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Fingerabdrücke bleiben

von Lynnix
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Krimi / P16 / Gen
23.02.2018
25.11.2021
129
578.228
7
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
1 Review
 
01.05.2020 3.224
 
Kapitel 33 - Heimlichkeiten

Am Abend machen Sam und ich zusammen etwas zu essen. Ich muss zugeben, dass er immer besser darin wird. Noch besser kann er allerdings mit Messern umgehen und ich gebe die nervige Schnippelarbeit gern an ihn ab, die ihm offenbar nichts ausmacht.
Wenn Sam in den vergangenen Monaten nicht schlafen konnte, zog es ihn wohl recht häufig in den Wald. Entweder jagte er zur Abwechslung mal Wildtiere statt Menschen oder er angelte ein paar Fische. Sein Tiefkühler im Keller ist jedenfalls prall gefüllt und wenn es um tierische Proteine geht, muss er für den gesamten Winter und darüber hinaus wohl nichts kaufen.
Ich hole das gefrorene Fleisch heraus und will wieder in Richtung seiner Treppe nach oben gehen, aber ich werfe einen Seitenblick zu seinen Regalen und ändere meinen Weg.
Das Gestell kenne ich schon von damals und es sind sämtliche seiner Waffen darauf, sowie das ganze Zeug seiner Armyzeit. Seine Pistolen und Gewehre sind nacheinander aufgereiht und haben nach wie vor eine seltsame Faszination auf mich. Wie ich bemerke, hat er jedoch eine Pistole mehr als damals und ich greife danach. Eine 9 mm Glock 19, aber dann fällt mir auf, dass es diese Glock 19 ist. Als ich vor fast zwei Wochen keuchend auf dem Boden und am Rand der Klippen des Palisade heads hockte, starrte ich immer wieder zu der Seriennummer und könnte sie im Schlaf aufsagen. Mit dieser Pistole habe ich Archer umgebracht. Ich stand so neben mir, dass ich vieles nur unterschwellig mitbekam. Sam nahm mir die Pistole aus den Händen, steckte sie in seinen Gürtel und zog mich mit sich.
Ich höre die knarzende Treppe in meinem Rücken.
>Was ist los? Findest du es nicht? < fragt Sam. Aber dann sieht er bereits, wie ich vor seinem Waffenregal stehe. Er kommt alle Stufen hinuntergelaufen, stellt sich neben mich und sieht zu mir und der Pistole herab.
>Dein Blut und deine Fingerabdrücke waren darauf. Ich musste sie mitnehmen. < erklärt er, ohne dass ich danach fragen muss.
>Du sagtest doch, du willst es nicht verschleiern. <
>Derzeit liegt Archer bei einem Bekannten von mir in der Pathologie auf Eis. Es kommt alles zu seiner Zeit. Im Moment steht in den Akten, dass du gleich im nächsten Ort als Kimberly Grant übergeben wurdest und sich deine Verhaftung als Irrtum herausstellte. So bist du vorerst raus aus der Nummer. Archer wird vermisst, aber sein Wagen wurde 60 Meilen weiter über GPS gefunden. Es wird davon ausgegangen, dass er in den Lake sprang. <
Sam hat sich mal wieder um alles gekümmert, noch bevor ich mir zu viele Gedanken darum machen konnte. Ich drehe die Waffe in meinen Händen, so als würde auf ihr keinerlei Last liegen. So etwas hätte ich vor einigen Monaten niemals von mir gedacht, dass ich einmal dazu imstande sein würde.
>Kann ich dich was fragen? <
>Sicher. <
>Wie alt warst du, als du das erste Mal jemanden umgebracht hast? < will ich leise wissen.
>Fast 23. Ich war das erste Mal im Einsatz in einer scheinbar gottverlassenen arabischen Republik. Sie wollten mich wegen meiner Trefferquote bei den Snipern haben. Allerdings stand ich oft genug auch mitten drin im Gefecht, anstatt flach auf einem Hausdach zu liegen. <
Sam sagt es dieses Mal gerade heraus. Wenn er mir gesagt hätte, dass er darüber nicht sprechen möchte, so wie es sonst der Fall war, dann hätte ich es bedingungslos akzeptiert. Ich weiß, dass ihn das Erlebte bis heute mitnimmt, also lege ich die Waffe wieder weg, weil ich das Thema nicht vertiefen will. Dennoch redet er zu meiner Verwunderung weiter.
>Manche Soldaten markieren ihre Waffen, um darauf die Anzahl der Getöteten zu hinterlassen. Aber allein in meiner ersten Woche habe ich so viele furchtbare Befehle befolgen müssen, dass mein Gewehr schon ziemlich voll gewesen wäre. Meine Kameraden fanden es beeindruckend und klopften Sprüche darüber, dass ich jeden Feind innerhalb von Sekunden zu Gott schickte, der in mein Visier geriet. Sie machten aus meinem Namen schnell die arabische Ableitung „Samir“ – „Den, den Gott erhört“ oder so etwas in der Art. Ich habe es gehasst, wenn sie mich so nannten, denn ich war nicht stolz darauf. Die Anderen fanden, es war eine Ehre und konnten meine Reaktion nicht verstehen. Aber es waren nur sinnlos und blind ausgeführte Befehle – mehr nicht. <
>Sinnlose Befehle? Soll das heißen, du hast angreifen müssen, obwohl keine Gefahr bestand? Ist das nicht genau der Sinn der Genfer Konvention, so etwas nicht zu tun? < frage ich ernsthaft interessiert.
>Es wurde nicht verhandelt. Wenn es nach einer anbahnenden Gefahr aussah und auf Warnschüsse nicht reagiert wurde, dann hat man zielgerichtet geschossenen. Ich habe damals ganz sicher eine ganze Menge schlechter Menschen aus dem Weg geräumt, aber wahrscheinlich genauso viel Unschuldige. Was ich Gott sei Dank nie tun musste, war auf ein Kind zu schießen – den Ballast schleppen andere Soldaten mit sich herum. <
Ich schlucke lautstark. Oh Mann, das treibt mir beinahe meinen Gallensaft nach oben und Sam redet so monoton darüber, dass ich mich ohrfeigen könnte, weil ich damit begann.
>Tut mir leid, ich wollte nicht damit anfangen. Lass uns wieder hochgehen. < wimmle ich eilig ab, aber Sam hält mich am Arm fest, als ich gehen will.
>Was denkst du? Wird mir so etwas verziehen, mit den Dingen die ich heute tue? <
>Ich denke nicht, dass ich neutral genug für so eine Antwort bin. Jeder, den du heute umbringst, der hat es in meinen Augen verdient. Du hast wohl mehr Leben gerettet als du genommen hast. Und zu meinem Erstaunen bist du bisher ziemlich gut dabei weggekommen. <
Sam lächelt matt.
>Früher habe ich noch mitgezählt, aber mittlerweile habe ich den Überblick verloren, wie oft ich knapp davongekommen bin. Viermal habe ich jedenfalls direkte Konfrontationen überlebt, obwohl es eigentlich zu Ende gehen sollte. <
>Viermal? < wiederhole ich mit bangem Gesichtsausdruck, wobei ich die genaue Anzahl nicht wissen will. Wer weiß, wie viele Bomben schon direkt in seiner Nähe hochgingen oder in welch schlimmem Kugelhagel er war. Daraufhin nimmt Sam den beigefarbenen Helm von seinem Regal und dreht ihn zu mir. Darin ist eine tiefe Delle, die ich damals schon sah, aber nun weiß ich, dass wohl eine Kugel dort gegen geprallt ist und Sam dadurch einem Kopfschuss entkam, worauf mir noch schlechter wird. Mit einem Stift wurde am unteren Rand „0 –“ geschrieben, das sicher für seine Blutgruppe steht. Als Nächstes zieht Sam sein Shirt ein Stück höher und zeigt auf die Einschussnarbe an seinem Bauch und knapp darunter auch auf den Schnitt, den ich ihm genäht habe. Als Letztes deutet er auf seinen Hals, wo eine noch kaum wahrnehmbare Spur einer Strangulierung durch Detectiv Archer zu sehen ist. Panik steigt deswegen in mir auf, aber ich will sie Sam nicht zeigen. Das ist ein viel zu sensibles Thema, selbst für ihn und ich wollte ihn nicht in diese Stimmung versetzen – ich Vollidiotin. Er packt den Helm zurück und greift zu einer winzigen Metalldose, die für mich so schlicht aussieht, als wären darin einmal Minzdragées gewesen. Sam klappt sie auf und nimmt etwas in die Hand, dass er mir nicht direkt zeigt. Er sieht es sich nur selbst an und streicht einen Moment mit dem Daumen darüber, ehe er es zurückpackt und einen Schritt von dem Regal zurückgeht. Flüchtig las ich den eingestanzten Namen „Bryan Wilson“ auf einer dieser Erkennungsmarken, die sie den Soldaten geben. Ich weiß, was in ihm vorgeht und um die Situation irgendwie zu entschärfen, sage ich mit einem Anflug von Grinsen:
>Diese Überlebenszeichen zeigen im Grunde nur, dass mit dir wohl auch jemand noch nicht fertig ist. Das ist es, was ich mir die ganze Zeit einrede, weil ich ebenfalls immer wieder entkommen bin. Wir sind nicht grundlos noch am Leben. Vielleicht sollen wir tatsächlich das Gleichgewicht wiederherstellen. <
Sam´s Blick ändert sich und die emotionslose Maske von eben, wird von einem Schatten abgelöst und schließlich von einem Aufflackern seiner Augen – so als wäre er plötzlich wieder im Hier und Jetzt. Seine Hand geht zu meiner Wange und er blickt zu mir.
>Ich glaube, ich hätte dich damals wirklich gebraucht, Kleines. <
>Besser spät als nie. < hauche ich. Vielleicht klingt das, was ich gerade denke egoistisch, aber ich bin froh, dass ich nach diesem Mord an dem Polizisten nicht alleine war und Sam an meiner Seite hatte. Egal wie verworren das Ganze zu Anfang war, er gab mir Halt – wie so oft.
Er sagte mir, dass ich deswegen kein schlechter Mensch sei, nur weil ich beim Abdrücken so kalt war und keine Schuldgefühle verspürte. Aber auch Sam ist kein schlechter Mensch. Ich habe mich oft gefragt, wie man ein Monster töten kann, ohne selbst eines zu werden, aber es geht. Sam und ich sind doch der beste Beweis, oder? Wir sind keine Sadisten, wir wollen niemanden leiden lassen, es soll nur schnell und glatt ablaufen.
>Lass uns bitte wieder hochgehen. < flüstere ich nun noch leiser.

            Als das Essen vertilgt ist und ich die Küche aufräume, kommt Sam aus seinem Zimmer herunter und legt vier Handys auf den Küchentisch. Er setzt sich auf den Stuhl vor mir und fängt an, bei zwei älteren Modellen den Akku einzusetzen.
>Wow, das sind ja Dinosaurier. < sage ich und nicke zu den beiden Nokias.
Sam lacht.
>Ja, aber die sind unzerstörbar. <
Die anderen beiden Telefone sind immerhin moderne Smartphones, darunter auch das, was er nicht als Wegwerftelefon benutzt.
>Und? Hat sich jemand von unseren Leuten gemeldet? < frage ich vorsichtig. Sam´s Augen gehen zu mir nach oben, aber er schüttelt wortlos den Kopf.
>Bleib entspannt Kleines und lass dich nicht deprimieren, das wird schon. Ach übrigens … < wendet er ein und schnappt sich das eben genannte Haupthandy. Er tippt darauf herum und dreht es schließlich zu mir. Ich sehe mich selbst mit herausgestreckter Zunge – mein Selfie. >Dieses Bild liebe ich. Das zu löschen war einfach nicht möglich und glaube mir, ich habe es mehrfach versucht. Aber irgendwie war es auch mein Anker, wenn ich mal vollkommen frustriert war, weil nichts vorwärtsging. Dass mal etwas stagniert, ist also durchaus normal. <
>Ich bin ja gar nicht wegen des Fehlschlags frustriert. Es war vielleicht einfach naiv von mir zu glauben, dass Madjid so schnell auf mich anspringen würde und ich ärgere mich deswegen. < verteidige ich mich. Dennoch nehme ich ihm das Telefon aus der Hand und beuge mich mit meinen Unterarmen auf den Tisch herunter, um mit meinem Gesicht direkt vor Sam´s zu sein. >Und was das Bild betrifft … das war im Grunde mein Ziel. Ich weiß nicht warum, aber ich wollte, dass du etwas von mir hast, wenn ich nicht mehr da bin. Von dir hätte ich auch gern ein Bild gehabt, aber ich musste dich zeichnen. <
>Du weißt doch, die Lebenden sollte man eigentlich in der Erinnerung mit sich herumtragen. <
>Sagt der, der so ein kleines Selfie nicht löschen konnte. <
>Jetzt brauche ich es nicht mehr. Du bist hier. <
Und dann neigt er seinen Kopf weiter vor und küsst mich.
Dabei muss ich grinsen. Also war das Bild so lange der Lückenbüßer?
