Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Dont you worry child

Kurzbeschreibung
GeschichteLiebesgeschichte / P18 / Gen
Florian David Fitz OC (Own Character)
30.01.2018
17.11.2020
55
96.014
11
Alle Kapitel
50 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
30.01.2018 1.950
 
Verkehrte Welt: Normalerweise wurde doch Frauen stets nachgesagt, dass sie viel zu lange brauchten, um sich fertig zu machen – sie wechselten ständig die Kleider, sinnierten über Schuhe, richteten sich fünfmal Haare und Make-Up, um dann zu bemerken, dass die Handtasche nicht zu Schuhe und Kleid passte und eines der beiden wieder ausgewechselt werden musste. Während all dem saß der Mann im legeren Anzug genervt wartend auf dem Bett, gab Sätze wie „Ich finde, dass du sehr hübsch aussiehst, egal in welchem Kleid“ von sich und betete, dass sich seine Liebste noch vor seinem Hungertod für passend angezogen befand.
Bei Florian und mir war das am Silvesterabend 2011 genau umgekehrt, mit der Ausnahme, dass er sich noch gar nicht angezogen hatte, da er hinter seinem Laptop hing, den er trotz meiner Bitten mitgenommen und stattdessen seine Zahnspange vergessen hatte, was zur Folge hatte, dass er nachts knirschte und tagsüber Zahn- und Kieferschmerzen hatte und etwas unleidig mit mir durch die arabische Hitze stapfte. Mein Hinweis, dass er zur Not auch Schmerzmittel nehmen könnte, tat er, mit der Begründung, er sei ein Mann und kein Weichei, ab. So hatten wir bisher meist nur am Strand gelegen und nur morgens einige imposante Bauten angesehen. Von einer Wüstentour mit Quads oder Kamelreiten war bei seiner derzeitigen Laune gar nicht zu sprechen.

„Florian, bist du bald mal fertig?“, fragte ich ihn zum fünften Mal und betrachtete seine Rückansicht. Er trug nur ein weißes Hemd und eine dunkelblaue Unterhose, die Füße hatte er übereinandergelegt, die Beine weit gespreizt. Auf seinem Bildschirm sah ich immer wieder das Switchen zwischen verschiedenen Fenstern.
„Du… Mina?“, sprach er endlich mal mit mir und ich erhob meinen Kopf um einige Zentimeter. „Was denn?“, fragte ich gespannt und überschlug die Beine.
„Findest du, dass meine Stimme angenehm ist?“ Ich kräuselte die Stirn. „Wieso sollte sie das nicht?“ „Das frage ich dich ja.“ „Ich finde deine Stimme sehr angenehm. Männlich, aber nicht zu tief oder zu dunkel. Die Klangfarbe ist auch sehr annehmbar. Auch hast du eine ruhige Art zu sprechen.“, beantwortete ich seine Frage und wippte ungeduldig mit den Füßen. „Wieso fragst du mich das jetzt?“ „Ich habe eine Anfrage bekommen. Für einen Animationskinderfilm.“ Er rückte den Stuhl etwas, sodass er mich ansehen konnte. Ich sah ihn überlegend an. „Aha?“, überbrückte ich die Zeit, in der ich versuchte, dahinter zu kommen, was er mir mitteilen wollte. Animationsfilm… Das hieß, es gab keine Schauspieler, weil alles am Computer erstellt wurde, aber die Figuren brauchten Stimmen… „Ach, du willst eine Synchronsprecherrolle annehmen?“ Er nickte zustimmend und grinste. „Ja, Jack Frost wird mir angeboten, die Hauptrolle.“ „Jack Frost? Soll das eine Anlehnung an Väterchen Frost sein?“
„Naja fast. Dieser Jack Frost schenkt den Kindern Schnee und Eis, damit sie draußen spielen können und hat eher nur Flausen im Kopf. Aber er soll helfen, die Träume der Kinder zu schützen.“
Ich seufzte. Florians Stimme verriet mir bereits, dass er davon begeistert war und er wohl auch schon seine schriftliche Zusage formuliert, aber noch nicht abgeschickt hatte. „Das klingt dir ja ganz schön ähnlich.“, sagte ich daher und sein Grinsen wurde breiter. „Wann sollst du das denn synchronisieren und wo?“
Sein Grinsen wurde zu einem Strahlen. „Das wäre im April in München.“ „Ist da nicht Jesus angedacht?“, fragte ich irritiert und zog die Brauen zusammen. Florian machte eine wegwerfende Geste. „Dauert noch länger. Ich habe Marcel Barsotti als Komponist für den Film gewinnen können. Der schreibt gerade noch daran, dauert wohl auch noch. Zudem wird er mir das in einem Auditorium das erste Mal vorspielen. Irgendwann im Sommer. Dann muss man die Musik einbauen, an passenden Stellen. Zudem bin ich mit dem ersten Schnitt noch nicht zufrieden und…“ „Kurz gefasst, es dauert noch ne Weile und damit dir nicht langweilig wird und dir dieser Jack Frost wohl auf Anhieb sympathisch ist, machst du das noch. Zusätzlich noch das Drehbuch und der Dreh selbst für diesen Familienfilm.“ „Da kann ich ja auf deine Hilfe bauen.“, zwinkerte er und ich seufzte erneut. „Findest du nicht, dass das alles etwas viel ist?“ „Nö, wieso?“ Innerlich seufzte ich erneut. Äußerlich kratzte ich mich am Arm und lehnte mich anschließend mit den Armen nach hinten auf das Bett. „Dann sag zu, wenn du es noch nicht getan hast. Und dann wäre ich dir sehr verbunden, wenn du dich anziehen könntest, ich würde langsam sehr gerne auf die Silvesterparty gehen. Es ist gleich zehn.“

