Fingerabdrücke bleiben
von Lynnix
Kurzbeschreibung
Nayeli genießt ihre letzte Woche als Studentin und lebt mit ihrer indianisch stämmigen Familie in einem alten Haus neben den Klippen des Superior Lakes. Sie kann es kaum erwarten ihren künftigen Job anzutreten, mit dem ihr eine aussichtsreiche Zukunft bevorsteht. Trotz Strapazen empfindet sie ihr Leben als perfekt aber was sie bis zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß ist, dass ihr Vater eine große Last mit sich herumschleppt, dessen Folgen ihr den Boden unter den Füßen wegreißen werden. Die junge Frau lernt jemanden kennen, von dem sie noch nicht weiß, ob er Freund oder Feind ist. Plötzlich ist sie auf fremde Hilfe angewiesen, muss hinter Masken sehen, verstehen wie korrupt das Land ist, in dem sie lebt und auf schmerzhafte Weise Stück für Stück erfahren, wie tief ihr Vater in die Ereignisse verstrickt war. Sie muss Entscheidungen treffen, von denen sie glaubte, so etwas niemals tun zu müssen. Aber wie weit muss sie gehen um Schmerzen und Verlust zu überwinden?
GeschichteDrama, Krimi / P16 / Gen
23.02.2018
25.11.2021
129
578.228
7
Alle Kapitel
102 Reviews
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Dieses Kapitel
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11.01.2019
4.190
Kapitel 09 – Keine Erinnerung
*TRIGGERWARNUNG!*
Der Inhalt des folgenden Kapitels kann bei vereinzelten Personen eventuell emotional aufwühlend und belastend wirken.
Sam ist ein Kämpfer, ein Macher, ein Beschützer. Er ist ein Mann, der einfach nicht so vor mir liegen darf, wie er es gerade tut. Auch wenn ich ihn noch nicht lange kenne, weiß ich, dass er immer wieder aufs Neue aufstehen musste.
Er wirkt einschüchternd und manchmal auch gefühlskalt, dabei ist er einfach nur kaputt vom Leben, verraten von den Liebsten und verlassen von sämtlichen Vertrauten. Er ist mein Vorbild in meiner jetzigen Lage, weil er zeigt, dass man sich immer wieder erheben muss und es aus eigenen Stücken schaffen kann, wenn niemand mehr da ist. Ich kenne nicht seine ganze Geschichte aber muss ich das überhaupt?
Zum wiederholten Male hebe ich den Gazeverband an, nur um zu sehen, ob es auch wirklich aufgehört hat zu bluten. Andauernd befühle ich seinen Puls, sein Herz und sein Gesicht, um zu sehen, ob er Fieber bekommt oder ob ihm kalt wird. Die Narbe neben seinem Nabel ist eine, wie ich sie habe. Er hat das damals überstanden, dann übersteht er auch diesen Schnitt.
Ich weiche die nächsten Stunden nicht von seiner Seite, so wie er mir nicht von der Seite wich, als ich mich schlecht fühlte. Allmählich schlafen aber meine Beine in dieser geknieten Position ein und ich bewege mich langsam in den Stand, um ihn nicht zu wecken. Sein Zustand hat sich offenbar nicht verschlechtert und auch sonst erkenne ich keine Anzeichen, dass er sich in irgendeiner Weise in Lebensgefahr befindet. Aber was weiß ich denn schon? Ab und zu redet er lediglich im Schlaf und wiederholt andauert die gleichen Worte „nicht heute.“
Heute was nicht? Vorhin hielt er mich für einen Bryan – wer auch immer das ist, aber einen Moment später konnte er mich sofort zuordnen. Kurz darauf hat er mich geküsst. Das war ein so konfuser Moment, den er in seinem Zustand womöglich nicht mal mitbekam. Vielleicht dachte er plötzlich an eine von den Frauen, die ihn so sehr verletzt haben – auch wenn er nicht zugeben will, dass sie es taten.
Aber er sagte auch, dass er schon die ganze Zeit wissen wollte „wie es ist“. Aber wie was ist? Mich zu küssen? Oh Mann, allein bei dem Gedanken daran beschleunigt sich mein Herzschlag.
Wir beide haben hier nur uns. Ist es da normal, dass es zwangsweise zu Zuneigungen kommt? Diese Zuneigungen beschränkten sich allerdings anfangs auf ein beiläufiges Berühren, aneinander lehnen oder Wange streicheln. Was er aber letztens mit mir in der Dusche gemacht hat, kann ich immer noch nicht vergessen – nicht so etwas. Es ist immer noch in meinem Gedächtnis, weil er mir so unbeschreiblich nah kam und ich mir erhofft hatte, dass mehr passieren würde. Das passt eigentlich nicht zu mir aber ich wollte Sam für mich haben, obwohl wir weder ein Paar noch etwas Vergleichbares sind. Für ihn war es ein Spiel, für mich ein Korb.
Um mich abzulenken, laufe ich in mein Zimmer und hole mir meinen Schreibblock. Dann setze ich mich auf das andere Ende des Sofas, um bei Sam zu sein, falls sich sein Zustand ändert. So ruhig wie inzwischen seine Atmung geht, bin ich das absolute Gegenteil. Ich komme nicht zur Ruhe und bin völlig aufgescheucht. Noch nie fühlte ich mich so hilflos und hatte so viel Angst etwas falsch zu machen. Hoffentlich habe ich alles ausreichend desinfiziert. Eine Infektion wäre das Letzte, was er jetzt gebrauchen könnte. Ich hätte viel ruhiger bleiben sollen, als ich ihn genäht habe. Verdammt! Nicht, dass ich seinen Körper damit entstellt habe. Bisher habe ich meine Nase noch nicht eine Sekunde in meine Aufzeichnungen gesteckt, sondern ihn stattdessen permanent angestarrt.
Wenn ich nicht sehen würde, dass sich sein Brustkorb hebt und senkt, könnte man denken er sei tot. Und wenn er sich ab und zu wenigstens bewegen würde – abgesehen von der leichten Bewegung seiner Lippen durch das Gemurmel, dann wäre ich beruhigter aber vielleicht ist es das Morphium, was ihn so passiv erscheinen lässt.
„Bitte werde wieder gesund“ bete ich inständig. Wenn ich ihn auch noch verliere, dann nimmt mir das die letzte Hoffnung.
Die paar Kerzen, die ich angemacht hatte, gehen langsam nacheinander aus. Ich wollte nicht, dass ihn das helle Deckenlicht blendet. Das Feuer im Kamin ist auch schon erloschen und besteht nur noch aus Glut. In diesem Haus ist es viel zu ruhig, viel zu kalt, viel zu abwesend. Ich will, dass Sam mir sagt, dass ich die falschen Fragen stelle, dass ich keine Ahnung hätte und dass ich naiv wäre. Er soll mich nach Herzenslust beleidigen und vollmeckern, aber er soll es mir jetzt sagen. Ich will, dass er wieder der Alte ist.
Ohne es aufhalten zu können, werden meine Augenlider schließlich doch allmählich schwer. Selbst der Schreibblock in meiner Hand scheint plötzlich tonnenschwer zu sein und fällt sanft in meinen Schoß.
