One Way Or Another
von LesMibus
Kurzbeschreibung
Ein deprimiertes Mädchen fällt, durch einen Brunnen (*hust* wer kennts?), in die Sengoku-Zeit. Wo sie auf den Daimyo Masamune Date trifft. Zusammen durchleben sie und die anderen (unter anderem in den Hauprollen Kojurou Katakura, Yukimura Genjiro Sanda und viele mehr) mehrere Abenteuer und lernen sowohl die Welt der heutigen Zeit, als auch der damaligen kennen. Begleitet unsere Caroline auf ihrer real life Geschichtsexkursion in die Zeit der Sengoku Periode und durchlebt was passiert, wenn emanzipierte Frauenlogik auf altertümliche Samurai Proleten trifft. :D
GeschichteAbenteuer, Liebesgeschichte / P16 / Gen
Date Masamune
Katakura Kojuro
OC (Own Character)
Sanada Yukimura
25.02.2018
26.05.2023
23
163.421
9
Alle Kapitel
3 Reviews
3 Reviews
Dieses Kapitel
noch keine Reviews
noch keine Reviews
25.02.2018
7.378
Sie glaubte es schaffen zu können. Stark zu sein. Für sie und für sich selbst.
Eine Tochter, auf die man sich verlassen könnte und eine große Schwester, auf die man stolz sein könnte. Aber am Ende... war sie nichts davon.
Sie war schwach. Schwächer, als sie es sich je hätte träumen lassen.
Irgendwie überraschte es sie selbst, wie verletzlich der Mensch sein konnte, wenn der, den man am meisten vertraute, am meisten liebte, einen so verletzte.
Kapitel 1: Nicht alles Gute kommt von oben
Mit leerem Blick stand Caroline vor dem leeren Brunnen, in der Nähe ihres Hauses.
Wenn man es so nennen konnte. Es war ein tiefes Loch, dessen Boden sie noch nie gesehen hatte. Es fühlte sich an, als würde sie in sich selbst blicken. Ein tiefes, alles verschlingendes schwarzes Nichts, das sie langsam zu zerfressen schien. Selbst wenn die Sonne scheinen sollte, so würde sie niemals den Grund erreichen. Einst gab es einige Lichtschimmer, die es schafften, durch die Dunkelheit zu brechen, doch davon war nichts mehr übrig.
Einer nach dem anderen waren sie erloschen. Egal wie sehr sie sich versuchte daran zu klammern, am Ende verschwanden sie alle.
Beschäftigt, mit den eigenen Interessen, hatten sie Caroline vergessen und verraten.
Was war sie noch? Für ihre kleine Schwester spielte sie die schimpfende Ersatzmutter, die ihr alles verbot.
Während ihre eigentliche Mutter von einem Job zum nächsten hetzte, um die Familie über Wasser zu halten. Um das Haus und die Familie zu bewahren, die sie so sehr liebte.
Wahrscheinlich war sie die Einzige, die noch nicht erkannt hatte, dass es so etwas wie eine Familie schon längst nicht mehr gab. Wann hatte Caroline sie das letzte Mal wach gesehen?
Wann hatte Caroline sie das letzte Mal gesprochen? Sie wusste es nicht.
Seitdem sich ihr Vater aus dem Staub gemacht hatte, als Caroline knappe zwölf Jahre jung war, war nichts mehr wie davor. Man könnte sagen, mit ihm, hatte sich auch das verabschiedet, was man eine Familie nennen konnte.
Die Beziehung zu ihrer ehemals großen Liebe, war nichts mehr als eine Floskel,
die aus oberflächlichen Gesprächen bestand. Caroline wusste, dass er sie betrog.
Mit wie vielen?
Sie wusste es nicht. Vielleicht war es eine, die Caroline ersetzt hatte oder es waren viele, die das Loch in seinem Herzen füllten, zu dem Caroline nie im Stande gewesen war. Für eine nie enden wollende Zeit versuchte sie, der Mensch zu sein, den er sich wünschte. Sie wollte perfekt sein. Sie wollte die Einzige für ihn sein. Doch der Spagat zwischen Schule, Familie und der Liebe, war das, was sie am Ende zerbrach.
Sie blinzelte einige Male um wieder ihren Weg in das jetzt zu finden.
Es war zu spät, um sich darum zu sorgen. Dafür war es viel zu spät. Carolines Blick schweifte über die um das Loch gestapelten Steine. Das trübe Licht des Mondes ließ sie in einem leichten hellgrau erscheinen. Kleine Moosbüschel die hier und da aus den Ecken und Kanten der Steinstapel wucherten, warfen einen dunklen Schatten.
Der Boden, auf dem das Provisorium von Brunnen stand, hatte schon ewig kein Gras mehr gesehen.
Das Einzige, was von der ehemals grünen, mit Blumen übersäten, Wiese noch übrig war, waren braune, vertrocknete Büschel. Der Rest war platt getretener und fester Matsch.
Ein letztes Mal wandte sich Caroline dem kleinen, heruntergekommenen Häuschen zu.
Es machte einen eher einsamen Eindruck, wie es da völlig allein so abseits der Stadt stand und vor sich hin gammelte. Das hatte es nicht verdient. Caroline wusste, wie es unter dieser von Efeu befallenen Fassade aussah. Als sie vor Zehn Jahren nach Osaka gezogen waren, konnte Caroline sich nichts schöneres Vorstellen, als in einem kleinen Häuschen mit einem riesigen Garten zu leben. Sie dachte, dort gäbe es genug Platz um zu viert herumzutollen und Spaß zu haben.
Ein leises Lachen entfuhr ihr. Wie naiv sie damals war. Zu denken, dass dieses Glück für immer anhalten würde. Vorwürfe zu machen brachte nichts. Welches Mädchen könnte schon erahnen, dass der eigene Vater, das Familienkonto und sämtliche Sparbücher leer räumen würde und Hals über Kopf die Stadt verlässt, um mit der besten Freundin der eigenen Frau durchzubrennen?
Betrübt wandte sie ihren Blick von dem kleinen Haus ab. Ihr Entschluss stand fest.
Heute Abend würde es passieren. In dieser Nacht würde Caroline diese Welt verlassen.
Sie wusste selbst, dass es egoistisch war, den Rest ihrer Familie im Stich zu lassen. Aber es war genug. Es reichte. Caroline konnte nicht mehr. Sie war am Ende ihrer Kräfte.
Nach wie vor etwas unsicher, beugte sie sich nach unten, zu ihren heruntergekommenen roten Chucks. Nacheinander schlüpfte sie aus den abgetragenen Schuhen und stellte sie ordentlich
nebeneinander, bevor sie auf den Rand des Brunnens stieg.
Da stand sie nun. Nur noch einen Schritt von ihrem sicheren Tod entfernt. Was hielt sie noch?
Nichts. Es gab nichts was sie in dieser Welt noch hielt. Alles was ihr lieb und teuer war, war ihr durch die Finger geglitten. Caroline war es leid zu kämpfen.
Wenigstens ihr Tod sollte unbeschwert sein. Zögerlich tat sie einen Schritt über den Rand.
Es war ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Es war... als könnte sie fliegen.
Ein glückliches Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Sie hatte es geschafft. Sie schloss die Augen und ließ es geschehen. Während sich die Dunkelheit um Caroline legte, spürte sie, wie sich ein warmes Gefühl in ihr ausbreitete. Es war Glück. Nach all dieser Zeit, konnte Caroline wenigstens am Ende wieder glücklich sein.
Ishida Mitsunari. Endlich war der Tag der Abrechnung gekommen. Es war der Morgen, an dem Masamunes Ehre wieder hergestellt werden würde. Der Morgen, an dem er Ishida ein für alle Mal vernichten würde. Mitsunari würde es büßen, ihn besiegt und damit seine Ehre beschmutzt zu haben! Zuversichtlich sah Masamune in den strahlend blauen Himmel.
Nicht eine Wolke war zu sehen. Er konnte nur gewinnen.
Das wusste nicht nur er. Sein ganzes Heer stand hinter ihm und befeuerte ihn seit Wochen.
Auch jetzt, da sie von Minute zu Minute Osaka immer näher kamen, hörte er Rufe der Motivation und Zuversicht. Er würde Ishida zerstören.
Alle waren davon überzeugt, nur einer nicht. ,,Ich halte es für keine gute Idee, heute schon in Osaka einzufallen. Ihr seid noch nicht soweit.“
Seid sie in Oshu aufgebrochen waren, ging das so.
>>Ihr seid noch nicht bereit dafür!<< Genervt verdrehte Masamune das Auge. >>Überdenkt Euren Schritt noch einmal!<<
Zwar wusste er, sehr tief in sich, dass Kojuro es nur gut meinte, aber manchmal führte er sich auf wie seine Mutter.
Er würde das schaffen, mit oder ohne seine Hilfe. ,,Es ist noch zu früh um-“,,Kojuro!“, unterbrach Masamune ihn. Seit Stunden ertrug er dieses Gemecker. Es reichte.
Scharf riss er seinen Kopf zu seinem Freund und funkelte ihn finster an. Erwartungsgemäß rief das in dem Gesicht seines Nebenmannes keine Regung hervor.
,,Glaubst du nicht auch, dass es-... Ach egal!“ Mit knirschenden Zähnen wandte er sich von Kojuro ab. Schließlich hatte er sich um durchaus wichtigere Dinge zu sorgen.
Moment. Masamune hielt sein Pferd zum stehen an, und mit ihm stoppte der Rest seines Heers.
Ein unnatürliches, nerviges Quietschen machte sich bei ihm bemerkbar. Etwas irritiert rieb er an seinem Ohr.
,,Alles in Ordnung, Lord Masamune?“, fragte Kojuro, bevor er sein Pferd ebenfalls neben seinem Herren zum stehen brachte. Etwas besorgt sah er ihn an.
Masamune bekam davon aber nichts mit. Seine ganze Aufmerksamkeit lag bei dem stetig lauter werdenden quietschen. Was war das? Nach wie vor mit der Hand auf dem einen Ohr, suchte er nach der nervigen Quelle des Geräuschs. ,,Kojuro, hörst du das auch?“
Irritiert sah Kojuro seinen Herren an. ,,Nein, ich höre nichts.“ Verärgert rieb Masamune sich das Ohr weiter. Während er unter seinen Untergebenen suchte, machte sich etwas in seinem Augenwinkel bemerkbar. Irgendetwas... Masamune sah ein weiteres Mal dem Himmel entgegen. Da war es. Beim Anblick der Geräuschquelle riss er sein Auge auf.
Irgendein rot weiß gekleideter Mensch stürzte mit kaum zu erahnender Geschwindigkeit in Richtung Boden. Genauer gesagt, in Richtung Masamune Date.
Rotz und Wasser heulend krachte er in Masamune und riss ihn in voller Montur von seinem Pferd. Völlig überrumpelt versuchte er noch nach einem seiner Chopper-Zügel zu greifen, aber seine Fingerspitzen streiften das Metall nur noch leicht, bevor er unsanft auf dem Boden aufschlug.
Der Schmerz des Falls wurde noch durch das deutlich bemerkbare Gewicht des Kerls verstärkt, der auf ihm gelandet war.
,,Big Boss!“, riefen seine Mitstreiter entsetzt.
Noch nicht wieder ganz bei Sinnen richtete Masamune seinen Oberkörper auf. Mit ihm setzte sich auch der andere Körper auf. Wehleidig rieb er sich den Kopf.
Masamune konnte nicht glauben was da gerade auf ihm saß. Was... was war das für eine Kreatur?
Er konnte nicht definieren welchem Geschlecht es angehörte.
Die Falten, welche das rote... was auch immer es eigentlich war, dass es da trug, ließen die Form von Brüsten erahnen. Allerdings ließ ihn die schlabbrige, ehemals weiße Hose, an ihrem... seinem Geschlecht zweifeln.
Frauen trugen keine Hosen und was dieses seltsame, kurzärmlige Gewand, das er trug, auch immer war.
Für weitere Verwirrung sorgten die Haare... diese Haare! Noch nie hatte Masamune einen Menschen mit lila Haaren gesehen!
Was für eine Art von Dämon war das?!
Aus einer Mischung von Unglauben und Verwirrung starrte Masamune die Person an, die da auf ihm saß. Nach einiger Zeit fiel auch ihm auf, dass er von ihr/ihm gemustert wurde. Sein Blick war zwar noch etwas trüb, aber einem echten Mann, wie Masamune Date, entgeht nie, wenn jemand Interesse an ihm hat.
So auch bei diesem sonderbaren Wesen nicht.
Die Stille wurde von dem Rascheln der Rüstungen zerstört. Einige von Masamunes Männern waren los gestürmt, um ihren Herren von dem Wesen zu befreien, dass da vom Himmel gefallen war. Sie griffen unter seine Arme und stellten ihn auf die Beine. Auch Masamune boten einige ihre Hilfe an, aber der große einäugige Drache von Oshu brauchte keine Hilfe um aufzustehen.
Er stand selbst auf. Suchend sah er sich nach dem Menschen um. Sein Augenmerk fiel auf einen riesen Haufen, den sein Heer bildete. Masamune vermutete es dort.
,,Wie heißt du?“ ,,Wer bist du?“ ,,Woher kommst du?“ ,,Wieso bist du vom Himmel gefallen?! Sollte das ein Anschlag werden?!“
Überfordert von den ganzen Fragen und ihrer momentanen Situation, riss Caroline ihren Blick von einem Soldaten zum nächsten. Was war hier los? War sie tot? Eigentlich sollte sie tot sein, aber irgendwie, fühlte sie sich nicht halb so tot, wie sie dachte, dass es sich anfühlen würde, wenn man erst einmal tot war.
