Copy Paste: Fenster der Vergangenen
von Ereschkidal
Kurzbeschreibung
[In Überarbeitung - Charakteroptik, Satzstruktur, Formatierung -18/59] >>Ich kann nur einmal an denselben Ort zurück. Es ist ähnlich einem temporären Speicherpunk/t, der eine Schlüsselszene wiedergibt. Auf Zeit. Fehler kosten mich ein Original.<< ---- Eine Reise in die Vergangenheit, um etwas für die Gegenwart zu verändern. Manchen Menschen erfüllt Naoe diesen Wunsch, andere gehen leer aus. Darunter auch Vergo, der seit seinem Versagen gegen Trafalgar Law auf eine konstante Veränderung aus ist. Wissend, dass sie gegen ihn nicht ankommen kann, beschließt sie sich dazu eine Allianz zu formen, ähnlich einem Pakt von Geben und Nehmen. Doch die Verbindung ist vage, getränkt von verschiedensten Gefühlen und die Hände, die nach ihr greifen, werden mehr - denn außer Vergo scheint auch die Marine einen Plan zu hegen. [Trafalgar Law x OC]
GeschichteDrama, Romance / P18 / Het
Eustass Kid
OC (Own Character)
Sakazuki / Akainu
Trafalgar D. Water Law
Vergo
03.01.2018
16.09.2018
59
179.878
38
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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07.09.2018
3.884
Ihr Körper schien in sich zusammenzusacken, als in ihrem Kopf die Stille einbrach und nahezu nichts mehr zu ihr durchdrang. Law war nicht tot. Er konnte nicht sterben, solange sie noch lebte. Nicht in diesem Augenblick und auch in keinem anderen, so viel stand fest. Deshalb atmete sie tief ein, senkte das Haupt, richtete die Stimme an Koala. Die gesamte Schlacht schien verstummt zu sein, hinterließ nur noch ein durchgängiges Piepen in ihren Ohren, sodass sie nicht das Gefühl verspürte lauter zu sprechen, als bei einem normalen Gespräch.
„Hey... Sag Joris, dass ihr keine Armee schicken könnt. Er weiß, wann ich eingefangen werde. Koala...du musst ihm sagen, dass ihr euch schon Tage vorher bereithalten müsst. Erinnere dich daran. Das konntest du immer gut. Du hast meine Veränderungen immer als Erste durchschaut. Nimm dieses Wissen und sorge dafür, dass Law ganz weit wegbleibt. Weg. Ganz weit weg.“ Es setzte ein, beinahe automatisch, ließ Naoe stocken und unsicher schlucken. Sie konnte die aufwallenden Tränen spüren, jedoch nicht fühlen, wie sie Spuren auf ihrer Haut hinterließen. Alles war taub, die Welt ganz leise und ihr Herz schrie. Kaum merklich, ohne jegliche Kraft, doch es schrie. Es war ihr zuerst nicht aufgefallen, denn hinter der Leere schien sich nichts zu verstecken, doch da war etwas. Kleine Gefühlsregungen, die gegen ihre Müdigkeit ankämpften und Trauer verlangten, für die sie keine Mühen mehr aufbringen konnte. Urteilte sie nach ihrem Zustand, würde sie sterben, sobald die Müdigkeit sie vollständig einhüllte und sie würde es nicht einmal bemerken. Nicht in diesen einsamen Sekunden, in denen die Welt aufhörte sich zu drehen. Die Zeit stand still, für sie ganz allein. Etwas, das sie nutzen musste, um auf Koalas Hilfe zu bestehen. „Ich weiß nicht, ob mein letzter Zug einen Sinn haben wird, aber schickt kein Aufgebot hier her. Zu viele Menschen sterben, weil sie blind in einen Kampf rennen, geleitet von Hass und Wut. Meine Situation hat ihnen eine Tür geöffnet, die noch lange verschlossen bleiben sollte. Wir dürfen keinen Krieg gegen die Marine führen. Nicht hier und nicht heute. Unsere Revolution beginnt an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Also sag Joris, dass ihr alle nicht kommen dürft...und sag es auch Dragon. Sag es den Heart Piraten, bringe sie alle zur Vernunft. Denk hin und wieder an mich, falls ich es nicht schaffe.“
„Naoe, was hast du vor?“ Unsicher einen Schritt näherkommend, jedoch genug Abstand wahrend, schien Koala die Worte der Gefragten nicht zu begreifen, sie unterschwellig abzulehnen. Ihre Frage war dabei ganz leicht zu beantworten: Sie würde eines der größten Risiken eingehen.