Am nächsten Morgen
Sobald mich die Helligkeit weckt, wird mir klar, wo ich mich befinde. Ich habe mich in der Ecke des Sofas zusammengerollt und eine Decke liegt auf mir. Allerdings hatte ich mir aber gar keine genommen, die hatte doch Sam. Und dann starre ich zum anderen Endes des Sofas, wo der Platz leer, aber der Stoff blutverschmiert ist. Ich schleudere die Decke zur Seite und springe auf.
>Sam? < rufe ich durchs Haus. Keiner antwortet, also rufe ich verzweifelter und hektischer: >Sam! <
>In der Küche. < schallt es dumpf zurück.
>Was? Spinnst du? Was zur Hölle machst du in der Küche? <
Barfuß tapse ich fuchsteufelswild zu ihm und keuche auf, als ich ihn mit freiem vorgebeugten Oberkörper an der Arbeitsplatte stehen sehe. An seinem Bauch klebt noch das gestrige Pflaster, das durchgeblutet ist. Auf der Platte liegen eine Spritze und eine gläserne Ampulle.
>Was tust du denn hier? Du darfst noch nicht aufstehen! <
>Schon gut. Es ist alles bestens. < erwidert er und kaut auf einem trockenen Toast herum.
>Dir wurde gestern eine Eisenstange in den Bauch gerammt und jetzt stehst du hier und isst dein Frühstück? Kannst du dich überhaupt noch an irgendetwas erinnern was gestern passiert ist? <
>Erstens wurde mir diese verdammt scharfkantige Eisenstange nicht in den Bauch gerammt, sondern sie wurde mir über den Bauch geritzt, weshalb es nicht tief ist. Zweitens hast du das gestern wirklich gut gemacht, weil du die Nerven behalten hast. Daran kann ich mich noch ziemlich gut erinnern und dafür kann ich dir nicht genug danken, Kleines. <
>An alles andere nicht? < will ich plötzlich mit viel leiserer Stimme wissen.
>Welches „andere“ meinst du? < fragt er mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ich zögere. Will ich ihn wirklich wegen dieses Kusses ansprechen?
>Du hast ziemlich viel wirres Zeug geredet. Du hast mich für einen Bryan gehalten und sagtest immer wieder ziemlich deutlich: „Nicht heute.“ <
>Oh, das ist das Morphium gewesen, damit kann man sich ziemlich abschießen. Dadurch habe ich auch haufenweise verrücktes Zeug geträumt. An viele Dinge davon habe ich seit Jahren nicht mehr gedacht. <
>Leg dich wieder hin und ruhe dich aus. Bitte. <
>Es geht mir wirklich gut. Ich spüre es nur unterschwellig. <
>Weil du dich mit Schmerzmitteln zugedröhnt hast? <
Er kommt näher zu mir. Dabei beäuge ich die ganze Zeit seine Bauchwunde während er läuft. Vor mir bleibt er stehen und hebt dann mein Kinn an.
>Ich habe es ernst gemeint. Du warst super. <
>Glaubst du etwa ich würde dich verbluten lassen? <
>Ein so großer Verlust wäre es für die Welt nicht gewesen. <
>Sam! < keife ich und boxe ihm gegen den Brustmuskel. Er sackt kurz keuchend zusammen, weil der Schmerz sicher durch seine Bauchmuskulatur zieht. >Ich mache das nochmal, wenn du wieder sowas sagst. Oh nein … weißt du was? Ich reiße dir die Eier ab, wenn du das nochmal sagst. Ohne sie bist du sicherlich trauriger. <
Daraufhin gluckst er leise und richtet sich dann wieder auf. >Was hast du dir da überhaupt gespritzt? < will ich wissen und nicke zu dem Glasfläschchen auf der Arbeitsplatte.
>Eine Tetanusimpfung. Die Eisenstange war wahrscheinlich auch noch rostig und ich will mir keine Bakterien in den Körper holen. Auf Krämpfe und Lähmungen bin ich nicht sonderlich scharf. <
>Na immerhin bist du dir selbst wenigstens so viel wert. < murre ich und starre auf sein trockenes Toastbrot, was ich ihm schnell aus der Hand reiße. >Und hör auf so einen Mist zu essen. Ich mach dir ein Steak – du brauchst Blutkörperchen. <
Schon laufe ich zum Kühlschrank und hole ein paar Sachen heraus.
>Ja Schwester Nayeli. < sagt er und schmunzelt. Ich bedecke ihn hingegen mit dem Blick des Todes. Wie kann er hier so leichtfertig herumlaufen? Er müsste im Bett liegen und seinen Körper neues Blut bilden lassen. Mit ernsterer Stimme wendet er aber schließlich ein:
>Kleines? Sieh mich an! < gegen meinen Willen tue ich es. Mit durchbohrendem Blick kommt er zu mir und greift sich meine Hand. >Es ist gut möglich, dass ich allein bewusstlos geworden wäre und mir nicht selbst hätte helfen können. Das hätte böse enden können, wenn du nicht hier gewesen wärst. <
>„Was man findet, auf das sollte man aufpassen.“ Weißt du noch? Ich passe auf den auf, der mich gefunden hat. Du bist alles, was ich habe. < flüstere ich immer noch so, als würde ich neben mir stehen. >Tu das nie wieder Sam. Ich hatte wirklich Angst um dich. <
>Ich weiß. < flüstert er und zieht mich in seine Arme. Mein Gesicht schmiegt sich an seinen Oberkörper, aber ich versuche mit meinem Bauch etwas Abstand zu seinem zu halten, damit ich ihn nicht verletze.
Er löst sich ein Stück und blickt in mein Gesicht. Kann er sich wirklich an nichts anderes erinnern? Das ist echt hart.
>Wer ist eigentlich Bryan? < will ich wissen.
>Er war mein Bruder. Ich habe dir schon von ihm erzählt. <
Das stimmt, aber er hat zuvor nie seinen Namen erwähnt. Bevor ich dieses Bild in seinem Zimmer gesehen habe, wusste ich nicht mal, dass er überhaupt einen Bruder hatte. Als ich das letzte Mal nach ihm fragte, ist Sam ausgewichen.
>Und wieso sagtest du „nicht heute“? <
Sam lässt mich los und zieht einen Stuhl vor, auf den er sich etwas mühevoll, mit beiden Armen auf den Tisch gestemmt setzt.
Er seufzt und fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Okay, das wird er mir wohl nicht erzählen. Statt hier herumzustehen, will ich eine Pfanne aus seinem Schrank holen und ihm was Anständiges zu essen machen. Danach sollte ich mich um diese Blutflecken auf dem Sofa kümmern.
>Das haben wir uns jeden Tag gesagt, bevor wir im Konvoi nach draußen mussten. < erklärt Sam zu meiner Verblüffung und ich drehe mich schnell zu ihm zurück. >Er war Soldat, so wie ich – allerdings noch ein Frischling. Und sobald wir uns bewaffneten und nach draußen in die Wüste mussten, sagten wir uns, dass wir nicht sterben werden. „Heute nicht“. <
Ich bekomme eine Gänsehaut als er das sagt. Sein Blick ist stur auf den Tisch gerichtet.