Um ehrlich zu sein, fühlte sie sich lebendiger wie die letzten Jahre. Daran war wahrscheinlich das Adrenalin schuld. Immerhin fiel man nicht jeden Tag vom Himmel, landete dann auf jemanden, der gar nicht Mal so schlecht aussah, und wurde dann von lauter Rockern in Rüstungen angespuckt, wer sie eigentlich war. War sie wirklich tot?
,,Lasst mich durch!“, ertönte eine laute, aber männliche Stimme. Caroline drehte sich um und fand vor sich den Mann wieder, auf dem sie gelandet war. Jetzt da sie vor ihm stand, realisierte sie erst richtig, wie groß er eigentlich war. Sie hob ihren Kopf an, um besser in sein Gesicht zu sehen. Zwar war sein Gesicht von dem schwarzen Helm etwas verdunkelt, doch sein blau-graues Auge sah sie fest an.
Das andere war von einer schwarzen Augenklappe verdeckt, über der einzelne Strähnen seines dunkelbraunen Haars lagen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah zu ihr herab. ,,Wer oder was bist du, Mensch?“ Ein wenig eingeschüchtert von seinem rauen Ton sah sie zur Seite. ,,Ich... ähm... Ich heiße Caroline Wanabe... öhm...freut mich...?“, stotterte sie etwas unbeholfen zusammen. In der Hoffnung nicht sofort an Ort und Stelle umgebracht zu werden.
Männer mit Schwertern bedeuteten vermutlich nichts Gutes und der Einäugige vor ihr, hatte auch noch sechs davon. War das nicht ein bisschen waghalsig mit nur einem Auge?
Caroline schüttelte den Kopf. Sie hatte jetzt wichtigere Sorgen.
,,Darf... ich etwas fragen?“ Mit ihrer Frage machte sich erstaunen in der Gruppe breit. Alle sahen sie überrascht an. Nur Caroline wusste nicht, was sie eigentlich falsch gemacht hatte.
Irgendwie verwirrte es sie, dass es anscheinend etwas ziemlich aufregendes war, das sie gesprochen hatte. Auch wenn sie selbst nicht ganz verstand wieso.
Auf dem Gesicht ihres Gegenübers breitete sich ein freches Grinsen aus. ,,Du bist mutig. Sprich.“
,,Ich... bin schon tot, oder?“
Stille. Für einen Moment kehrte Stille ein. Alle die sie davor überrascht angesehen hatten, glotzten Caroline nun aus einer Mischung von Verständnislosigkeit und totaler Irritierung an.
Kurzum: als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank. Jetzt da sie es tatsächlich ausgesprochen hatte, kam sie sich dumm vor. Der Mann, der vor ihr stand, hob seinen Arm und kurz darauf trat ein anderer zu ihm hinzu.
Er trug einen braunen, langen Mantel und hatte eine ziemlich hässliche Narbe im Gesicht.
Männer mit einem Auge und Narben im Gesicht... Mittlerweile war sie sich sicher. Egal wo sie war, es konnte nicht der Himmel sein.
Der Einäugige wandte sich seinem Partner zu und fing an ihm irgendetwas zu flüstern, was bei ihm anscheinend ziemliche Verwirrung stiftete, so wie er ihn darauf ansah. ,,Das kann ich nicht tun! Was wenn es sich hierbei wirklich um...“ Genervt schnaubte der braunhaarige und verdrehte das Auge. ,,Und ob du das kannst.“ Er schnappte sich das Handgelenk seines Gefährten und drückte seine Handfläche gegen eine von Carolines Brüsten. Völlig Perplex starrte Caroline auf die Hand an ihrer Brust, bevor ihr das Blut Literweise in den Kopf schoss. Stockend hob sie ihren Kopf, um der Person ins Gesicht sehen zu können. Zu ihrer Überraschung sah dieser jedoch genauso überfordert aus und war genauso knall rot wie sie selbst. Für einen Moment sahen sie sich in die Augen, ehe Caroline den wahren Übeltäter ausmachen konnte. Ihr Blick schoss zu dem einäugigen Mann, der sie unbeeindruckt ansah. Caroline zog die Augenbrauen zusammen. Er tat ihr so etwas an und dann sah er zu ihr, als wäre es das normalste der Welt!
Sie holte aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Es fühlte sich an wie Zeitlupe, dass Carolines Hand über sein Gesicht wischte und sie dabei eigentlich realisierte was sie da tat. Als sie wieder im hier und jetzt angekommen war, riss Caroline ihre Hand sofort zurück. ,,Ich... also...“, bemühte sie sich zu rechtfertigen.
Einen fremden Mann mit einer Armee einfach ins Gesicht zu schlagen war wohl nicht ganz so schlau gewesen, wie es sich zunächst angefühlt hatte. Verunsichert lugte sie in seine Richtung.
Was sie dann sah, ließ ihr Herz durch den Boden brechen. Hasserfüllt sah der Mann auf Caroline herab.
Seine Augenbrauen zogen sich immer weiter zusammen und sein Auge fing an beängstigend zu zucken, während der Schatten seines Helms immer mehr von seinem Gesicht bedecken zu schien. Es war... beängstigend Carolines Beine begannen zu zittern und ihre Hände wurden nass vor Angst. ,,Ich...“, fing sie erneut an. Doch mit jedem Wort das sie zu sprechen schien, wurde sein Blick finstrer. ,,Ich...“ Sie schluchzte. ,,Ich...“ Tränen stiegen ihr in die Augen und sie sackte weinend auf dem Boden zusammen. Sterben zu wollen, weiß Gott wo vom Himmel zu fallen und in eine Horde von Männern in altertümlichen Rüstungen zu krachen, um dann von einem Mann böse angeguckt zu werden, war zu viel für eine kleine Seele wie ihre.
,,Es tut mir so leid!“, schluchzte Caroline, während sie versuchte sich die Tränen aus dem Gesicht zu streichen. Doch es kamen immer wieder neue.
Der Einäugige ließ sich davon nicht beeindrucken. Er wirkte eher noch verärgerter als zuvor, doch all seine Mitstreiter rannten sofort zu ihr, um sie zu trösten. ,,Bitte weine nicht. Manchmal ist er eben so.“ versuchte der Mann, der Caroline keine Sekunde zuvor an die Brust getatscht hatte, sie zu beschwichtigen. Die anderen Männer die sich um sie versammelt hatten und ihr tröstend den Kopf tätschelten nickten zustimmend. „Katakura-sama hat recht! Der Big Boss ist manchmal etwas rabiat. Aber nicht mehr weinen.“
Ein genervtes Knurren entfuhr dem jungen Krieger. Es konnte doch nun wirklich nicht sein, dass sowohl Kojuro als auch seine gesamte Truppe dieses geschlechtslose Ding trösten wollten, das ihn bereits das zweite Mal attackiert hatte. ,,Wieso tröstet ihr sie jetzt?! Wir könnten schon längst in Osaka sein! Lasst sie liegen, wir gehen!“
Als keiner große Anstalten machte sich zu bewegen, verzog er das Gesicht und schrie seinem Heer aggressiv entgegen: „Das war ein Befehl!“ Mit diesem letzten Machtwort wollte der junge Mann der Gruppe den Rücken kehren, um endlich weiter vorrücken zu können, als ihn sein Kamerad zurückhielt. ,,Lord Masamune, wir können eine unschuldige und wehrlose Frau nicht einfach zurück lassen. Außerdem seid Ihr zu aufgewühlt um Mitsunari gegenüber zu treten. Es wäre Euer sicherer Tod und auch der unser aller. Bitte, seid vernünftig und lasst uns für heute umkehren.“
Gereizt zog Masamune die Brauen zusammen. Er wollte aber nicht warten! Er wollte seine Rache jetzt sofort! Er konnte nicht länger warten, er hatte das Gefühl je länger er wartete, desto mehr würde seine Ehre beschmutzt werden.
Doch irgendwo, in dem hintersten Teil seines rachsüchtigen Kopfes, wusste er, dass es wirklich besser wäre, noch zu warten und sich erst eine richtige Taktik zu überlegen. Schnaubend schlug der junge Herrscher Kojuros Hand von seiner Schulter. „Von mir aus...“
Sofort legte sich ein stolzes Lächeln auf die Lippen seines engsten Vertrauten, der ihm nochmals brüderlich die Hand auf die Schulter legte. „Eine wahrlich weise Entscheidung mein Lord.“
„Jaja, nimm... das...“ Masamune sah zu dem vermeintlichen Mädchen, die sich immer noch schluchzend von seinen Männern auf die Beine helfen ließ. Kojuro räusperte sich kurz etwas peinlich berührt und sah zu Boden. „Sie...ist eine Frau, falls Ihr dieses Wort sucht.“
Nickend stieg Masamune wieder auf seinen Harley-Gaul und wandte dieses direkt. „Dann nimm das Weib mit. Aber dass das für alle klar ist, wir werden keine Rast machen bis wir in Oshu sind! Let's go!“ Auf Masamunes Befehl hin verteilten sich seine Männer eher unfreiwillig auf ihre Pferde und überließen Kojuro das Mädchen.
Etwas überfordert deutete dieser Caroline, dass sie auf seinem Pferd mit reiten würde.
Nach wie vor etwas wehleidig nickte sie und versuchte auf das Pferd zu steigen. Was selbstverständlich nach hinten los ging.
Beim ersten Versuch brauchte sie bereits eine Ewigkeit um ihren Fuß nur in den Steigbügel des Sattels zu bekommen und schaffte es nicht einmal ansatzweise sich aus eigener Kraft hoch zu ziehen. Sie trat nur immer wieder das arme Pferd, gewollt oder auch nicht, bis dieses die Schnauze voll hatte und das Mädchen von seinem Rücken schmiss. Unsanft landete das dümmliche Weib auf dem Boden, jammerte kurz und versuchte es nochmals. Entnervt wandte Masamune seinen Blick von den kläglichen versuchen des Mädchens ab. Es war kaum mit anzusehen wie dieses unfähige Mädchen es nicht einmal schaffte auf ein Pferd zu steigen. Jetzt wo er ohne seinen heiß ersehnten Sieg gegen Mitsunari umkehren musste, konnte er es kaum erwarten endlich wieder in Oshu anzukommen. Wenn möglich ohne graue Haare.
Nach unnötig langen Verzögerungen und unzähligen erbärmlichen Versuchen hatten sie es letzten Endes doch geschafft, auch wenn sie eigentlich ein paar seiner Männer auf das Pferd gehievt hatten.
Somit konnte es also endlich los gehen. Masamune hatte sich auf einen ruhigen Heim ritt vorbereitet, bei dem er wieder einen klaren Kopf bekam und seine nächsten Schritte überdenken konnte, aber auch das zerstörte dieses Ding ihm.
Denn Anstatt den Mund zu halten, wie es sich für eine Frau gehörte, wagte sie es doch tatsächlich Kojuro anzusprechen und Masamune dadurch seinen Tag noch weiter zu versauen.
,,Ehm...“ Angestrengt versuchte sich Caroline an den Namen des Mannes vor ihr zu erinnern. ,,Kojuro Katakura“
,,Danke...“, meinte sie peinlich berührt. Kurz trat Stille ein, in der das Mädchen einfach nur zur Seite sah, bevor sie den nächsten Versuch startete Kojuro in ein Gespräch zu verwickeln.
War es so viel verlangt einfach den Mund zu halten?! ,,Ehm... wo genau sind wir jetzt eigentlich, Kojuro-san?“ Neugierig sah sie in der Gegend herum. Ihr Blick verriet schon, dass sie nicht den blassesten Schimmer hatte, wo sie gerade waren.
,,Dumme Frau...“, knirschte Masamune genervt.
,,Momentan befinden wir uns noch in der Region um Osaka und sind auf dem Weg nach Oshu. Wahrscheinlich durchqueren wir dabei die Region von Kenshin Uesugi.“ Verstehend nickte Caroline und legte ihren Kopf nachdenklich zur Seite. Auch wenn sie es versuchte zu unterdrücken, aber man sah der Frau genau an, wie sie angestrengt über irgendetwas nachzudenken schien und selbst wenn sie nachdachte, wirkte sie unglaublich dämlich. Sie hatte die Augen angestrengt zusammen gekniffen und starrte einen beliebigen Punkt an, während sie an ihrer Oberlippe herum spielte. Angeekelt von diesem Anblick, wand er den Kopf zur Seite und stoppte dann innerlich... Kenshin? Ein lautes Lachen brach aus dem jungen Mann heraus. ,,Wir werden Kenshins Gebiet nicht einmal streifen! Wir reisen quer durch Kai!“ Völlig überzeugt von sich und seiner glorreichen Idee, die ihm hoffentlich den Tag retten sollte, verschränkte Masamune die Arme.
Vielleicht würde es doch noch eine gute Zeit werden und Masamune zudem die perfekte Chance geben, wieder auf andere Gedanken zu kommen. ,,Lord Masamune, wir können doch nicht-“,,Und ob wir können! Here we go!“ Immer noch lachend befahl er seinem Pferd an Tempo zuzulegen. Seine Truppen wieder hoch motiviert hinterher.
Kojuro blieb mit einem ernüchternden Seufzer zurück. ,,Halte dich gut fest, Caroline.“
Noch bevor sie irgendetwas erwidern konnte, ließ Kojuro seine Zügel gegen den Rücken des
Pferdes schnalzen und ritt seinem Herren hinterher, während sich Caroline an ihn klammerte.
