen umschloss. Mit tränenreicher Stimme brachte Magnus seine Erzählung zu Ende: „Ich habe sie damals gefunden, Alexander. Ihren toten Körper, mit dem Dolch in ihrer Brust. Und jetzt, seit das mit Valentine passiert ist, erlebe ich diese Situation wieder und wieder. Jedes verdammte Mal, wenn ich meine Augen schließe, sehe ich ihren toten Körper. Ich krieg’ diese Bilder einfach nicht aus meinem Kopf.“
Alec hatte aufmerksam zugehört und jedes Wort auf Magnus’ Lippen mitgelesen, ohne dabei den Kontakt zu ihm zu unterbrechen. Nun brauchte er etwas Zeit, sich der zusammengesetzten Bausteine in seinem Kopf bewusst zu werden und deren niederschlagende Wirkung zu verdauen. Magnus’ Geschichte war erschütternd und Alec zweifelte nicht eine Sekunde an ihr. Innerlich bereute er sogar, dass er nicht schon früher hartnäckiger nachgeforscht hatte, aber je länger er darüber nachdachte, desto größer wurde sein Wunsch wenigstens jetzt für Magnus da zu sein.
Ermutigend suchte Alec den Blick seines Partners, und als er ihn gefunden hatte, sprach er aus tiefster Überzeugung: „Es ist nicht deine Schuld, Magnus. Wirklich nicht.“ Seine rechte Hand wanderte hoch zu Magnus’ Wange und augenblicklich spürte Alec, wie sich ein heißes Gesicht Trost suchend daran anlehnte. „Du warst noch ein Kind.“, fügte er leise hinzu und legte die zweite Hand an Magnus’ andere Wange.
Es tat gut seine Hände dort zu spüren. Sie erdeten ihn, gaben ihm ein Gefühl der Sicherheit, das er jetzt mehr brauchte als alles andere. Vertrauensvoll und von einem tiefen Atemzug begleitet, sanken Magnus’ Lider nach unten. Doch die Bilder seiner toten Mutter kehrten unvermittelt zurück und panisch riss er sie wieder auf. Es war ein Leichtes aus Alecs Gesicht zu lesen, das er sie sehen konnte; seine Katzenaugen. Aber im Gegensatz zu seiner Mutter und all den anderen Menschen, deren Zuneigung sich Magnus wünschte, wich Alec nicht davor zurück. Nicht mal den kleinsten Millimeter! Es schien als hätte das scheußliche Hexenmal, das sein Vater ihm mitgegeben hatte, nicht die geringste Wirkung auf ihn.
Magnus verstand die Welt nicht mehr.
Seine magischen Kräfte waren mächtiger als er. Es gab Teile davon, die er niemals würde kontrollieren können. Dass das Glas vorhin in seiner Hand zersprungen war, hatte auch sein Gutes gehabt. Schlimmer wäre es gewesen, hätte seine Macht ungebremst mit Gegenständen um sich geworfen oder das Bücherregal in Brand gesteckt. Oder noch schlimmer, Alec verletzt. Sich in seiner Nähe aufzuhalten, konnte gefährlich sein. Mitunter sogar sehr gefährlich. Er verdiente Alecs Liebe nicht. Wirklich nicht. In vernichtenden Selbstvorwürfen ertrinkend klagte Magnus: „Es ist gefährlich mich zu lieben, Alexander. Ich bin der Sohn eines Dämons.“ Verloren sah Magnus auf und wünschte sich vergeblich, dass sein Blick in die Augen des Shadowhunters ihn von dieser Last befreite.
Alec sagte nichts. Er wischte bloß mit seinem Daumen über eine feuchte Wange und blieb wo er war; bereit seinen Partner aufzufangen, wann immer dieser sich dazu entschließen sollte sein Selbstmitleid und seinen Schmerz hinter sich zu lassen.
Magnus sehnte sich nach einem Ende seiner Tränen, doch jetzt wo das Ventil geöffnet war, konnte er nicht verhindern, dass auch der Rest seines viel zu lange aufgestauten Kummers aus ihm hinaus floss, wie ein unaufhaltsamer Wasserfall eine Klippe hinab rauschte. „Es gibt da diese dunkle, böse und hässliche Seite an mir.“, begann Magnus und wollte nicht glauben, dass Alec nach wie vor vor der Couch kniete und ihm beistand. „Ich will nicht, dass Du sie siehst. Und vor allem will ich nicht, dass ich dich auf die gleiche Weise verliere. Ich habe Angst, dass–“
„Hey!“, unterbrach Alec ihn entschieden. „Du wirst mich nicht verlieren. Und schon gar nicht so.“ Seine Hand streichelte über Magnus’ Wange, doch das feine Lächeln, das er ihm schenkte, wurde nicht erwidert. Bekräftigend wiederholte Alec sich: „Magnus, ich liebe dich. Und ich bin immer für da dich.“
Der Hexenmeister wirkte nicht überzeugt und hielt schuldbewusst den Blick gesenkt. Alecs Stimme wurde weicher. „Hey…“, sagte er einfühlsam und legte eine Hand an Magnus’ Kinn. „Sieh mich an.“
Magnus widersetzte sich der geforderte Bewegung nicht und hob den Kopf. Aus seinen Augen, die inzwischen wieder zu einem normalen Aussehen gewechselt hatten, sprach tiefste Unsicherheit. Er wollte Alec glauben, das wollte er wirklich. Aber er konnte nicht. Er konnte es einfach nicht.
