Fingerabdrücke bleiben
von Lynnix
Kurzbeschreibung
Nayeli genießt ihre letzte Woche als Studentin und lebt mit ihrer indianisch stämmigen Familie in einem alten Haus neben den Klippen des Superior Lakes. Sie kann es kaum erwarten ihren künftigen Job anzutreten, mit dem ihr eine aussichtsreiche Zukunft bevorsteht. Trotz Strapazen empfindet sie ihr Leben als perfekt aber was sie bis zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß ist, dass ihr Vater eine große Last mit sich herumschleppt, dessen Folgen ihr den Boden unter den Füßen wegreißen werden. Die junge Frau lernt jemanden kennen, von dem sie noch nicht weiß, ob er Freund oder Feind ist. Plötzlich ist sie auf fremde Hilfe angewiesen, muss hinter Masken sehen, verstehen wie korrupt das Land ist, in dem sie lebt und auf schmerzhafte Weise Stück für Stück erfahren, wie tief ihr Vater in die Ereignisse verstrickt war. Sie muss Entscheidungen treffen, von denen sie glaubte, so etwas niemals tun zu müssen. Aber wie weit muss sie gehen um Schmerzen und Verlust zu überwinden?
GeschichteDrama, Krimi / P16 / Gen
23.02.2018
25.11.2021
129
578.228
7
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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20.04.2018
3.353
Kapitel 09 – „Immer“
Es ist Freitag, der 6. Juli – der ersehnte Tag, auf den ich mich schon seit verdammt vielen Jahren freue. Endlich bekomme ich mein Diplom. Unsere Feierstunde ist um 15 Uhr, was bedeutet, ich habe nicht mehr allzu viel Zeit, mir etwas wegen meiner Haare einfallen zu lassen. Mit dutzenden Klammern versuche ich sie mir irgendwie hochzustecken. Ich habe vorher schon versucht, mir ein paar Locken reinzumachen aber innerhalb von einer halben Stunde sind meine Haare schon wieder glatt. Vielleicht könnte ich sie auch einfach flechten. Eventuell seitlich, überlege ich.
>Hey, schau mal was ich für dich gefunden habe. < sagt meine Mum schnaufend im Türrahmen und hält mir etwas Goldenes hin, das ich nicht sofort erkennen kann. Sie kommt auf mich zugelaufen und lässt sich mit ihrem demolierten, ausgestreckten Bein zu mir auf den Boden fallen.
>Was ist das? < frage ich sie hinter mir und schaue sie im Spiegel an.
Sie reicht mir von hinten den kleinen goldenen Gegenstand und macht sich dann an meinen Haaren zu schaffen.
Beim genaueren Hinsehen erkenne ich das kleine goldene Ding als einen Kamm. Über den Zacken befindet sich eine schwungvoll gebogene Feder.
>Der ist wahnsinnig hübsch, wo hast du den her? < murmle ich, ohne meinen Blick zu heben.
>Er gehörte meiner Urgroßmutter und wurde an meine Mutter weitergegeben. Sie wiederum gab ihn eines Tages mir und nun vermache ich ihn an meine Tochter. <
>Das wusste ich gar nicht, dass wir Erbstücke besitzen. <
Behutsam, als wäre es der wohl größte Schatz, streiche ich darüber und sehe ihn mir ganz genau an.
>Es ist auch nur das eine aber ich finde, du solltest ihn heute tragen. Und später gibst du ihn weiter, so wie ich heute. <
Ich lächle sie an, drehe und wende dann den kleinen Gegenstand in meiner Hand. Er scheint aus echtem Gold zu bestehen. Wenn meine Mutter diesen kleinen Schatz mal verkauft hätte, dann hätte sie sicher gutes Geld dafür bekommen. Aber ich bin froh, dass sie es nicht getan hat. Er ist wirklich sehr schön. Ich beachte meine Mutter gar nicht bei dem, was sie tut. Ich spüre nur hier und da eine Haarnadel, die sie etwas grob in meine Haare drücken muss und werde voll mit Haarspray eingeräuchert.
>Gibst du ihn mir bitte? < nuschelt meine Mum mit einer Haarklammer zwischen ihren Lippen und hält ihre gestreckte Hand aus.
Ich reiche ihn ihr über meine Schulter und sehe nun ihr Werk im Spiegel. Es ist ein hoher, schlichter und einfacher Dutt, den sie mir gesteckt hat. Gemeinsam mit dem Kamm sieht die Frisur großartig aus und besser hätte ich es ohnehin auf keinen Fall gemacht. Ich drehe meinen Kopf hin und her, um mich von allen Seiten betrachten zu können.
>Danke, das sieht toll aus. <
>Noch besser wird es aussehen, wenn du dein Kleid dazu trägst. < erwidert sie lächelnd.
Ich nicke hektisch und reiße begeistert die Augen auf.
Da wir uns diese teuren Abendkleider nicht leisten können, habe ich mein Taschengeld für einen schönen goldig schimmernden Stoff gespart und mir selbst ein Kleid daraus genäht.
Mühsam rappelt sich meine Mutter auf, doch noch bevor ich ihr hoch helfen kann, steht sie bereits und verschwindet wortlos im Flur. Ein letztes Mal bestaune ich den Kamm von der Seite, den ich leider nur zur Hälfte erkennen kann.
Meine Mum kommt zurück in mein Zimmer und hält einen Bügel mit Kleidersack in den Händen.
>Kaum zu glauben wie schnell die Zeit vergeht. < murmelt sie nachdenklich, als sie den Bügel an meine Zimmertür hängt und sich am Reißverschluss des Kleidersackes zu schaffen macht. >Die erste in unserer Familie, die einen richtig guten Abschluss macht. Ich bin so stolz auf dich. < jubelt sie und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
>Danke, Mum. <
Mein Kleid strahlt mich bereits an, als ich nach dem Bügel greife. Stolz präsentiere ich es meiner Mutter, als ich die Hülle des Kleidersackes beiseiteschiebe. Natürlich kennt sie es bereits aber sie hat es noch nie an mir gesehen und platzt fast vor Neugier. Es sieht aus wie pures Gold, passend zu dem Kamm den sie mir eben gab.