Ein Fenster, zurück an denselben Ort, denselben Speicherpunkt. Dreißig Sekunden, bevor ihr Körper zerfiel. Ein einziger Versuch mit dem Wunsch zu sterben. Durchaus, sterben klang in diesen Sekunden gar nicht so schlecht. Law wartete auf der anderen Seite auf sie, ihre Gliedmaßen regten sich nicht mehr und vermutlich würde sie den Tag ohnehin nicht überleben. Sie musste nicht mehr voranschreiten, weitermachen, durchhalten. Wenn sie aufgab, hatte sie vielleicht noch eine Chance, um es besser zu machen. In diesen ruhigen, schon fast idyllischen Minuten wusste sie, dass der Tod sie so oder so bekommen würde. Somit wollte sie diesen einen Versuch haben, sich mit dem Gedanken anfreunden, um die Möglichkeit zu erhalten, das Fenster zu öffnen.
Sanft legte sie eine Hand auf den Boden, dachte an den Rahmen, der sie fortbringen konnte. Verging ihr Leben, ohne dass sich etwas veränderte, dann war sie am Ende nicht mehr als ein dummes Mädchen, das tatsächlich daran geglaubt hatte, die Trunkenheit der Liebe würde kaputte Dinge wieder zusammenflicken. Dachte sie an die traurigen Bilder, die es in ihr zurücklassen würde, wollte sie mit Bedeutung für sich selbst sterben. Es war nicht zu leugnen, dass sie mit der Idee vielleicht versagte. Denn manchmal fühlte sie zu viel, dann wieder zu wenig und sie wusste nicht, was von beidem schlimmer war: Unter den Wellen dieser Emotionen zu ertrinken, oder vor Durst danach zu vertrocknen.
Beides war falsch, war verworren und dennoch lag es schrecklich dicht beieinander. Es war verwerflich in einer Geschichte, die sie nie hatte auf diese Weise erleben wollen. Naoe mochte die kleinen Erzählungen, in denen Frauen sich selbst retteten. Sie mochte die schönen Seiten erfundener Welten. All diese Fantasien hatten manchmal einen wundersamen Teil, den sie mit sich brachten. Einen, an dem sie scheiterte. Weder schaffte sie es, sich selbst zu retten, noch wirklich stark zu sein. Lediglich Schwäche wusste sie zu zeigen und es war erschütternd, dass es genau das war, was ihr am bittersten aufstieß. Das ewige Versagen, weil ihr die Kraft oder die Taktik fehlte. Ihr Tod war damit gerecht. Hätte sie die Chance, sie würde es ändern, würde anfangen langsam weiterzugehen. Vielleicht etwas mehr lächeln oder offener sein. Weniger an sich und Law im Bereich der Liebe zweifeln. Verbotene Dinge tun, die ihren Puls höher schlagen ließen. Abenteuer erleben. Freier atmen. Glücklich sein. Leben. Lieben.
Und wenn sie all das wollte, dann musste sie sterben. Sie musste den Tod herbeisehnen, aufgeben, ihn bitten sie mitzunehmen. Vermutlich verstand in diesen Atemzügen niemand, wie sehr sie es wollte. Wie sehr sie sterben wollte, nur für ein besseres Gewissen.
Der Boden unter ihr knackte, schien zu brechen, was Naoe erst bemerkte, als ihr Kopf leicht hin und her gerüttelt wurde. Mit den Gedanken wieder in die Realität wandelnd, bemerkte sie, wie das Gestein unter ihr zu Glas wurde, sich langsam zu etwas formte, womit sie arbeiten konnte. Zurück an denselben Ort, weiter weg als die Folter. Irgendwo zwischen Gefangenschaft und tiefer Schwärze. Eine Erinnerung, die ihr fehlte, doch die ihr Verstand zeichnete. Das Dial hatte ihr Bilder geschenkt, die sie selbst nicht mitbekommen hatte und die Rückkopplung der letzten, chaotischen Anwendung, schenkte ihr ein Gefühl, als wäre sie auch mit dem Geist dort gewesen. Genau zu diesem Zeitpunkt, als absolut niemand in diesem Raum saß und ihr einen Vortrag darüber hielt, welche Seite wohl die Gerechteste war. Dort musste sie hin. Weiter würde sie ohnehin nicht mehr kommen. Ein faires Ziel, für einen letzten Versuch den Tod mit dem Leben unter einen Hut zu bekommen. Deshalb konzentrierte sie sich auf dieses eine Bild. Die Erinnerungen der Folter ließen von ihr ab, verschwammen in weiter Ferne, wo sie keine Rolle mehr spielten. In den Vordergrund rückte dafür dieser isolierte Raum, in dem sie aufgewacht war. Schlechtes Licht, kahle Wände, blanker Boden. Die verschlossene Tür ihr gegenüber. Kein Marinesoldat, kein Admiral, kein Henker, nur sie allein zwischen den stillen Schreien ihrer inneren Alarmglocke. Der Ort, an dem sie ihre letzten dreißig Sekunden fristen wollte.