Alec wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als Magnus seine Unsicherheit zu nehmen und ihm sein Selbstvertrauen zurückzugeben. Den Blick fest auf ihn gerichtet, sagte er mir klarer und deutlicher Stimme: „Du verdienst es geliebt zu werden, Magnus. Egal wie Du darüber denkst. Da ist nichts Hässliches an dir.“ Alec gab seinen Worten die nötige Zeit ihre Wirkung zu entfalten. Dann ergänzte er mit einem nicht ganz ernst gemeinten Grinsen: „Und so ganz nebenbei – ich mag deine Augen.“
Jetzt tauchte tatsächlich ein leichtes Schmunzeln im Gesicht des Hexenmeisters auf und im nächsten Augenblick ließ er sich ohne Vorwarnung nach vorne fallen und von Alec auffangen. So fest er konnte krallte Magnus sich in die Schultern seines Partners und ließ seinen ganzen Schmerz mit einem einzigen Herzschlag los. Es war die Erlösung, die er sich seit langem gewünscht, sich aber aus Angst zurückgestoßen zu werden niemals getraut hatte bei Alec zu suchen. Jetzt wusste Magnus, der Shadowhunter würde ihn nicht zurückstoßen. Nicht jetzt. Nicht morgen. Niemals.
Die wundervolle Erfahrung sich seiner Liebe gewiss sein zu dürfen, sickerte in Magnus’ Unterbewusstsein, wie lebensspendendes Wasser in ausgetrocknete Erde. Mit jeder Sekunde, die Alec ihn hielt, wurde es ihm klarer. Er hat sich noch nie zuvor so menschlich, so sterblich und zugleich so geliebt gefühlt, wie in diesem Augenblick in Alecs Armen.
A.N.
Und nochmal einen Dank an Ririchyo, die mich mit dem notwendigsten Handwerkszeug ausgestattet hat, um hier etwas schreiben zu können. Ohne ihre Einstiegshilfe hätte ich diesen Text nicht verfassen können. (Du bist die Beste!)
Wie in der Kurzbeschreibung angedeutet, ist dies meine allererste Fanfiction in diesem Fandom. Die gute Ririchyo hat mich hier hergeführt und dafür gesorgt, dass ich mich in den Charakter von Magnus Bane verguckt habe. *Du Hexe! Du! :-)* Jetzt dürfen ein paar neugierige Leser diesen Salat ausbaden und sich meinen (zugegeben langen) One-Shot reinziehen.
Es geht hier um eine Szene aus Folge 15, der 2. Staffel, wo Magnus Alec unter Tränen gesteht, dass er seinen Stiefvater getötet hat. Ich hab den Dialog ein wenig umgeschrieben und alles etwas mehr „ausgeschmückt“. Ich hoffe es gefällt euch.
You deserve it, Magnus.
Etwas stimmte mit Magnus nicht. Und Alec wusste das. Er spürte es schon seit Tagen. Mehrere Male war er in der letzten Woche alleine in ihrem Bett aufgewacht; von Magnus keine Spur.
Es hatte ihn jedes Mal überrascht und kurzzeitig verwirrt. Denn seit er regelmäßig hier schlief, hatte Alec festgestellt, dass Magnus neben seiner extravaganten, partyfreudigen und zum Teil leicht hochnäsigen Art auch eine anschmiegsame und ruhige Seite hatte, die es liebte sich morgens im Bett nochmal umzudrehen und sich eng an ihn gekuschelt unter die warme Decke zu wühlen. Doch dieses Bedürfnis und alle damit verbundenen, schönen Momente schienen seit kurzem keine Bedeutung mehr für Magnus zu haben.
Zu oft war Alec alleine aufgewacht und aus dem Bett gestiegen, als dass er noch an einen Zufall glauben konnte. Er hatte Magnus stets nach kurzem Suchen gefunden, aber es war immer dasselbe Bild gewesen. Wie ein unruhiger Tiger durchstreifte der Hexenmeister am Morgen sein Apartment, stand entweder vor den großen Wohnzimmerfenstern oder saß – in eines seiner bunten Seidenhemden gekleidet – auf der Couch, den Blick starr geradeaus gerichtet. Er hatte jedes Mal abwesend auf Alec gewirkt und wenn überhaupt, nur zeitverzögert reagiert.