>Ich warte unten. Komm runter, wenn du so weit bist. <
>Okay. < sage ich und streiche behutsam über mein Kleid. Ich hänge es wieder hin und mache das Beste aus meinem Gesicht. Da ich so gut wie kein Make-up besitze, muss der Mascara, das Rouge und der Kajal reichen – aber ich gefalle mir, als ich fertig bin.
Nach weiteren fünfzehn Minuten stolziere ich in schwarzen Pumps die knarrende Treppe hinunter zur Diele.
Über dem goldenen Kleid trage ich eine schwarze Robe mit gelber Schärpe und gelber Quaste am schwarzen Hut.
>Haha, du siehst ja komisch mit der Mütze aus. < lacht Iye mit seinem abgenutzten Dinosaurier in der Hand. Er war heute schon sehr früh zu Hause, da er sein Zeugnis bekam. Ich freue mich, dass er dabei ist, wenn ich nachher meinen großen Moment habe. In dem Kurzarmhemd sieht er richtig schick aus.
>Das gehört aber dazu. < sage ich lächelnd und knie mich zu ihm herunter.
>Du siehst sehr hübsch aus. < erwidert meine Mutter und sieht so unglaublich stolz aus. Ich fühle mich geschmeichelt und spüre, wie ich rote Wangen bekomme – auch wenn das bei meiner Hautfarbe kaum auffällt. Gerade als ich etwas antworten will, kommt mein Dad zur Tür hineingestolpert.
>Huyana, seid ihr fertig? Wir müssen … nämlich … los. < stottert er immer leiser werdend als er mich ansieht.
Erst ist sein Blick hart und erstaunt, dann plötzlich lächelnd und liebevoll. Er kommt auf mich zu und legt eine Hand auf meiner Schulter ab, sobald ich mich wieder aufrichte. Dann nimmt er mit der anderen Hand mein Kinn nach oben und dreht mein Gesicht zu beiden Seiten.
>Du siehst aus wie deine Mutter als ich sie kennenlernte. < wispert er. Meine Mum neckt ihn hingegen und antwortet:
>Pah, bist du denn sicher, dass du mich bei all den anderen Damen, denen du schöne Augen machtest wahrgenommen hast? <
>Nun ja… vielleicht nicht sofort auf den ersten Blick aber deine Schlagfertigkeit hat mein Interesse geweckt. < grinst mein Vater und küsst sie. Iye sagt „Ihh“ und rennt schnell weg, um das nicht sehen zu müssen.
Ich mochte diese kleinen aber liebevollen Neckereien immer an ihnen und hoffe einmal jemanden zu finden, mit dem ich es ebenso tun kann.
Wieder blickt mein Vater zu mir und strahlt.
>Du bist wunderschön. <
>Danke, Dad. < antworte ich verlegen.
Meine Mutter geht nochmal kurz die Treppe nach oben, um sich elegante Schuhe anzuziehen.
>Es gibt übrigens gute Nachrichten. < erklärt mein Vater und grinst. Er legt sein altes Sakko zur Seite und zieht aus der Innentasche ein Stück Papier hervor. >Ich habe meinen Gehaltsscheck bekommen. Wir gehen gleich morgen früh zur Bank und lösen ihn ein, ja? Ich habe vorhin mit Mister Fernandez telefoniert. Er ist morgen für ein paar Stunden da. <
>Oh das ist ja klasse. < japse ich und falle ihm um den Hals. Ich habe schon befürchtet, dass wir noch eine Woche lang so auskommen müssen. Er legt den Scheck grinsend unter die Schlüsselschale im Dielenbereich, nickt dann in Richtung der Tür und hält mir seine Armbeuge hin, in die ich mich lachend einhake.
Nachdem mein Bruder nochmal auf der Toilette gewesen ist, steigen wir alle in unseren uralten, aber immer noch treuen, Seat Arosa. Er sieht mit seinen rostigen Stellen an den Türen und den dutzenden Beulen nicht sehr ansehnlich aus aber das ist alles, was wir uns leisten können. Sobald mein Vater Gas gibt, spuckt der Auspuff schwarzen Ruß aus und hinterlässt einen furchtbaren Gestank.
Mit dem Auto ist die Strecke zu meiner Schule ein Klacks und wir sind im Nu da. Allerdings stellt es sich als wahre Herausforderung heraus, noch einen Parkplatz zu bekommen. Schlussendlich befinden wir uns irgendwo dazwischen gequetscht und müssen uns beeilen, um nicht noch zu spät zur Zeremonie zu kommen.
Ich greife mir das Ende meines Kleides und der Robe, damit ich damit rennen kann.
Die Förmlichkeit findet bei dem tollen Wetter draußen statt und ich sehe die aufgebaute Bühne, mit unglaublich vielen Stühlen. Darüber ist ein Banner mit den Gratulationen der Schule. Von weitem kann ich Jordan erkennen, der mir zuwinkt. Hinter ihm taucht grinsend Megan auf und springt hervor, als sie mich sieht. Leider sieht man so wie bei mir das Kleid nicht, da die Robe noch darüber ist.
>Hey da bist du ja endlich. Du bist gerade noch pünktlich. Sie fangen gleich an. < sagt sie und haucht mir einen Kuss auf meine Wange.
>Wir haben ewig einen Parkplatz gesucht. < erwidere ich keuchend, als auch Jordan mir einen Kuss gibt.
>Mein Vater hat deiner Familie drei Plätze freigehalten. Ist also nicht schlimm. Na los, komm endlich! < drängt Meg hektisch.
Die beiden ziehen mich nach hinten, bis wir in unseren jeweiligen Studiengängen bereitstehen, um aufgerufen zu werden.