>Was ist mit ihm passiert? <
>Es war meine Schuld. Als Soldat sollte man Befehle befolgen und sie nicht missachten. Ich hatte da eine heikle Sache als Alleingänger durchgezogen, weil ich nicht wollte, dass mein kleiner Bruder im Kugelhagel endet. Das war sein erster Einsatz und ich wollte nicht, dass es einer ohne Heimkehr wird. Wir wussten, dass unsere dschihadistischen Feinde eine Kofferbombe für unser Lager planten. Wir waren bestens mit sämtlichen Abhörtechnologien ausgestattet und vorbereitet, daher wollten wir als Erstes zuschlagen. Aber Bryan sollte das auf keinen Fall miterleben. Also ging ich allein während meines dritten Auslandseinsatzes nachts los und holte mir die Typen, bevor sie uns angreifen konnten. Das Problem war, dass ich nicht gründlich genug war. Unwissend bekam ich nicht alle und eine Nacht später rächten sie sich und griffen mit noch mehr Leuten an. Sie fanden heraus wer ich war und kamen irgendwie an Informationen. Sie versuchten natürlich alle unsere Leute zu bekommen aber sie waren besonders scharf auf Bryan, weil sie mich damit treffen wollten. Letztendlich hatten wir das Gefecht zwar gewonnen aber zu einem verdammt hohen Preis. Wir hatten gute Soldaten und Soldatinnen verloren aber das schlimmste war, dass die Terroristen mich dabei zusehen ließen, wie sie meinen Bruder quälten und schließlich umbrachten. Ich konnte ihn nicht retten aber ich konnte diese Mistkerle wenigstens auseinandernehmen. In dem Moment ließ ich mich vollkommen von meinen Emotionen leiten und machte nichts mehr von dem, was ich einmal gelernt hatte. Ich befahl den anderen Soldaten, die beiden Männer die Bryan töteten, nicht anzurühren und sie für mich übrigzulassen. Es ging nicht mehr darum, so viele wie möglich in kurzer Zeit aus dem Weg zu räumen, sondern es ging mir nur noch darum, ihnen etwas Grausames anzutun, bevor ich ihnen den Gnadenstoß gab. Eigentlich hätte ich danach rausgeworfen werden müssen, aber sie beurlaubten mich nur und schickten mich zurück nach Hause, damit ich mich erholen und eine Psychotherapie machen konnte. Als Bryan in Amerika beerdigt wurde, mit allem was dazugehört, konnte ich meinen Eltern nicht mehr in die Augen sehen. Von da an hing ich alles an den Nagel, was ich hatte und was ich war. Ich machte allein weiter und ging in eine Richtung, die kaum jemand verstehen kann. <
Verdattert sehe ich ihn an. Und erst recht sehe ich ihm an, wie sehr er darunter leidet. Seit drei Jahren ist er nun schon ein Auftragskiller und schleppt eine unvorstellbare Last mit sich herum, die ihm alles nahm. Er verlor seinen Bruder, seine Eltern und auch seine damalige Freundin samt seiner Freunde, die ihn hintergangen haben. Warum hat dieser arme Kerl so ein schweres Kreuz zu tragen bekommen?
>Du hast dich von deinen Eltern abgenabelt, nachdem das passiert ist? < frage ich schockiert, denn auf den Rest will ich im Moment überhaupt nicht eingehen. Er tut mir so unvorstellbar leid. Auf meine Frage hin, nickt er. >Haben sie dir das jemals vorgeworfen, dass du Schuld warst? <
>Nein aber das war auch nicht nötig. Ich sah meine Mutter an und konnte es nicht ertragen, ihr ihren jüngsten Sohn genommen zu haben. <
>Sam du wolltest ihn doch nur schützen und du hast ihn ihr nicht genommen. Ich will dir nicht zu nahe treten, aber sie hat noch einen zweiten Sohn. Eine Familie hält zusammen und vielleicht hättet ihr euch gegenseitig gebraucht und geholfen. <
>Du verstehst das nicht. <
>Doch ich verstehe sehr gut. Du hast nämlich noch Eltern und ich bin sicher, sie lieben dich und würden dir dafür niemals die Schuld geben. <
Daraufhin sieht er auf und sein Blick wird traurig.
>Tut mir leid Kleines. Ich wollte nicht taktlos sein. <
>Warst du nicht … aber du solltest sie anrufen. < erkläre ich.
>Ich denke nicht, dass sie mich mit offenen Armen empfangen. Das ist mehr als drei Jahre her. Außerdem habe ich mich von allen abgewandt, zu denen ich engeren Kontakt hatte. Wenn ich so wie im Syrieneinsatz wieder diesen Fehler begehe und bei meinem Job einen Komplizen der Zielperson vergesse, dann könnten meine Eltern dran sein. Schließlich wird immer nach Druckmitteln gesucht und die lasse ich in meinem Privatleben gar nicht erst zu. Die Sache ist durch. Ich werde sie nicht wiedersehen und ich schätze, das ist ihnen auch klar. Ich habe keine Familie mehr, genauso wenig wie du. <
Ich setze mich ganz ungeniert seitlich auf seinen Schoß. Sein Blick ist zwar irritiert aber er legt die Arme um meine Taille.
>Vielleicht könnte ich deine Familie sein. < flüstere ich.
Er grinst und auch ich zwinge mich zu einem Lächeln und kuschle mich an ihn – allerdings mit genügend Abstand zu seiner Wunde.
>War er so wie du? < will ich nach einer kurzen Pause wissen.
>Komplett anders. Er war naiv und abenteuerlustig und er dachte, er wäre unsterblich. Immer wenn ich ihm sagte, er soll sich nicht wie ein Idiot verhalten und seine Übungen mit Ernst absolvieren, dann fing er an, mein Gesicht nachzuäffen. Ich konnte ihm nie böse sein. Er war eben mein kleiner Bruder und ich hätte alles für ihn getan – so wie du für Iye. Dabei habe ich ihn getötet. <
>Sam … < hauche ich mitfühlend. >Das ist doch Unsinn. Du konntest nicht wissen, dass dort noch Leute übrig waren. Alles, was du wolltest, war ihn unverletzt zurück nach Hause zu bringen. Du hast ihn nicht getötet. <
>Ich wollte nicht mal, dass er diesen Auslandseinsatz mitmacht. Um das zu verhindern, habe ich sogar versucht, ihn vor meinem Truppenleiter schlecht dastehen zu lassen und sagte, er wäre ungeeignet. Leider haben sie ihn trotz meiner Versuche genommen. Dass er so wird wie ich, war das Letzte, was ich wollte. Er dachte, er könnte dort Erfahrungen sammeln aber das ist nichts, das man als besonderes Ereignis in sein Tagebuch schreibt. Dort draußen bist du einfach nicht du selbst. Der Arsch geht dir auf Grundeis und du bist keineswegs mehr so cool, wie du es in dem sicheren Ausbildungslager warst – vollkommen egal wie oft du das schon gemacht hast. Du wirst darauf trainiert, aber es ist nicht vergleichbar mit dem, was du plötzlich wirklich tun musst. Um dich herum fliegen die Kugeln umher oder die Bomben gehen hoch. Alle möglichen Dinge gehen einem durch den Kopf und du willst eigentlich nur am Leben bleiben aber glaubst, dass die Welt dich jeden Moment lebend begräbt. Das Einzige, an das du denkst, ist die Frau, die du zu Hause hast, an deine Familie und an die Dinge, die du noch gern getan hättest. Eigentlich hast du schon abgeschlossen und trotzdem funktionierst du wie ferngesteuert. Du durchlebst das immer und immer wieder. Ich wollte nicht, dass Bryan diese Art von „Erfahrung“ macht. <
Seine Stimme wirkt plötzlich so dünn und sein Blick so fern.
>Hast du diese empfohlene Psychotherapie gemacht? < frage ich vorsichtig.
>Nein. Bin nie dagewesen. Ich fand es idiotisch, einer wildfremden Person zu erzählen wie es mir geht und die selbst keine Ahnung von dem hat, wie es jenseits der Grenzen aussieht. <
>Aber du erzählst es mir doch gerade auch. < flüstere ich. Und dann sieht er endlich vom Tisch auf, direkt in mein Gesicht und beginnt vorsichtig zu lächeln.
>Ich habe es noch nie jemandem erzählt. Niemand hätte mich verstehen können. Aber du tust es. <
>Nein. Ich kann nicht verstehen, was du dort durchmachen musstest. Aber ich weiß, wie es ist, gedanklich abzuschließen und wie es ist, um das eigene Leben zu rennen. Während meines ganzen Daseins hatte ich noch nie solche Angst und trotzdem wollte ich meinen Bruder und meine Eltern holen. Es gab nichts was ich tun konnte um sie dort herauszuholen – genauso wenig wie du, der in dieser Situation nichts tun konnte. <
Sam sagt dazu nichts. Ich weiß selbst wie leer sich meine Worte anhören und kann seinen Schmerz voll und ganz verstehen. Schließlich habe ich mir auch Vorwürfe gemacht, weil ich nicht genug getan habe – aber das ist alles Unsinn. Ich hätte nichts mehr tun können.
>Das ist das schlimmste Gefühl der Welt, wenn du um das Leben deiner Leute bangst und schließlich sterben sie vor deinen Augen. < erzählt er leise und hält mich immer noch an meiner Taille fest.
>Die gestrige Nacht kam beinahe an dieses Gefühl heran. < gestehe ich flüsternd und kann mich gerade noch zusammenreißen, nicht zu zittrig zu sprechen. Meinen Kopf presse ich gegen seine Brust und ich umarme seinen Nacken. >Ich dachte, ich könnte dir nicht helfen und du würdest sterben. <
Sam seufzt und setzt sich mit mir zusammen etwas gebeugter auf den Stuhl. Ich will ihm nicht wehtun oder seine Schmerzen durch meinen Sitz verstärken, also löse ich mich von ihm und klettere wieder von ihm runter.
>Brauchst du Tabletten? <
>Nein, mir geht’s gut. Aber mir wurde ein Steak versprochen, das nehme ich. < feixt er. Ich hingegen rolle mit den Augen.
>Bloß keine Schwäche zeigen. < murmle ich leise vor mich hin.
Ich würde gern behaupten, dass Sam sich an diesem Tag schont, viel schläft und sich von mir nach Strich und Faden bedienen lässt, aber er tut absolut nichts davon – was ständig zu einer Diskussion zwischen uns führt. Es gibt entweder Männer, die bei einer Erkältung sinnbildlich sterben oder welche, die mit einem abgehakten Bein noch sagen, es wäre nur ein Kratzer. Sam gehört definitiv zur zweiten Sorte.
Seit zwei Stunden beantwortet er seine E-Mails und befindet sich zwischendrin immer wieder in einem Chat im Darknet.
Die Blutflecken auf dem Sofa habe ich mit Mühe und Not durch Omas altes Hausmittel – kaltes Wasser und Backpulver, herausbekommen. Sam gab zu, dass er sich bei der Menge, die er verloren hat, selbst etwas erschrocken hätte. Als ich das Gleiche ebenfalls bei seinem Autositz geschafft habe, gehe ich wieder rein und wasche den Lappen aus.
Sam kommt mit seinem zusammengeklappten Laptop zu mir.
>Lass uns ein bisschen trainieren. Du warst gestern zum Ende wirklich gut. < schlägt er vor.
>Bist du verrückt? Ich werde einen Teufel tun. Wenn ich dich ungünstig treffe, dann muss ich dich neu nähen. Als ich nach meinen Schussverletzungen wach geworden bin, hast du mich angemotzt, weil ich aufstehen wollte und du sagtest, ich soll den ersten Tag noch langsam angehen. Und wehe, ich bin dann ohne diese nervige Stütze herumgelaufen. Wie wäre es, wenn du mal auf deine eigenen Worte hörst, wenn schon nicht auf meine? <
Er zieht grinsend einen Mundwinkel hoch.
>Tja du bist ja auch genauso stur wie ich und weil du die Stütze frühzeitig in die Ecke gepfeffert hast, bist du nun an einer Bounty Hunter Schule. Das hast du nun davon. <
>Das war was ganz anderes. < wende ich eilig ab.
>Stimmt. Bei dir war es um einiges dramatischer und ich musste erstmal zwei Liter Blut auftreiben. Ein Glück, dass ich die Gruppe null negativ habe, sonst hättest du ein Problem bekommen. <
>Hä? Sag das nochmal! < sage ich verständnislos.
>Ich kannte deine Blutgruppe doch nicht und null negativ ist ein Universalspender, also habe ich dir das bedenkenlos verabreichen können. Ich habe anfangs noch versucht, es hinauszuzögern, weil ich dir ungern eine Transfusion geben wollte, wenn es nicht wirklich notwendig gewesen wäre, aber du wärst mir beinahe verblutet. Also musste ich handeln. Glaubst du, dein Körper hat in kurzer Zeit alles selbst produziert? Ohne Transfusion hättest du dich nach dem Aufwachen noch weitaus schlechter gefühlt, falls du das überhaupt überlebt hättest – du hättest dich mal sehen müssen. <
>Soll das heißen, ich habe dein Blut bekommen? <
>Insgesamt sogar das von drei Leuten. Ich bin mit Mühe und Not nur an zwei Blutbeutel gekommen. Ich konnte dich nicht allein lassen, als du hier lagst, also rief ich meinen Privatdealer an, den ich aus dem Darknet kenne. Er kann mir so ziemlich alles besorgen und ich sagte ihm, ich brauche so viele 0 negativ Blutkonserven, die er zu kriegen bekommt. Er brachte sie mir an die Tür und wollte wissen, was los sei. Aber ich konnte nicht zulassen, dass er dich sieht, da ich noch nicht wusste, wer du warst. In der Nacht kam er nur an zwei 500ml Transfusionen von zwei Personen ran. Von mir hast du den anderen zusätzlichen Liter bekommen – keine Sorge, ich bin kerngesund und lasse mich regelmäßig testen. Sicher hätte ich von irgendwo noch mehr bekommen, aber du hättest mir währenddessen wegsterben können, während ich mit dem Auto unterwegs gewesen wäre. <
Mit großen Augen starre ich ihn an. Irgendwie ergibt es ja Sinn, denn mir war klar, dass ich weiterhin viel Blut verlor, obwohl ich mein Bein zuvor mit den Stofffetzen abband.
>Wieso hast du mir das nicht schon vorher gesagt? <
>Wäre es wichtig gewesen? <
>Irgendwie schon. Du hast mir immerhin dein letztes Hemd gegeben. <
Daraufhin grinst er.
>Ich weiß auch nicht was mich da geritten hat. Theoretisch hätte ich einfach den Notarzt rufen können und du hättest mich niemals zu Gesicht bekommen. Aber ich hatte so ein Gefühl, dass da etwas nicht stimmte und dann kam das Ganze in den Zeitungen als du noch bewusstlos warst. Ich wusste, du brauchst meine Hilfe. <
>Danke. < flüstere ich kaum hörbar. >Ich bin froh, dass ich dich zu Gesicht bekommen habe. < Das war absolut opferwillig von ihm und zeigt, was er eigentlich für einen Kern hat. Mir wird jetzt erst klar, was er da eigentlich für eine vollkommen Fremde getan hat.
>Da wir das nun geklärt haben – dass ich in einem weitaus besseren Zustand bin als du, lass uns ein bisschen Trainieren. <
>Vergiss es Sam! Ich übe nicht an dir. <
>Ich dachte eigentlich eher ans Schießen und ich schaue zu. < feixt er.
>Oh … ach so. <
*TRIGGERWARNUNG!*
Der Inhalt des folgenden Kapitels kann bei vereinzelten Personen eventuell emotional aufwühlend und belastend wirken.
Sam ist ein Kämpfer, ein Macher, ein Beschützer. Er ist ein Mann, der einfach nicht so vor mir liegen darf, wie er es gerade tut. Auch wenn ich ihn noch nicht lange kenne, weiß ich, dass er immer wieder aufs Neue aufstehen musste.
Er wirkt einschüchternd und manchmal auch gefühlskalt, dabei ist er einfach nur kaputt vom Leben, verraten von den Liebsten und verlassen von sämtlichen Vertrauten. Er ist mein Vorbild in meiner jetzigen Lage, weil er zeigt, dass man sich immer wieder erheben muss und es aus eigenen Stücken schaffen kann, wenn niemand mehr da ist. Ich kenne nicht seine ganze Geschichte aber muss ich das überhaupt?
Zum wiederholten Male hebe ich den Gazeverband an, nur um zu sehen, ob es auch wirklich aufgehört hat zu bluten. Andauernd befühle ich seinen Puls, sein Herz und sein Gesicht, um zu sehen, ob er Fieber bekommt oder ob ihm kalt wird. Die Narbe neben seinem Nabel ist eine, wie ich sie habe. Er hat das damals überstanden, dann übersteht er auch diesen Schnitt.
Ich weiche die nächsten Stunden nicht von seiner Seite, so wie er mir nicht von der Seite wich, als ich mich schlecht fühlte. Allmählich schlafen aber meine Beine in dieser geknieten Position ein und ich bewege mich langsam in den Stand, um ihn nicht zu wecken. Sein Zustand hat sich offenbar nicht verschlechtert und auch sonst erkenne ich keine Anzeichen, dass er sich in irgendeiner Weise in Lebensgefahr befindet. Aber was weiß ich denn schon? Ab und zu redet er lediglich im Schlaf und wiederholt andauert die gleichen Worte „nicht heute.“
Heute was nicht? Vorhin hielt er mich für einen Bryan – wer auch immer das ist, aber einen Moment später konnte er mich sofort zuordnen. Kurz darauf hat er mich geküsst. Das war ein so konfuser Moment, den er in seinem Zustand womöglich nicht mal mitbekam. Vielleicht dachte er plötzlich an eine von den Frauen, die ihn so sehr verletzt haben – auch wenn er nicht zugeben will, dass sie es taten.
Aber er sagte auch, dass er schon die ganze Zeit wissen wollte „wie es ist“. Aber wie was ist? Mich zu küssen? Oh Mann, allein bei dem Gedanken daran beschleunigt sich mein Herzschlag.
Wir beide haben hier nur uns. Ist es da normal, dass es zwangsweise zu Zuneigungen kommt? Diese Zuneigungen beschränkten sich allerdings anfangs auf ein beiläufiges Berühren, aneinander lehnen oder Wange streicheln. Was er aber letztens mit mir in der Dusche gemacht hat, kann ich immer noch nicht vergessen – nicht so etwas. Es ist immer noch in meinem Gedächtnis, weil er mir so unbeschreiblich nah kam und ich mir erhofft hatte, dass mehr passieren würde. Das passt eigentlich nicht zu mir aber ich wollte Sam für mich haben, obwohl wir weder ein Paar noch etwas Vergleichbares sind. Für ihn war es ein Spiel, für mich ein Korb.
Um mich abzulenken, laufe ich in mein Zimmer und hole mir meinen Schreibblock. Dann setze ich mich auf das andere Ende des Sofas, um bei Sam zu sein, falls sich sein Zustand ändert. So ruhig wie inzwischen seine Atmung geht, bin ich das absolute Gegenteil. Ich komme nicht zur Ruhe und bin völlig aufgescheucht. Noch nie fühlte ich mich so hilflos und hatte so viel Angst etwas falsch zu machen. Hoffentlich habe ich alles ausreichend desinfiziert. Eine Infektion wäre das Letzte, was er jetzt gebrauchen könnte. Ich hätte viel ruhiger bleiben sollen, als ich ihn genäht habe. Verdammt! Nicht, dass ich seinen Körper damit entstellt habe. Bisher habe ich meine Nase noch nicht eine Sekunde in meine Aufzeichnungen gesteckt, sondern ihn stattdessen permanent angestarrt.
Wenn ich nicht sehen würde, dass sich sein Brustkorb hebt und senkt, könnte man denken er sei tot. Und wenn er sich ab und zu wenigstens bewegen würde – abgesehen von der leichten Bewegung seiner Lippen durch das Gemurmel, dann wäre ich beruhigter aber vielleicht ist es das Morphium, was ihn so passiv erscheinen lässt.
„Bitte werde wieder gesund“ bete ich inständig. Wenn ich ihn auch noch verliere, dann nimmt mir das die letzte Hoffnung.
Die paar Kerzen, die ich angemacht hatte, gehen langsam nacheinander aus. Ich wollte nicht, dass ihn das helle Deckenlicht blendet. Das Feuer im Kamin ist auch schon erloschen und besteht nur noch aus Glut. In diesem Haus ist es viel zu ruhig, viel zu kalt, viel zu abwesend. Ich will, dass Sam mir sagt, dass ich die falschen Fragen stelle, dass ich keine Ahnung hätte und dass ich naiv wäre. Er soll mich nach Herzenslust beleidigen und vollmeckern, aber er soll es mir jetzt sagen. Ich will, dass er wieder der Alte ist.
Ohne es aufhalten zu können, werden meine Augenlider schließlich doch allmählich schwer. Selbst der Schreibblock in meiner Hand scheint plötzlich tonnenschwer zu sein und fällt sanft in meinen Schoß.
Am nächsten Morgen
Sobald mich die Helligkeit weckt, wird mir klar, wo ich mich befinde. Ich habe mich in der Ecke des Sofas zusammengerollt und eine Decke liegt auf mir. Allerdings hatte ich mir aber gar keine genommen, die hatte doch Sam. Und dann starre ich zum anderen Endes des Sofas, wo der Platz leer, aber der Stoff blutverschmiert ist. Ich schleudere die Decke zur Seite und springe auf.
>Sam? < rufe ich durchs Haus. Keiner antwortet, also rufe ich verzweifelter und hektischer: >Sam! <
>In der Küche. < schallt es dumpf zurück.
>Was? Spinnst du? Was zur Hölle machst du in der Küche? <
Barfuß tapse ich fuchsteufelswild zu ihm und keuche auf, als ich ihn mit freiem vorgebeugten Oberkörper an der Arbeitsplatte stehen sehe. An seinem Bauch klebt noch das gestrige Pflaster, das durchgeblutet ist. Auf der Platte liegen eine Spritze und eine gläserne Ampulle.