Wäre es nur dass gewesen, hätte Alec sich noch einreden können, dass es nun mal in Magnus’ Natur lag, dass er gelegentlich Abstand und Zeit für sich brauchte. Zeit, nur mit sich. Wer konnte schon in den Kopf eines mehrere hundert Jahre alten Hexenmeisters schauen? Aber es war mehr als das. Mehr als das allmorgendliche, fluchtartige Verlassen des Bettes, das ihn beunruhigte.
Magnus war dieser Tage ungewöhnlich schreckhaft. Gott, was hieß »dieser Tage«? Es war ein Wunder – ein gefährliches Wunder – dass er überhaupt schreckhaft war. Ein Magnus Bane, der grundsätzlich gefasst und charismatisch reagierte, was immer auch um ihn herum passierte und der nie seine Gewandtheit und Eleganz verlor, war schreckhaft geworden. Konnte das wirklich sein? Oder irrte Alec sich in seiner Beobachtung und das leichte Zucken, das durch seinen Partner ging, wenn er ihn ansprach, war reine Einbildung?
Zerbrach sich Alec nicht darüber den Kopf, hingen seine Gedanken der dritten Auffälligkeit von Magnus nach; seinen Ausflüchten und Beschwichtigungen. Wann immer er ihn auf sein sonderbares Verhalten in den letzten Tagen angesprochen hatte, war Magnus ihm ausgewichen. Er hatte seine eleganteste Mir-geht-es-gut-Miene aufgesetzt, eine schwingende Handbewegungen gemacht und gelächelt, als könnte nichts in der Welt sein Stimmung trüben.
Aber Alec wusste es besser. Er wusste, wann Magnus wirklich gute Laune hatte, und wann er es nur vorgab. Im Moment war Magnus’ Verhalten eine Fassade. Für was, dessen war sich Alec ganz und gar nicht sicher. Aber er wusste, dass er es herausfinden würde.
***
Die schwarze Eingangstür fiel ins Schloss und Alec betrat am Abend das Apartment. „Ich bin wieder da!“, rief er ohne jemanden zu sehen und durchschritt den Eingangsbereich. Im Wohnzimmer fand er Magnus. Den Rücken ihm zugewandt stand der Hexenmeister vor dem runden Glastisch mit seiner Hausbar und hantierte mit einer der Falschen. „Hey.“, sagte Alec freundlich und kam näher.
Magnus warf einen flüchtigen Blick über die Schulter und erwiderte den Gruß: „Alec, hey.“ Das Geräusch der zufallenden Tür hatte ihn mit einem gewaltigen Satz aus seinem Gedankenstrudel in die Gegenwart katapultiert und von der Couch aufspringen lassen, auf der er eben noch gesessen hatte. Schnell hatte Magnus sich an die Bar geflüchtet. Erstens, um sein Glas nachzufüllen, das sich mal wieder viel zu schnell geleert hatte. Und zweitens, um sein noch tränenfeuchtes Gesicht zu verbergen.
Eine Hand legte sich auf Magnus’ Seite und kurz darauf wurde ein sanfter Kuss in seinen Nacken gehaucht. Er musste sich mächtig zusammenreißen, um nicht die Fassung zu verlieren und seine Tränen ein weiteres Mal durchbrechen zu lassen. Die täglichen Liebkosungen von Alec waren so voller Zuneigung und Fürsorge, dass es Magnus immer schwerer fiel seine schützende Fassade aufrecht zu halten. Wie sehr er auch versuchte diesen kleinen Liebenswürdigkeiten zu entkommen, um seinen Kummer mit sich selbst auszumachen, der Shadowhunter fand ihn. Immer.
Schon wieder war da dieses schreckhafte Zucken gewesen. Alec hatte es deutlich unter seiner Hand gespürt. Es war ein hoffungsloser Versuch darauf eingehen zu wollen und nach dem Grund zu fragen. Worüber ein Magnus Bane nicht sprechen wollte, darüber schwieg er sich aus. Als Folge davon ging Alec zu etwas Unverfänglicherem über und fragte: „Wie war dein Tag?“
„Gut.“, log Magnus und stellte die Flasche aus der Hand. Gerne hätte er sich übers Gesicht gewischt, um sich zu vergewissern, dass seine Wangen inzwischen getrocknet waren, doch er widerstand dieser auffälligen Geste erfolgreich. Alecs Hand ruhte nach wie vor auf seiner Seite und je länger sie dort lag, desto größer schien sein innerer Konflikt zu werden. Er konnte es ihm nicht sagen. Wirklich nicht. Er hatte es die letzten Tage und Wochen nicht gekonnt und selbst wenn der Druck immer größer geworden war, er würde sein Schweigen und seinen Schein auch jetzt nicht brechen.
„Willst Du auch was trinken?“
Magnus’ Ausrede war mehr als durchschaubar und mit einer Mischung aus Trotz und Enttäuschung ließ Alec seinen Partner los. „Ich denke nicht.“ Je mehr Angebote er dem Hexenmeister machte, sich ihm anzuvertrauen, desto mehr schien er von ihm zurückgewiesen zu werden.
„Du denkst nicht?“, wiederholte Magnus in einem Anflug gespielter Beleidigung und war in Wahrheit erleichtert über die Unterbrechung des Kontaktes. Er wusste, dass Alec in seinem Rücken stand und ihn genauestens musterte. Ebenso wie er wusste, dass er jetzt nicht die Kraft besaß sich zu ihm umzudrehen. „Wenn das so ist“, fuhr Magnus fort und hob sein Glas, „dann muss ich wohl für dich mittrinken.“ Das Glas kaum an den Lippen, legte er den Kopf in den Nacken und leerte den Martini in wenigen Zügen. Anschließend stellte er es wieder ab und begann es von neuem zu füllen.
Das reichte! Alec hatte genug gesehen. Er hatte endgültig die Nase voll davon eine Mauer aus schöner-heiler-Welt-Bausteinen vorgelogen zu bekommen, wenn er doch genau sehen konnte, wie sehr Magnus dahinter litt. In absolut ernstem Tonfall sagte er: „Magnus, sieh mich an. Bitte.“
Die Worte trafen auf den Rücken des Hexenmeisters und hinterließen ein beklemmendes Gefühl in seinem Nacken. Alec hatte weder im Vorwurf, noch mit Wut zu ihm gesprochen. Es war offenherzig und ehrlich gemeint. Und gerade das war es, was Magnus am meisten schmerzte. Alec war ehrlicher zu ihm, als er zu sich selbst. Dennoch würde er nicht nachgeben. Nein, das würde er nicht! Aber er würde Alecs Bitte auch nicht einfach ignorieren können. Sein nächstes Getränk in der Hand, drehte Magnus sich langsam zu seinem Partner um.
Was Alec zu sehen bekam, verschlug ihm im ersten Moment die Sprache. Magnus schien nicht er selbst zu sein. Kein Glanz. Kein Glitzer. Keine Ausstrahlung. Nicht mal ein Funke von dem, was diesen Mann sonst tagtäglich zu einer so schillernden und anziehenden Persönlichkeit machte. Alles was Alec sah, war ein ihm unbekanntes, abgespanntes Gesicht, durchfurcht von Selbstzweifeln und tiefer Traurigkeit. Und erst auf den zweiten Blick bemerkte er, dass Magnus’ dunkler Lidschatten leicht verwischt war. Nicht so stark, dass es unangenehm auffiel, aber doch genug, um zusammen mit seinem gequälten Blick zu verdeutlichen, wie unsagbar schlecht es ihm ging. Im Wunsch etwas Tröstendes sagen oder tun zu können, fragte Alec ruhig: „Was ist los?“
„Was soll sein?“, gab Magnus ironisch zurück und zwang sich zu einem künstlichen Lächeln. „Alles ist gut.“, fügte er hinzu und brachte seine ganze Kraft auf, um Alecs durchdringendem Blick standzuhalten. Er wusste, dass es eine Lüge war, aber machte das wirklich einen Unterschied, bei all den Unwahrheiten in seinem viel zu langem Leben? Über sich selbst schmunzelnd hob der Hexenmeister sein Glas und führte es zum Mund.
In den traurigen Augen flackerte plötzlich eine vertraute Arroganz auf und selbst wenn es nur für den Bruchteil einer Sekunde war, reichte dieser Moment der Überheblichkeit aus, um Alecs anfängliches Entsetzen in blindes Unverständnis zu kehren. Es war genau der Punkt, dem er am meisten misstraute – nämlich, wenn Magnus sich von ihm entfernte, je näher er ihm kam. Ungläubig begann er den Kopf zu schütteln. „Nein.“, sagte Alec und blieb beharrlich, „Nichts ist gut. Du weichst mir seit Tagen aus. Du ziehst dich zurück. Du schläfst nicht mehr mit mir in einem Bett. Und Du… Du…“ – Es kostete ihn sichtlich Überwindung den letzten Punkt seiner Ausführung anzusprechen – „Du lügst mich an.“
Seine Worte standen im Raum, wie eine geladene Waffe mit dem Finger am Abzug. Es war keineswegs seine Absicht gewesen seinem Partner die Pistole auf die Brust zu setzen und als hätte er etwas gutzumachen, nahm Alec von neuem Anlauf sich einfühlsam durch Magnus’ harte Schale zu bohren. „Irgendwas stimmt nicht, Magnus.“ Er hielt kurz inne, um seinem Partner eine Chance zum Antworten zu geben. Als nichts kam, bohrte er weiter nach: „Was ist es?“
Fast schon beschämt drehte Magnus den Kopf zur Seite. Alec war auf dem besten Weg seine schützende Fassade zu durchbrechen und an das zu gelangen, was er mit aller Kraft vor ihm geheim hielt. Was dann geschehen würde, hatte Magnus im Kopf bereits tausendmal durchgespielt und es hatte ihm viele schlaflose Nächte bereitet. Als ein Kompromiss aus Selbstschutz und Zugeständnis antwortete er wahrheitsgemäß: „Ich will nicht darüber sprechen.“
Es waren die ersten zusammenhängen ehrlichen Worte, die Alec an diesem Abend hörte und die Art wie Magnus sich dabei von ihm wegdrehte, seinem Blick auswich, ließ ihn einen Schritt nach vorne machen. „Magnus, bitte.“, sagte er eindringlich und griff nach dem schlanken Handgelenk, das wie so oft mit Ketten und Armbändern geschmückt war. Alec hatte das dringende Bedürfnis ihn wieder zu berühren, Kontakt mit Magnus zu schließen, um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, ihn zu verstehen.
Magnus’ Blick fiel auf Alecs Hand und Alec folgte ihm. Leise sagte er: „Du weißt, dass ich nicht locker lasse. Du hast es damals selbst zu mir gesagt. Hast mich darum gebeten dich nicht wegzustoßen, wenn harte Zeiten kommen. Erinnerst Du dich?“ Alec spürte, dass seine Worte Gewicht hatten, da Magnus sich ihm nicht entzog, sondern auf der Stelle verharrte. Fragend neigte der Shadowhunter den Kopf und suchte den Blick des anderen.
Die Hand, ihr sicherer Griff, die warmen Finger auf seiner Haut – all das war Magnus sehr vertraut. Er spürte wie die Sehnsucht sich das Herz auszuschütten als große Welle auf ihn zu rollte. Doch seine alten Zweifel hielten ihn zurück. Wenn Alec beim bloßen Anblick seines kummervollen Gesichtes schon so betroffen reagierte, wie sollte es dann erst sein, wenn er mit ihm darüber sprach, was ihn tatsächlich quälte? Wenn er ihm die Wahrheit über seine wochenlangen Albträume erzählte? Langsam zog Magnus seine Hand zurück und fragte gedämpft: „Weißt Du was Schmerz ist, Alexander?“
Alec beobachtete wie sich Magnus mit seinem Glas in der Hand von ihm entfernte und nervös daran nippte. Ihm war klar, dass Magnus eine Fährte ausgelegt hatte, nur wohin sie ihn führen sollte, war für ihn nicht ersichtlich. Er dachte daran zurück als Magnus im Körper von Valentine Morgenstern gesteckt hatte und fälschlicherweise gefangen gehalten und verhört worden war. Ohne sich wirklich sicher zu sein, fragte Alec: „Du meinst Folter?“
Magnus fühlte wie sich Kräfte in ihm zusammenbrauten. Mächtige Kräfte. Böse Kräfte. Alecs erste Eingebung war nicht grundlegend verkehrt gewesen. Man hatte ihn in Valentines Körper gefoltert, doch es waren nicht die Erinnerungen an die Folter selbst, die ihn fest umklammert hielt. Es waren längst verdrängte Bilder seiner Kindheit, die ihm seit jeher nicht mehr aus dem Kopf gingen. Verzögert beantwortete Magnus Alecs Frage: „Nein, ich spreche nicht von physischem Schmerz.“ Abwesend glitt sein Blick zum nächsten Fenster und raus in die schwarze Nacht. „Ich meine, wenn da etwas ist… Eine Erinnerung, etwas, das Du immer wieder erlebst. Das dich durch deine Träume jagt. Dich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt. Etwas, das dich…“ Seine Hand umfasste das fragile Martiniglas fester und zwischen seinen Fingerspitzen setzte ein gefährliches Kribbeln ein.
„Wovon redest Du?“, fragte Alec verwirrt. Es war unübersehbar, dass Magnus sich mit jeder Silbe quälte und gegen einen großen Widerstand ankämpfte, dennoch konnte Alec sich keinen Reim auf seine Fragmente machen.
Das Kribbeln steigerte sich rasch zu einem fiesen Brennen und Magnus’ Finger verkrampften sich. Sein ganzer Arm verspannte sich, in dem Versuch die wachsende Magie in seiner Hand in Schach zu halten.
Vom sichtbaren Kummer seines Partners getrieben, drängte Alec auf eine Antwort. „Magnus“, bettelte er inständig, „sprich mit mir.“
Der Hexenmeister konnte es vorhersehen, kurz bevor es passierte. Mit einem gewaltigen Klirren zersprang das Glas in seiner Hand. Ein Scherbenhaufen regnete zu Boden und feine Martinitröpfchen verteilten sich in der Luft. Hastig schnappe Magnus nach Luft, als sei ein großer Schmerz von ihm genommen worden. Dann sah er in seine Handfläche, die durch den Zauber unverletzt geblieben war und beobachtete wie sich die Überreste seiner Magie als blau-weißer Schleier verflüchtigten. Vollkommen neben sich stehend hob er den Kopf. „Ich hab sie getötet, Alexander. Ich hab sie getötet.“
Ein Paar leuchtend gelbe Katzenaugen starrten Alec an, doch abschrecken konnten sie ihn nicht. Er hatte Respekt vor Magnus’ Macht, wusste um ihre gewaltigen Auswirkungen und ließ sich in diesem Moment mehr denn je von seinem Gefühl leiten. Magnus brauchte ihn. Jetzt. „Wen?“, fragte er leise und näherte sich dem Hexenmeister, der so aussah, als würde er selbst jeden Augenblick zerbrechen, mit der gebotenen Vorsicht. Wohlüberlegt wiederholte Alec seine Frage: „Wen hast Du getötet?“
Magnus begann zu zittern. Die Bilder ihres toten Körpers erschienen ihm plötzlich gestochen scharf und schmerzten ihn so sehr, als hätte er sie gerade erst gefunden. Gequält kniff er die Augen zusammen, sog die Luft tief durch die Nase ein und hatte doch Angst davor von innen zu ersticken. Seine Wangen wurden feucht. Seine Brust zog sich weiter zusammen. Und unter Tränen gestand Magnus: „Meine Mutter. Ich habe meine Mutter getötet.“
Mit offenem Mund stand Alec da und starrte auf den aufgelösten Mann, der sich weinend und verzweifelt zur Couch flüchtet. „Was?“, fragte er mit dünner Stimme und traute seinen Ohren nicht. Es dauerte einen Augenblick bis sein Gehirn die Information verarbeitet hatte, und noch einen weiteren, bis sein Körper ihm wieder gehorchte. Dann setzte Alec sich umgehend in Bewegung und ging ohne lange zu überlegen vor der Couch auf die Knie.
Reflexartig presste Magnus die Beine zusammen und drehte sich weg. Jetzt war alles zu spät. Alec wusste Bescheid und mit Gewissheit würde er ihm nun den Rücken kehren und ihn verlassen. Niemand wollte mit jemandem zusammen sein, dessen Gewissen mit dem Leben der eigenen Mutter belastete war; dessen war Magus sich absolut sicher. Er verdiente keine Liebe. Und schon gar nicht die des gutherzigen Alexander Lightwood. Nicht nach dem, was er getan hatte. Die Erkenntnis nicht liebenswert zu sein, schmerzte mehr als alles andere und aufgeregt fing Magnus an um seinen Atem zu ringen.
Alec wusste nicht was er tun sollte. Noch nie hatte er Magnus so zerstreut und in Tränen aufgelöst erlebt. Es brach ihm tief im Inneren das Herz, dass er nicht auf Anhieb wusste, wie er ihm helfen konnte. Im Versuch ihn zu beruhigen, legte Alec seine Hände auf Magnus’ Schenkel und begann tröstend darüber zu reiben. Wenn ihm schon keine Worte einfielen, um seinen Schmerz lindern, dann tat es vielleicht diese Geste.
Es half. Und während Magnus langsam wieder zu Luft kam, sortierte Alec angestrengt seine Gedanken. Er wusste, dass Magnus’ leibliche Mutter gestorben war, als er noch ein kleines Kind gewesen war. Jedoch waren die ihm bis jetzt bekannten Umstände ganz andere gewesen.
Die Hände vor das eigene Gesicht geschlagen, versuchte Magnus die Kontrolle über seinen Körper wiederzugewinnen. Die auf und ab gleitenden Hände von Alec, die eine gleichmäßige Wärme auf seiner Haut verteilten, halfen ihm dabei. Aber warum war der Shadowhunter überhaupt noch hier? Warum ging er nicht weg, jetzt, wo er die Wahrheit aus seinem Mund gehört hatte?
Als Alec den Eindruck hatte, dass Magnus sich gefangen hatte und halbwegs aufnahmefähig war, brachte er ihn mit seinen widersprüchlichen Gedanken zusammen. „Ich dachte immer“, begann Alec ruhig und hörte nicht auf über Magnus’ Beine zu reiben, „deine Mutter hätte sich das Leben genommen?“
„Hat sie auch!“, entfuhr es Magnus heftig und er musste laut schniefen. „Aber es war meine Schuld. Ich habe sie dazu getrieben. Ich! Verstehst Du?“ Der überwältigende Schmerz kehrte zurück und kopflos fuhr sich Magnus mit den Händen über den Mund und durch das tränennasse Gesicht. Das war zu viel. Das war einfach alles zu viel.
Alec konnte das Leid seines Partners keine Sekunde länger mit ansehen. Entschlossen griff er nach Magnus’ Handgelenken und zog sie von seinem Gesicht weg. „Ruhig, Magnus. Ganz ruhig.“, versuchte er ihn wieder auf den Teppich zu holen. „Ich bin ja hier.“ Ein ungehinderter Blick in das Gesicht des Hexenmeisters offenbarte, dass sein schöner Lidschatten nun endgültig verwischt war. Doch Alec hatte dafür nur wenig Aufmerksamkeit übrig. Er besann sich weiter darauf Magnus zu trösten. Mitfühlend sagte er: „Erzähl mir, was passiert ist. Aber fang erst an zu sprechen, wenn Du das Gefühl hast, dass Du soweit bist. Was immer es ist, ich bin hier und hör dir zu.“
Die Worte legten sich wie Balsam auf Magnus’ brennende Brust und es gelang ihm sich auf seinen Atem zu konzentrieren. Für einige Minuten tat er nichts anderes, als bewusst und tief zu atmen, seine Erinnerungen im Kopf zu ordnen und sich dabei Alecs Gegenwart zu versichern, die ihm den nötigen Rückhalt gab.
Dann fühlte er sich bereit und die Geschichte floss mit einem Mal geschlossen und zügiger aus ihm hinaus, als er es erwartet hatte. „Meine Mutter“, begann Magnus und schluckte, „sie hat sich damals so sehr dafür geschämt, mich zur Welt gebracht zu haben. Nie werde ich den Tag vergessen, an dem sie das erste Mal vor mir zurückgewichen ist. Sie… Sie hat meine Katzenaugen gesehen, sich die Hand vor den Mund geschlagen und ist aus dem Raum gelaufen. Einige Zeit hat sie noch versucht damit klarzukommen, aber ihre Schuldgefühle sind immer größer geworden. Schließlich hat sie sich dann umgebracht, aus Scham ein Monster geboren zu haben. Und ich… Ich…“
Magnus fühlte große, salzige Tränen von neuem über seine Wangen rinnen und war dankbar, als Alec seine zitternden Hände in diesem Moment fest mit seinen umschloss. Mit tränenreicher Stimme brachte Magnus seine Erzählung zu Ende: „Ich habe sie damals gefunden, Alexander. Ihren toten Körper, mit dem Dolch in ihrer Brust. Und jetzt, seit das mit Valentine passiert ist, erlebe ich diese Situation wieder und wieder. Jedes verdammte Mal, wenn ich meine Augen schließe, sehe ich ihren toten Körper. Ich krieg’ diese Bilder einfach nicht aus meinem Kopf.“
Alec hatte aufmerksam zugehört und jedes Wort auf Magnus’ Lippen mitgelesen, ohne dabei den Kontakt zu ihm zu unterbrechen. Nun brauchte er etwas Zeit, sich der zusammengesetzten Bausteine in seinem Kopf bewusst zu werden und deren niederschlagende Wirkung zu verdauen. Magnus’ Geschichte war erschütternd und Alec zweifelte nicht eine Sekunde an ihr. Innerlich bereute er sogar, dass er nicht schon früher hartnäckiger nachgeforscht hatte, aber je länger er darüber nachdachte, desto größer wurde sein Wunsch wenigstens jetzt für Magnus da zu sein.
Ermutigend suchte Alec den Blick seines Partners, und als er ihn gefunden hatte, sprach er aus tiefster Überzeugung: „Es ist nicht deine Schuld, Magnus. Wirklich nicht.“ Seine rechte Hand wanderte hoch zu Magnus’ Wange und augenblicklich spürte Alec, wie sich ein heißes Gesicht Trost suchend daran anlehnte. „Du warst noch ein Kind.“, fügte er leise hinzu und legte die zweite Hand an Magnus’ andere Wange.
Es tat gut seine Hände dort zu spüren. Sie erdeten ihn, gaben ihm ein Gefühl der Sicherheit, das er jetzt mehr brauchte als alles andere. Vertrauensvoll und von einem tiefen Atemzug begleitet, sanken Magnus’ Lider nach unten. Doch die Bilder seiner toten Mutter kehrten unvermittelt zurück und panisch riss er sie wieder auf. Es war ein Leichtes aus Alecs Gesicht zu lesen, das er sie sehen konnte; seine Katzenaugen. Aber im Gegensatz zu seiner Mutter und all den anderen Menschen, deren Zuneigung sich Magnus wünschte, wich Alec nicht davor zurück. Nicht mal den kleinsten Millimeter! Es schien als hätte das scheußliche Hexenmal, das sein Vater ihm mitgegeben hatte, nicht die geringste Wirkung auf ihn.
Magnus verstand die Welt nicht mehr.
Seine magischen Kräfte waren mächtiger als er. Es gab Teile davon, die er niemals würde kontrollieren können. Dass das Glas vorhin in seiner Hand zersprungen war, hatte auch sein Gutes gehabt. Schlimmer wäre es gewesen, hätte seine Macht ungebremst mit Gegenständen um sich geworfen oder das Bücherregal in Brand gesteckt. Oder noch schlimmer, Alec verletzt. Sich in seiner Nähe aufzuhalten, konnte gefährlich sein. Mitunter sogar sehr gefährlich. Er verdiente Alecs Liebe nicht. Wirklich nicht. In vernichtenden Selbstvorwürfen ertrinkend klagte Magnus: „Es ist gefährlich mich zu lieben, Alexander. Ich bin der Sohn eines Dämons.“ Verloren sah Magnus auf und wünschte sich vergeblich, dass sein Blick in die Augen des Shadowhunters ihn von dieser Last befreite.
Alec sagte nichts. Er wischte bloß mit seinem Daumen über eine feuchte Wange und blieb wo er war; bereit seinen Partner aufzufangen, wann immer dieser sich dazu entschließen sollte sein Selbstmitleid und seinen Schmerz hinter sich zu lassen.
Magnus sehnte sich nach einem Ende seiner Tränen, doch jetzt wo das Ventil geöffnet war, konnte er nicht verhindern, dass auch der Rest seines viel zu lange aufgestauten Kummers aus ihm hinaus floss, wie ein unaufhaltsamer Wasserfall eine Klippe hinab rauschte. „Es gibt da diese dunkle, böse und hässliche Seite an mir.“, begann Magnus und wollte nicht glauben, dass Alec nach wie vor vor der Couch kniete und ihm beistand. „Ich will nicht, dass Du sie siehst. Und vor allem will ich nicht, dass ich dich auf die gleiche Weise verliere. Ich habe Angst, dass–“
„Hey!“, unterbrach Alec ihn entschieden. „Du wirst mich nicht verlieren. Und schon gar nicht so.“ Seine Hand streichelte über Magnus’ Wange, doch das feine Lächeln, das er ihm schenkte, wurde nicht erwidert. Bekräftigend wiederholte Alec sich: „Magnus, ich liebe dich. Und ich bin immer für da dich.“
Der Hexenmeister wirkte nicht überzeugt und hielt schuldbewusst den Blick gesenkt. Alecs Stimme wurde weicher. „Hey…“, sagte er einfühlsam und legte eine Hand an Magnus’ Kinn. „Sieh mich an.“
Magnus widersetzte sich der geforderte Bewegung nicht und hob den Kopf. Aus seinen Augen, die inzwischen wieder zu einem normalen Aussehen gewechselt hatten, sprach tiefste Unsicherheit. Er wollte Alec glauben, das wollte er wirklich. Aber er konnte nicht. Er konnte es einfach nicht.
Alec wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als Magnus seine Unsicherheit zu nehmen und ihm sein Selbstvertrauen zurückzugeben. Den Blick fest auf ihn gerichtet, sagte er mir klarer und deutlicher Stimme: „Du verdienst es geliebt zu werden, Magnus. Egal wie Du darüber denkst. Da ist nichts Hässliches an dir.“ Alec gab seinen Worten die nötige Zeit ihre Wirkung zu entfalten. Dann ergänzte er mit einem nicht ganz ernst gemeinten Grinsen: „Und so ganz nebenbei – ich mag deine Augen.“
Jetzt tauchte tatsächlich ein leichtes Schmunzeln im Gesicht des Hexenmeisters auf und im nächsten Augenblick ließ er sich ohne Vorwarnung nach vorne fallen und von Alec auffangen. So fest er konnte krallte Magnus sich in die Schultern seines Partners und ließ seinen ganzen Schmerz mit einem einzigen Herzschlag los. Es war die Erlösung, die er sich seit langem gewünscht, sich aber aus Angst zurückgestoßen zu werden niemals getraut hatte bei Alec zu suchen. Jetzt wusste Magnus, der Shadowhunter würde ihn nicht zurückstoßen. Nicht jetzt. Nicht morgen. Niemals.
Die wundervolle Erfahrung sich seiner Liebe gewiss sein zu dürfen, sickerte in Magnus’ Unterbewusstsein, wie lebensspendendes Wasser in ausgetrocknete Erde. Mit jeder Sekunde, die Alec ihn hielt, wurde es ihm klarer. Er hat sich noch nie zuvor so menschlich, so sterblich und zugleich so geliebt gefühlt, wie in diesem Augenblick in Alecs Armen.
Ende
A.N.
Und nochmal einen Dank an Ririchyo, die mich mit dem notwendigsten Handwerkszeug ausgestattet hat, um hier etwas schreiben zu können. Ohne ihre Einstiegshilfe hätte ich diesen Text nicht verfassen können. (Du bist die Beste!)