Meine Eltern nehmen zwischen all den anderen Angehörigen Platz und haben den perfekten Blick zur Bühne. Sie sitzen genau neben Rohan und Mandira und sind erstmal damit beschäftigt, sich ihren gegenseitigen Umarmungen hinzugeben. Schließlich kennen sie sich ebenso lange wie Megan und ich.
Ich bin etwas nervös, obwohl ich das gar nicht sein muss. Das ist der Moment auf den ich so lange gewartet habe. Eine Hand ergreift meine und irritiert sehe ich zu deren Besitzer. Megan grinst mich verschmitzt an und beruhigt mich augenblicklich damit. Ich erwidere ihren Druck.
>Wir machen immer alles zusammen. < flüstert sie.
>Immer! < stimme ich zu.
Unser Rektor beginnt mit seiner Abschlussrede, mit der Lobhudelei an die Dozenten, an die Leistungen der Schüler und zum Schluss eine kurze Rede an die Sportteams, die einen großen Beitrag geleistet haben. Ich bin mir sicher, dass er die Rede nie neu schreibt, sondern jedes Jahr aufs Neue die Gleiche verwendet aber er bekommt tosenden Beifall dafür. Meine beste Freundin und ich können gar nicht anders und grinsen unentwegt.
Endlich ist es so weit und wir werden nach dem Studiengang grüppchenweise auf die Bühne gerufen, bis wir zu acht nebeneinander stehen. Da unsere Nachnamen direkt nacheinander kommen, stehen wir auch jetzt wieder zusammen, als wir dort oben sind. Ich schaue hinunter zu meinen Eltern und zu Iye, der mir die ganze Zeit zuwinkt. Es ist so ein unglaublich gutes Gefühl, diesen Stolz in ihren Augen zu sehen. Ich werde sie in Zukunft nicht enttäuschen und alles geben, um uns aus dieser furchtbaren Lage herauszuholen.
Die Dozenten und der Rektor schütteln uns die Hände und überreichen uns schließlich unser Diplom.
Ich bin von einem kaum zu toppenden Selbstwertgefühl erfüllt, dass ich gar nicht aufhören kann zu grinsen. Ehrlich gesagt bin ich kurz davor zu heulen.
Mein Blick geht erneut zu meinem Bruder, der so doll klatscht, dass er sich auf seinem Stuhl auf und ab bewegt. Meine Mum scheint sich offenbar ein Tränchen wegzuwischen, während mein Dad peinlicherweise pfeift, sodass ich rot anlaufe. Allerdings stimmt Rohan direkt mit ein, was Meg genauso peinlich berührt.
Als wir von der Bühne gehen und wieder Platz nehmen, sind die anderen aus unserem Studiengang an der Reihe. Sobald auch unsere Mitstudenten ihr Diplom in den Händen halten, geht es weiter mit all den anderen Studiengängen.
Meg und ich jubeln lautstark, sobald Jordan und seine Freunde aufgerufen werden. Aber besonders bei Paul klatsche und juble ich am lautesten, damit mich auch ja sein Vater hören kann, der diesen Abschluss von seinem Sohn nur für eine „Zwischenstation“ hält.
Jeder in einer schwarzen Robe bekommt seinen Beifall. Als schließlich jeder sein Diplom in seinen Händen hält, geht es weiter mit den Ansprachen. Dieses Mal von den frischen Akademikern, von denen manche Reden so sind wie man sie erwartet. Wieder werden die Dozenten für ihre Arbeit gelobt und es wird erwähnt, was es für eine tolle Zeit war. Andere sind wiederum richtig gut und zum Lachen, aber eines haben die Reden alle gemeinsam. Interessant ist es, dass plötzlich alle ansprechen, dass sie der Collegezeit hinterhertrauern werden und das, obwohl sie sonst nur am Meckern waren. Ich höre ihnen allerdings irgendwann gar nicht mehr richtig zu, sondern starre auf dieses einmalige Diplom in meinen Händen.
Das Coolste kommt allerdings zum Schluss. Es ist das, was man immer in Filmen sieht und es endlich einmal selbst tun will.
Alle Abgänger werden noch einmal auf die Bühne geholt und wir schmeißen unsere Hüte mit der farbigen Quaste in die Luft.
Nach der tollen Feierstunde gehen wir über zu dem gemütlichen Teil. Unsere Aula wurde geschmückt, es gibt tolles Essen und wir sitzen mit unseren Familien zusammen an einem großen Tisch. Bei uns sitzt auch Nicole mit ihren Eltern, die ein wunderschönes, kurzes Kleid in hellblau trägt. Megan hat ein schulterfreies und bodenlanges Kleid in einem dunkelrot an. Überall sind Muster mit einem Silberfaden eingenäht und sie sieht toll aus. An unserem Tisch sitzt außerdem Nicoles Bruder, der ein paar Jahre älter ist als sie. Offenbar hat sie all die Jahre vergessen uns zu sagen, dass er verdammt gut aussieht. Jedes Mal tauschen Meg und ich bedeutungsvolle Blicke. Der Nachmittag ist noch relativ langweilig aber auf den Abend freue ich mich wahnsinnig. Unsere Collegeband schmettert ein paar ruhigere Songs raus und ich tanze mit meinem Dad oder sogar mal mit meinem Bruder.
Rohan lässt sich das Ganze nicht lange vorführen und schnappt sich augenblicklich seine Tochter, um es meinem Vater gleichzutun.
Direkt nach dem nächsten Song tauschen wir unsere Väter aus. Ich muss feststellen, dass Rohan ein wirklich guter Tänzer ist. Sobald Meg in unsere Richtung geführt wird, fragt sie mich im Vorbeitanzen:
>Was meinst du? Ob Nicoles Bruder mal tanzen will? <
Ich lache und sehe zum Tisch herüber. Das Ganze scheint ihn eher zu langweilen und er ist offensichtlich nur Nicole zu Liebe mitgekommen.