>Was tust du denn hier? Du darfst noch nicht aufstehen! <
>Schon gut. Es ist alles bestens. < erwidert er und kaut auf einem trockenen Toast herum.
>Dir wurde gestern eine Eisenstange in den Bauch gerammt und jetzt stehst du hier und isst dein Frühstück? Kannst du dich überhaupt noch an irgendetwas erinnern was gestern passiert ist? <
>Erstens wurde mir diese verdammt scharfkantige Eisenstange nicht in den Bauch gerammt, sondern sie wurde mir über den Bauch geritzt, weshalb es nicht tief ist. Zweitens hast du das gestern wirklich gut gemacht, weil du die Nerven behalten hast. Daran kann ich mich noch ziemlich gut erinnern und dafür kann ich dir nicht genug danken, Kleines. <
>An alles andere nicht? < will ich plötzlich mit viel leiserer Stimme wissen.
>Welches „andere“ meinst du? < fragt er mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ich zögere. Will ich ihn wirklich wegen dieses Kusses ansprechen?
>Du hast ziemlich viel wirres Zeug geredet. Du hast mich für einen Bryan gehalten und sagtest immer wieder ziemlich deutlich: „Nicht heute.“ <
>Oh, das ist das Morphium gewesen, damit kann man sich ziemlich abschießen. Dadurch habe ich auch haufenweise verrücktes Zeug geträumt. An viele Dinge davon habe ich seit Jahren nicht mehr gedacht. <
>Leg dich wieder hin und ruhe dich aus. Bitte. <
>Es geht mir wirklich gut. Ich spüre es nur unterschwellig. <
>Weil du dich mit Schmerzmitteln zugedröhnt hast? <
Er kommt näher zu mir. Dabei beäuge ich die ganze Zeit seine Bauchwunde während er läuft. Vor mir bleibt er stehen und hebt dann mein Kinn an.
>Ich habe es ernst gemeint. Du warst super. <
>Glaubst du etwa ich würde dich verbluten lassen? <
>Ein so großer Verlust wäre es für die Welt nicht gewesen. <
>Sam! < keife ich und boxe ihm gegen den Brustmuskel. Er sackt kurz keuchend zusammen, weil der Schmerz sicher durch seine Bauchmuskulatur zieht. >Ich mache das nochmal, wenn du wieder sowas sagst. Oh nein … weißt du was? Ich reiße dir die Eier ab, wenn du das nochmal sagst. Ohne sie bist du sicherlich trauriger. <
Daraufhin gluckst er leise und richtet sich dann wieder auf. >Was hast du dir da überhaupt gespritzt? < will ich wissen und nicke zu dem Glasfläschchen auf der Arbeitsplatte.
>Eine Tetanusimpfung. Die Eisenstange war wahrscheinlich auch noch rostig und ich will mir keine Bakterien in den Körper holen. Auf Krämpfe und Lähmungen bin ich nicht sonderlich scharf. <
>Na immerhin bist du dir selbst wenigstens so viel wert. < murre ich und starre auf sein trockenes Toastbrot, was ich ihm schnell aus der Hand reiße. >Und hör auf so einen Mist zu essen. Ich mach dir ein Steak – du brauchst Blutkörperchen. <
Schon laufe ich zum Kühlschrank und hole ein paar Sachen heraus.
>Ja Schwester Nayeli. < sagt er und schmunzelt. Ich bedecke ihn hingegen mit dem Blick des Todes. Wie kann er hier so leichtfertig herumlaufen? Er müsste im Bett liegen und seinen Körper neues Blut bilden lassen. Mit ernsterer Stimme wendet er aber schließlich ein:
>Kleines? Sieh mich an! < gegen meinen Willen tue ich es. Mit durchbohrendem Blick kommt er zu mir und greift sich meine Hand. >Es ist gut möglich, dass ich allein bewusstlos geworden wäre und mir nicht selbst hätte helfen können. Das hätte böse enden können, wenn du nicht hier gewesen wärst. <
>„Was man findet, auf das sollte man aufpassen.“ Weißt du noch? Ich passe auf den auf, der mich gefunden hat. Du bist alles, was ich habe. < flüstere ich immer noch so, als würde ich neben mir stehen. >Tu das nie wieder Sam. Ich hatte wirklich Angst um dich. <
>Ich weiß. < flüstert er und zieht mich in seine Arme. Mein Gesicht schmiegt sich an seinen Oberkörper, aber ich versuche mit meinem Bauch etwas Abstand zu seinem zu halten, damit ich ihn nicht verletze.
Er löst sich ein Stück und blickt in mein Gesicht. Kann er sich wirklich an nichts anderes erinnern? Das ist echt hart.
>Wer ist eigentlich Bryan? < will ich wissen.
>Er war mein Bruder. Ich habe dir schon von ihm erzählt. <
Das stimmt, aber er hat zuvor nie seinen Namen erwähnt. Bevor ich dieses Bild in seinem Zimmer gesehen habe, wusste ich nicht mal, dass er überhaupt einen Bruder hatte. Als ich das letzte Mal nach ihm fragte, ist Sam ausgewichen.
>Und wieso sagtest du „nicht heute“? <
Sam lässt mich los und zieht einen Stuhl vor, auf den er sich etwas mühevoll, mit beiden Armen auf den Tisch gestemmt setzt.
Er seufzt und fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Okay, das wird er mir wohl nicht erzählen. Statt hier herumzustehen, will ich eine Pfanne aus seinem Schrank holen und ihm was Anständiges zu essen machen. Danach sollte ich mich um diese Blutflecken auf dem Sofa kümmern.
>Das haben wir uns jeden Tag gesagt, bevor wir im Konvoi nach draußen mussten. < erklärt Sam zu meiner Verblüffung und ich drehe mich schnell zu ihm zurück. >Er war Soldat, so wie ich – allerdings noch ein Frischling. Und sobald wir uns bewaffneten und nach draußen in die Wüste mussten, sagten wir uns, dass wir nicht sterben werden. „Heute nicht“. <
Ich bekomme eine Gänsehaut als er das sagt. Sein Blick ist stur auf den Tisch gerichtet.