„Three… Two… One… Happy New Year Everyone!“, dröhnte es aus einem Lautsprecher und die ersten Raketen schossen in den Himmel. Florian und ich strahlten uns an, küssten uns glücklich und wisperten uns die Neujahrswünsche entgegen. „Dieses Jahr machen wir beide es besser.“, schmunzelte er und lehnte seine Stirn gegen meine. „Naja, nehmen wir uns das erstmal vor.“, entgegnete ich ebenso schmunzelnd und zog ihm die Neujahrsbrille, die er in seine Haare geschoben hatte, vom Kopf. Er tippte mit den Finger gegen den kleinen Haarreif, der ‚Happy Year 2012‘ auf meinem Kopf befestigte. Diese Partyutensilien hatten wir am Eingang bekommen. Florian kannte das aus Amerika, ich hatte es bisher nur in Filmen gesehen, es selbst zu tragen war dann doch nochmal eine andere Sache. Spaßig war es, aber man musste immer daran denken, dass man damit irgendwo hängen bleiben konnte. „Lass uns raus gehen und das Feuerwerk anschauen.“, schlug er vor und ich nickte.
Eng umschlungen gesellten wir uns zu den anderen Partygästen, die meisten auch Pärchen, auch Bekanntere aus Sport, Film und Fernsehen, daher fiel Florian hier gar nicht auf. Bunte Farben erhellten den Himmel, sogar Formen wie Sterne und Herzen entstanden.
Bei Betrachtung des Feuerwerks wurde ich melancholisch. Seltsamerweise wurde ich das meistens bei Feuerwerken. Ich dachte über das, was war, nach, dachte darüber nach, ob ich alles richtig gemacht hatte, wo mir Fehler passiert waren und wie diese mein Leben dennoch vorangebracht hatten.