Seid zwei Tagen war Caroline nun mit Kojuro und Masamune unterwegs. Der es immer noch nicht für nötig hielt, sich ihr offiziell vorzustellen, geschweige denn sich dazu herab ließ mit ihr zu sprechen. Seufzend legte Caroline ihre Stirn gegen Kojuros Rücken. Sie sehnte sich nach einer warmen Dusche, ihrer Zahnbürste und Deo. Noch nie hatte sie sich so eklig gefühlt. Wie hielten die anderen das aus? Seufzend hockte sie sich wieder auf und strich sich ein paar fettige Strähnen aus ihrem Gesicht. Hoffentlich waren sie bald da. Laut Kojuro waren sie der Region Kai schon sehr nah.
Caroline beschäftigte es, dass ihr die ganzen Namen derart bekannt vorkamen. Nur woher kannte sie diese ganzen Leute? Gesehen hatte sie sie ganz bestimmt nicht. Da war sie sich sicher. Was ihr allerdings komisch vorkam, war die Tatsache, dass sie jetzt schon seit zwei Tagen unterwegs waren und Caroline nicht ein Auto oder irgendwelche Zuggleise gesehen hatte. Geschweige denn eine Menschenseele, abgesehen von ein paar Bauern, die Caroline nicht unbedingt zählen wollte und den Truppen die sie umgaben. Doch am seltsamsten fand sie immer noch die Tatsache das sie per Pferd reisten, entweder waren das Cosplayer die ihre Rolle verdammt ernst nahmen oder... na ja, das war die Einzige Erklärung die Caroline einfiel, die sie nicht um ihr Leben fürchten ließ.
Wirklich einen Reim konnte sie sich trotzdem nicht daraus machen. Sicher lag es an dem Schlafmangel, denn auch wenn Kojuro ihr sagte, dass sie sich ausruhen sollte, wollte das nicht so recht funktionieren. Immerhin war ein Pferd eben doch kein Bett und Kojuros Rücken kein Kissen. Davon abgesehen hatte sie Angst wieder runter zufallen. Caroline war genervt und stank genug, da wollte sie nicht schon wieder von dieser Giftspritze ausgeschimpft werden.
Außerdem hatte sie Hunger. Seit zwei Tagen nichts anderes wie steinhartes Brot und trockenen Reis zu essen, war auch nicht das Wahre. Auch wenn sie Kojuro und den Anderen sehr dankbar dafür war, dass sie so großzügig ihr Essen mit Caroline teilten, wollte sie wieder etwas normales essen. Fleisch... Am liebsten wäre ihr ein saftiges Schnitzel gewesen...
Masamune aß seine Portion selbstverständlich selbst. Was war auch anderes zu erwarten von einem derart zuvorkommenden Gentleman wie ihm?
Caroline schluckte. Nicht schon wieder. ,,Hey... Kojuro-san... Ich muss Mal...“, flüsterte sie dem Mann vor sich ins Ohr. ,,Wohin musst du? Es ist gefährlich hier! Du solltest nicht einfach so allein herumlaufen.“
,,Aber... es ist echt dringend! Ich hab's jetzt so lange zurückgehalten.“ Es dauerte einen Moment, ehe Kojuro verstand, was Caroline eigentlich meinte. Er gab ihr ein kurzes Nicken als Antwort und ritt an Masamunes Seite. ,,Lord Masamune, ich weiß, dass Ihr verärgert seid. Aber als Oberhaupt solltet Ihr auch an Eure Männer denken. Wir sollten eine kurze Rast einlegen. Auch um eurer Willen. In diesem Zustand könnt ihr Yukimura Sanada nicht gegenüber treten.“ Mit dem Ende seines Satzes drehte Masamune seinen Kopf zu ihm. Unter seinem Auge lag ein tiefer schwarzer Schatten und sein Auge war leicht Blutunterlaufen. Kein schöner Anblick. Halblebig glotzte er Kojuro entgegen, als hätte er nicht verstanden was er ihm gerade gesagt hatte. Etwas planlos guckte er in der Gegend herum, wobei er die Augenbrauen zusammen zog.
Er musste wirklich müde sein, aber in seinem Blick konnte man immer noch die Wut ablesen, die er schon seit ihrem ersten Treffen mit sich herum trug. Kaum zu glauben, dass er sich immer noch nicht beruhigt hatte. ,,Was soll denn das heißen?! Denkst du etwa ich bin ein schlechtes Oberhaupt? Außerdem, ich könnte in jedem Zustand gegen Yukimura Sanada gewinnen! Davon abgesehen: Ihr habt euch das alle selbst zuzuschreiben! Ich meine, ich habe nie darum gebeten dieses Weib mitzuschleppen und wieder umzudrehen!“, brüllte er etwas vernuschelt.
Caroline schaffte es aber nur gerade so seinen Worten zu folgen. In diesem Augenblick verwandelte sich das innere ihrer Blase in einen reisenden Fluss. Sie konnte nicht mehr.
,,Hättet ihr vielleicht die Güte, eure Diskussion wann anders fortzuführen? Ich muss pinkeln! Ich schwöre bei Buddha, ich halte die Klappe bis wir da sind! Ich will einfach nur endlich Pipi machen!“, flehte Caroline, am Rand der Verzweiflung. Blitzschnell raste Masamunes Blick zu ihr. Sein müdes Auge starrte sie intensiv an. Man konnte den Wunsch daraus lesen, Caroline ein für alle Mal zu beseitigen. Dafür hatte diese allerdings keine Zeit. Ihre einzige Sorge, war in diesem Moment ihre Blase.
Sein Auge schien immer kleiner zu werden und Masamune kurz vor einem Tobsuchtsanfall zu stehen. ,,Dann geh doch!“, keifte er ihr entgegen. ,,Verschwinde! Verschwinde endlich! Und WEHE du bist in fünf Minuten nicht wieder da. Dann gehen wir ohne dich und diesmal ohne Widerrede!“ Carolines Augen begannen zu leuchten. Sie sah ihre Erlösung immer näher kommen. ,,Vielen Dank!“ Etwas unbeholfen kletterte sie von dem Pferd und verschwand sofort in Richtung Wald.
,,Gott sei Dank, sie ist endlich Weg.“, brummte Masamune. Am Rande der Verzweiflung und völlig fertig mit der Welt und sich selbst, stieg er von seinem Pferd und setzte sich vor den nächstbesten Baum. Erleichtert atmete er aus, als sein Rücken das Holz berührte.
Fragend sah er zu seinen Männern, die nach wie vor auf den Pferden saßen. Masamune konnte jedem einzelnen ansehen wie müde er war. Nach zwei Tagen konnte er da wohl niemandem einen Vorwurf machen. Ein müdes Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen.
,,Fünf Minuten Pause für alle.“
Von einen auf den anderen Moment fing sein ganzes Heer an zu strahlen. Sie sahen aus, als hätte Masamune ihnen einen Monat Urlaub gegeben. ,,Vielen Dank, Big Boss!“, riefen sie im Chor. In Rekordzeit waren alle von ihren Pferden gestiegen und verteilten sich rundherum auf dem Weg, um endlich mal wieder in aller Ruhe ihr Essen zu genießen. Ohne diese Nervkuh fühlte es sich an wie früher. Alles war so friedlich... und ruhig. Zufrieden sah er seinen Männern entgegen. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee, eine kurze Pause einzulegen. ,,Hier“ Masamune hob den Kopf. Vor ihm stand Kojuro, mit seiner Bambus Tasse in der Hand. Gefüllt mit Tee, der mittlerweile so kalt war, dass er nicht einmal mehr dampfte.
Kojuro setzte sich neben seinen Herren und reichte ihm die Tasse. ,,Danke“ Er nahm die Tasse entgegen. Müde sah er in seine Tasse, die sein fertiges Gesicht auf der Teeoberfläche spiegelte. Er sah wirklich fertig aus. ,,Bald haben wir es geschafft.“
,,Jep“, antwortete Masamune, mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.
Es war so angenehm ruhig. Man hörte im Hintergrund nur das Gelächter seines Heers.
Entspannt schloss er die Augen, um die Ereignisse der letzten beiden Tage noch einmal Revue passieren zu lassen. Als hätte er fast zehn Stunden geschlafen öffnete er völlig ausgeruht wieder die Augen. Noch etwas schlaftrunken sah er sich um und erfasste Kojuro, wie er zusammen mit den anderen um ein Feuer herum saß. Kein Wunder war es so angenehm warm. Gerade in Wäldern wird es immer besonders kalt, wenn es erst einmal dunkel war.
Dunkel... ja... Dunkel?! Ein paar Mal blinzelte er verwirrt, bevor er eigentlich verstand was er da dachte. Es war dunkel! Wie lang hatte er geschlafen?! Masamunes Blick schoss in den Himmel. Es war wirklich Nacht. Der Mond stand schon hoch am Himmel und vereinzelte Sterne erleuchteten die Nacht. Sofort stand Masamune wieder auf den Beinen. Wieso um alles in der Welt hatte ihn keiner geweckt?! Stinksauer riss er seinen Kopf zu seinen Männern, die lachend und essend auf dem Boden saßen.
,,Wieso hat mich keiner geweckt?! Wir könnten schon längst wieder in-“ Ein synchrones SHHHHH! Unterbrach ihn. Gereizt hob er eine Augenbraue, während er die Arme vor der Brust verschränkte. Zuerst wurde ihm widersprochen und jetzt verboten sie ihm den Mund?!
Gerade wollte er ein weiteres Mal loslegen, als ihm der Grund für dieses aufmüpfige Verhalten ins Auge fiel. Es war Caroline die schlafend auf dem Boden lag. Sie hatte Arme und Beine nah an den Körper gezogen und war von einigen Tüchern und leichteren Rüstungsteilen zugedeckt. So friedlich wie sie in jenem Augenblick schlief, hätte wohl niemand erwartet, was für ein kleines Monster sich eigentlich hinter diesem unschuldigen Gesicht versteckte. Auch der große Masamune war etwas überrumpelt von ihrem schlafenden Körper. Resignierend atmete er aus und setzte sich auf einen freien Platz im Kreis.
Er hatte sich in letzte Zeit genug aufgeregt. ,,Lord Masamune“ Aufmerksam sah er zu Kojuro, der neben ihm saß. ,,Ihr solltet euch nachher bei ihr bedanken.“ Ungläubig zog er die Augenbrauen zusammen. Bedanken... ,,Wieso sollte ich?“ Ein Lächeln legte sich auf Kojuros Lippen. ,,Ihr seid mit dem Tee in der Hand eingeschlafen. Sagen wir es so... sie hat Euch vor größerem Übel bewahrt.“ Fragend neigte Masamune seinen Kopf zur Seite. Er verstand nicht ganz worauf Kojuro hinaus wollte, aber eins wusste er sicher: dieses Weib musste ihre Hände an seiner Rüstung gehabt haben. Bevor DIE seine Rüstung anfasst, hätte er sie lieber mit Teeflecken befleckt gehabt. Wofür sollte er sich da bedanken? Wenn dann hatte sie sich zu entschuldigen!
,,Ach und noch etwas.“ Genervt wandte Masamune den Blick zu seinem alten Freund, der nun auch zu ihm sah. ,,Was jetzt noch?“, brummte er, während er eine Schale voll Reis entgegen nahm, die ihm einer seiner Männer reichte. Dankend nickte er. ,,Bitte wascht Euch das Gesicht. So kann Euch niemand ernst nehmen.“ Masamunes Gesicht verzog sich weiter. ,,Soll das eine Beleidigung sein?“ Kojuro unterdrückte ein leises Lachen und schüttelte den Kopf. ,,Nicht doch.“ Amüsiert deutete er Masamune zu einem hölzernen Wassertopf zu gehen der nicht weit weg von den beiden stand. Kurz sah er seinen Gefährten skeptisch an, bevor er sich doch dazu entschied aufzustehen, um sich sein Gesicht anzusehen. Irgendetwas war da faul. Seufzend stellte er sich wieder auf die Beine.
Neugierig und schon mit einer gewissen Wut im Hinterkopf lief er an seinen Männern vorbei, die sich munter Unterhielten, in Richtung des Wassertopfes. Prompt ließ er sich auf die Knie fallen und sah in die Reflektion des Wassers. Das flackern des Feuers und der schwach leuchtende Mond, spendeten gerade so genug Helligkeit, dass Masamune sein Gesicht mehr oder weniger erahnen konnte. Das was er sah reichte ihm aber. Auf seinem sonst so perfekten Gesicht zeichneten sich komische Kringel aus Dreck und zwischen seinen Augenbrauen fand sich ein gezackter Blitz aus dem gleichen Schmutz wieder. Verärgert verzog er das Gesicht. Dieses Teufelsweib! Mit einer kurzen Handbewegung strich Masamune sich den angetrockneten Dreck aus dem Gesicht und war kurz darauf wieder auf den Beinen. Es brauchte nichts um zu wissen, wer an dieser... dieser.... diesem Etwas schuld war. Wütend riss Masamune seinen Kopf zu Carolines schlafendem Körper. Dafür würde sie bluten. Frau oder nicht, wenn das so weiter ging, dann würde er sie früher oder später einfach umbringen. ,,Duuuuuu“, zischte er ihrem schlafenden Ich entgegen. Bereit für die nächste Standpauke stapfte er auf sie zu. Gerade riss er den Mund auf, als sein Ruf von einem anderen Schrei übertönt wurde.
,,MASAMUNE DATE-DONOO!!!!“ Diese Stimme würde er überall wiedererkennen.