>Was ist mit ihm passiert? <
>Es war meine Schuld. Als Soldat sollte man Befehle befolgen und sie nicht missachten. Ich hatte da eine heikle Sache als Alleingänger durchgezogen, weil ich nicht wollte, dass mein kleiner Bruder im Kugelhagel endet. Das war sein erster Einsatz und ich wollte nicht, dass es einer ohne Heimkehr wird. Wir wussten, dass unsere dschihadistischen Feinde eine Kofferbombe für unser Lager planten. Wir waren bestens mit sämtlichen Abhörtechnologien ausgestattet und vorbereitet, daher wollten wir als Erstes zuschlagen. Aber Bryan sollte das auf keinen Fall miterleben. Also ging ich allein während meines dritten Auslandseinsatzes nachts los und holte mir die Typen, bevor sie uns angreifen konnten. Das Problem war, dass ich nicht gründlich genug war. Unwissend bekam ich nicht alle und eine Nacht später rächten sie sich und griffen mit noch mehr Leuten an. Sie fanden heraus wer ich war und kamen irgendwie an Informationen. Sie versuchten natürlich alle unsere Leute zu bekommen aber sie waren besonders scharf auf Bryan, weil sie mich damit treffen wollten. Letztendlich hatten wir das Gefecht zwar gewonnen aber zu einem verdammt hohen Preis. Wir hatten gute Soldaten und Soldatinnen verloren aber das schlimmste war, dass die Terroristen mich dabei zusehen ließen, wie sie meinen Bruder quälten und schließlich umbrachten. Ich konnte ihn nicht retten aber ich konnte diese Mistkerle wenigstens auseinandernehmen. In dem Moment ließ ich mich vollkommen von meinen Emotionen leiten und machte nichts mehr von dem, was ich einmal gelernt hatte. Ich befahl den anderen Soldaten, die beiden Männer die Bryan töteten, nicht anzurühren und sie für mich übrigzulassen. Es ging nicht mehr darum, so viele wie möglich in kurzer Zeit aus dem Weg zu räumen, sondern es ging mir nur noch darum, ihnen etwas Grausames anzutun, bevor ich ihnen den Gnadenstoß gab. Eigentlich hätte ich danach rausgeworfen werden müssen, aber sie beurlaubten mich nur und schickten mich zurück nach Hause, damit ich mich erholen und eine Psychotherapie machen konnte. Als Bryan in Amerika beerdigt wurde, mit allem was dazugehört, konnte ich meinen Eltern nicht mehr in die Augen sehen. Von da an hing ich alles an den Nagel, was ich hatte und was ich war. Ich machte allein weiter und ging in eine Richtung, die kaum jemand verstehen kann. <
Verdattert sehe ich ihn an. Und erst recht sehe ich ihm an, wie sehr er darunter leidet. Seit drei Jahren ist er nun schon ein Auftragskiller und schleppt eine unvorstellbare Last mit sich herum, die ihm alles nahm. Er verlor seinen Bruder, seine Eltern und auch seine damalige Freundin samt seiner Freunde, die ihn hintergangen haben. Warum hat dieser arme Kerl so ein schweres Kreuz zu tragen bekommen?
>Du hast dich von deinen Eltern abgenabelt, nachdem das passiert ist? < frage ich schockiert, denn auf den Rest will ich im Moment überhaupt nicht eingehen. Er tut mir so unvorstellbar leid. Auf meine Frage hin, nickt er. >Haben sie dir das jemals vorgeworfen, dass du Schuld warst? <
>Nein aber das war auch nicht nötig. Ich sah meine Mutter an und konnte es nicht ertragen, ihr ihren jüngsten Sohn genommen zu haben. <
>Sam du wolltest ihn doch nur schützen und du hast ihn ihr nicht genommen. Ich will dir nicht zu nahe treten, aber sie hat noch einen zweiten Sohn. Eine Familie hält zusammen und vielleicht hättet ihr euch gegenseitig gebraucht und geholfen. <
>Du verstehst das nicht. <
>Doch ich verstehe sehr gut. Du hast nämlich noch Eltern und ich bin sicher, sie lieben dich und würden dir dafür niemals die Schuld geben. <
Daraufhin sieht er auf und sein Blick wird traurig.
>Tut mir leid Kleines. Ich wollte nicht taktlos sein. <
>Warst du nicht … aber du solltest sie anrufen. < erkläre ich.
>Ich denke nicht, dass sie mich mit offenen Armen empfangen. Das ist mehr als drei Jahre her. Außerdem habe ich mich von allen abgewandt, zu denen ich engeren Kontakt hatte. Wenn ich so wie im Syrieneinsatz wieder diesen Fehler begehe und bei meinem Job einen Komplizen der Zielperson vergesse, dann könnten meine Eltern dran sein. Schließlich wird immer nach Druckmitteln gesucht und die lasse ich in meinem Privatleben gar nicht erst zu. Die Sache ist durch. Ich werde sie nicht wiedersehen und ich schätze, das ist ihnen auch klar. Ich habe keine Familie mehr, genauso wenig wie du. <
Ich setze mich ganz ungeniert seitlich auf seinen Schoß. Sein Blick ist zwar irritiert aber er legt die Arme um meine Taille.
>Vielleicht könnte ich deine Familie sein. < flüstere ich.
Er grinst und auch ich zwinge mich zu einem Lächeln und kuschle mich an ihn – allerdings mit genügend Abstand zu seiner Wunde.
>War er so wie du? < will ich nach einer kurzen Pause wissen.
>Komplett anders. Er war naiv und abenteuerlustig und er dachte, er wäre unsterblich. Immer wenn ich ihm sagte, er soll sich nicht wie ein Idiot verhalten und seine Übungen mit Ernst absolvieren, dann fing er an, mein Gesicht nachzuäffen. Ich konnte ihm nie böse sein. Er war eben mein kleiner Bruder und ich hätte alles für ihn getan – so wie du für Iye. Dabei habe ich ihn getötet. <
>Sam … < hauche ich mitfühlend. >Das ist doch Unsinn. Du konntest nicht wissen, dass dort noch Leute übrig waren. Alles, was du wolltest, war ihn unverletzt zurück nach Hause zu bringen. Du hast ihn nicht getötet. <
>Ich wollte nicht mal, dass er diesen Auslandseinsatz mitmacht. Um das zu verhindern, habe ich sogar versucht, ihn vor meinem Truppenleiter schlecht dastehen zu lassen und sagte, er wäre ungeeignet. Leider haben sie ihn trotz meiner Versuche genommen. Dass er so wird wie ich, war das Letzte, was ich wollte. Er dachte, er könnte dort Erfahrungen sammeln aber das ist nichts, das man als besonderes Ereignis in sein Tagebuch schreibt. Dort draußen bist du einfach nicht du selbst. Der Arsch geht dir auf Grundeis und du bist keineswegs mehr so cool, wie du es in dem sicheren Ausbildungslager warst – vollkommen egal wie oft du das schon gemacht hast. Du wirst darauf trainiert, aber es ist nicht vergleichbar mit dem, was du plötzlich wirklich tun musst. Um dich herum fliegen die Kugeln umher oder die Bomben gehen hoch. Alle möglichen Dinge gehen einem durch den Kopf und du willst eigentlich nur am Leben bleiben aber glaubst, dass die Welt dich jeden Moment lebend begräbt. Das Einzige, an das du denkst, ist die Frau, die du zu Hause hast, an deine Familie und an die Dinge, die du noch gern getan hättest. Eigentlich hast du schon abgeschlossen und trotzdem funktionierst du wie ferngesteuert. Du durchlebst das immer und immer wieder. Ich wollte nicht, dass Bryan diese Art von „Erfahrung“ macht. <
Seine Stimme wirkt plötzlich so dünn und sein Blick so fern.
>Hast du diese empfohlene Psychotherapie gemacht? < frage ich vorsichtig.
>Nein. Bin nie dagewesen. Ich fand es idiotisch, einer wildfremden Person zu erzählen wie es mir geht und die selbst keine Ahnung von dem hat, wie es jenseits der Grenzen aussieht. <
>Aber du erzählst es mir doch gerade auch. < flüstere ich. Und dann sieht er endlich vom Tisch auf, direkt in mein Gesicht und beginnt vorsichtig zu lächeln.
>Ich habe es noch nie jemandem erzählt. Niemand hätte mich verstehen können. Aber du tust es. <
>Nein. Ich kann nicht verstehen, was du dort durchmachen musstest. Aber ich weiß, wie es ist, gedanklich abzuschließen und wie es ist, um das eigene Leben zu rennen. Während meines ganzen Daseins hatte ich noch nie solche Angst und trotzdem wollte ich meinen Bruder und meine Eltern holen. Es gab nichts was ich tun konnte um sie dort herauszuholen – genauso wenig wie du, der in dieser Situation nichts tun konnte. <
Sam sagt dazu nichts. Ich weiß selbst wie leer sich meine Worte anhören und kann seinen Schmerz voll und ganz verstehen. Schließlich habe ich mir auch Vorwürfe gemacht, weil ich nicht genug getan habe – aber das ist alles Unsinn. Ich hätte nichts mehr tun können.
>Das ist das schlimmste Gefühl der Welt, wenn du um das Leben deiner Leute bangst und schließlich sterben sie vor deinen Augen. < erzählt er leise und hält mich immer noch an meiner Taille fest.
>Die gestrige Nacht kam beinahe an dieses Gefühl heran. < gestehe ich flüsternd und kann mich gerade noch zusammenreißen, nicht zu zittrig zu sprechen. Meinen Kopf presse ich gegen seine Brust und ich umarme seinen Nacken. >Ich dachte, ich könnte dir nicht helfen und du würdest sterben. <
Sam seufzt und setzt sich mit mir zusammen etwas gebeugter auf den Stuhl. Ich will ihm nicht wehtun oder seine Schmerzen durch meinen Sitz verstärken, also löse ich mich von ihm und klettere wieder von ihm runter.
>Brauchst du Tabletten? <
>Nein, mir geht’s gut. Aber mir wurde ein Steak versprochen, das nehme ich. < feixt er. Ich hingegen rolle mit den Augen.
>Bloß keine Schwäche zeigen. < murmle ich leise vor mich hin.
Ich würde gern behaupten, dass Sam sich an diesem Tag schont, viel schläft und sich von mir nach Strich und Faden bedienen lässt, aber er tut absolut nichts davon – was ständig zu einer Diskussion zwischen uns führt. Es gibt entweder Männer, die bei einer Erkältung sinnbildlich sterben oder welche, die mit einem abgehakten Bein noch sagen, es wäre nur ein Kratzer. Sam gehört definitiv zur zweiten Sorte.
Seit zwei Stunden beantwortet er seine E-Mails und befindet sich zwischendrin immer wieder in einem Chat im Darknet.
Die Blutflecken auf dem Sofa habe ich mit Mühe und Not durch Omas altes Hausmittel – kaltes Wasser und Backpulver, herausbekommen. Sam gab zu, dass er sich bei der Menge, die er verloren hat, selbst etwas erschrocken hätte. Als ich das Gleiche ebenfalls bei seinem Autositz geschafft habe, gehe ich wieder rein und wasche den Lappen aus.
Sam kommt mit seinem zusammengeklappten Laptop zu mir.
>Lass uns ein bisschen trainieren. Du warst gestern zum Ende wirklich gut. < schlägt er vor.
>Bist du verrückt? Ich werde einen Teufel tun. Wenn ich dich ungünstig treffe, dann muss ich dich neu nähen. Als ich nach meinen Schussverletzungen wach geworden bin, hast du mich angemotzt, weil ich aufstehen wollte und du sagtest, ich soll den ersten Tag noch langsam angehen. Und wehe, ich bin dann ohne diese nervige Stütze herumgelaufen. Wie wäre es, wenn du mal auf deine eigenen Worte hörst, wenn schon nicht auf meine? <
Er zieht grinsend einen Mundwinkel hoch.
>Tja du bist ja auch genauso stur wie ich und weil du die Stütze frühzeitig in die Ecke gepfeffert hast, bist du nun an einer Bounty Hunter Schule. Das hast du nun davon. <
>Das war was ganz anderes. < wende ich eilig ab.
>Stimmt. Bei dir war es um einiges dramatischer und ich musste erstmal zwei Liter Blut auftreiben. Ein Glück, dass ich die Gruppe null negativ habe, sonst hättest du ein Problem bekommen. <
>Hä? Sag das nochmal! < sage ich verständnislos.
>Ich kannte deine Blutgruppe doch nicht und null negativ ist ein Universalspender, also habe ich dir das bedenkenlos verabreichen können. Ich habe anfangs noch versucht, es hinauszuzögern, weil ich dir ungern eine Transfusion geben wollte, wenn es nicht wirklich notwendig gewesen wäre, aber du wärst mir beinahe verblutet. Also musste ich handeln. Glaubst du, dein Körper hat in kurzer Zeit alles selbst produziert? Ohne Transfusion hättest du dich nach dem Aufwachen noch weitaus schlechter gefühlt, falls du das überhaupt überlebt hättest – du hättest dich mal sehen müssen. <
>Soll das heißen, ich habe dein Blut bekommen? <
>Insgesamt sogar das von drei Leuten. Ich bin mit Mühe und Not nur an zwei Blutbeutel gekommen. Ich konnte dich nicht allein lassen, als du hier lagst, also rief ich meinen Privatdealer an, den ich aus dem Darknet kenne. Er kann mir so ziemlich alles besorgen und ich sagte ihm, ich brauche so viele 0 negativ Blutkonserven, die er zu kriegen bekommt. Er brachte sie mir an die Tür und wollte wissen, was los sei. Aber ich konnte nicht zulassen, dass er dich sieht, da ich noch nicht wusste, wer du warst. In der Nacht kam er nur an zwei 500ml Transfusionen von zwei Personen ran. Von mir hast du den anderen zusätzlichen Liter bekommen – keine Sorge, ich bin kerngesund und lasse mich regelmäßig testen. Sicher hätte ich von irgendwo noch mehr bekommen, aber du hättest mir währenddessen wegsterben können, während ich mit dem Auto unterwegs gewesen wäre. <
Mit großen Augen starre ich ihn an. Irgendwie ergibt es ja Sinn, denn mir war klar, dass ich weiterhin viel Blut verlor, obwohl ich mein Bein zuvor mit den Stofffetzen abband.
>Wieso hast du mir das nicht schon vorher gesagt? <
>Wäre es wichtig gewesen? <
>Irgendwie schon. Du hast mir immerhin dein letztes Hemd gegeben. <
Daraufhin grinst er.
>Ich weiß auch nicht was mich da geritten hat. Theoretisch hätte ich einfach den Notarzt rufen können und du hättest mich niemals zu Gesicht bekommen. Aber ich hatte so ein Gefühl, dass da etwas nicht stimmte und dann kam das Ganze in den Zeitungen als du noch bewusstlos warst. Ich wusste, du brauchst meine Hilfe. <
>Danke. < flüstere ich kaum hörbar. >Ich bin froh, dass ich dich zu Gesicht bekommen habe. < Das war absolut opferwillig von ihm und zeigt, was er eigentlich für einen Kern hat. Mir wird jetzt erst klar, was er da eigentlich für eine vollkommen Fremde getan hat.
>Da wir das nun geklärt haben – dass ich in einem weitaus besseren Zustand bin als du, lass uns ein bisschen Trainieren. <
>Vergiss es Sam! Ich übe nicht an dir. <
>Ich dachte eigentlich eher ans Schießen und ich schaue zu. < feixt er.
>Oh … ach so. <