Ich musste an das Feuerwerk denken, dass wir Abiturienten auf unserem Abiball gezündet hatten. Damals hatte ich geweint. Die Komfortzone Schule war vorüber, die bevorstehende Zukunft war unsicher gewesen. Ich hatte nicht gewusst, was ich studieren sollte, wohin mich das Leben verschlagen würde. Wie so oft in meinem Leben hatte Jan mich an sich gezogen. Er hatte selbst mit der Fassung zu ringen. Auch er hatte damals keinen Plan gehabt, was er machen wollte.
„Wir zwei sind so zwei… Daher ist es wichtig, dass wir uns stützen und zusammenhalten. Das Leben kann einen ordentlich ficken. Deshalb müssen wir beide immer ein Kondom und eine Flasche Wodka parat haben!“ Jan grinste mich mit seinen ersten Barthaaren an. „Wofür?“ Ich wischte mir hastig die Tränen aus den Augen und er klopfte mit der Hand, die meine Schulter umschlungen hielt, auf diese. „Na, das Kondom schützt uns vor ungewollten Schwangerschaften und der Wodka verschafft uns die Lockerheit, alles auf uns zukommen zu lassen.“, erklärte er mir locker und ich nickte. „Lass mich raten, die ungewollten Schwangerschaften stehen für die Plan Bs, die man haben sollte.“ „Ne, die waren schon so gemeint, wie ichs gesagt habe, aber das kann man philosophisch betrachtet noch hinzufügen.“, antwortete er und zeigte mir grinsend seine Zähne.
„Du wärst in Ethik viel besser aufgehoben gewesen.“ „Ja, aber dann wärst du ja in Reli allein gewesen. Konnte ich ja nicht verantworten.“ „Ach, ‚Über den Wolken‘ hätte ich auch noch ohne dich singen können.“ „Jaja, red dir das bloß ein. Aber wer sollte dann die dritte Stimme sein, wenn nicht ich mit meiner liebreizenden Stimme?“ Wir lachten.
Später, als die offizielle Feier vorüber war und jeder im Saal in Erinnerungen schwelgte und aufkommende Ängste in Sekt und Cocktails ertränkte, zog mich Jan mich sich zum VW seines Vaters. Dort öffnete er den Kofferraum und holte zwei Papierlaternen hervor. „Was ist das?“, fragte ich, doch kommentarlos übergab er mir beide Laternen. Er nahm zwei halb abgebrannte Teelichter und ein Feuerzeug und schloss den Kofferraum. „Zeig ich dir, komm mit.“ Am anderen Ende des Parkplatzes war eine große Wiese. Einige Meter vom Parkplatz entfernt, mitten in der Wiese, blieb er stehen, ich kam nur etwas schwer hinterher, mit 7-Zentimeter-Absätzen auf einer nächtlichen Wiese herumspazieren war auch nicht die beste Idee. Weit entfernt konnte man die Lichter Freiburgs erkennen, ansonsten konnte man nur an den dunklen Schatten der Berge die grobe Landschaft erahnen. Über uns leuchtete ein wolkenloser Sternenhimmel. Jan nahm eine Laterne, setzte ein Teelicht hinein und wies mich an, dasselbe bei der anderen zu tun. Dann zündete er zuerst meine, dann seine an. Er atmete schwer aus.
„Wehe du lachst jetzt. Ich hab ganz schön Schiss vor allem, was jetzt kommt. In der Schule waren wir die Ältesten. Jetzt fangen wir wieder von vorn an. Müssen uns sonstwo mit sonstwas zurechtfinden, womöglich ganz allein. Und vielleicht gefällt uns das, was wir gerne in der Schule gemacht haben, auch gar nicht so im normalen Leben. Wer weiß schon, was das Leben für uns bereitstellt? Aber ich hab das hier neulich im Internet gelesen. Die Japaner lassen Laternen in den Himmel steigen, um an ihre Toten zu gedenken, oder um mit etwas abzuschließen und es loszulassen. Oder weil sie einen Wunsch an den Himmel geben möchten. Das klingt vielleicht albern, aber ich fand das schön. Man kann doch manchmal sowieso nicht beeinflussen, was passiert. Und vielleicht gibt es so etwas wie einen Plan. Vielleicht hat der Himmel einen Plan für uns. Aber wir können ihm ja mit diesen kleinen Lichtchen zeigen, dass er uns ein solches auch mal geben kann. Dass wir uns keine Sorgen machen müssen, dass alles gut so ist, wie es ist.“ Er sah mir in die Augen und hastig wischte ich mit dem Handrücken einige Tränen weg. „Na toll du Idiot, jetzt heule ich schon wieder.“ „Heul für mich mit.“, grinste er und strich über meine Haare. „Lass uns dem Himmel mal ein Zeichen geben. Und vergiss nicht, in Gedanken deinen Wunsch mitzugeben.“
Es dauerte einige Sekunden, dann ließen wir beide unsere Papierlaternen los und sie stiegen gemächlich immer höher. Ihr Licht reihte sich bald in das der Sterne ein. Jan und ich hatten noch lange dagestanden und ihnen hinterhergesehen. Mein Wunsch war kein großer gewesen, dafür aber wohl der schwerste überhaupt: Glücklich zu sein mit dem, was das Leben so mit einem anstellte.

„Mina?“
Florians Stimme holte mich wieder in die Gegenwart zurück. Ich lächelte. Es war nicht alles glatt gelaufen. Ich hatte mich zwar nach einigem Überlegen für Literaturwissenschaften entschieden, war aber nach meinem Studium arbeitslos gewesen. Nach kurzer Zeit hatte ich dann mit dem Escort begonnen und dadurch Florian kennen gelernt.
Es war nicht einfach gewesen und es würde wohl auch nicht einfacher werden, aber er war die Liebe meines Lebens. Auch wenn ich öfters an ihm herumnörgelte und er mir manchmal auch deutlich dazu Anlass gab, so war ich doch jeden Tag glücklich, ihn zu haben. Genauso war ich froh, Jan immer bei mir zu wissen: Glücklicherweise hatte es sich so gefügt, dass wir beide in München studieren konnten. Gemeinsam hatten wir uns durchgeschlagen und würden das hoffentlich auch noch den Rest unseres Lebens tun.
„Ich liebe dich.“, sagte ich mit all der Wärme, die mich derzeit innerlich erfüllte und er bedachte mich mit diesem sanften Blick, den ich so sehr liebte. „Ich liebe dich auch.“ Wir küssten uns lange und  im Hintergrund spielte ein Lied, das so vieles in meinem Leben auszudrücken vermochte:
„If you´re lost, you can look and you will find me… Time after time. If you fall, I will catch you, I will be waiting… Time after time.“



_______________

Das waren die ersten beiden Kapitel der Fortsetzung.
Ich lasse die Kapitelnummerierung wie sie ist, da Bad Romance und DYWC eine komplette Geschichte ist, lediglich in zwei Teile aufgeteilt.

Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen :)
Ich denke, am Wochenende gehts dann weiter.
LG
Review schreiben
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast