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I Won't Wait Forever

Kurzbeschreibung
OneshotDrama, Liebesgeschichte / P6 / MaleSlash
Jake Riles Sam Conte
13.03.2018
13.03.2018
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Teil 2: I'll Try To Make It Right


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I Won't Wait Forever




Als Sam zum ersten Mal ein Date vergaß, war Jake verärgert.

Nun gut, es war kein richtiges Date gewesen. Sie hatten kein Restaurant ausgesucht, hatten sich nicht schick angezogen und hatten überhaupt nicht vorgehabt, das Haus zu verlassen. Aber Jake hatte einen Film ausgesucht, Sams Lieblingspizza bestellt und mit allen Kissen, die er in der Wohnung gefunden hatte, den Boden ihres Wohnzimmers in ein Kuschelparadies verwandelt. Es war ein Freitagabend und da sie während den Zwischenprüfungen aufgrund des vielen Lernens kaum Zeit füreinander gehabt hatten, hatten sie sich beide diesen Abend frei genommen, um gemeinsam zu entspannen. Sam war noch unterwegs, doch er hatte Jake versprochen, um sieben Uhr wieder zurück zu sein.

Jetzt war es acht. Jake sah zum gefühlt hundertsten Mal zur Tür, in der Hoffnung, dass sie jeden Moment aufgehen und Sam grinsend herein kommen würde. Doch sie blieb zu.

Vielleicht war Sam durch irgendetwas aufgehalten worden. Der Verkehr konnte um diese Uhrzeit unmöglich sein. Oder vielleicht war die Bahn ausgefallen. Dann würde Sam den Bus nehmen müssen und um in den Teil der Stadt zu kommen, in dem sie wohnten, musste man vier Mal umsteigen und das dauerte seine Zeit. Aber dann würde Sam ihn anrufen oder ihm zumindest eine Nachricht schreiben und erklären, dass er sich verspäten würde. Jake checkte sein Handy, aber in den zwei Minuten, die vergangen waren seit er das letzte Mal darauf gesehen hatte, hatte sich nichts getan. Er seufzte und stellte die Pizza in den Ofen, damit sie warm war, wenn Sam endlich auftauchen würde.

Um neun Uhr war Jake sich sicher, dass Sam ihre Pläne vergessen hatte. Er schaltete den Ofen aus und ließ sich seufzend auf die Couch fallen. Ein Blick auf sein Handy verriet, dass Sam sich noch immer nicht gemeldet hatte. Jake war sauer. Wochen lang waren sie im Stress gewesen, hatten unter dem Druck, ihre Prüfungen zu bestehen, oft schnell die Geduld verloren und sich nicht selten in die Haare gekriegt. Doch jetzt, wo das alles vorbei war, hatte er gedacht, sie könnten wieder mehr Zeit miteinander verbringen und hatte Sam mit einem gemütlichen Abend vor dem Fernseher überraschen wollen. Aber Sam hatte ihn vergessen. Und als er das nun wirklich begriff, spürte er unter der Wut etwas anderes, etwas viel schwereres. Enttäuschung. Jake war ihre Beziehung wichtig und er hatte sich auf heute Abend gefreut. Jetzt konnte er nicht anders, als sich zu fragen, ob es Sam genau so ging.

Als eine dreiviertel Stunde später die Tür aufging und Sam herein kam, saß Jake auf der Couch, neben ihm eine geöffnete Pizzaschachtel, aus der jedoch nur ein Stück fehlte, und starrte auf den Fernseher, in dem irgendeine Talkshow lief. Jake drehte sich nicht um. Nicht, als Sam leise die Tür schloss oder als er sein Skateboard an die Wandlehnte, nicht, als er die Schuhe abstreifte und auch nicht, als er herüber kam und neben Jake stehen blieb.

„Ich …“, fing Sam an und da sah Jake auf. Er hatte sich überlegt, was er zu Sam sagen würde, war das Gespräch ein dutzend Mal in seinem Kopf auf unterschiedlichste Weise durchgegangen. Aber als er ihn jetzt sah, vergaß er alle Formulierungen, die er sich zurechtgelegt hatte. Sam stand da, mit hängenden Schultern, gesenktem Blick und knetete seine Hände. Er sah aus wie ein verlorener Welpe.

„Es tut mir Leid, Jake“, sagte er und blickte auf und Jake sah die Schuld in seinen Augen. „Ich war mit ein paar Jungs skaten und hab die Zeit vergessen und…“ Er schluckte. „Es gibt nichts, womit ich mich entschuldigen könnte. Aber es tut mir wahnsinnig Leid.“ Einen Moment lang sah Jake ihn schweigend an, dann seufzte er und stand auf. Nervös sah Sam ihm hinter her, als er die Pizza aufhob und in die Küche ging. Jake schob sie in den Ofen, dann sah er auf und begegnete Sams niedergeschlagenem Blick.

„Wenn du den ganzen Abend skaten warst, hast du doch jetzt bestimmt Hunger.“

Sam sah ihn verunsichert an, aber dann zuckten Jakes Mundwinkel nach oben und auf Sams Gesicht breitete sich sein übliches breites Lächeln aus und er nickte eifrig. Dann öffnete er den Mund, als ob er etwas sagen wollte, schien es sich aber doch anders zu überlegen, denn er schloss ihn wieder und kam stattdessen zu Jake herüber und schloss ihn fest in die Arme.

„Es tut mir wirklich Leid. Ich weiß, wie sehr du dich auf heute Abend gefreut hast. Und ich mache es wieder gut“, murmelte er in die Kapuze von Jakes Shirt. Dieser schob ihn sanft von sich und sah Sam ernst an. „Das will ich doch wohl hoffen.“ Sam schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. „Versprochen.“ Dann löste er sich von Jake. „Ich leg den Film ein!“ Und damit war er im Wohnzimmer verschwunden. Jake sah ihm nach und seufzte erneut. Er hatte Sam noch nicht ganz verziehen, aber er ertrug es nicht, ihn so bedrückt zu sehen. Jake wusste, dass es ihm aufrichtig Leid tat, aber er hoffte, dass es nicht noch einmal vorkommen würde.




Als Sam zum zweiten Mal ein Date vergaß, bemerkte er es nicht.

Sie hatten ins Kino gehen wollen. Es lief ein neuer Actionfilm, den sie beide interessant gefunden hatten. Am Nachmittag hatte Jake mit Andy an einem Projekt für das College gearbeitet und Sam war mit ein paar seiner Freunde verabredet gewesen, aber um fünf Uhr hatten sie sich zuhause treffen wollen, um gemeinsam zum Kino zu fahren.

Als Jake nach Hause kam, war Sam noch nicht da. Aber ein Blick auf sein Handy verriet ihm, dass es erst halb fünf war, und Jake war es Recht, da er sowieso noch duschen wollte. Doch um zehn nach fünf war Sam immer noch nicht aufgetaucht und Jake wurde langsam genervt. Wenn Sam nicht bald auftauchte, würden sie den Bus verpassen und es nicht rechtzeitig zum Kino schaffen. Ungeduldig sah Jake im Sekundentakt auf die Uhr. Wo blieb Sam nur?

Um zwanzig nach fünf kam Sam endlich. Jake lehnte mit verschränkten Armen an der Küchenzeile und blickte ihn erwartungsvoll an. Er hatte seine Schuhe und die Jacke wieder ausgezogen. Den Film konnten sie vergessen. Doch statt sich zu entschuldigen strahlte Sam ihn bis über beide Ohren an.

„Jake! Du wirst es nicht glauben!“ Jake hob die Augenbrauen und öffnete den Mund, um ihn zu fragen, wieso er zu spät kam und ihm vorzuwerfen, dass sie seinetwegen den Bus verpasst hatten, doch Sam kam ihm zuvor.

„Ich habe den Stunt endlich hinbekommen! Hier schau!“ Sam zog sein Handy aus der Hosentasche und setzte sich an den Tisch. „Wir haben es gefilmt, aber ich muss das Video erst noch bearbeiten, dann sieht es noch cooler aus! Es war der Wahnsinn!“ Sam spielte das Video ab und Jake betrachtete ihn, wie er mit vor Begeisterung leuchtenden Augen sich selbst beobachtete, wie er den Stunt, den er wochenlang geübt hatte, endlich ohne Fehler ausführte. Sein Mund war zu seinem für ihn typischen breiten Lächeln verzogen und sein Gesichtsausdruck strahlte nur so vor Freude. Jakes Arme lösten sich aus ihrer Verschränkung. Seine Verstimmung über den verpassten Film rückte in den Hintergrund. Wen interessierte schon irgendein Actionfilm? Wenn sie unbedingt wollten, konnten sie ihn morgen immer noch ansehen. Jetzt gerade war Sam wichtiger.

Sam, der ihn so voller Glück anlachte, der voller Leidenschaft erzählte, wie schwer es gewesen war, den richtigen Moment abzuwarten, um das Gewicht zu verlagern, ohne dabei vom Board zu fallen. Sam, dessen leuchtender Blick und dessen ansteckendes Lachen ihm jedes Mal wieder unter die Haut gingen. Und Jake konnte nicht anders, als zu denken, dass es doch im Grunde egal war, ob sie zusammen ins Kino gingen oder ob sie zuhause in der Küche saßen und über Sams Stunts und Videos redeten. Hauptsache, er konnte Sams Freude sehen und Sams Hand an seiner spüren. Dann brauchte er keine besonderen Dates. Und wer weiß, vielleicht war der Film ja auch gar nicht so gut.




Als Sam zum dritten Mal ein Date vergaß, hatte Jake Angst.

Unten am Strand fanden immer wieder verschiedene Veranstaltungen statt. Dieses Wochenende war Musik-Nacht, es gab eine Bühne, auf der unterschiedliche Bands die ganze Nacht hindurch spielen würden. Jake hatte einen Artikel darüber gelesen und ein paar seiner Freunde vom College, die schon länger in der Stadt wohnten, hatten begeistert davon erzählt. Sie hatten zusammen hingehen wollen. Zwar hatten beide noch Hausaufgaben zu erledigen und Sam war zu Felix gefahren, um mit ihm eine Präsentation vorzubereiten, aber abends hatten sie sich in ihrer Wohnung treffen wollen, um gemeinsam an den Strand zu laufen.

Jake sah aus dem Fenster in der Küche hinunter auf die Straße. Die Sonne ging gerade unter und obwohl sie keine genaue Uhrzeit ausgemacht hatten, sollte Sam längst zurück sein. Jake sah auf die Uhr und beschloss, noch ein paar Minuten zu warten, bevor er Sam anrufen würde, um zu fragen, wo er steckte.

Eine halbe Stunde später war es draußen dunkel und von Sam fehlte immer noch jede Spur. Jake griff nach seinem Handy und wählte Sams Nummer. Nach fünfmaligem Klingeln ging die Mailbox ran. Jake beendete den Anruf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, und tippte stattdessen Felix‘ Nummer ein. Der Goth ging beim zweiten Klingeln ran. „Hey, Jake. Was gibt’s?“

„Hey, Felix. Ist Sam noch bei dir?“

„Nein, tut mir Leid. Sam ist schon vor ungefähr einer Stunde gegangen. Wieso fragst du?“, antwortete Felix jedoch und Jake runzelte die Stirn.

„Seltsam… Wir waren verabredet. Wenn er schon vor einer Stunde gegangen ist, sollte er längst hier sein.“

„Er geht nicht an sein Handy?“, vermutete Felix und Jake nickte. „Ja.“ Dann seufzte er. „Naja, vermutlich wird er jede Sekunde durch die Tür kommen. Danke, Felix.“

„Kein Problem. Falls er sich meldet, sag ich Bescheid.“ Damit verabschiedete er sich und Jake hängte auf.

Die nächste halbe Stunde verbrachte er damit, abwechselnd die Straße und sein Handy zu beobachten. Er versuchte auch noch ein paar Mal Sam zu erreichen, aber jedes Mal meldete sich die Mailbox. Beim fünften Versuch hinterließ er eine Nachricht mit der Bitte an Sam, ihn zurück zu rufen. Danach versuchte er es nicht weiter.

Als er draußen Sirenen hörte sprang Jake von seinem Platz am Küchentisch auf und rannte zum Fenster. Es war nicht ungewöhnlich, dass man hin und wieder Sirenen hörte, immer hin lebten sie in einer großen Stadt. Aber jetzt fuhr ein Krankenwagen mit Blaulicht direkt an ihrem Haus vorbei. Jakes Herz fing an zu rasen. In der Gegend, in der sie wohnten, war nie sonderlich viel Verkehr und die üblichen Sirenen waren immer leise, kamen immer aus größerer Entfernung. Der Krankenwagen war in die Richtung gefahren, in der Felix wohnte, die Richtung, in die Jake gehen würde, wenn er Sam suchen würde. Und er war unterwegs zu einem Unfall. Was, wenn Sam…

Jakes Atem stockte, seine Gedanken rasten. Sam war schon seit fast zwei Stunden nicht mehr bei Felix, er war aber auch nicht nach Hause gekommen. Er ging nicht an sein Handy und gerade war ein Krankenwagen an ihrer Wohnung vorbei gefahren. Jake wirbelte herum und stürzte zur Haustür. Doch bevor er sie erreichte, ging sie auf und ein grinsender Sam trat seelenruhig herein, schloss die Tür hinter sich und stellte sein Skateboard ab. Doch als er Jake bemerkte, erstarb sein Lächeln und er sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als –“ Jake unterbrach ihn.

„Wo warst du?“ Jetzt blickte Sam ihn noch verwirrter an.

„Ich war bei Felix, das weißt du doch.“

Jake spürte, wie sein Herz sich wieder beruhigte. Sam ging es gut, der Krankenwagen war nicht seinetwegen vorbei gefahren. Die Besorgnis löste sich langsam auf, doch an ihre Stelle trat nun Wut.

„Allerdings. Ich weiß aber auch, dass du dort vor fast zwei Stunden gegangen bist. Wo warst du danach?“

„Ich bin am Skatepark vorbei gekommen“, erklärte Sam verständnislos. „Ich hab ein paar Jungs getroffen und ihnen ein paar Tricks gezeigt.“ Er schüttelte den Kopf und sah Jake fragend an. „Was ist denn los? Wieso bist du so komisch drauf?“ Jake starrte ihn fassungslos an, wie er dort stand, so selbstbewusst und unwissend. So sicher, dass er nichts falsch gemacht hatte, dass Jake nicht länger an sich halten konnte.

„Was los ist? Du willst wirklich wissen, was los ist? Wir waren verabredet, schon vergessen?“ Sams Augen wurden groß, als es ihm bewusst wurde. „Aber nicht nur das. Hast du in letzter Zeit mal auf dein Handy gesehen? Ich hab unzählige Male versucht, dich anzurufen! Ich hab es sogar bei Felix probiert, aber der konnte mir auch nur sagen, dass du schon vor einer ganzen Weile gegangen bist! Wir waren verabredet und ich war hier, habe gewartet, während es draußen dunkel wurde und du bist einfach nicht aufgetaucht! Und dann ist ein Krankenwagen direkt an unserem Haus vorbeigefahren…“ Jake schüttelte den Kopf. Sam starrte ihn entsetzt an.

„Oh Gott, Jake. Es tut mir so Leid. Ich hab’s total vergessen! Ich verspreche dir, es kommt nie wieder vor! Ich –“ Aber Jake fiel ihm ins Wort.

„Spar dir die Ausreden. Ich geh ins Bett, auf die Musik-Nacht hab ich keine Lust mehr.“ Er sah Sam noch einen kurzen Augenblick lang an, dann drehte er sich um. „Im Kühlschrank ist noch was zu essen. Bedien‘ dich, ich hab keinen Hunger.“




Als Sam zum vierten Mal ein Date vergaß, endete es im Streit.

Jakes Mom hatte sie zum Essen eingeladen. Seit sie in der Stadt wohnten und aufs College gingen, sahen sie ihre Familien nur noch in den Ferien oder an besonderen Tagen, wie Geburtstagen oder anderen Festen. Jake freute sich auf jede dieser seltenen Gelegenheiten – er vermisste seine Mom mehr, als er es je zugeben würde. Sam wusste, wie viel ihm dieses Essen bedeutete, trotzdem war er nach dem Mittagessen noch einmal in die Stadt gefahren. Jake war nicht begeistert gewesen, aber Sam hatte ihn mit seinem typischen Lächeln angesehen und versprochen, rechtzeitig wieder zurück zu sein. Und bis jetzt hatte Sam keines seiner Versprechen gebrochen, also hatte Jake geseufzt und die Arme verschränkt. „Wehe, du bist nicht pünktlich wieder da.“ Sam hatte ihn angegrinst. „Keine Sorge, ich würde doch nie die Gelegenheit zu essen verpassen, vor allem nicht bei deiner Mom.“

Vor einer dreiviertel Stunde hatten sie losfahren wollen. Zwar dauerte die Fahrt nach Bremin nur knapp zwei Stunden, aber sie hatten es vermeiden wollen, in den Abendverkehr zu geraten. Außerdem hatte Jake sich Zeit lassen wollen, er hatte nicht direkt aus dem Auto an den Esstisch gehen wollen und auch nach dem Essen noch etwas Zeit mit seiner Mom verbringen wollen, bevor sie die Rückreise antreten mussten.

Mit genervt verkniffenem Mund fischte Jake sein Handy aus seiner Hosentasche und tippte auf Sams Kontakt. Doch dann hörte er ein leises Klingeln aus ihrem Schlafzimmer und als er nach sah, stellte er ungläubig fest, dass Sam tatsächlich sein Handy vergessen hatte. Jake ging zurück ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen.

Eine halbe Stunde später stand er auf. Länger konnte er wirklich nicht warten. Schon jetzt würde er seine Mom anrufen und ihr sagen müssen, dass er sich verspäten würde. Jake schnappte sich seine Schlüssel und verließ die Wohnung. Unten auf der Straße sah er sich noch einmal um, doch keine Spur von Sam. Erst hatte er überlegt, ob er ihm eine Nachricht schreiben und sie auf den Küchentisch legen sollte. Doch dann hatte er sich dagegen entschieden. Sam hatte Bescheid gewusst. Er hatte ihm versprochen, rechtzeitig wieder zurück zu sein. Jake stieg in sein Auto und fuhr auf die Straße. Er war wütend auf Sam, weil er ihn wieder vergessen hatte, weil er wusste, wie wichtig ihm seine Mom war und er trotzdem nicht hier war. Er war sehr gespannt auf die Erklärung, die Sam ihm später liefern würde.

Es war schon fast Mitternacht, als Jake wieder nach Hause kam, aber in der Wohnung brannte noch Licht. Sam lag auf der Couch und schlief, aber als Jake die Tür hinter sich schloss, wachte er auf und sprang förmlich auf die Füße.

„Jake, hör zu, es tut mir Leid.“ Er sah Jake vorsichtig an und machte zögerlich einen Schritt auf ihn zu. Jake sah ihn nicht an, während er seine Jacke auszog und die Schuhe abstreifte. „Es tut dir Leid?“, fragte er leise.

Sam nickte und schluckte. „Es tut mir Leid. Ich weiß, wie wichtig dir das Essen war und ich weiß nicht, wie ich das wieder gut machen soll.“ Jetzt blickte Jake auf und Sam zuckte zurück, als er den Ausdruck in seinen Augen sah.

„Wenn es dir Leid tut, wenn du weißt, wie wichtig es mir war, dann sag mir eines, Sam: Wo warst du?“

„Ich –“ Sam brach ab, schluckte erneut. „Ich bin ein paar Freunden begegnet und hab ihnen mein neues Video gezeigt. Sie waren so begeistert … sie wollten, dass ich ihnen den Stunt live zeige. Ich hab die Zeit vergessen und danach haben sie mich auf einen Drink eingeladen. Es tut mir so Leid, Jake!“

„Du hast mich und meine Mom wegen einem bescheuerten Video versetzt?“, fragte Jake und sah Sam fassungslos an. „Sie hat sich seit Wochen darauf gefreut, uns wieder zu sehen! Uns, das heißt auch dich, Sam! Und du bist wegen einem Video nicht mitgekommen?“ Jake schüttelte den Kopf. „Du machst es dir immer einfach, Sam. Wie sollte ich meiner Mom erklären, dass du auf einmal beschlossen hattest, nicht mitzukommen, ohne, dass sie denkt, es ist ihre Schuld?“

Entsetzt riss Sam die Augen auf, als er begriff, was er getan hatte. „Es tut mir ehrlich Leid, Jake! Ich mach’s wieder gut! Ich ruf deine Mom an und entschuldige mich!“, stotterte er, aber Jake winkte ab. „Lass es gut sein. Sie war enttäuscht, aber ich habe ihr gesagt, dass du viele Hausaufgaben hast und ihr versprochen, dass du nächstes Mal ganz bestimmt dabei bist.“ Er sah Sam direkt in die Augen und Sam sah die Kälte in seinem Blick.

„Du hast schon viel Mist gebaut, Sam. Aber das hier ist wirklich das Letzte.“ Und damit ging Jake an ihm vorbei ins Schlafzimmer, einen verzweifelten Sam zurücklassend. Wütend schloss er die Tür hinter sich. Tränen standen in seinen Augen. Er fühlte sich verletzt, unwichtig, ersetzt. Sam hatte lieber Zeit mit ein paar Freunden auf dem Skateplatz verbracht, als mit ihm zu seiner Mom zu fahren. Energisch wischte er sich die Tränen aus den Augen.

Als Sam herein kam, ignorierte er ihn und tat, als würde er schlafen. Auch die nächsten zwei Tage sprach er kein Wort mit ihm, bis Sam so reuevoll und geknickt aussah, dass er es nicht länger aushielt und ihn fragte, wie sein Tag gewesen war. Sam war überrascht, aber lächelte erfreut und begann zögerlich zu erzählen. Doch Jake schwor sich, dass er nicht ewig Nachsicht haben würde. Er konnte nicht immer und immer wieder zuhause sitzen und auf Sam warten. Ihre Beziehung war ihm wichtig und sein Herz schmerzte bei dem Gedanken, nicht mehr jeden Morgen neben Sam aufzuwachen und sein Lächeln zu sehen. Aber wenn er Sam nicht genauso wichtig war, wie er ihm, konnte er so nicht weiter machen.




Als Sam zum fünften Mal ein Date vergaß, traf Jake eine Entscheidung.

Er hatte ein Picknick geplant. Es war Sommer und sie hatten Ferien. Die letzte Woche über hatten sie viel unternommen, hatten Ausflüge ans Meer gemacht, waren wandern gegangen, hatten ein Konzert besucht und waren im Kino gewesen. Doch immer waren ihre Freunde dabei gewesen. Nicht, dass Jake etwas dagegen gehabt hätte. Nein, Felix und Andy zählten zu seinen besten Freunden und auch die Jungs, die Sam vom Skaten kannte, waren cool, aber er vermisste es, Zeit mit Sam alleine zu verbringen. Sam schien es ähnlich zu gehen, denn er war es gewesen, der vorgeschlagen hatte, dass sie sich diesen Nachmittag frei hielten. Jake war einverstanden gewesen und als ihm die Idee mit dem Picknick kam, hatte er Sam verkündet, dass er eine Überraschung vorbereiten würde. So hatte er ihn heute Morgen nach dem Frühstück aus der Wohnung geschoben und ihm gesagt, er solle erst um drei Uhr wieder kommen. Sam hatte alles Erdenkliche versucht, doch Jake hatte ihm nicht verraten, was er geplant hatte.

Jetzt war es kurz vor drei und Jake hatte sich gerade umgezogen. Auf dem Küchentisch stand der Picknickkorb, den er vorbereitet hatte, und daneben lagen seine Autoschlüssel. Er hatte vor, ein paar Kilometer aus der Stadt raus zu fahren. Dort hatte er neulich zufällig eine kleine Bucht gefunden, die aussah, als würde sie nie benutzt werden. Es war der perfekte Ort für ein ruhiges Picknick zu zweit.

Als der Zeiger der Küchenuhr auf drei umsprang und Sam nicht da war, beschlich Jake ein ungutes Gefühl. Heute Morgen war er noch so aufgeregt und ungeduldig gewesen, dass Jake damit gerechnet hatte, dass er spätestens um halb drei in der Tür stehen würde. Hatte er ihn etwa wieder vergessen? Schnell schüttelte Jake den Kopf. Nein, Sam war erst zwei Minuten zu spät, das musste noch gar nichts bedeuten. Außerdem hatte er ihm doch selbst ausdrücklich verboten, vor drei hier aufzutauchen. Es gab überhaupt keinen Grund zur Sorge. Jake setzte sich an den Tisch und sah nach, ob Sam ihm eine Nachricht geschickt hatte. Nichts. Sein Blick wanderte zurück zur Uhr. Vier Minuten nach drei. Sam würde gleich kommen, er hatte dieses Date selbst vorgeschlagen, wieso sollte er es vergessen? Jake versuchte daran zu denken, wie Sams Augen leuchten würden, wenn er sah, was er vorbereitet hatte. In dem Korb vor ihm befanden sich alle von Sams Lieblingssnacks und er hatte extra Sams Mom angerufen und sie nach dem Rezept der Cookies gefragt, die Sam so gerne aß. Ja, es würde ein schöner Nachmittag werden, endlich mal wieder nur sie Sam und Jake. Jake lächelte und schob das beunruhigende Gefühl in den Hintergrund.

Um halb sechs ging die Tür auf. Jake lächelte schon lange nicht mehr. Als Sam in die Küche trat, stand er auf. Das Grinsen, das Sams Gesicht erhellt hatte, erstarb bei Jakes Anblick und seine Augen weiteten sich, als er den gepackten Picknickkorb auf dem Tisch sah.

„Oh nein. Jake, ich –“ Jake schüttelte den Kopf. Sam sah ihn panisch an. „Es tut mir Leid! Ich schwöre, ich wollte nicht –“, fing er verzweifelt erneut an, aber Jake brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.

„Weißt du, Sam, eines Tages wirst du nach Hause kommen und ich werde nicht hier sein und auf dich warten.“

Sams erschrockener und verletzter Blick brach ihm das Herz, doch Jake wandte sich ab und ging an ihm vorbei.
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