„Open.“ Es war ein Hauchen, so leise und fein, dass sie es selbst kaum hören konnte. Dennoch war es laut genug, um ihre Teufelsfrucht in Wallung zu bringen, auch, wenn sie diese innerliche Magie nicht mehr fühlen konnte. Lediglich bemerkte sie, wie die Scheiben unter ihr nachließen, ihr den freien Fall boten und noch bevor sie wirklich der Schwerkraft zum Opfer fiel, huschte ihr Blick zu Koala. Die Miene ihrer Freundin schien erstarrt, nur langsam zu begreifen, was vor sich ging. Jegliche Hilfe kam damit zu spät, verschwand in den Fugen der Vergessenheit.
Sich vom Zustand der Müdigkeit langsam konsumieren lassend, rauschte der freie Fall an der Revolutionärin vorbei, als sei er gar nicht existent. Sie nahm es kaum noch wahr, konnte es kaum noch erfassen. Lediglich die Dunkelheit umhüllte sie, wurde am Ende irgendwo lichter, bis sie schwächlich auf einer Konstante gehalten wurde. Gleich darauf überwand sie die letzten Meter, bevor sie auf dem Boden aufschlug. Sie konnte das schmerzliche Stechen in ihren Beinen vernehmen, hörte es knacken, doch erreichte sie die Welle ihrer kreischenden Muskeln und Knochen gar nicht erst wirklich. Lediglich raubte man ihr bei dem folgenden Aufprall mit den Rippen jegliche Luft, ließ sie kurz röcheln, dann reglos liegen. Es war unangenehm, durchaus, doch mehr fühlte sie nicht. Der Grund unter ihr wirkte nur wie ein hartes Brett, glatt, rutschig, weder kalt noch warm. Das schummrige Licht wurde mit jedem Atemzug dunkler und während ihre Zeit tickte, lag sie einfach dort, versuchte irgendwie am Leben zu bleiben. Irgendetwas in ihr schien stetig zu ticken, hinterließ einen Takt in ihren Ohren, der sie unterschwellig nervös stimmte. Sah Naoe auf, so konnte sie sich selbst sehen. Dieses Mal saß ihr vergangenes Ich mit dem Gesicht zu ihr gerichtet. Würde sie die Augen öffnen, wären beide Geschichten verloren. Doch sie war bewusstlos, würde es noch lange bleiben, wenn sie niemand weckte. Und das war ihr Job, ihrer ganz allein.
Unfähig die Beine noch zu bewegen, mit denen sie zuerst aufgekommen war, versuchte die Revolutionärin sich mit den Händen nach vorn zu ziehen. Sie musste ihren Körper erreichen, die wenigen Sekunden nutzen. Gleichzeitig konnte sie sich selbst im Kopf herunterzählen hören. Fünfzehn Sekunden.
Minimal kam sie voran, ignorierte, wie schlecht es funktionierte. Ihre gebrochene, zermürbte Hand war keine große Hilfe und auch der anderen mangelte es an Kraft. Trotzdem robbte sie voran, leise keuchend, hoffend, noch eine einzige Chance zu bekommen.
Zehn Sekunden.
Ihr Keuchen wurde kläglicher, ging mit dem schwindenden Ticken in ihrem Inneren Gleichschritt. Mühsam zwang sie sich dazu, sich weiter zu recken, dem Bein näherzukommen, es zu berühren.
Fünf Sekunden.
Zuerst erreichte sie nur das Leder ihrer Stiefel, suchte sich dabei einen Zipfel, um heranzukommen. Es waren noch drei Sekunden, als sie ihren Körper unter dem Stoff der Hose weiter oben spüren konnte. Bei zwei Sekunden schloss sie die Augen, atmete aus, ließ ihr Bewusstsein durch die Fingerspitzen gleiten. So, wie sie es immer getan hatte, wenn sie ein Fenster öffnete. Auch wenn sie es nicht mehr spüren konnte, die Routine zahlte sich aus. In der letzten Sekunde wurde ihr Arm schlaff, verlor den Halt, die Verbindung, rutschte zu Boden. Das letzte Ticken in ihrem Kopf bekam sie nicht einmal mehr mit. Es verklang im Nichts, zerfraß ihren Körper, vernichtete die Unregelmäßigkeit in der Zeitlinie. Leichtigkeit wäre alles gewesen, was sie hätte in diesen Sekunden erleben dürften, doch stattdessen war es Schwere. Das Gewicht eines bewegungsunfähigen Körpers, gefesselt an einem Stuhl. Ihr Bewusstsein nistete sich langsam ein, stahl ihr jegliche Reaktion, erforschte ihre Sinne. Das, was bereits existierte, verband sich mit dem, was noch vor all der Tortur stand. Sie wurden eins, litten, empfanden, bekamen zurück, was verloren schien. Ihre Hülle war unbeschädigt, sah man von einer eventuellen Beule am Hinterkopf ab. Ihre Hände waren intakt, ihre Gliedmaßen alles andere als taub. Mit einem Mal spürte sie die angenehme Temperatur im Raum, das nervöse Kribbeln in ihrer Brust auch den Schmerz ihres Herzens. Das Risiko war ein voller Erfolg gewesen, brachte jedoch all die Bilder und verworrenen Gefühlsregungen mit sich, die sie erlebt hatte. Koalas Tod, der so plötzlich kam und sie zum Zurückspulen zwang. Laws Tod, der ihr in diesem Augenblick die Kehle zuschnürte.
Und sie atmete zum ersten Mal bewusst wieder ein.
Tief, als wäre sie fast ertrunken, sog sie den Sauerstoff ein, verarbeite zugleich das Chaos in ihrem Kopf. Naoe wusste genau, wo die Dinge hingehörten und wann was passiert war, doch hatte sie niemals die Chance gehabt, es zu verarbeiten. In diesen Minuten war sie gefesselt, genauso wehrlos, wie am Anfang. Sie konnte sich nicht ablenken, musste hingegen die aufwallenden Tränen akzeptieren. Ein leicht brennendes Gefühl breitete sich auf ihrer Haut aus, war nass, gefüllt von Ängsten und gleichzeitiger Erleichterung. Man hatte ihr eine letzte Chance gegeben, eine, die entweder genauso enden würde, wie die zwei Fluchtversuche zuvor, oder eine, die man mit einem Wunder zu etwas Großem bringen würde.
Kopfschüttelnd ließ Naoe das Haupt hängen, schluchzte, ließ den Tränen freien Lauf. Dank ihres zuvor nahezu toten Körpers, hatte sie nicht bemerkt, wie tief die Angst saß. Sie hatte Akainu und den Soldaten Lizt verspottet, hatte sich lustig über ihn gemacht, um die Panik zu vertuschen. Der Gedanke, dass es ihr an diesem Punkt einfach egal war und dass ihre Rettung vielleicht einen Weg in das Versteck gefunden hatte, waren schlichte Lügen. Welche, die sie selbst geglaubt hatte, weil sie zu mehr nicht mehr in der Lage gewesen war. Doch in diesem Raum, gefesselt an denselben Stuhl, an dem sie einst Blut und Knochen gelassen hatte, mit vollem Empfinden, wurde ihr die Kehrseiten bewusst. Auch in diesem Zimmer hatte die Furcht sie angefressen, doch ihr Wille war stärker gewesen. Der Tod schien einladender, als etwas zu tun, das die Welt vollständig aus den Angeln reißen konnte. An diesem Ort hatte sie Stärke bewiesen. Dafür wollte sie stolz auf sich selbst sein, selbst, wenn es noch einmal so kommen würde.