Yukimura Sanada, der junge Tiger von Kai. Er kam wie gerufen. Kampflustig sah Masamune in die Richtung, aus der er die Stimme vermutete. Zu seiner Überraschung stand Yukimura weiter weg wie erwartet, trotzdem fühlte es sich an, als hätte man ihm ins Ohr geschrien. Hundertprozentig entschlossen und mit den Speeren in beiden Händen stand er Kampfbereit da. Ein breites Grinsen zeichnete sich in Masamunes Gesicht. Heute würde Yukimura verlieren. Koste es was es wolle. Er riss ein Schwert aus seiner Scheide und stürmte an seinen Männern vorbei, schnurstracks in Richtung Yukimura.
Das Klirren von aufeinander schlagendem Metall und lautem Gebrüll riss Caroline unsanft aus ihrem Schlaf. Noch nicht wieder ganz bei sich, rieb sie sich die Augen und sah sich daraufhin um. Erleichtert stellte sie fest, dass sie sie nicht einfach sitzen gelassen hatten.
Zumindest dem Anschein nach. Einige Pferde waren noch an herumstehende Bäume gebunden und Reisschüsseln lagen herum. Sogar das Feuer brannte noch. Es machte eher den Eindruck, als wären sie Hals über Kopf irgendwo hingerannt. Planlos zuckte Caroline mit den Schultern, nachdem sie sich aufgerichtet hatte. Ein glückliches Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, als sie auf ihren Schoß sah und die Rüstungsteile entdeckte, die ihr als provisorische Decke dienten. Irgendwie waren sie schon goldig.
Das erneute Klirren von Waffen riss sie aus ihren Gedanken. Schwerter? Was wenn sie Probleme hatten? Caroline beschloss sie zu suchen und wenn nötig zu helfen. Sie wusste noch nicht genau wie, aber irgendwie würde sie ihnen schon helfen können! Schnell sprang sie auf die Beine und schnappte sich so viele der Rüstungsteile wie sie tragen konnte. Die würden sie sicher brauchen. Nachdem sie alles so mehr oder weniger zusammen geräumt hatte rannte sie los, in die Richtung aus der sie die Rufe und die Schläge vermutete. In der Hoffnung sie lag richtig. Ihr Weg führte sie durch eine Lichtung, die von allen Seiten, vom Wald umgeben war. Im Vergleich zu dem grünen und lebendigen Wald aus dem sie gerannt war, erschien ihr diese Stelle irgendwie... tot.
Nichts außer einer erloschenen Fackel schien dort zu stehen. Der Boden war derart abgetreten, dass er mehr einem Matschfeld wie dem Teil eines Waldes glich. Ein bisschen erinnerte sie das an zu Hause. Caroline schüttelte den Kopf. Momentan gab es wichtigere Dinge, um die es sich zu sorgen galt. Suchend ließ sie ihren Blick über das große, vertrocknete Feld gleiten, dass hinter dem Wald lag. Ihr fielen zwei dunkle Silhouetten ins Auge, die sie am anderen Ende des Feldes einen heftigen Kampf zu liefern schienen. Immer wieder war das scharren vor aufeinander prellenden Schwertern zu hören. Funken flogen.
Angestrengt kniff Caroline ihre Augen zusammen, um besser erkennen können, aber mehr wie die schwarzen Gestalten konnte sie nicht ausmachen, egal wie angestrengt sie es versuchte. Dafür fiel ihr etwas anderes ins Auge. Ein ziemlich großer Haufen dunkel gekleideter Gestalten. Kurz zögerte Caroline. Immerhin konnte sie sich nicht sicher sein, ob es tatsächlich Kojuro und die anderen waren. Auf der anderen Seite waren es aber nur komische Cosplayer auf Pferden. Was sollte da schon großartig passieren? Zuversichtlich sprang die junge Frau auf den Haufen brüllender Menschen zu und hatte tatsächlich Glück. Als Kojuro sie sah rannte er ihr die letzten Meter entgegen. Besorgt sah er Caroline an. ,,Was machst du hier, wir dachten du schläfst.“ Etwas ungläubig sah sie dem Mann entgegen. Innerlich fragte sie sich, was Kojuro von ihr erwartete, um zu denken, dass ein normaler Mensch bei so einem Geschrei schlafen konnte?
,,Ich... bin aufgewacht und dem Geschrei gefolgt. Ehm... hier. Ich dachte die braucht ihr sicher.“ Etwas unbeholfen überreichte Caroline ihm die mittlerweile ziemlich schwer gewordenen Rüstungsteile. Erleichtert ließ sie die Arme baumeln und wandte sich wieder dem Schlachtfeld zu.
Grübelnd beobachtete sie die kämpfenden Gestalten. Sie wurde nicht schlau daraus.
Was sollte das? Übten sie für irgendein Cosplay Wettbewerb oder sonst etwas? Auf Caroline wirkte es auch nicht unbedingt so, als würden die Zwei da unten sich aus Spaß bekämpfen. Dazu war Kojuro und auch die anderen Männer etwas zu angespannt. Unschlüssig legte sie die Stirn in Falten. ,,Wer kämpft da unten eigentlich?“, fragte Caroline, nach wie vor etwas nachdenklich. ,,Lord Masamune kämpft gegen Yukimura Sanada, seinen ebenbürtigsten Gegner. Das ist auch der einzige Grund warum wir durch Kai reisen.“ Verstehend nickte sie. Sein ebenbürtiger Gegner also.
Das hörte sich in Carolines Ohren ziemlich altmodisch an. Auch wenn sie Masamune nach wie vor kaum von diesem Yukimura unterscheiden konnte, drückte sie ihm ein wenig die Daumen, dass er gewann. Aber nur ein wenig. Man musste es schließlich nicht gleich übertreiben. ,,Caroline!“ Noch nicht wieder ganz bei sich, hob sie den Kopf, in Richtung der Soldaten. ,,Wir feuern den Big Boss an, mach mit!“ Einer der Soldaten, der relativ am Rand stand, winkte ihr zu. Etwas verhalten winkte sie zurück, ehe sie nach kurzem Grübeln, ob Masamune es ihr wirklich wert war, zu der Gruppe hinzu lief. Kojuro ließ sie mit den Rüstungsteilen in der Hand zurück.
Kaum das Caroline sich neben den Soldaten gestellt hatte, konnte es los gehen.
Im Chor rief der ganze Block immer wieder 'Big Boss' und klatschte bei Pausen in die Hände. Irgendwie fand sie die Geste wirklich niedlich und stimmte direkt mit ein. Auch wenn es nur ein paar Cosplayer, oder irgendwas ähnliches, waren, wurde sie einfach von der prickelnden Stimmung mitgerissen. Sie wollte auch Teil dieses nervenaufreibenden Spektakels sein!
So laut sie konnte schrie sie seinen Namen und klatschte passend zum Takt der anderen in die Hände, während sie den Kampf weiter verfolgte, so gut es ging.
Es war wirklich unglaublich mit welch einer Geschwindigkeit sich die beiden bewegten,
auch wenn sie ein ganzes Stück entfernt waren, konnte man erahnen, dass keiner der beiden auf den Anderen Rücksicht nahm. Beide legten all ihre Kraft in den Kampf.
Komplett in den Kampf vertieft nutzten sie die gesamte Fläche und näherten sich auf einmal,
in unglaublicher Geschwindigkeit dem Heer, das immer noch mit aller Begeisterung ihrem Herren zu jubelten. So auch Caroline. Allerdings blieb die junge Frau nicht mehr lang so ruhig wie die anderen, als sie realisierte, dass zwei kämpfende Männer in rasender Geschwindigkeit auf sie zu kamen. Kreischend ging sie in die Knie und hielt sich die Hände über den Kopf. Vor ihrem inneren Auge konnte sie sehen, wie die beiden prügelnd durch die Menge rasen und die gesamte Truppe wie Bowling-Pins durch die Gegend fliegen würden.
Doch derartiges blieb aus, das Einzige was sie spürte war ein Luftzug, der drohte sie umzuwerfen. „Cari steh auf und guck weiter! Jetzt wird es erst richtig spannend! Jetzt macht der Big Boss ernst!“ rief ihr einer der Soldaten zu. Wie konnten die nur alle so ruhig bleiben?!
Kurz bevor Masamune als auch Yukimura in die Truppe gekracht wären, sprangen sie ab und landeten beinahe Zeitgleich auf der anderen Seite des blauen Haufens. Beide rangen sie um Atem und starrten sich für einen kurzen Moment an.
Doch Masamune kam es vor wie Stunden. Genau das liebte er so an den Kämpfen gegen Yukimura. Sie bekämpften sich nicht nur körperlich, sondern lieferten sich auch einen mentalen Kampf, der die Kampfeslust des jungen Drachens jedes Mal weiter anfeuerte.
Als er die Spannung, die sich zwischen ihm und seinem Gegner aufgebaut hatte, kaum noch aushielt, legte er die Hände an die Griffe seiner Schwerter. Es war an der Zeit der Sache ein Ende zu setzen und als Sieger aus der Schlacht zu gehen. Masamune wusste genau, dass auch sein Gegenüber bereit war für den Endspurt war. Es war an der Zeit alle Reserven aufzubrauchen und einen Sieger zu bestimmen. „Here we go!“
Der Einäugige war der Erste der mit seinen Klingen ausholte, ohne jegliche Zurückhaltung.
Seine Klauen sollten treffen. Sie sollten seinen Gegenüber verletzen, ihn bluten lassen, sein Fleisch teilen und zerfetzen. Er wollte als Sieger hervorgehen, koste es was es wolle!
Ein siegessicheres Grinsen legte sich auf seine Lippen. Er würde es schaffen! Er würde ihn besiegen und sich endlich abreagieren können.
Jedoch parierte der Jüngere in Rot seinen Angriff, indem er seine Schwerter mit einem seiner Speere blockierte. Yukimura holte selbst zum Gegenschlag aus. Der Speer kam begleitet von einem lauten Schrei direkt auf Masamunes Gesicht zu.
„Masamuneeeee! Pass auf!“
Die hohe und für seinen Geschmack zu nervige Stimme, zwang ihn förmlich dazu den Kopf zur Seite zu drehen und somit seine Deckung zu vernachlässigen. Masamunes Blick flog über sein Heer und blieb schließlich an einem lila Haarschopf hängen, der ihn mit deutlich besorgtem Gesicht ansah. Irgendetwas in ihm freute sich darüber, dass er mit solch einer Besorgnis angesehen wurde. Doch verwarf er den Gedanken sofort, als ein stechender Schmerz seine Wange durchzog. Die angespannte Stille wurde von dem dumpfen Geräusch eines Helms, der auf den Boden viel und sein Träger der unmittelbar folgte zerrissen.
Fassungslos, ließ der junge Herrscher seine Schwerter fallen und blieb kurz reglos liegen um das Geschehene zu verarbeiten. Irritiert strich er sich über die schmerzende Wange. Es war nur ein Kratzer, doch es war ein weiterer Kratzer der seine Ehre beschmutze und gleichzeitig der Beweis, dass er diesen Kampf verloren hatte. Gereizt zog er die Brauen zusammen und sah auf den kaum zu erkennenden Blutfleck auf seinen Fingerspitzen. Er hätte gewinnen können, er war so kurz davor gewesen!
„Diese...“ Knurrend ballte er seine Hand zu einer Faust. Beinahe besorgt kam Yukimura angerannt, immerhin war es nie seine Absicht seinen Gegner ernsthaft zu verletzen.
„Masamune Date-dono!“ Gereizt stemmte sich Genannter wieder auf die Beine und schlug seinem Gegner die bloße Faust mitten ins Gesicht, was diesen auf seine Ursprungsposition zurück beförderte. „WO IST SIE?!“ Es war allein die Schuld von diesem WEIB, das er verloren hatte! Er hatte sie im Kampf gestört. In seinem Kampf, sie hatte ihn einfach unterbrochen! Das würde sie ihm büßen! Stapfend ging er auf sie zu. Diesmal hatte sie es einfach übertrieben! Es war Zeit diesem Weibsbild ihren Platz zu zeigen.
Je näher er ihr kam, desto weiter wich sie zurück. Die Angst war ihr ins Gesicht geschrieben.
Grob packte er das Mädchen am Arm und zerrte sie auf die Beine. „Was fällt dir eigentlich ein meinen Kampf zu unterbrechen?!“
Sie antwortete nicht, verzog nur wehleidig das Gesicht und versuchte ihren Arm aus seinem Griff zu befreien den er nur weiter festigte. „Aua! Du tust mir weh!“
„Antworte! Wer hat dir außerdem erlaubt mich zu duzen?!“
„Lord Masamune! Beruhigt Euch!“ Kojuro hob beschwichtigend die Arme und redete ihm gut zu. Gereizt drehte Masamune den Kopf zu seinem Berater, der ihn ernst musterte. „Sie trifft keine Schuld, es war Eure eigene Unachtsamkeit, dass Ihr verloren habt! Es ist nie gut aus Zorn in den Kampf zu ziehen.“
„Sie trifft keine Schuld?! Sie hat sich eingemischt! Niemand mischt sich in meinen Kampf ein! Das gehört mir allein! Niemand nimmt sich dieses Privileg einfach heraus und schon gar nicht irgendein dahergelaufenes Bauern-Weib!“ Der Junge Herrscher spuckte seinem Vertrauten die Worte regelrecht entgegen. „Ich hab mir doch nur Sorgen gemacht!“
Überrascht wandte Masamune seinen Kopf wieder zu dem Mädchen, die sich mit ihrem freien Arm über die tränenden Augen wischte. Knirschend biss er die Zähne zusammen. Es versetzte ihm eine Art schmerzenden Stich, als sie die Worte so über die Lippen brachte. Sie machte sich Sorgen? Dann sollte sie nicht so dümmlich handeln und ihn ablenken!
Doch wieder keimte diese Freude in ihm auf, dass sich jemand um ihn sorgte und das so offen, ohne es zu verstecken. Eigentlich war der Wunsch sie endgültig zum Schweigen zu bringen größer, als alles andere auf dieser Welt, doch irgendetwas hinderte ihn daran. Als würde ihm jemand im Weg stehen und er konnte einfach nicht vorbei.
Genervt von sich selbst, stieß er das weinende Mädchen von sich. Unsanft landete sie auf dem vermatschten Boden
„Packt alles zusammen! Wir gehen!“ Gereizt wandte er sich ab und lief durch den Wald zurück zu ihrem Lager. Dieses Weib würde ihn wahrscheinlich noch ins Grab bringen, wenn das so weiter ging!
-Pittel One Ende-
Eine Tochter, auf die man sich verlassen könnte und eine große Schwester, auf die man stolz sein könnte. Aber am Ende... war sie nichts davon.
Sie war schwach. Schwächer, als sie es sich je hätte träumen lassen.
Irgendwie überraschte es sie selbst, wie verletzlich der Mensch sein konnte, wenn der, den man am meisten vertraute, am meisten liebte, einen so verletzte.
Kapitel 1: Nicht alles Gute kommt von oben
Mit leerem Blick stand Caroline vor dem leeren Brunnen, in der Nähe ihres Hauses.
Wenn man es so nennen konnte. Es war ein tiefes Loch, dessen Boden sie noch nie gesehen hatte. Es fühlte sich an, als würde sie in sich selbst blicken. Ein tiefes, alles verschlingendes schwarzes Nichts, das sie langsam zu zerfressen schien. Selbst wenn die Sonne scheinen sollte, so würde sie niemals den Grund erreichen. Einst gab es einige Lichtschimmer, die es schafften, durch die Dunkelheit zu brechen, doch davon war nichts mehr übrig.
Einer nach dem anderen waren sie erloschen. Egal wie sehr sie sich versuchte daran zu klammern, am Ende verschwanden sie alle.
Beschäftigt, mit den eigenen Interessen, hatten sie Caroline vergessen und verraten.
Was war sie noch? Für ihre kleine Schwester spielte sie die schimpfende Ersatzmutter, die ihr alles verbot.
Während ihre eigentliche Mutter von einem Job zum nächsten hetzte, um die Familie über Wasser zu halten. Um das Haus und die Familie zu bewahren, die sie so sehr liebte.
Wahrscheinlich war sie die Einzige, die noch nicht erkannt hatte, dass es so etwas wie eine Familie schon längst nicht mehr gab. Wann hatte Caroline sie das letzte Mal wach gesehen?
Wann hatte Caroline sie das letzte Mal gesprochen? Sie wusste es nicht.
Seitdem sich ihr Vater aus dem Staub gemacht hatte, als Caroline knappe zwölf Jahre jung war, war nichts mehr wie davor. Man könnte sagen, mit ihm, hatte sich auch das verabschiedet, was man eine Familie nennen konnte.
Die Beziehung zu ihrer ehemals großen Liebe, war nichts mehr als eine Floskel,
die aus oberflächlichen Gesprächen bestand. Caroline wusste, dass er sie betrog.
Mit wie vielen?
Sie wusste es nicht. Vielleicht war es eine, die Caroline ersetzt hatte oder es waren viele, die das Loch in seinem Herzen füllten, zu dem Caroline nie im Stande gewesen war. Für eine nie enden wollende Zeit versuchte sie, der Mensch zu sein, den er sich wünschte. Sie wollte perfekt sein. Sie wollte die Einzige für ihn sein. Doch der Spagat zwischen Schule, Familie und der Liebe, war das, was sie am Ende zerbrach.
Sie blinzelte einige Male um wieder ihren Weg in das jetzt zu finden.
Es war zu spät, um sich darum zu sorgen. Dafür war es viel zu spät. Carolines Blick schweifte über die um das Loch gestapelten Steine. Das trübe Licht des Mondes ließ sie in einem leichten hellgrau erscheinen. Kleine Moosbüschel die hier und da aus den Ecken und Kanten der Steinstapel wucherten, warfen einen dunklen Schatten.
Der Boden, auf dem das Provisorium von Brunnen stand, hatte schon ewig kein Gras mehr gesehen.
Das Einzige, was von der ehemals grünen, mit Blumen übersäten, Wiese noch übrig war, waren braune, vertrocknete Büschel. Der Rest war platt getretener und fester Matsch.
Ein letztes Mal wandte sich Caroline dem kleinen, heruntergekommenen Häuschen zu.
Es machte einen eher einsamen Eindruck, wie es da völlig allein so abseits der Stadt stand und vor sich hin gammelte. Das hatte es nicht verdient. Caroline wusste, wie es unter dieser von Efeu befallenen Fassade aussah. Als sie vor Zehn Jahren nach Osaka gezogen waren, konnte Caroline sich nichts schöneres Vorstellen, als in einem kleinen Häuschen mit einem riesigen Garten zu leben. Sie dachte, dort gäbe es genug Platz um zu viert herumzutollen und Spaß zu haben.
Ein leises Lachen entfuhr ihr. Wie naiv sie damals war. Zu denken, dass dieses Glück für immer anhalten würde. Vorwürfe zu machen brachte nichts. Welches Mädchen könnte schon erahnen, dass der eigene Vater, das Familienkonto und sämtliche Sparbücher leer räumen würde und Hals über Kopf die Stadt verlässt, um mit der besten Freundin der eigenen Frau durchzubrennen?
Betrübt wandte sie ihren Blick von dem kleinen Haus ab. Ihr Entschluss stand fest.
Heute Abend würde es passieren. In dieser Nacht würde Caroline diese Welt verlassen.
Sie wusste selbst, dass es egoistisch war, den Rest ihrer Familie im Stich zu lassen. Aber es war genug. Es reichte. Caroline konnte nicht mehr. Sie war am Ende ihrer Kräfte.
Nach wie vor etwas unsicher, beugte sie sich nach unten, zu ihren heruntergekommenen roten Chucks. Nacheinander schlüpfte sie aus den abgetragenen Schuhen und stellte sie ordentlich
nebeneinander, bevor sie auf den Rand des Brunnens stieg.
Da stand sie nun. Nur noch einen Schritt von ihrem sicheren Tod entfernt. Was hielt sie noch?
Nichts. Es gab nichts was sie in dieser Welt noch hielt. Alles was ihr lieb und teuer war, war ihr durch die Finger geglitten. Caroline war es leid zu kämpfen.
Wenigstens ihr Tod sollte unbeschwert sein. Zögerlich tat sie einen Schritt über den Rand.
Es war ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Es war... als könnte sie fliegen.
Ein glückliches Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Sie hatte es geschafft. Sie schloss die Augen und ließ es geschehen. Während sich die Dunkelheit um Caroline legte, spürte sie, wie sich ein warmes Gefühl in ihr ausbreitete. Es war Glück. Nach all dieser Zeit, konnte Caroline wenigstens am Ende wieder glücklich sein.
Ishida Mitsunari. Endlich war der Tag der Abrechnung gekommen. Es war der Morgen, an dem Masamunes Ehre wieder hergestellt werden würde. Der Morgen, an dem er Ishida ein für alle Mal vernichten würde. Mitsunari würde es büßen, ihn besiegt und damit seine Ehre beschmutzt zu haben! Zuversichtlich sah Masamune in den strahlend blauen Himmel.
Nicht eine Wolke war zu sehen. Er konnte nur gewinnen.
Das wusste nicht nur er. Sein ganzes Heer stand hinter ihm und befeuerte ihn seit Wochen.
Auch jetzt, da sie von Minute zu Minute Osaka immer näher kamen, hörte er Rufe der Motivation und Zuversicht. Er würde Ishida zerstören.
Alle waren davon überzeugt, nur einer nicht. ,,Ich halte es für keine gute Idee, heute schon in Osaka einzufallen. Ihr seid noch nicht soweit.“
Seid sie in Oshu aufgebrochen waren, ging das so.
>>Ihr seid noch nicht bereit dafür!<< Genervt verdrehte Masamune das Auge. >>Überdenkt Euren Schritt noch einmal!<<
Zwar wusste er, sehr tief in sich, dass Kojuro es nur gut meinte, aber manchmal führte er sich auf wie seine Mutter.
Er würde das schaffen, mit oder ohne seine Hilfe. ,,Es ist noch zu früh um-“,,Kojuro!“, unterbrach Masamune ihn. Seit Stunden ertrug er dieses Gemecker. Es reichte.
Scharf riss er seinen Kopf zu seinem Freund und funkelte ihn finster an. Erwartungsgemäß rief das in dem Gesicht seines Nebenmannes keine Regung hervor.
,,Glaubst du nicht auch, dass es-... Ach egal!“ Mit knirschenden Zähnen wandte er sich von Kojuro ab. Schließlich hatte er sich um durchaus wichtigere Dinge zu sorgen.
Moment. Masamune hielt sein Pferd zum stehen an, und mit ihm stoppte der Rest seines Heers.
Ein unnatürliches, nerviges Quietschen machte sich bei ihm bemerkbar. Etwas irritiert rieb er an seinem Ohr.
,,Alles in Ordnung, Lord Masamune?“, fragte Kojuro, bevor er sein Pferd ebenfalls neben seinem Herren zum stehen brachte. Etwas besorgt sah er ihn an.
Masamune bekam davon aber nichts mit. Seine ganze Aufmerksamkeit lag bei dem stetig lauter werdenden quietschen. Was war das? Nach wie vor mit der Hand auf dem einen Ohr, suchte er nach der nervigen Quelle des Geräuschs. ,,Kojuro, hörst du das auch?“
Irritiert sah Kojuro seinen Herren an. ,,Nein, ich höre nichts.“ Verärgert rieb Masamune sich das Ohr weiter. Während er unter seinen Untergebenen suchte, machte sich etwas in seinem Augenwinkel bemerkbar. Irgendetwas... Masamune sah ein weiteres Mal dem Himmel entgegen. Da war es. Beim Anblick der Geräuschquelle riss er sein Auge auf.
Irgendein rot weiß gekleideter Mensch stürzte mit kaum zu erahnender Geschwindigkeit in Richtung Boden. Genauer gesagt, in Richtung Masamune Date.
Rotz und Wasser heulend krachte er in Masamune und riss ihn in voller Montur von seinem Pferd. Völlig überrumpelt versuchte er noch nach einem seiner Chopper-Zügel zu greifen, aber seine Fingerspitzen streiften das Metall nur noch leicht, bevor er unsanft auf dem Boden aufschlug.
Der Schmerz des Falls wurde noch durch das deutlich bemerkbare Gewicht des Kerls verstärkt, der auf ihm gelandet war.
,,Big Boss!“, riefen seine Mitstreiter entsetzt.
Noch nicht wieder ganz bei Sinnen richtete Masamune seinen Oberkörper auf. Mit ihm setzte sich auch der andere Körper auf. Wehleidig rieb er sich den Kopf.
Masamune konnte nicht glauben was da gerade auf ihm saß. Was... was war das für eine Kreatur?
Er konnte nicht definieren welchem Geschlecht es angehörte.
Die Falten, welche das rote... was auch immer es eigentlich war, dass es da trug, ließen die Form von Brüsten erahnen. Allerdings ließ ihn die schlabbrige, ehemals weiße Hose, an ihrem... seinem Geschlecht zweifeln.
Frauen trugen keine Hosen und was dieses seltsame, kurzärmlige Gewand, das er trug, auch immer war.
Für weitere Verwirrung sorgten die Haare... diese Haare! Noch nie hatte Masamune einen Menschen mit lila Haaren gesehen!
Was für eine Art von Dämon war das?!
Aus einer Mischung von Unglauben und Verwirrung starrte Masamune die Person an, die da auf ihm saß. Nach einiger Zeit fiel auch ihm auf, dass er von ihr/ihm gemustert wurde. Sein Blick war zwar noch etwas trüb, aber einem echten Mann, wie Masamune Date, entgeht nie, wenn jemand Interesse an ihm hat.
So auch bei diesem sonderbaren Wesen nicht.
Die Stille wurde von dem Rascheln der Rüstungen zerstört. Einige von Masamunes Männern waren los gestürmt, um ihren Herren von dem Wesen zu befreien, dass da vom Himmel gefallen war. Sie griffen unter seine Arme und stellten ihn auf die Beine. Auch Masamune boten einige ihre Hilfe an, aber der große einäugige Drache von Oshu brauchte keine Hilfe um aufzustehen.
Er stand selbst auf. Suchend sah er sich nach dem Menschen um. Sein Augenmerk fiel auf einen riesen Haufen, den sein Heer bildete. Masamune vermutete es dort.
,,Wie heißt du?“ ,,Wer bist du?“ ,,Woher kommst du?“ ,,Wieso bist du vom Himmel gefallen?! Sollte das ein Anschlag werden?!“
Überfordert von den ganzen Fragen und ihrer momentanen Situation, riss Caroline ihren Blick von einem Soldaten zum nächsten. Was war hier los? War sie tot? Eigentlich sollte sie tot sein, aber irgendwie, fühlte sie sich nicht halb so tot, wie sie dachte, dass es sich anfühlen würde, wenn man erst einmal tot war.
Um ehrlich zu sein, fühlte sie sich lebendiger wie die letzten Jahre. Daran war wahrscheinlich das Adrenalin schuld. Immerhin fiel man nicht jeden Tag vom Himmel, landete dann auf jemanden, der gar nicht Mal so schlecht aussah, und wurde dann von lauter Rockern in Rüstungen angespuckt, wer sie eigentlich war. War sie wirklich tot?
,,Lasst mich durch!“, ertönte eine laute, aber männliche Stimme. Caroline drehte sich um und fand vor sich den Mann wieder, auf dem sie gelandet war. Jetzt da sie vor ihm stand, realisierte sie erst richtig, wie groß er eigentlich war. Sie hob ihren Kopf an, um besser in sein Gesicht zu sehen. Zwar war sein Gesicht von dem schwarzen Helm etwas verdunkelt, doch sein blau-graues Auge sah sie fest an.
Das andere war von einer schwarzen Augenklappe verdeckt, über der einzelne Strähnen seines dunkelbraunen Haars lagen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah zu ihr herab. ,,Wer oder was bist du, Mensch?“ Ein wenig eingeschüchtert von seinem rauen Ton sah sie zur Seite. ,,Ich... ähm... Ich heiße Caroline Wanabe... öhm...freut mich...?“, stotterte sie etwas unbeholfen zusammen. In der Hoffnung nicht sofort an Ort und Stelle umgebracht zu werden.
Männer mit Schwertern bedeuteten vermutlich nichts Gutes und der Einäugige vor ihr, hatte auch noch sechs davon. War das nicht ein bisschen waghalsig mit nur einem Auge?
Caroline schüttelte den Kopf. Sie hatte jetzt wichtigere Sorgen.
,,Darf... ich etwas fragen?“ Mit ihrer Frage machte sich erstaunen in der Gruppe breit. Alle sahen sie überrascht an. Nur Caroline wusste nicht, was sie eigentlich falsch gemacht hatte.
Irgendwie verwirrte es sie, dass es anscheinend etwas ziemlich aufregendes war, das sie gesprochen hatte. Auch wenn sie selbst nicht ganz verstand wieso.
Auf dem Gesicht ihres Gegenübers breitete sich ein freches Grinsen aus. ,,Du bist mutig. Sprich.“
,,Ich... bin schon tot, oder?“
Stille. Für einen Moment kehrte Stille ein. Alle die sie davor überrascht angesehen hatten, glotzten Caroline nun aus einer Mischung von Verständnislosigkeit und totaler Irritierung an.
Kurzum: als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank. Jetzt da sie es tatsächlich ausgesprochen hatte, kam sie sich dumm vor. Der Mann, der vor ihr stand, hob seinen Arm und kurz darauf trat ein anderer zu ihm hinzu.
Er trug einen braunen, langen Mantel und hatte eine ziemlich hässliche Narbe im Gesicht.
Männer mit einem Auge und Narben im Gesicht... Mittlerweile war sie sich sicher. Egal wo sie war, es konnte nicht der Himmel sein.
Der Einäugige wandte sich seinem Partner zu und fing an ihm irgendetwas zu flüstern, was bei ihm anscheinend ziemliche Verwirrung stiftete, so wie er ihn darauf ansah. ,,Das kann ich nicht tun! Was wenn es sich hierbei wirklich um...“ Genervt schnaubte der braunhaarige und verdrehte das Auge. ,,Und ob du das kannst.“ Er schnappte sich das Handgelenk seines Gefährten und drückte seine Handfläche gegen eine von Carolines Brüsten. Völlig Perplex starrte Caroline auf die Hand an ihrer Brust, bevor ihr das Blut Literweise in den Kopf schoss. Stockend hob sie ihren Kopf, um der Person ins Gesicht sehen zu können. Zu ihrer Überraschung sah dieser jedoch genauso überfordert aus und war genauso knall rot wie sie selbst. Für einen Moment sahen sie sich in die Augen, ehe Caroline den wahren Übeltäter ausmachen konnte. Ihr Blick schoss zu dem einäugigen Mann, der sie unbeeindruckt ansah. Caroline zog die Augenbrauen zusammen. Er tat ihr so etwas an und dann sah er zu ihr, als wäre es das normalste der Welt!
Sie holte aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Es fühlte sich an wie Zeitlupe, dass Carolines Hand über sein Gesicht wischte und sie dabei eigentlich realisierte was sie da tat. Als sie wieder im hier und jetzt angekommen war, riss Caroline ihre Hand sofort zurück. ,,Ich... also...“, bemühte sie sich zu rechtfertigen.
Einen fremden Mann mit einer Armee einfach ins Gesicht zu schlagen war wohl nicht ganz so schlau gewesen, wie es sich zunächst angefühlt hatte. Verunsichert lugte sie in seine Richtung.
Was sie dann sah, ließ ihr Herz durch den Boden brechen. Hasserfüllt sah der Mann auf Caroline herab.
Seine Augenbrauen zogen sich immer weiter zusammen und sein Auge fing an beängstigend zu zucken, während der Schatten seines Helms immer mehr von seinem Gesicht bedecken zu schien. Es war... beängstigend Carolines Beine begannen zu zittern und ihre Hände wurden nass vor Angst. ,,Ich...“, fing sie erneut an. Doch mit jedem Wort das sie zu sprechen schien, wurde sein Blick finstrer. ,,Ich...“ Sie schluchzte. ,,Ich...“ Tränen stiegen ihr in die Augen und sie sackte weinend auf dem Boden zusammen. Sterben zu wollen, weiß Gott wo vom Himmel zu fallen und in eine Horde von Männern in altertümlichen Rüstungen zu krachen, um dann von einem Mann böse angeguckt zu werden, war zu viel für eine kleine Seele wie ihre.
,,Es tut mir so leid!“, schluchzte Caroline, während sie versuchte sich die Tränen aus dem Gesicht zu streichen. Doch es kamen immer wieder neue.
Der Einäugige ließ sich davon nicht beeindrucken. Er wirkte eher noch verärgerter als zuvor, doch all seine Mitstreiter rannten sofort zu ihr, um sie zu trösten. ,,Bitte weine nicht. Manchmal ist er eben so.“ versuchte der Mann, der Caroline keine Sekunde zuvor an die Brust getatscht hatte, sie zu beschwichtigen. Die anderen Männer die sich um sie versammelt hatten und ihr tröstend den Kopf tätschelten nickten zustimmend. „Katakura-sama hat recht! Der Big Boss ist manchmal etwas rabiat. Aber nicht mehr weinen.“
Ein genervtes Knurren entfuhr dem jungen Krieger. Es konnte doch nun wirklich nicht sein, dass sowohl Kojuro als auch seine gesamte Truppe dieses geschlechtslose Ding trösten wollten, das ihn bereits das zweite Mal attackiert hatte. ,,Wieso tröstet ihr sie jetzt?! Wir könnten schon längst in Osaka sein! Lasst sie liegen, wir gehen!“
Als keiner große Anstalten machte sich zu bewegen, verzog er das Gesicht und schrie seinem Heer aggressiv entgegen: „Das war ein Befehl!“ Mit diesem letzten Machtwort wollte der junge Mann der Gruppe den Rücken kehren, um endlich weiter vorrücken zu können, als ihn sein Kamerad zurückhielt. ,,Lord Masamune, wir können eine unschuldige und wehrlose Frau nicht einfach zurück lassen. Außerdem seid Ihr zu aufgewühlt um Mitsunari gegenüber zu treten. Es wäre Euer sicherer Tod und auch der unser aller. Bitte, seid vernünftig und lasst uns für heute umkehren.“
Gereizt zog Masamune die Brauen zusammen. Er wollte aber nicht warten! Er wollte seine Rache jetzt sofort! Er konnte nicht länger warten, er hatte das Gefühl je länger er wartete, desto mehr würde seine Ehre beschmutzt werden.
Doch irgendwo, in dem hintersten Teil seines rachsüchtigen Kopfes, wusste er, dass es wirklich besser wäre, noch zu warten und sich erst eine richtige Taktik zu überlegen. Schnaubend schlug der junge Herrscher Kojuros Hand von seiner Schulter. „Von mir aus...“
Sofort legte sich ein stolzes Lächeln auf die Lippen seines engsten Vertrauten, der ihm nochmals brüderlich die Hand auf die Schulter legte. „Eine wahrlich weise Entscheidung mein Lord.“
„Jaja, nimm... das...“ Masamune sah zu dem vermeintlichen Mädchen, die sich immer noch schluchzend von seinen Männern auf die Beine helfen ließ. Kojuro räusperte sich kurz etwas peinlich berührt und sah zu Boden. „Sie...ist eine Frau, falls Ihr dieses Wort sucht.“
Nickend stieg Masamune wieder auf seinen Harley-Gaul und wandte dieses direkt. „Dann nimm das Weib mit. Aber dass das für alle klar ist, wir werden keine Rast machen bis wir in Oshu sind! Let's go!“ Auf Masamunes Befehl hin verteilten sich seine Männer eher unfreiwillig auf ihre Pferde und überließen Kojuro das Mädchen.
Etwas überfordert deutete dieser Caroline, dass sie auf seinem Pferd mit reiten würde.
Nach wie vor etwas wehleidig nickte sie und versuchte auf das Pferd zu steigen. Was selbstverständlich nach hinten los ging.
Beim ersten Versuch brauchte sie bereits eine Ewigkeit um ihren Fuß nur in den Steigbügel des Sattels zu bekommen und schaffte es nicht einmal ansatzweise sich aus eigener Kraft hoch zu ziehen. Sie trat nur immer wieder das arme Pferd, gewollt oder auch nicht, bis dieses die Schnauze voll hatte und das Mädchen von seinem Rücken schmiss. Unsanft landete das dümmliche Weib auf dem Boden, jammerte kurz und versuchte es nochmals. Entnervt wandte Masamune seinen Blick von den kläglichen versuchen des Mädchens ab. Es war kaum mit anzusehen wie dieses unfähige Mädchen es nicht einmal schaffte auf ein Pferd zu steigen. Jetzt wo er ohne seinen heiß ersehnten Sieg gegen Mitsunari umkehren musste, konnte er es kaum erwarten endlich wieder in Oshu anzukommen. Wenn möglich ohne graue Haare.
Nach unnötig langen Verzögerungen und unzähligen erbärmlichen Versuchen hatten sie es letzten Endes doch geschafft, auch wenn sie eigentlich ein paar seiner Männer auf das Pferd gehievt hatten.
Somit konnte es also endlich los gehen. Masamune hatte sich auf einen ruhigen Heim ritt vorbereitet, bei dem er wieder einen klaren Kopf bekam und seine nächsten Schritte überdenken konnte, aber auch das zerstörte dieses Ding ihm.
Denn Anstatt den Mund zu halten, wie es sich für eine Frau gehörte, wagte sie es doch tatsächlich Kojuro anzusprechen und Masamune dadurch seinen Tag noch weiter zu versauen.
,,Ehm...“ Angestrengt versuchte sich Caroline an den Namen des Mannes vor ihr zu erinnern. ,,Kojuro Katakura“
,,Danke...“, meinte sie peinlich berührt. Kurz trat Stille ein, in der das Mädchen einfach nur zur Seite sah, bevor sie den nächsten Versuch startete Kojuro in ein Gespräch zu verwickeln.
War es so viel verlangt einfach den Mund zu halten?! ,,Ehm... wo genau sind wir jetzt eigentlich, Kojuro-san?“ Neugierig sah sie in der Gegend herum. Ihr Blick verriet schon, dass sie nicht den blassesten Schimmer hatte, wo sie gerade waren.
,,Dumme Frau...“, knirschte Masamune genervt.
,,Momentan befinden wir uns noch in der Region um Osaka und sind auf dem Weg nach Oshu. Wahrscheinlich durchqueren wir dabei die Region von Kenshin Uesugi.“ Verstehend nickte Caroline und legte ihren Kopf nachdenklich zur Seite. Auch wenn sie es versuchte zu unterdrücken, aber man sah der Frau genau an, wie sie angestrengt über irgendetwas nachzudenken schien und selbst wenn sie nachdachte, wirkte sie unglaublich dämlich. Sie hatte die Augen angestrengt zusammen gekniffen und starrte einen beliebigen Punkt an, während sie an ihrer Oberlippe herum spielte. Angeekelt von diesem Anblick, wand er den Kopf zur Seite und stoppte dann innerlich... Kenshin? Ein lautes Lachen brach aus dem jungen Mann heraus. ,,Wir werden Kenshins Gebiet nicht einmal streifen! Wir reisen quer durch Kai!“ Völlig überzeugt von sich und seiner glorreichen Idee, die ihm hoffentlich den Tag retten sollte, verschränkte Masamune die Arme.
Vielleicht würde es doch noch eine gute Zeit werden und Masamune zudem die perfekte Chance geben, wieder auf andere Gedanken zu kommen. ,,Lord Masamune, wir können doch nicht-“,,Und ob wir können! Here we go!“ Immer noch lachend befahl er seinem Pferd an Tempo zuzulegen. Seine Truppen wieder hoch motiviert hinterher.
Kojuro blieb mit einem ernüchternden Seufzer zurück. ,,Halte dich gut fest, Caroline.“
Noch bevor sie irgendetwas erwidern konnte, ließ Kojuro seine Zügel gegen den Rücken des
Pferdes schnalzen und ritt seinem Herren hinterher, während sich Caroline an ihn klammerte.
Seid zwei Tagen war Caroline nun mit Kojuro und Masamune unterwegs. Der es immer noch nicht für nötig hielt, sich ihr offiziell vorzustellen, geschweige denn sich dazu herab ließ mit ihr zu sprechen. Seufzend legte Caroline ihre Stirn gegen Kojuros Rücken. Sie sehnte sich nach einer warmen Dusche, ihrer Zahnbürste und Deo. Noch nie hatte sie sich so eklig gefühlt. Wie hielten die anderen das aus? Seufzend hockte sie sich wieder auf und strich sich ein paar fettige Strähnen aus ihrem Gesicht. Hoffentlich waren sie bald da. Laut Kojuro waren sie der Region Kai schon sehr nah.