Dennoch ist es immer noch dieser üble Beigeschmack und ich war kurz davor, ihm zu sagen, dass es nicht so hätte enden müssen, wie es der Fall war. Aber ich habe für mich beschlossen, eine glatte Linie darunter zu ziehen. Ich habe ihm verziehen und wenn man so etwas tut, dann hält man das Vergehen niemandem weiterhin vor.
Seine Lippen lösen sich von meinen und er steht von seinem Stuhl auf. All die Handys, die vor ihm liegen, zeigen keinerlei eingehenden Anruf an oder eine Nachricht.
>Ich springe unter die Dusche. Vielleicht fällt mir dort noch etwas Besseres ein, wenn ich mal nicht auf einen Bildschirm starre. <
>Viel Erfolg. < lache ich ihm hinterher. Feixend verschwindet er in dem unteren Bad und schließt die Tür. Ich richte mich wieder vom Tisch auf und schaue in meine Hand. Dort halte ich immer noch sein Telefon fest und schaue auf mein Ebenbild hinab. Mein Blick geht zurück zu der Tür, hinter der Sam eben verschwunden ist. Vorhin im Keller sagte er zu mir, er hätte mich damals schon gebraucht, um die geschehenen Dinge zu verarbeiten. Ich fand das wirklich süß, genauso als er mir sagte, dass er mir vertrauen würde. Irgendwie habe ich den Eindruck, als wenn Sam´s emotionslose Maske immer mehr und mehr herunterrutscht. Er lacht mich beinahe andauernd an. In meiner ersten Woche, als ich hier bei ihm ankam, kann ich mich im Grunde kaum daran erinnern, ob er überhaupt mal gelächelt hat.
Ich will, dass er heilt und ich will, dass ihm verziehen wird, in jeder nur denkbaren Weise. Das Letzte, was ich will, ist in seinem Handy herumzuschnüffeln und so in seine Privatsphäre einzugreifen, aber dennoch tippe ich auf seine Kontakte und lese sie mir durch. Als ich die Nummer gefunden habe, die ich suchte, lese ich sie mir zweimal eilig durch und lege sein Telefon wieder zurück auf den Tisch. Ich laufe zu dem Gästezimmer und schließe die Tür hinter mir. Sam duscht nur wenige Meter weiter. Das andere Telefon, das er mir vor Kurzem gab, liegt auf dem Nachttisch. Unter Eingabe des Pins mache ich es an und wähle die Nummer, die ich mir eben gemerkt habe.
Es ist gerade einmal kurz nach sieben, also hoffe ich, dass ich nicht allzu sehr störe.
>Was gibt es? < höre ich, am anderen Ende der Leitung. Brr, seit wann hat Sophia eine so kalte Stimmlage?
>Hey Sophia. Wie geht es dir? < werfe ich freundlich ein.
>Ähm … hi, wer ist da? <
Ich lache, denn sie hat eindeutig Sam unter dieser Nummer erwartet.
>Hier ist Nay … ich meine Kim. < erwidere ich noch rechtzeitig. Immerhin sind wir nun einmal am Telefon.
>Was zur… aber wie? Moment, das ist doch eine von Sam´s Nummern oder habe ich mich gerade verguckt? <
Ganz offenkundig ist sie vollkommen durch den Wind und scheint sicher erneut auf ihr Display zu sehen.
>Nein, hast du nicht. Er hat es mir vor ein paar Tagen gegeben, damit ich auch mal erreichbar bin. <
>Hä? Wo zur Hölle steckst du? < fragt sie voller Unverständnis.
>Ich bin bei Sam. Er duscht gerade. < antworte ich leichthin.
>Seit wann? Ich dachte, du bist vor Monaten gegangen. Oder wohl eher rausgeschmissen worden von diesem verdammten, abgebrühten …<
>Seit fast 2 Wochen. < unterbreche ich sie. >Und sei nicht so zu ihm. Er hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Inzwischen weiß ich das. <
Ein verächtliches Schnauben ertönt im Hintergrund.
>Was ist denn da nur zwischen euch passiert? <
>Am Telefon ist das ziemlich ungünstig, aber ich kann es dir gern persönlich erzählen, wenn es dich interessiert. Morgen bin ich den ganzen Tag ab 10 Uhr in einer Nachbarstadt, falls du Zeit hast. <
Obwohl die meisten von Sam´s Handys eine spezielle Antiabhör-Software besitzen, höre ich auf eventuelle Hintergrundgeräusche. Mir wurde es immer wieder eingebläut, auf so etwas zu achten, denn das ist keine todsichere Leitung wie bei Henry in der Hunter-Schule.