Stoppen wollte das salzige Nass auf ihrer Haut dennoch nicht. Die Bilder ließen ihren Körper zittern, leiden, sie Schmerzen in ihren Händen empfinden, obwohl nichts passierte. Einzig die Erinnerung an den Hammer, wie er ihr die Knochen brach und ihre Haut zerfetzte, jagte ihr eine Heidenangst ein. Es war einfacher den Dingen standzuhalten, wenn man sie nicht kommen sah. In diesem Fall wusste sie jedoch bereits, was passieren würde, kam sie nicht davon. Die Erinnerung daran, wie man ihr die Nägel gezogen hatte, wie ihr rohes Fleisch ungeschützt diesem Monster ausgeliefert war, es trieb den Wahnsinn in ihr voran. Hilflos zerrte sie an den Ketten, hatte nicht annähernd genug Kraft es dauerhaft zu versuchen. Seestein zerfraß ihre Möglichkeiten, engte sie ein, machte sie zu einer einfachen Frau, die nicht wusste, wie sie solche Fälle überlebte.
Sich wimmernd auf die Unterlippe beißend, bemerkte sie das Beben ihres Unterkiefers. Unruhig, verängstigt durch das, was noch kommen sollte, konnte sie ihn nicht mehr kontrollieren. Schnell gab Naoe den Versuch auf, die meisten Dinge zurückzuhalten, weinte sich den Druck von der Seele. Dabei spielte es keine Rolle mehr, ob sie leise war oder nicht. Einzig die Freiheit binnen dieser vier Wände war noch wichtig, dämpfte ihre wütenden Schreie, ihr lautes Schluchzen, die spitzen Töne, wenn sie Luft schnappte. Dieser Raum versteckte ihre Tränen vor den Augen anderer, gab ihr die Sicherheit für einen Wimpernschlag fallen zu dürfen, ehe sie sich selbst fangen musste. Der Gedanke an Laws Kopfschütteln stimmte sie unsicher, das Blut auf seiner Kleidung hingegen hilflos. Sie hatte sich nicht mehr bewegen können, weil sie es zu weit getrieben hatte. Er war ihretwegen gestorben, weil sie Koala retten wollte. Etwas, das dieses Mal nicht passieren durfte. Nicht noch einmal.
Ihre Schlacht war noch nicht vorbei und das wusste sie.
Law und Koala waren beide noch am Leben und der Krieg würde erst in drei Tagen beginnen. Genug Zeit, um erneut zu sterben oder schlussendlich zu fliehen.
Noch einmal tief durchatmend, beruhigte Naoe sich schlussendlich wieder, erholte sich von dem Chaos im Inneren. Es würde nicht so einfach vergehen, aber es würde sie nicht behindern. Prüfend den Blick durch den Raum wandern lassend, versuchte sie einen Weg der Flucht zu finden. Man hatte außer ihr und diesem Stuhl nichts in diesem Raum untergebracht. Es gab keinen einzigen Weg, um sich aus den Fesseln zu lösen und zu verschwinden.
Mehr als ein Seufzen blieb ihr nicht übrig, ließ sie das Haupt in den Nacken legen und die Decke anstarren. Das Licht war schrecklich schwach, würde irgendwann anfangen zu flackern, kümmerte man sich nicht um die Glühbirnen.
Die Sicht wieder nach vorn richtend, wischte sie sich die Wangen an den Schultern trocken, ignorierte das Pochen unter ihrer Haut. Kurz darauf setzte die langsame, aber existente Müdigkeit ein. Nicht dieselbe, die sie kurz vor ihrem Tod empfunden hatte, sondern von einer anderen Art, ausgelöst durch nervlichen Stress. Wo sie endlich anfing sich zu beruhigen, folgte das einheitliche Verlangen der Ruhe. Sanft nahm es sie in die Arme, ließ sie entspannen, genauer über ihre ausweglose Situation nachdenken. Bis zu dem Punkt, an dem das Quietschen der Tür ihr gegenüber sie nur kaum merklich die Augen verdrehen ließ. Ihr erster Besucher musste Akainu sein. Mit ihm hatte sie über ihren Vater, ihre Gerechtigkeit und Ansicht geredet. Dieses Mal würde sie es nicht tun. Sie würde einfach schweigen und abwarten.
Den Blick starr auf den Eingang gerichtet, sah Naoe dabei zu, wie man den schweren Stahl langsam öffnete, sich Eintritt verschaffte. Schon beinahe unsicher schlüpften zwei Marinesoldaten in das Zimmer, flüsterten miteinander. Einer von ihnen besaß Schlüssel, die so aussahen, als würden sie in die schmalen Schlösser ihrer Ketten passen. Das klimpernde Metall in seinen Händen beobachtend, entging ihr keinesfalls, dass sie sich absprachen, einer erneut vor die Tür trat und sie damit allein mit seinem Begleiter ließ. Dieser nutzte sein kleines Zeitfenster, eilte auf sie zu, nickte kurz zur Begrüßung. Irritiert von seiner Geste, spürte Naoe gleich im nächsten Augenblick, wie das Gewicht der Ketten nachließ, sich von ihr löste und schlussendlich verschwand. Er nahm all diese Hindernisse von ihr, sorgte dafür, dass die Kraft ihrer Teufelsfrucht zurück durch ihren Körper schoss.
„Warum?“ Nicht sicher, wie sie reagieren sollte, fragte die Revolutionärin einfach nach, stand zugleich auf, streckte die steifen Gliedmaßen. Dieser Mann schien keine Gefahr zu sein, wo er ihr doch half.
„Dragon gab uns den Befehl dich zu befreien. Wir wissen nichts Genaues und uns bleibt auch keine Zeit.“ Abwinkend wies er ihre Frage ab, legte die Ketten beiseite und trabte gleich darauf zurück Richtung Ausgang. Dabei deutete er ihr mit einer einfachen Handbewegung, dass sie ihm folgen sollte. Eine einfache Aufforderung, der sie gerne nachkam. Alleine wäre sie ohnehin nicht aus ihrer misslichen Lage herausgekommen und wenn man ihr Hilfe anbot, dann wollte sie diese dankend annehmen.
Achtsam schritten sie auf den Korridor, sahen sich nach beiden Seiten um. Die eisige Stille auf den Gängen war beängstigend, wirkte, als ob man sie beobachtete. Die vereinzelten Schnecken an den Wänden, die normalerweise Videos aufnahmen, schienen zu schlafen, sich eine Pause zu gönnen, bevor sie der Arbeit nachkamen. Es machte sie stutzig, sodass sie nicht aufhören konnte Fragen zu stellen, während sie sich langsam in Bewegung setzten.
„Wo sind die anderen Soldaten? Und wieso sind die Überwachungsteleschnecken nicht wach?“
„In jedem Abteil gibt es zwei Soldaten, die ihre Routen laufen, um alles und jeden zu bewachen. Jetzt gerade sind wir beide dran, aber unsere Zeit wird knapp. Akainu lag die ganze Zeit auf der Lauer und hat sich erst vor kurzem zurück ins Büro verzogen, weil er einen Anruf erhalten hat. Ein kleines Ablenkungsmanöver. Die Überwachung wird erst in zehn Minuten wieder eingeschaltet. Du weißt, auch diese Tiere werden müde und brauchen Pausen. Da dieses Versteck nicht oft genutzt wird, müssen wir sie erst noch auf einen guten Takt einstimmen. Schlussendlich geht man davon aus, dass hier noch nichts passieren kann. Du bist erst seit ein paar Stunden in diesem Quartier.“ Flüsternd gab er ihr die Informationen, die er hatte, lotste sie zugleich mit seinem Begleiter durch die Gänge. An manchen Enden konnte sie andere Soldaten sichten, denen sie glücklicherweise verborgen blieben. Vorbei an kahlen Wänden, großen Fenstern und wachenden Gesetzeshütern, brachte man sie zum Ansatz einer Treppe, die in eine untere Etage führte.
„Wir können dich nur bis hierhin bringen. Unten wartet jemand anderes auf dich. Seid vorsichtig. Neben Akainu treiben auch Smoker und Vergo ihr Unwesen hier. Und sieh davon ab deine Teufelsfrucht zu benutzen, solange du sie nicht wirklich brauchst. Man sagte uns, dass dein Körper sich am besten erst ausruhen sollte, nachdem du ein zweites, vergangenes Fenster geöffnet hast. Niemand weiß was passiert, wenn du es jetzt noch einmal darauf anlegst.“
„Koala hat sich also erinnert?“
„Jetzt geh!“
Unsicher wandte Naoe sich von ihren beiden Helfern ab, sah hinab in den Treppengang. Irgendwo dort unten wartete jemand auf sie. Damit kam sie dem Ausgang näher und vor allem entwickelte sich ihre neue Chance zu etwas Positivem. Trotzdem konnte sie das wilde Auf- und Abspringen ihres Herzens nicht vermeiden. Nervosität machte sich in ihr breit, gekoppelt mit Vorfreude endlich von diesem Ort verschwinden zu können. Es machte sie glücklich genug, um ein schmales Lächeln auf ihren Zügen zu hinterlassen. Wenn all das ein Ende hatte, wäre sie für den Moment sicher. Nicht nur, weil man ihr Verschwinden erst einmal bemerken musste, es galt sie auch erneut zu fangen und je nachdem wo sie sich befand, war ihre Obhut die beste, die es gab. An Dragons Männern, die im Kampf alles niedermähten, kam niemand so einfach vorbei.
Deshalb fasste Naoe sich ein Herz, hüpfte Stufe um Stufe herunter. Dabei löste das Gestein unter ihren Sohlen ein klackendes Geräusch aus. Auf der einen Seite wirkte es verräterisch, auf der anderen schrecklich befreiend. In diesem Augenblick bewegte sie sich frei, fort von dem Raum, der sie in dieser Version vermutlich das Leben gekostet hätte. Jegliche Last rutschte von ihren Schultern, die Angst zog sich langsam aber sicher zurück. Das fehlende Licht im Gang vermittelte ihr ein einst vergangenes Gefühl. Eines, an das sie sich nicht genau erinnern konnte, weil sie es einst auslöschen musste, doch sie bekam ein grobes Empfinden von dem, wie es gewesen sein musste. Die Nacht, als sie von ihrer Arbeit nach Hause ging. Die Zukunft, die sie sich selbst genommen hatte, um etwas völlig anderes daraus zu machen. Stellte sie sich den Heimweg an diesem Abend vor, schien die Kälte der Nacht an ihrer Kleidung zu zerren. Eilige Schritte hallten in weiter Ferne, rückten näher. Noch ehe sie etwas hatte tun können, stieß sie mit Koala zusammen, ihrer älteren Version, die sich auf der Flucht befunden hatte. Ohne einen wirklichen Grund zu haben, waren sie zusammen weggelaufen, hatten Gassen hinter sich gelassen und waren irgendwo im Nirgendwo herausgekommen. Naoe erinnerte sich genau an ihre ersten Worte, die sie zu ihrer neuen Bekanntschaft gesagt hatte.
„Das kam unerwartet. Warum fliehst du?“ Leise zu sich selbst wispernd, wiederholte sie diesen kleinen Text, der damals ein Schritt in eine andere Richtung gewesen war. Sie hätte aufstehen und gehen können, doch sie fragte lieber nach.
„Berufsrisiko. Tut mir leid, dass ich dich da mit hineingezogen habe, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich dich mitnehmen muss.“
Zurück in ihre aktuelle Lage gerissen, schüttelte die Revolutionärin kurz den Kopf, ehe sie Koala am Ende der Treppe erkannte. An der Wand lehnend, wartete sie ab, als könnte sie nichts mehr aus der Ruhe bringen. Vermutlich, weil sie die Oberhand hielten. Hinzukommend war es ihr fröhliches, für Naoe beruhigendes Lächeln, das ihre Lippen zierte, während sie dieselbe Antwort gab, die sie auch in der Gasse zwischen dem Müll und der Dunkelheit des Abends gegeben hatte. Natürlich wusste sie davon. Joris hatte ihr einst von der zerbrochenen Zukunft berichtet.
„Du bist wirklich lebensmüde gleich dreimal hierher zu kommen.“ Schmunzelnd nahm Naoe die Präsenz ihrer Freundin zur Kenntnis.
„Gleicht fast dem Wahnsinn, dem du letztlich gefolgt bist.“ Sie nahm es mit Humor, stieß sich von der Wand ab. „Wir kommen immer wieder hierhin zurück...beide, bis es klappt.“
„Du hast dich an meine Worte erinnert, oder?“
„Wie hätte ich sie vergessen können? Das wäre genauso schiefgegangen, wie Law davon zu überzeugen, dass wir dich retten.“
„Es ist schiefgegangen? Aber wieso ist er dann nicht hier?“ Verwundert eine Braue hebend, brachte Naoe die letzte Stufe hinter sich.