Caroline beschäftigte es, dass ihr die ganzen Namen derart bekannt vorkamen. Nur woher kannte sie diese ganzen Leute? Gesehen hatte sie sie ganz bestimmt nicht. Da war sie sich sicher. Was ihr allerdings komisch vorkam, war die Tatsache, dass sie jetzt schon seit zwei Tagen unterwegs waren und Caroline nicht ein Auto oder irgendwelche Zuggleise gesehen hatte. Geschweige denn eine Menschenseele, abgesehen von ein paar Bauern, die Caroline nicht unbedingt zählen wollte und den Truppen die sie umgaben. Doch am seltsamsten fand sie immer noch die Tatsache das sie per Pferd reisten, entweder waren das Cosplayer die ihre Rolle verdammt ernst nahmen oder... na ja, das war die Einzige Erklärung die Caroline einfiel, die sie nicht um ihr Leben fürchten ließ.
Wirklich einen Reim konnte sie sich trotzdem nicht daraus machen. Sicher lag es an dem Schlafmangel, denn auch wenn Kojuro ihr sagte, dass sie sich ausruhen sollte, wollte das nicht so recht funktionieren. Immerhin war ein Pferd eben doch kein Bett und Kojuros Rücken kein Kissen. Davon abgesehen hatte sie Angst wieder runter zufallen. Caroline war genervt und stank genug, da wollte sie nicht schon wieder von dieser Giftspritze ausgeschimpft werden.
Außerdem hatte sie Hunger. Seit zwei Tagen nichts anderes wie steinhartes Brot und trockenen Reis zu essen, war auch nicht das Wahre. Auch wenn sie Kojuro und den Anderen sehr dankbar dafür war, dass sie so großzügig ihr Essen mit Caroline teilten, wollte sie wieder etwas normales essen. Fleisch... Am liebsten wäre ihr ein saftiges Schnitzel gewesen...
Masamune aß seine Portion selbstverständlich selbst. Was war auch anderes zu erwarten von einem derart zuvorkommenden Gentleman wie ihm?
Caroline schluckte. Nicht schon wieder. ,,Hey... Kojuro-san... Ich muss Mal...“, flüsterte sie dem Mann vor sich ins Ohr. ,,Wohin musst du? Es ist gefährlich hier! Du solltest nicht einfach so allein herumlaufen.“
,,Aber... es ist echt dringend! Ich hab's jetzt so lange zurückgehalten.“ Es dauerte einen Moment, ehe Kojuro verstand, was Caroline eigentlich meinte. Er gab ihr ein kurzes Nicken als Antwort und ritt an Masamunes Seite. ,,Lord Masamune, ich weiß, dass Ihr verärgert seid. Aber als Oberhaupt solltet Ihr auch an Eure Männer denken. Wir sollten eine kurze Rast einlegen. Auch um eurer Willen. In diesem Zustand könnt ihr Yukimura Sanada nicht gegenüber treten.“ Mit dem Ende seines Satzes drehte Masamune seinen Kopf zu ihm. Unter seinem Auge lag ein tiefer schwarzer Schatten und sein Auge war leicht Blutunterlaufen. Kein schöner Anblick. Halblebig glotzte er Kojuro entgegen, als hätte er nicht verstanden was er ihm gerade gesagt hatte. Etwas planlos guckte er in der Gegend herum, wobei er die Augenbrauen zusammen zog.
Er musste wirklich müde sein, aber in seinem Blick konnte man immer noch die Wut ablesen, die er schon seit ihrem ersten Treffen mit sich herum trug. Kaum zu glauben, dass er sich immer noch nicht beruhigt hatte. ,,Was soll denn das heißen?! Denkst du etwa ich bin ein schlechtes Oberhaupt? Außerdem, ich könnte in jedem Zustand gegen Yukimura Sanada gewinnen! Davon abgesehen: Ihr habt euch das alle selbst zuzuschreiben! Ich meine, ich habe nie darum gebeten dieses Weib mitzuschleppen und wieder umzudrehen!“, brüllte er etwas vernuschelt.
Caroline schaffte es aber nur gerade so seinen Worten zu folgen. In diesem Augenblick verwandelte sich das innere ihrer Blase in einen reisenden Fluss. Sie konnte nicht mehr.
,,Hättet ihr vielleicht die Güte, eure Diskussion wann anders fortzuführen? Ich muss pinkeln! Ich schwöre bei Buddha, ich halte die Klappe bis wir da sind! Ich will einfach nur endlich Pipi machen!“, flehte Caroline, am Rand der Verzweiflung. Blitzschnell raste Masamunes Blick zu ihr. Sein müdes Auge starrte sie intensiv an. Man konnte den Wunsch daraus lesen, Caroline ein für alle Mal zu beseitigen. Dafür hatte diese allerdings keine Zeit. Ihre einzige Sorge, war in diesem Moment ihre Blase.
Sein Auge schien immer kleiner zu werden und Masamune kurz vor einem Tobsuchtsanfall zu stehen. ,,Dann geh doch!“, keifte er ihr entgegen. ,,Verschwinde! Verschwinde endlich! Und WEHE du bist in fünf Minuten nicht wieder da. Dann gehen wir ohne dich und diesmal ohne Widerrede!“ Carolines Augen begannen zu leuchten. Sie sah ihre Erlösung immer näher kommen. ,,Vielen Dank!“ Etwas unbeholfen kletterte sie von dem Pferd und verschwand sofort in Richtung Wald.
,,Gott sei Dank, sie ist endlich Weg.“, brummte Masamune. Am Rande der Verzweiflung und völlig fertig mit der Welt und sich selbst, stieg er von seinem Pferd und setzte sich vor den nächstbesten Baum. Erleichtert atmete er aus, als sein Rücken das Holz berührte.
Fragend sah er zu seinen Männern, die nach wie vor auf den Pferden saßen. Masamune konnte jedem einzelnen ansehen wie müde er war. Nach zwei Tagen konnte er da wohl niemandem einen Vorwurf machen. Ein müdes Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen.
,,Fünf Minuten Pause für alle.“
Von einen auf den anderen Moment fing sein ganzes Heer an zu strahlen. Sie sahen aus, als hätte Masamune ihnen einen Monat Urlaub gegeben. ,,Vielen Dank, Big Boss!“, riefen sie im Chor. In Rekordzeit waren alle von ihren Pferden gestiegen und verteilten sich rundherum auf dem Weg, um endlich mal wieder in aller Ruhe ihr Essen zu genießen. Ohne diese Nervkuh fühlte es sich an wie früher. Alles war so friedlich... und ruhig. Zufrieden sah er seinen Männern entgegen. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee, eine kurze Pause einzulegen. ,,Hier“ Masamune hob den Kopf. Vor ihm stand Kojuro, mit seiner Bambus Tasse in der Hand. Gefüllt mit Tee, der mittlerweile so kalt war, dass er nicht einmal mehr dampfte.
Kojuro setzte sich neben seinen Herren und reichte ihm die Tasse. ,,Danke“ Er nahm die Tasse entgegen. Müde sah er in seine Tasse, die sein fertiges Gesicht auf der Teeoberfläche spiegelte. Er sah wirklich fertig aus. ,,Bald haben wir es geschafft.“
,,Jep“, antwortete Masamune, mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.
Es war so angenehm ruhig. Man hörte im Hintergrund nur das Gelächter seines Heers.
Entspannt schloss er die Augen, um die Ereignisse der letzten beiden Tage noch einmal Revue passieren zu lassen. Als hätte er fast zehn Stunden geschlafen öffnete er völlig ausgeruht wieder die Augen. Noch etwas schlaftrunken sah er sich um und erfasste Kojuro, wie er zusammen mit den anderen um ein Feuer herum saß. Kein Wunder war es so angenehm warm. Gerade in Wäldern wird es immer besonders kalt, wenn es erst einmal dunkel war.
Dunkel... ja... Dunkel?! Ein paar Mal blinzelte er verwirrt, bevor er eigentlich verstand was er da dachte. Es war dunkel! Wie lang hatte er geschlafen?! Masamunes Blick schoss in den Himmel. Es war wirklich Nacht. Der Mond stand schon hoch am Himmel und vereinzelte Sterne erleuchteten die Nacht. Sofort stand Masamune wieder auf den Beinen. Wieso um alles in der Welt hatte ihn keiner geweckt?! Stinksauer riss er seinen Kopf zu seinen Männern, die lachend und essend auf dem Boden saßen.
,,Wieso hat mich keiner geweckt?! Wir könnten schon längst wieder in-“ Ein synchrones SHHHHH! Unterbrach ihn. Gereizt hob er eine Augenbraue, während er die Arme vor der Brust verschränkte. Zuerst wurde ihm widersprochen und jetzt verboten sie ihm den Mund?!
Gerade wollte er ein weiteres Mal loslegen, als ihm der Grund für dieses aufmüpfige Verhalten ins Auge fiel. Es war Caroline die schlafend auf dem Boden lag. Sie hatte Arme und Beine nah an den Körper gezogen und war von einigen Tüchern und leichteren Rüstungsteilen zugedeckt. So friedlich wie sie in jenem Augenblick schlief, hätte wohl niemand erwartet, was für ein kleines Monster sich eigentlich hinter diesem unschuldigen Gesicht versteckte. Auch der große Masamune war etwas überrumpelt von ihrem schlafenden Körper. Resignierend atmete er aus und setzte sich auf einen freien Platz im Kreis.
Er hatte sich in letzte Zeit genug aufgeregt. ,,Lord Masamune“ Aufmerksam sah er zu Kojuro, der neben ihm saß. ,,Ihr solltet euch nachher bei ihr bedanken.“ Ungläubig zog er die Augenbrauen zusammen. Bedanken... ,,Wieso sollte ich?“ Ein Lächeln legte sich auf Kojuros Lippen. ,,Ihr seid mit dem Tee in der Hand eingeschlafen. Sagen wir es so... sie hat Euch vor größerem Übel bewahrt.“ Fragend neigte Masamune seinen Kopf zur Seite. Er verstand nicht ganz worauf Kojuro hinaus wollte, aber eins wusste er sicher: dieses Weib musste ihre Hände an seiner Rüstung gehabt haben. Bevor DIE seine Rüstung anfasst, hätte er sie lieber mit Teeflecken befleckt gehabt. Wofür sollte er sich da bedanken? Wenn dann hatte sie sich zu entschuldigen!
,,Ach und noch etwas.“ Genervt wandte Masamune den Blick zu seinem alten Freund, der nun auch zu ihm sah. ,,Was jetzt noch?“, brummte er, während er eine Schale voll Reis entgegen nahm, die ihm einer seiner Männer reichte. Dankend nickte er. ,,Bitte wascht Euch das Gesicht. So kann Euch niemand ernst nehmen.“ Masamunes Gesicht verzog sich weiter. ,,Soll das eine Beleidigung sein?“ Kojuro unterdrückte ein leises Lachen und schüttelte den Kopf. ,,Nicht doch.“ Amüsiert deutete er Masamune zu einem hölzernen Wassertopf zu gehen der nicht weit weg von den beiden stand. Kurz sah er seinen Gefährten skeptisch an, bevor er sich doch dazu entschied aufzustehen, um sich sein Gesicht anzusehen. Irgendetwas war da faul. Seufzend stellte er sich wieder auf die Beine.
Neugierig und schon mit einer gewissen Wut im Hinterkopf lief er an seinen Männern vorbei, die sich munter Unterhielten, in Richtung des Wassertopfes. Prompt ließ er sich auf die Knie fallen und sah in die Reflektion des Wassers. Das flackern des Feuers und der schwach leuchtende Mond, spendeten gerade so genug Helligkeit, dass Masamune sein Gesicht mehr oder weniger erahnen konnte. Das was er sah reichte ihm aber. Auf seinem sonst so perfekten Gesicht zeichneten sich komische Kringel aus Dreck und zwischen seinen Augenbrauen fand sich ein gezackter Blitz aus dem gleichen Schmutz wieder. Verärgert verzog er das Gesicht. Dieses Teufelsweib! Mit einer kurzen Handbewegung strich Masamune sich den angetrockneten Dreck aus dem Gesicht und war kurz darauf wieder auf den Beinen. Es brauchte nichts um zu wissen, wer an dieser... dieser.... diesem Etwas schuld war. Wütend riss Masamune seinen Kopf zu Carolines schlafendem Körper. Dafür würde sie bluten. Frau oder nicht, wenn das so weiter ging, dann würde er sie früher oder später einfach umbringen. ,,Duuuuuu“, zischte er ihrem schlafenden Ich entgegen. Bereit für die nächste Standpauke stapfte er auf sie zu. Gerade riss er den Mund auf, als sein Ruf von einem anderen Schrei übertönt wurde.
,,MASAMUNE DATE-DONOO!!!!“ Diese Stimme würde er überall wiedererkennen.
Yukimura Sanada, der junge Tiger von Kai. Er kam wie gerufen. Kampflustig sah Masamune in die Richtung, aus der er die Stimme vermutete. Zu seiner Überraschung stand Yukimura weiter weg wie erwartet, trotzdem fühlte es sich an, als hätte man ihm ins Ohr geschrien. Hundertprozentig entschlossen und mit den Speeren in beiden Händen stand er Kampfbereit da. Ein breites Grinsen zeichnete sich in Masamunes Gesicht. Heute würde Yukimura verlieren. Koste es was es wolle. Er riss ein Schwert aus seiner Scheide und stürmte an seinen Männern vorbei, schnurstracks in Richtung Yukimura.
Das Klirren von aufeinander schlagendem Metall und lautem Gebrüll riss Caroline unsanft aus ihrem Schlaf. Noch nicht wieder ganz bei sich, rieb sie sich die Augen und sah sich daraufhin um. Erleichtert stellte sie fest, dass sie sie nicht einfach sitzen gelassen hatten.