>Ich bin gerade vollkommen verwirrt. Es ist Wochen her als ich ihn das letzte Mal sah und aus ihm war kein Wort herauszukriegen. Seitdem hatte ich keine Lust mehr auf sein ganzes Schweigen. <
>Hoffentlich lehne ich mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster, denn eigentlich geht mich das nichts an, aber er wirkte niedergeschlagen als ich dich erwähnte. <
>Vielleicht, weil ihm endlich mal jemand sagte, wie doof er eigentlich war. Ich meine, wie zur Hölle konnte er dich gehen lassen? Wie beschränkt war das denn bitte? Wenn ich etwas überhaupt nicht leiden kann, dann ist es, wenn man Frauen einfach vorgaukelt ihnen zu helfen und sie dann fallen lässt. < faucht sie. Hui, wenn sie mit Sam auch so redete, dann kann ich es verstehen, dass er lieber geschwiegen hat. Nach einigen Sekunden, in denen ich überlege, was ich jetzt am besten sagen könnte, setzt Sophia erneut an. >Falls du morgen alleine dort bist, dann gib mir die Adresse. Ich würde dich ehrlich gesagt sehr gerne wiedersehen. Ich kann aber erst am Nachmittag kommen und ich muss Nora mitbringen. Mein Ex lässt mich auch nur noch im Stich – dieser Arsch. <
Langsam glaube ich, da schwingen eine ganze Menge persönlicher Probleme mit, die sie auf Sam projiziert. Aber das will ich wirklich nicht am Telefon besprechen.
>Kein Problem. Ich mag deine Tochter. <
Und dann gebe ich Sophia den Namen des Cafés und hoffe inständig, dass ich damit nicht zu weit gehe.
Am Ende des Gesprächs ist Sophia deutlich zahmer geworden. Ich lege auf und schalte dann das Handy aus.
Hintergehe ich Sam in irgendeiner Weise damit? Ich habe in seinem Handy geschnüffelt und treffe mich hinter seinem Rücken mit seiner eigentlich guten Freundin. Andererseits sagte er nur vehement, dass ich seine Eltern aus der Sache herauslassen soll. Von Sophia war keine Rede. Und diesen Wunsch akzeptiere ich – auch wenn ich ihn bescheuert finde.
Ich sitze mit verschränkten Fingern im Schoß da und nach einigem Gehader mit mir selbst, ob das so eine gute Idee war, bin ich mir sicher, dass man Sam manchmal zu seinem Glück zwingen muss. Ziemlich oft sagte er mir, dass er manchmal einfach nicht wusste, ob mir seine Entscheidungen guttaten. Und damit meine ich ganz sicher nicht die letzte Entscheidung, die uns entzweite, sondern das Treffen in Maple Hill oder den Besuch auf dem Friedhof. Ich kann es verstehen, dass er des Öfteren hin- und hergerissen war. Ihm war nicht klar, wie ich reagieren würde und nun, da ich in der gleichen Lage stecke wie er bisher, weiß ich wie er sich dabei fühlte.
Dennoch weiß ich auch etwas anderes. Sam braucht verdammt noch mal Beständigkeit in seinem Leben und es muss aus Menschen bestehen, die er liebt. Jeder muss aufgefangen werden, wenn er emotional am Ende ist und vorhin im Keller, da spürte ich für einen Moment, dass bei meinem Freund eine Menge noch nicht verheilt ist.
Ich hintergehe ihn nicht, ich verschweige ihm lediglich eine Kleinigkeit.
              Als ich mir selbst lang genug eingeredet habe, dass es nicht falsch war, Sophia anzurufen, ziehe ich mir meine Sachen aus, gehe aus dem Zimmer und verschwinde ebenfalls in dem unteren Bad. Sobald ich es betrete, spüre ich die wohlige Wärme um mich herum. Sam´s Silhouette ist hinter dem beschlagenen Duschglas zu sehen und bevor ich überhaupt an der Duschtür angekommen bin, öffnet er sie mir grinsend. Bin ich so laut gewesen oder hat er meine Anwesenheit genauso gespürt, wie ich seine so oft?
>Hat ja lange gedauert. < feixt er.
>Meckere nicht und sei froh, dass ich hier bin. < erwidere ich nicht ganz ernst gemeint.
Sein Körper sieht nackt so gut aus und sofort lege ich meine Hände auf seine Brustmuskeln. Grinsend legt er einen Arm um meine Hüfte und zieht mich weiter hinein. Er schließt die Tür hinter mir und schiebt mich mit dem Rücken sanft gegen die Duschwand, die bereits so schön warm ist.
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