Nur wenig später macht es die Hüfte meines Vaters nicht mehr mit und er braucht eine Pause. Rohan setzt sich ebenfalls dazu und leert erstmal zwei Gläser Wasser. Lange bleiben Megan und ich aber nicht alleine auf der Tanzfläche. Paul und Jordan kommen zu uns.
Immerhin gibt sich mein bester Freund die größte Mühe, aber dieser Paartanz ist echt nicht sein Ding.
>Autsch. Das war mein Fuß. < fluche ich, als Jordan mir mit seiner Fußspitze auf meinen Spann trampelt.
>Sorry. Ich kann das einfach nicht. Heute Abend mache ich das besser – versprochen. < lacht er.
>Darauf komme ich gern zurück. <
Irgendwann ist es so weit, dass der Abend immer näher rückt und mein bester Freund sein Versprechen bald einlösen muss. Aber bevor das passiert, machen wir uns an dem gigantischen Büfett zu schaffen.
Mein Vater erweckte anfangs den Eindruck, als wenn er sich gar nicht so recht traute, ein zweites Mal zum Büfett zu gehen aber dann überlegte er es sich anders, weil es einfach zu lecker ist. Bezahlt ist es ohnehin schon und deswegen sollte meine Familie zur Abwechslung mal so viel in ihre Mägen schaufeln, wie es nur geht. Wir wollen von allem probieren und am schlimmsten ist es bei dem ganzen Süßkram, über den Meg, meine Mutter und ganz besonders ich herfallen.
Ich habe mich Hals über Kopf in bunte Macarons verliebt, wo jede Farbe einen anderen Geschmack hat. Am meisten haben es mir die blauen mit Himbeercreme angetan.
Grinsend geht mein Blick rüber zu Mandira, die kritisch ein paar frittierte Zwiebelringe beäugt. Ich muss mein Lachen unterdrücken als sie sagt, dass diese Amerikaner auch wirklich alles frittieren müssen.
Nach dem Büfett starten die ersten Programmpunkte des Abends und unsere nächste Collegeband spielt live ein paar Songs, die etwas mehr in die Charts passen als die, der vorherigen Band. Meine Eltern tanzen zusammen und das ist ein Bild, welches ich so niedlich finde. Daraufhin fragt mich Rohan ob ich mit ihm noch ein letztes Mal aufs Parkett gehen würde, bevor sie nach Hause fahren.
Ich werde ein paar Mal von ihm gedreht und als ich wieder in die richtige Richtung sehe, klebt mein Blick an Megan … und an Nicoles Bruder, der mit meiner Freundin tanzt.
Mit meinen Lippen forme ich „Miststück“ aber grinse dabei. Als sie es sieht, zuckt sie unschuldig mit den Schultern und lacht.
Auch dieser Song endet und dies scheint der perfekte Abschluss für unsere Eltern zu sein, uns nun zu verlassen und ihren Weg nach Hause antreten. Viele der anderen machen sich inzwischen auch auf und gehen zu ihren Autos, um ihre erwachsenen Kinder feiern zu lassen.
Wir begleiten sie noch bis nach draußen und ich gebe meinen Eltern meine Robe, meine Blumen und mein Diplom mit.
Mein Vater küsst und meine Mutter umarmt mich.
>Genieß es und hab´ Spaß meine Kleine. < sagt meine Mum.
>Danke, werde ich haben. <
>Wann kommst du denn nach Hause? < will Iye wissen.
>Das weiß ich noch nicht. Aber morgen früh frühstücken wir alle zusammen und dann erzähle ich dir wie es war, okay? <
>Ja. < er küsst mich, sagt mir wie lieb er mich hat und läuft dann neben meinen Eltern her zu unserem Wagen. Ich warte bis sie eingestiegen sind und winke noch einmal. Kurz darauf brechen auch Megans Eltern auf, weil sie uns endlich feiern lassen wollen. Mir ist aufgefallen, dass zwar Nicoles Eltern schon vor etwa fünfzehn Minuten gegangen sind aber ihr Bruder immer noch bei unserem Platz sitzt. Ich werfe Meg einen Seitenblick zu, der es natürlich nicht entgangen ist.
Nach der Band schmettern die Boxen einige Charts per MP3-Datei raus und man könnte denken, dass sich die Absolventen nur wegen ihrer Familien und Dozenten zurückgehalten haben, denn plötzlich wird ziemlich harter Alkohol ausgeschenkt.
>Was haben die vor? Das soll doch keine Abrissparty werden. < lache ich zu Megan.
>Ach du kennst sie doch. Na los komm, tanz mit mir! <
Sie zieht mich an beiden Händen auf die Tanzfläche und ich lasse mich gerne mitreißen.
Wir lassen unsere Hüften kreisen und bekommen einen Cocktail von Jordan in die Hand gedrückt. Dieser Abend ist bereits bezahlt, also kann ich ihn auch genauso gut genießen. Ich ziehe an dem Strohhalm, als mir augenblicklich die Tränen in die Augen schießen.
>Was zur Hölle ist das denn? < keuche und huste ich.
>Das Zeug nennt sich Godfather. Nicht schlecht was? <
>Was ist denn da drin? < brülle ich über die laute Musik hinweg.
>Scotch und Amaretto zu gleichen Teilen. <
Ich reiße die Augen auf.
>Wenn ich mich weiter an dieses Zeug halte, dann überlebe ich die nächste halbe Stunde nicht. Ich brauche irgendeinen Cocktail, wo wenigstens ein Teil Saft drin ist. <
Daraufhin nimmt Jordan mir das Glas weg, grinst, kippt es sich in zwei langen Zügen hinter und geht zurück zur Bar. Keine zwei Minuten später steht er wieder neben mir.
>Vielleicht hast du eher Lust auf Sex on the beach? < grinst er schelmisch und hält mir das orange Getränk hin. Ich lache bei dieser schlechten Anmache und bedanke mich für den Drink.
Megan und ich singen die Songs mit, bewegen uns im Beat, schmeißen unsere Köpfe umher und nippen ab und zu an unseren Getränken.
Selbst die ganze Lichttechnik, die hier verbaut wurde, ist genial und ich komme mir vor, wie in dem teuersten Club der USA. Unser College weiß was gut ist, das steht fest.
Es ist schon allein deswegen wahnsinnig toll, weil so gut wie niemand auf seinem Platz herumhockt, sondern mit uns zusammen auf der Tanzfläche ist. Jordan bringt uns schließlich noch zwei Gläser Bowle an und ich nehme es liebend gern entgegen, um es gegen mein leeres Glas zu tauschen.
Wir tanzen so ziemlich die gesamte Zeit durch und lassen die Röcke unserer langen Kleider mitdrehen.
Es ist Freitag, der 6. Juli – der ersehnte Tag, auf den ich mich schon seit verdammt vielen Jahren freue. Endlich bekomme ich mein Diplom. Unsere Feierstunde ist um 15 Uhr, was bedeutet, ich habe nicht mehr allzu viel Zeit, mir etwas wegen meiner Haare einfallen zu lassen. Mit dutzenden Klammern versuche ich sie mir irgendwie hochzustecken. Ich habe vorher schon versucht, mir ein paar Locken reinzumachen aber innerhalb von einer halben Stunde sind meine Haare schon wieder glatt. Vielleicht könnte ich sie auch einfach flechten. Eventuell seitlich, überlege ich.
>Hey, schau mal was ich für dich gefunden habe. < sagt meine Mum schnaufend im Türrahmen und hält mir etwas Goldenes hin, das ich nicht sofort erkennen kann. Sie kommt auf mich zugelaufen und lässt sich mit ihrem demolierten, ausgestreckten Bein zu mir auf den Boden fallen.
>Was ist das? < frage ich sie hinter mir und schaue sie im Spiegel an.
Sie reicht mir von hinten den kleinen goldenen Gegenstand und macht sich dann an meinen Haaren zu schaffen.
Beim genaueren Hinsehen erkenne ich das kleine goldene Ding als einen Kamm. Über den Zacken befindet sich eine schwungvoll gebogene Feder.
>Der ist wahnsinnig hübsch, wo hast du den her? < murmle ich, ohne meinen Blick zu heben.
>Er gehörte meiner Urgroßmutter und wurde an meine Mutter weitergegeben. Sie wiederum gab ihn eines Tages mir und nun vermache ich ihn an meine Tochter. <
>Das wusste ich gar nicht, dass wir Erbstücke besitzen. <
Behutsam, als wäre es der wohl größte Schatz, streiche ich darüber und sehe ihn mir ganz genau an.
>Es ist auch nur das eine aber ich finde, du solltest ihn heute tragen. Und später gibst du ihn weiter, so wie ich heute. <
Ich lächle sie an, drehe und wende dann den kleinen Gegenstand in meiner Hand. Er scheint aus echtem Gold zu bestehen. Wenn meine Mutter diesen kleinen Schatz mal verkauft hätte, dann hätte sie sicher gutes Geld dafür bekommen. Aber ich bin froh, dass sie es nicht getan hat. Er ist wirklich sehr schön. Ich beachte meine Mutter gar nicht bei dem, was sie tut. Ich spüre nur hier und da eine Haarnadel, die sie etwas grob in meine Haare drücken muss und werde voll mit Haarspray eingeräuchert.
>Gibst du ihn mir bitte? < nuschelt meine Mum mit einer Haarklammer zwischen ihren Lippen und hält ihre gestreckte Hand aus.
Ich reiche ihn ihr über meine Schulter und sehe nun ihr Werk im Spiegel. Es ist ein hoher, schlichter und einfacher Dutt, den sie mir gesteckt hat. Gemeinsam mit dem Kamm sieht die Frisur großartig aus und besser hätte ich es ohnehin auf keinen Fall gemacht. Ich drehe meinen Kopf hin und her, um mich von allen Seiten betrachten zu können.
>Danke, das sieht toll aus. <
>Noch besser wird es aussehen, wenn du dein Kleid dazu trägst. < erwidert sie lächelnd.
Ich nicke hektisch und reiße begeistert die Augen auf.
Da wir uns diese teuren Abendkleider nicht leisten können, habe ich mein Taschengeld für einen schönen goldig schimmernden Stoff gespart und mir selbst ein Kleid daraus genäht.
Mühsam rappelt sich meine Mutter auf, doch noch bevor ich ihr hoch helfen kann, steht sie bereits und verschwindet wortlos im Flur. Ein letztes Mal bestaune ich den Kamm von der Seite, den ich leider nur zur Hälfte erkennen kann.
Meine Mum kommt zurück in mein Zimmer und hält einen Bügel mit Kleidersack in den Händen.
>Kaum zu glauben wie schnell die Zeit vergeht. < murmelt sie nachdenklich, als sie den Bügel an meine Zimmertür hängt und sich am Reißverschluss des Kleidersackes zu schaffen macht. >Die erste in unserer Familie, die einen richtig guten Abschluss macht. Ich bin so stolz auf dich. < jubelt sie und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
>Danke, Mum. <
Mein Kleid strahlt mich bereits an, als ich nach dem Bügel greife. Stolz präsentiere ich es meiner Mutter, als ich die Hülle des Kleidersackes beiseiteschiebe. Natürlich kennt sie es bereits aber sie hat es noch nie an mir gesehen und platzt fast vor Neugier. Es sieht aus wie pures Gold, passend zu dem Kamm den sie mir eben gab.
>Ich warte unten. Komm runter, wenn du so weit bist. <
>Okay. < sage ich und streiche behutsam über mein Kleid. Ich hänge es wieder hin und mache das Beste aus meinem Gesicht. Da ich so gut wie kein Make-up besitze, muss der Mascara, das Rouge und der Kajal reichen – aber ich gefalle mir, als ich fertig bin.
Nach weiteren fünfzehn Minuten stolziere ich in schwarzen Pumps die knarrende Treppe hinunter zur Diele.
Über dem goldenen Kleid trage ich eine schwarze Robe mit gelber Schärpe und gelber Quaste am schwarzen Hut.
>Haha, du siehst ja komisch mit der Mütze aus. < lacht Iye mit seinem abgenutzten Dinosaurier in der Hand. Er war heute schon sehr früh zu Hause, da er sein Zeugnis bekam. Ich freue mich, dass er dabei ist, wenn ich nachher meinen großen Moment habe. In dem Kurzarmhemd sieht er richtig schick aus.
>Das gehört aber dazu. < sage ich lächelnd und knie mich zu ihm herunter.
>Du siehst sehr hübsch aus. < erwidert meine Mutter und sieht so unglaublich stolz aus. Ich fühle mich geschmeichelt und spüre, wie ich rote Wangen bekomme – auch wenn das bei meiner Hautfarbe kaum auffällt. Gerade als ich etwas antworten will, kommt mein Dad zur Tür hineingestolpert.
>Huyana, seid ihr fertig? Wir müssen … nämlich … los. < stottert er immer leiser werdend als er mich ansieht.
Erst ist sein Blick hart und erstaunt, dann plötzlich lächelnd und liebevoll. Er kommt auf mich zu und legt eine Hand auf meiner Schulter ab, sobald ich mich wieder aufrichte. Dann nimmt er mit der anderen Hand mein Kinn nach oben und dreht mein Gesicht zu beiden Seiten.
>Du siehst aus wie deine Mutter als ich sie kennenlernte. < wispert er. Meine Mum neckt ihn hingegen und antwortet:
>Pah, bist du denn sicher, dass du mich bei all den anderen Damen, denen du schöne Augen machtest wahrgenommen hast? <
>Nun ja… vielleicht nicht sofort auf den ersten Blick aber deine Schlagfertigkeit hat mein Interesse geweckt. < grinst mein Vater und küsst sie. Iye sagt „Ihh“ und rennt schnell weg, um das nicht sehen zu müssen.
Ich mochte diese kleinen aber liebevollen Neckereien immer an ihnen und hoffe einmal jemanden zu finden, mit dem ich es ebenso tun kann.
Wieder blickt mein Vater zu mir und strahlt.
>Du bist wunderschön. <
>Danke, Dad. < antworte ich verlegen.
Meine Mutter geht nochmal kurz die Treppe nach oben, um sich elegante Schuhe anzuziehen.
>Es gibt übrigens gute Nachrichten. < erklärt mein Vater und grinst. Er legt sein altes Sakko zur Seite und zieht aus der Innentasche ein Stück Papier hervor. >Ich habe meinen Gehaltsscheck bekommen. Wir gehen gleich morgen früh zur Bank und lösen ihn ein, ja? Ich habe vorhin mit Mister Fernandez telefoniert. Er ist morgen für ein paar Stunden da. <
>Oh das ist ja klasse. < japse ich und falle ihm um den Hals. Ich habe schon befürchtet, dass wir noch eine Woche lang so auskommen müssen. Er legt den Scheck grinsend unter die Schlüsselschale im Dielenbereich, nickt dann in Richtung der Tür und hält mir seine Armbeuge hin, in die ich mich lachend einhake.
Nachdem mein Bruder nochmal auf der Toilette gewesen ist, steigen wir alle in unseren uralten, aber immer noch treuen, Seat Arosa. Er sieht mit seinen rostigen Stellen an den Türen und den dutzenden Beulen nicht sehr ansehnlich aus aber das ist alles, was wir uns leisten können. Sobald mein Vater Gas gibt, spuckt der Auspuff schwarzen Ruß aus und hinterlässt einen furchtbaren Gestank.
Mit dem Auto ist die Strecke zu meiner Schule ein Klacks und wir sind im Nu da. Allerdings stellt es sich als wahre Herausforderung heraus, noch einen Parkplatz zu bekommen. Schlussendlich befinden wir uns irgendwo dazwischen gequetscht und müssen uns beeilen, um nicht noch zu spät zur Zeremonie zu kommen.
Ich greife mir das Ende meines Kleides und der Robe, damit ich damit rennen kann.
Die Förmlichkeit findet bei dem tollen Wetter draußen statt und ich sehe die aufgebaute Bühne, mit unglaublich vielen Stühlen. Darüber ist ein Banner mit den Gratulationen der Schule. Von weitem kann ich Jordan erkennen, der mir zuwinkt. Hinter ihm taucht grinsend Megan auf und springt hervor, als sie mich sieht. Leider sieht man so wie bei mir das Kleid nicht, da die Robe noch darüber ist.
>Hey da bist du ja endlich. Du bist gerade noch pünktlich. Sie fangen gleich an. < sagt sie und haucht mir einen Kuss auf meine Wange.
>Wir haben ewig einen Parkplatz gesucht. < erwidere ich keuchend, als auch Jordan mir einen Kuss gibt.
>Mein Vater hat deiner Familie drei Plätze freigehalten. Ist also nicht schlimm. Na los, komm endlich! < drängt Meg hektisch.
Die beiden ziehen mich nach hinten, bis wir in unseren jeweiligen Studiengängen bereitstehen, um aufgerufen zu werden.
Meine Eltern nehmen zwischen all den anderen Angehörigen Platz und haben den perfekten Blick zur Bühne. Sie sitzen genau neben Rohan und Mandira und sind erstmal damit beschäftigt, sich ihren gegenseitigen Umarmungen hinzugeben. Schließlich kennen sie sich ebenso lange wie Megan und ich.
Ich bin etwas nervös, obwohl ich das gar nicht sein muss. Das ist der Moment auf den ich so lange gewartet habe. Eine Hand ergreift meine und irritiert sehe ich zu deren Besitzer. Megan grinst mich verschmitzt an und beruhigt mich augenblicklich damit. Ich erwidere ihren Druck.
>Wir machen immer alles zusammen. < flüstert sie.