Zumindest dem Anschein nach. Einige Pferde waren noch an herumstehende Bäume gebunden und Reisschüsseln lagen herum. Sogar das Feuer brannte noch. Es machte eher den Eindruck, als wären sie Hals über Kopf irgendwo hingerannt. Planlos zuckte Caroline mit den Schultern, nachdem sie sich aufgerichtet hatte. Ein glückliches Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, als sie auf ihren Schoß sah und die Rüstungsteile entdeckte, die ihr als provisorische Decke dienten. Irgendwie waren sie schon goldig.
Das erneute Klirren von Waffen riss sie aus ihren Gedanken. Schwerter? Was wenn sie Probleme hatten? Caroline beschloss sie zu suchen und wenn nötig zu helfen. Sie wusste noch nicht genau wie, aber irgendwie würde sie ihnen schon helfen können! Schnell sprang sie auf die Beine und schnappte sich so viele der Rüstungsteile wie sie tragen konnte. Die würden sie sicher brauchen. Nachdem sie alles so mehr oder weniger zusammen geräumt hatte rannte sie los, in die Richtung aus der sie die Rufe und die Schläge vermutete. In der Hoffnung sie lag richtig. Ihr Weg führte sie durch eine Lichtung, die von allen Seiten, vom Wald umgeben war. Im Vergleich zu dem grünen und lebendigen Wald aus dem sie gerannt war, erschien ihr diese Stelle irgendwie... tot.
Nichts außer einer erloschenen Fackel schien dort zu stehen. Der Boden war derart abgetreten, dass er mehr einem Matschfeld wie dem Teil eines Waldes glich. Ein bisschen erinnerte sie das an zu Hause. Caroline schüttelte den Kopf. Momentan gab es wichtigere Dinge, um die es sich zu sorgen galt. Suchend ließ sie ihren Blick über das große, vertrocknete Feld gleiten, dass hinter dem Wald lag. Ihr fielen zwei dunkle Silhouetten ins Auge, die sie am anderen Ende des Feldes einen heftigen Kampf zu liefern schienen. Immer wieder war das scharren vor aufeinander prellenden Schwertern zu hören. Funken flogen.
Angestrengt kniff Caroline ihre Augen zusammen, um besser erkennen können, aber mehr wie die schwarzen Gestalten konnte sie nicht ausmachen, egal wie angestrengt sie es versuchte. Dafür fiel ihr etwas anderes ins Auge. Ein ziemlich großer Haufen dunkel gekleideter Gestalten. Kurz zögerte Caroline. Immerhin konnte sie sich nicht sicher sein, ob es tatsächlich Kojuro und die anderen waren. Auf der anderen Seite waren es aber nur komische Cosplayer auf Pferden. Was sollte da schon großartig passieren? Zuversichtlich sprang die junge Frau auf den Haufen brüllender Menschen zu und hatte tatsächlich Glück. Als Kojuro sie sah rannte er ihr die letzten Meter entgegen. Besorgt sah er Caroline an. ,,Was machst du hier, wir dachten du schläfst.“ Etwas ungläubig sah sie dem Mann entgegen. Innerlich fragte sie sich, was Kojuro von ihr erwartete, um zu denken, dass ein normaler Mensch bei so einem Geschrei schlafen konnte?
,,Ich... bin aufgewacht und dem Geschrei gefolgt. Ehm... hier. Ich dachte die braucht ihr sicher.“ Etwas unbeholfen überreichte Caroline ihm die mittlerweile ziemlich schwer gewordenen Rüstungsteile. Erleichtert ließ sie die Arme baumeln und wandte sich wieder dem Schlachtfeld zu.
Grübelnd beobachtete sie die kämpfenden Gestalten. Sie wurde nicht schlau daraus.
Was sollte das? Übten sie für irgendein Cosplay Wettbewerb oder sonst etwas? Auf Caroline wirkte es auch nicht unbedingt so, als würden die Zwei da unten sich aus Spaß bekämpfen. Dazu war Kojuro und auch die anderen Männer etwas zu angespannt. Unschlüssig legte sie die Stirn in Falten. ,,Wer kämpft da unten eigentlich?“, fragte Caroline, nach wie vor etwas nachdenklich. ,,Lord Masamune kämpft gegen Yukimura Sanada, seinen ebenbürtigsten Gegner. Das ist auch der einzige Grund warum wir durch Kai reisen.“ Verstehend nickte sie. Sein ebenbürtiger Gegner also.
Das hörte sich in Carolines Ohren ziemlich altmodisch an. Auch wenn sie Masamune nach wie vor kaum von diesem Yukimura unterscheiden konnte, drückte sie ihm ein wenig die Daumen, dass er gewann. Aber nur ein wenig. Man musste es schließlich nicht gleich übertreiben. ,,Caroline!“ Noch nicht wieder ganz bei sich, hob sie den Kopf, in Richtung der Soldaten. ,,Wir feuern den Big Boss an, mach mit!“ Einer der Soldaten, der relativ am Rand stand, winkte ihr zu. Etwas verhalten winkte sie zurück, ehe sie nach kurzem Grübeln, ob Masamune es ihr wirklich wert war, zu der Gruppe hinzu lief. Kojuro ließ sie mit den Rüstungsteilen in der Hand zurück.
Kaum das Caroline sich neben den Soldaten gestellt hatte, konnte es los gehen.
Im Chor rief der ganze Block immer wieder 'Big Boss' und klatschte bei Pausen in die Hände. Irgendwie fand sie die Geste wirklich niedlich und stimmte direkt mit ein. Auch wenn es nur ein paar Cosplayer, oder irgendwas ähnliches, waren, wurde sie einfach von der prickelnden Stimmung mitgerissen. Sie wollte auch Teil dieses nervenaufreibenden Spektakels sein!
So laut sie konnte schrie sie seinen Namen und klatschte passend zum Takt der anderen in die Hände, während sie den Kampf weiter verfolgte, so gut es ging.
Es war wirklich unglaublich mit welch einer Geschwindigkeit sich die beiden bewegten,
auch wenn sie ein ganzes Stück entfernt waren, konnte man erahnen, dass keiner der beiden auf den Anderen Rücksicht nahm. Beide legten all ihre Kraft in den Kampf.
Komplett in den Kampf vertieft nutzten sie die gesamte Fläche und näherten sich auf einmal,
in unglaublicher Geschwindigkeit dem Heer, das immer noch mit aller Begeisterung ihrem Herren zu jubelten. So auch Caroline. Allerdings blieb die junge Frau nicht mehr lang so ruhig wie die anderen, als sie realisierte, dass zwei kämpfende Männer in rasender Geschwindigkeit auf sie zu kamen. Kreischend ging sie in die Knie und hielt sich die Hände über den Kopf. Vor ihrem inneren Auge konnte sie sehen, wie die beiden prügelnd durch die Menge rasen und die gesamte Truppe wie Bowling-Pins durch die Gegend fliegen würden.
Doch derartiges blieb aus, das Einzige was sie spürte war ein Luftzug, der drohte sie umzuwerfen. „Cari steh auf und guck weiter! Jetzt wird es erst richtig spannend! Jetzt macht der Big Boss ernst!“ rief ihr einer der Soldaten zu. Wie konnten die nur alle so ruhig bleiben?!
Kurz bevor Masamune als auch Yukimura in die Truppe gekracht wären, sprangen sie ab und landeten beinahe Zeitgleich auf der anderen Seite des blauen Haufens. Beide rangen sie um Atem und starrten sich für einen kurzen Moment an.
Doch Masamune kam es vor wie Stunden. Genau das liebte er so an den Kämpfen gegen Yukimura. Sie bekämpften sich nicht nur körperlich, sondern lieferten sich auch einen mentalen Kampf, der die Kampfeslust des jungen Drachens jedes Mal weiter anfeuerte.
Als er die Spannung, die sich zwischen ihm und seinem Gegner aufgebaut hatte, kaum noch aushielt, legte er die Hände an die Griffe seiner Schwerter. Es war an der Zeit der Sache ein Ende zu setzen und als Sieger aus der Schlacht zu gehen. Masamune wusste genau, dass auch sein Gegenüber bereit war für den Endspurt war. Es war an der Zeit alle Reserven aufzubrauchen und einen Sieger zu bestimmen. „Here we go!“
Der Einäugige war der Erste der mit seinen Klingen ausholte, ohne jegliche Zurückhaltung.
Seine Klauen sollten treffen. Sie sollten seinen Gegenüber verletzen, ihn bluten lassen, sein Fleisch teilen und zerfetzen. Er wollte als Sieger hervorgehen, koste es was es wolle!
Ein siegessicheres Grinsen legte sich auf seine Lippen. Er würde es schaffen! Er würde ihn besiegen und sich endlich abreagieren können.
Jedoch parierte der Jüngere in Rot seinen Angriff, indem er seine Schwerter mit einem seiner Speere blockierte. Yukimura holte selbst zum Gegenschlag aus. Der Speer kam begleitet von einem lauten Schrei direkt auf Masamunes Gesicht zu.
„Masamuneeeee! Pass auf!“
Die hohe und für seinen Geschmack zu nervige Stimme, zwang ihn förmlich dazu den Kopf zur Seite zu drehen und somit seine Deckung zu vernachlässigen. Masamunes Blick flog über sein Heer und blieb schließlich an einem lila Haarschopf hängen, der ihn mit deutlich besorgtem Gesicht ansah. Irgendetwas in ihm freute sich darüber, dass er mit solch einer Besorgnis angesehen wurde. Doch verwarf er den Gedanken sofort, als ein stechender Schmerz seine Wange durchzog. Die angespannte Stille wurde von dem dumpfen Geräusch eines Helms, der auf den Boden viel und sein Träger der unmittelbar folgte zerrissen.
Fassungslos, ließ der junge Herrscher seine Schwerter fallen und blieb kurz reglos liegen um das Geschehene zu verarbeiten. Irritiert strich er sich über die schmerzende Wange. Es war nur ein Kratzer, doch es war ein weiterer Kratzer der seine Ehre beschmutze und gleichzeitig der Beweis, dass er diesen Kampf verloren hatte. Gereizt zog er die Brauen zusammen und sah auf den kaum zu erkennenden Blutfleck auf seinen Fingerspitzen. Er hätte gewinnen können, er war so kurz davor gewesen!
„Diese...“ Knurrend ballte er seine Hand zu einer Faust. Beinahe besorgt kam Yukimura angerannt, immerhin war es nie seine Absicht seinen Gegner ernsthaft zu verletzen.
„Masamune Date-dono!“ Gereizt stemmte sich Genannter wieder auf die Beine und schlug seinem Gegner die bloße Faust mitten ins Gesicht, was diesen auf seine Ursprungsposition zurück beförderte. „WO IST SIE?!“ Es war allein die Schuld von diesem WEIB, das er verloren hatte! Er hatte sie im Kampf gestört. In seinem Kampf, sie hatte ihn einfach unterbrochen! Das würde sie ihm büßen! Stapfend ging er auf sie zu. Diesmal hatte sie es einfach übertrieben! Es war Zeit diesem Weibsbild ihren Platz zu zeigen.
Je näher er ihr kam, desto weiter wich sie zurück. Die Angst war ihr ins Gesicht geschrieben.
Grob packte er das Mädchen am Arm und zerrte sie auf die Beine. „Was fällt dir eigentlich ein meinen Kampf zu unterbrechen?!“
Sie antwortete nicht, verzog nur wehleidig das Gesicht und versuchte ihren Arm aus seinem Griff zu befreien den er nur weiter festigte. „Aua! Du tust mir weh!“
„Antworte! Wer hat dir außerdem erlaubt mich zu duzen?!“
„Lord Masamune! Beruhigt Euch!“ Kojuro hob beschwichtigend die Arme und redete ihm gut zu. Gereizt drehte Masamune den Kopf zu seinem Berater, der ihn ernst musterte. „Sie trifft keine Schuld, es war Eure eigene Unachtsamkeit, dass Ihr verloren habt! Es ist nie gut aus Zorn in den Kampf zu ziehen.“
„Sie trifft keine Schuld?! Sie hat sich eingemischt! Niemand mischt sich in meinen Kampf ein! Das gehört mir allein! Niemand nimmt sich dieses Privileg einfach heraus und schon gar nicht irgendein dahergelaufenes Bauern-Weib!“ Der Junge Herrscher spuckte seinem Vertrauten die Worte regelrecht entgegen. „Ich hab mir doch nur Sorgen gemacht!“
Überrascht wandte Masamune seinen Kopf wieder zu dem Mädchen, die sich mit ihrem freien Arm über die tränenden Augen wischte. Knirschend biss er die Zähne zusammen. Es versetzte ihm eine Art schmerzenden Stich, als sie die Worte so über die Lippen brachte. Sie machte sich Sorgen? Dann sollte sie nicht so dümmlich handeln und ihn ablenken!
Doch wieder keimte diese Freude in ihm auf, dass sich jemand um ihn sorgte und das so offen, ohne es zu verstecken. Eigentlich war der Wunsch sie endgültig zum Schweigen zu bringen größer, als alles andere auf dieser Welt, doch irgendetwas hinderte ihn daran. Als würde ihm jemand im Weg stehen und er konnte einfach nicht vorbei.
Genervt von sich selbst, stieß er das weinende Mädchen von sich. Unsanft landete sie auf dem vermatschten Boden
„Packt alles zusammen! Wir gehen!“ Gereizt wandte er sich ab und lief durch den Wald zurück zu ihrem Lager. Dieses Weib würde ihn wahrscheinlich noch ins Grab bringen, wenn das so weiter ging!
-Pittel One Ende-