>Immer! < stimme ich zu.
Unser Rektor beginnt mit seiner Abschlussrede, mit der Lobhudelei an die Dozenten, an die Leistungen der Schüler und zum Schluss eine kurze Rede an die Sportteams, die einen großen Beitrag geleistet haben. Ich bin mir sicher, dass er die Rede nie neu schreibt, sondern jedes Jahr aufs Neue die Gleiche verwendet aber er bekommt tosenden Beifall dafür. Meine beste Freundin und ich können gar nicht anders und grinsen unentwegt.
Endlich ist es so weit und wir werden nach dem Studiengang grüppchenweise auf die Bühne gerufen, bis wir zu acht nebeneinander stehen. Da unsere Nachnamen direkt nacheinander kommen, stehen wir auch jetzt wieder zusammen, als wir dort oben sind. Ich schaue hinunter zu meinen Eltern und zu Iye, der mir die ganze Zeit zuwinkt. Es ist so ein unglaublich gutes Gefühl, diesen Stolz in ihren Augen zu sehen. Ich werde sie in Zukunft nicht enttäuschen und alles geben, um uns aus dieser furchtbaren Lage herauszuholen.
Die Dozenten und der Rektor schütteln uns die Hände und überreichen uns schließlich unser Diplom.
Ich bin von einem kaum zu toppenden Selbstwertgefühl erfüllt, dass ich gar nicht aufhören kann zu grinsen. Ehrlich gesagt bin ich kurz davor zu heulen.
Mein Blick geht erneut zu meinem Bruder, der so doll klatscht, dass er sich auf seinem Stuhl auf und ab bewegt. Meine Mum scheint sich offenbar ein Tränchen wegzuwischen, während mein Dad peinlicherweise pfeift, sodass ich rot anlaufe. Allerdings stimmt Rohan direkt mit ein, was Meg genauso peinlich berührt.
Als wir von der Bühne gehen und wieder Platz nehmen, sind die anderen aus unserem Studiengang an der Reihe. Sobald auch unsere Mitstudenten ihr Diplom in den Händen halten, geht es weiter mit all den anderen Studiengängen.
Meg und ich jubeln lautstark, sobald Jordan und seine Freunde aufgerufen werden. Aber besonders bei Paul klatsche und juble ich am lautesten, damit mich auch ja sein Vater hören kann, der diesen Abschluss von seinem Sohn nur für eine „Zwischenstation“ hält.
Jeder in einer schwarzen Robe bekommt seinen Beifall. Als schließlich jeder sein Diplom in seinen Händen hält, geht es weiter mit den Ansprachen. Dieses Mal von den frischen Akademikern, von denen manche Reden so sind wie man sie erwartet. Wieder werden die Dozenten für ihre Arbeit gelobt und es wird erwähnt, was es für eine tolle Zeit war. Andere sind wiederum richtig gut und zum Lachen, aber eines haben die Reden alle gemeinsam. Interessant ist es, dass plötzlich alle ansprechen, dass sie der Collegezeit hinterhertrauern werden und das, obwohl sie sonst nur am Meckern waren. Ich höre ihnen allerdings irgendwann gar nicht mehr richtig zu, sondern starre auf dieses einmalige Diplom in meinen Händen.
Das Coolste kommt allerdings zum Schluss. Es ist das, was man immer in Filmen sieht und es endlich einmal selbst tun will.
Alle Abgänger werden noch einmal auf die Bühne geholt und wir schmeißen unsere Hüte mit der farbigen Quaste in die Luft.
Nach der tollen Feierstunde gehen wir über zu dem gemütlichen Teil. Unsere Aula wurde geschmückt, es gibt tolles Essen und wir sitzen mit unseren Familien zusammen an einem großen Tisch. Bei uns sitzt auch Nicole mit ihren Eltern, die ein wunderschönes, kurzes Kleid in hellblau trägt. Megan hat ein schulterfreies und bodenlanges Kleid in einem dunkelrot an. Überall sind Muster mit einem Silberfaden eingenäht und sie sieht toll aus. An unserem Tisch sitzt außerdem Nicoles Bruder, der ein paar Jahre älter ist als sie. Offenbar hat sie all die Jahre vergessen uns zu sagen, dass er verdammt gut aussieht. Jedes Mal tauschen Meg und ich bedeutungsvolle Blicke. Der Nachmittag ist noch relativ langweilig aber auf den Abend freue ich mich wahnsinnig. Unsere Collegeband schmettert ein paar ruhigere Songs raus und ich tanze mit meinem Dad oder sogar mal mit meinem Bruder.
Rohan lässt sich das Ganze nicht lange vorführen und schnappt sich augenblicklich seine Tochter, um es meinem Vater gleichzutun.
Direkt nach dem nächsten Song tauschen wir unsere Väter aus. Ich muss feststellen, dass Rohan ein wirklich guter Tänzer ist. Sobald Meg in unsere Richtung geführt wird, fragt sie mich im Vorbeitanzen:
>Was meinst du? Ob Nicoles Bruder mal tanzen will? <
Ich lache und sehe zum Tisch herüber. Das Ganze scheint ihn eher zu langweilen und er ist offensichtlich nur Nicole zu Liebe mitgekommen.
Nur wenig später macht es die Hüfte meines Vaters nicht mehr mit und er braucht eine Pause. Rohan setzt sich ebenfalls dazu und leert erstmal zwei Gläser Wasser. Lange bleiben Megan und ich aber nicht alleine auf der Tanzfläche. Paul und Jordan kommen zu uns.
Immerhin gibt sich mein bester Freund die größte Mühe, aber dieser Paartanz ist echt nicht sein Ding.
>Autsch. Das war mein Fuß. < fluche ich, als Jordan mir mit seiner Fußspitze auf meinen Spann trampelt.
>Sorry. Ich kann das einfach nicht. Heute Abend mache ich das besser – versprochen. < lacht er.
>Darauf komme ich gern zurück. <
Irgendwann ist es so weit, dass der Abend immer näher rückt und mein bester Freund sein Versprechen bald einlösen muss. Aber bevor das passiert, machen wir uns an dem gigantischen Büfett zu schaffen.
Mein Vater erweckte anfangs den Eindruck, als wenn er sich gar nicht so recht traute, ein zweites Mal zum Büfett zu gehen aber dann überlegte er es sich anders, weil es einfach zu lecker ist. Bezahlt ist es ohnehin schon und deswegen sollte meine Familie zur Abwechslung mal so viel in ihre Mägen schaufeln, wie es nur geht. Wir wollen von allem probieren und am schlimmsten ist es bei dem ganzen Süßkram, über den Meg, meine Mutter und ganz besonders ich herfallen.
Ich habe mich Hals über Kopf in bunte Macarons verliebt, wo jede Farbe einen anderen Geschmack hat. Am meisten haben es mir die blauen mit Himbeercreme angetan.
Grinsend geht mein Blick rüber zu Mandira, die kritisch ein paar frittierte Zwiebelringe beäugt. Ich muss mein Lachen unterdrücken als sie sagt, dass diese Amerikaner auch wirklich alles frittieren müssen.
Nach dem Büfett starten die ersten Programmpunkte des Abends und unsere nächste Collegeband spielt live ein paar Songs, die etwas mehr in die Charts passen als die, der vorherigen Band. Meine Eltern tanzen zusammen und das ist ein Bild, welches ich so niedlich finde. Daraufhin fragt mich Rohan ob ich mit ihm noch ein letztes Mal aufs Parkett gehen würde, bevor sie nach Hause fahren.
Ich werde ein paar Mal von ihm gedreht und als ich wieder in die richtige Richtung sehe, klebt mein Blick an Megan … und an Nicoles Bruder, der mit meiner Freundin tanzt.
Mit meinen Lippen forme ich „Miststück“ aber grinse dabei. Als sie es sieht, zuckt sie unschuldig mit den Schultern und lacht.
Auch dieser Song endet und dies scheint der perfekte Abschluss für unsere Eltern zu sein, uns nun zu verlassen und ihren Weg nach Hause antreten. Viele der anderen machen sich inzwischen auch auf und gehen zu ihren Autos, um ihre erwachsenen Kinder feiern zu lassen.
Wir begleiten sie noch bis nach draußen und ich gebe meinen Eltern meine Robe, meine Blumen und mein Diplom mit.
Mein Vater küsst und meine Mutter umarmt mich.
>Genieß es und hab´ Spaß meine Kleine. < sagt meine Mum.
>Danke, werde ich haben. <
>Wann kommst du denn nach Hause? < will Iye wissen.
>Das weiß ich noch nicht. Aber morgen früh frühstücken wir alle zusammen und dann erzähle ich dir wie es war, okay? <
>Ja. < er küsst mich, sagt mir wie lieb er mich hat und läuft dann neben meinen Eltern her zu unserem Wagen. Ich warte bis sie eingestiegen sind und winke noch einmal. Kurz darauf brechen auch Megans Eltern auf, weil sie uns endlich feiern lassen wollen. Mir ist aufgefallen, dass zwar Nicoles Eltern schon vor etwa fünfzehn Minuten gegangen sind aber ihr Bruder immer noch bei unserem Platz sitzt. Ich werfe Meg einen Seitenblick zu, der es natürlich nicht entgangen ist.
Nach der Band schmettern die Boxen einige Charts per MP3-Datei raus und man könnte denken, dass sich die Absolventen nur wegen ihrer Familien und Dozenten zurückgehalten haben, denn plötzlich wird ziemlich harter Alkohol ausgeschenkt.
>Was haben die vor? Das soll doch keine Abrissparty werden. < lache ich zu Megan.
>Ach du kennst sie doch. Na los komm, tanz mit mir! <
Sie zieht mich an beiden Händen auf die Tanzfläche und ich lasse mich gerne mitreißen.
Wir lassen unsere Hüften kreisen und bekommen einen Cocktail von Jordan in die Hand gedrückt. Dieser Abend ist bereits bezahlt, also kann ich ihn auch genauso gut genießen. Ich ziehe an dem Strohhalm, als mir augenblicklich die Tränen in die Augen schießen.
>Was zur Hölle ist das denn? < keuche und huste ich.
>Das Zeug nennt sich Godfather. Nicht schlecht was? <
>Was ist denn da drin? < brülle ich über die laute Musik hinweg.
>Scotch und Amaretto zu gleichen Teilen. <
Ich reiße die Augen auf.
>Wenn ich mich weiter an dieses Zeug halte, dann überlebe ich die nächste halbe Stunde nicht. Ich brauche irgendeinen Cocktail, wo wenigstens ein Teil Saft drin ist. <
Daraufhin nimmt Jordan mir das Glas weg, grinst, kippt es sich in zwei langen Zügen hinter und geht zurück zur Bar. Keine zwei Minuten später steht er wieder neben mir.
>Vielleicht hast du eher Lust auf Sex on the beach? < grinst er schelmisch und hält mir das orange Getränk hin. Ich lache bei dieser schlechten Anmache und bedanke mich für den Drink.
Megan und ich singen die Songs mit, bewegen uns im Beat, schmeißen unsere Köpfe umher und nippen ab und zu an unseren Getränken.
Selbst die ganze Lichttechnik, die hier verbaut wurde, ist genial und ich komme mir vor, wie in dem teuersten Club der USA. Unser College weiß was gut ist, das steht fest.
Es ist schon allein deswegen wahnsinnig toll, weil so gut wie niemand auf seinem Platz herumhockt, sondern mit uns zusammen auf der Tanzfläche ist. Jordan bringt uns schließlich noch zwei Gläser Bowle an und ich nehme es liebend gern entgegen, um es gegen mein leeres Glas zu tauschen.
Wir tanzen so ziemlich die gesamte Zeit durch und lassen die Röcke unserer langen Kleider mitdrehen.