„Weil er ein Loch in seinem Schiff hat, das repariert werden muss...sonst geht es unter.“
„Er wurde angegriffen?“
Schulterzuckend legte Koala den Kopf etwas schief, schien über etwas nachzudenken. „Eigentlich wurde nur sein Schiff angegriffen. Ich hätte ihn niemals mit der Kanonenkugel getroffen. Dazu bin ich nicht geübt genug.“
„Du...hast ihm das Loch ins Schiff gejagt? Er wird dich umbringen, sieht er dich jemals wieder.“
„Dazu müssen wir erst einmal hier herauskommen, Naoe. Und die letzten Meter sind immer die schlimmsten.“
„Hey... Sag Joris, dass ihr keine Armee schicken könnt. Er weiß, wann ich eingefangen werde. Koala...du musst ihm sagen, dass ihr euch schon Tage vorher bereithalten müsst. Erinnere dich daran. Das konntest du immer gut. Du hast meine Veränderungen immer als Erste durchschaut. Nimm dieses Wissen und sorge dafür, dass Law ganz weit wegbleibt. Weg. Ganz weit weg.“ Es setzte ein, beinahe automatisch, ließ Naoe stocken und unsicher schlucken. Sie konnte die aufwallenden Tränen spüren, jedoch nicht fühlen, wie sie Spuren auf ihrer Haut hinterließen. Alles war taub, die Welt ganz leise und ihr Herz schrie. Kaum merklich, ohne jegliche Kraft, doch es schrie. Es war ihr zuerst nicht aufgefallen, denn hinter der Leere schien sich nichts zu verstecken, doch da war etwas. Kleine Gefühlsregungen, die gegen ihre Müdigkeit ankämpften und Trauer verlangten, für die sie keine Mühen mehr aufbringen konnte. Urteilte sie nach ihrem Zustand, würde sie sterben, sobald die Müdigkeit sie vollständig einhüllte und sie würde es nicht einmal bemerken. Nicht in diesen einsamen Sekunden, in denen die Welt aufhörte sich zu drehen. Die Zeit stand still, für sie ganz allein. Etwas, das sie nutzen musste, um auf Koalas Hilfe zu bestehen. „Ich weiß nicht, ob mein letzter Zug einen Sinn haben wird, aber schickt kein Aufgebot hier her. Zu viele Menschen sterben, weil sie blind in einen Kampf rennen, geleitet von Hass und Wut. Meine Situation hat ihnen eine Tür geöffnet, die noch lange verschlossen bleiben sollte. Wir dürfen keinen Krieg gegen die Marine führen. Nicht hier und nicht heute. Unsere Revolution beginnt an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Also sag Joris, dass ihr alle nicht kommen dürft...und sag es auch Dragon. Sag es den Heart Piraten, bringe sie alle zur Vernunft. Denk hin und wieder an mich, falls ich es nicht schaffe.“
„Naoe, was hast du vor?“ Unsicher einen Schritt näherkommend, jedoch genug Abstand wahrend, schien Koala die Worte der Gefragten nicht zu begreifen, sie unterschwellig abzulehnen. Ihre Frage war dabei ganz leicht zu beantworten: Sie würde eines der größten Risiken eingehen.
Ein Fenster, zurück an denselben Ort, denselben Speicherpunkt. Dreißig Sekunden, bevor ihr Körper zerfiel. Ein einziger Versuch mit dem Wunsch zu sterben. Durchaus, sterben klang in diesen Sekunden gar nicht so schlecht. Law wartete auf der anderen Seite auf sie, ihre Gliedmaßen regten sich nicht mehr und vermutlich würde sie den Tag ohnehin nicht überleben. Sie musste nicht mehr voranschreiten, weitermachen, durchhalten. Wenn sie aufgab, hatte sie vielleicht noch eine Chance, um es besser zu machen. In diesen ruhigen, schon fast idyllischen Minuten wusste sie, dass der Tod sie so oder so bekommen würde. Somit wollte sie diesen einen Versuch haben, sich mit dem Gedanken anfreunden, um die Möglichkeit zu erhalten, das Fenster zu öffnen.
Sanft legte sie eine Hand auf den Boden, dachte an den Rahmen, der sie fortbringen konnte. Verging ihr Leben, ohne dass sich etwas veränderte, dann war sie am Ende nicht mehr als ein dummes Mädchen, das tatsächlich daran geglaubt hatte, die Trunkenheit der Liebe würde kaputte Dinge wieder zusammenflicken. Dachte sie an die traurigen Bilder, die es in ihr zurücklassen würde, wollte sie mit Bedeutung für sich selbst sterben. Es war nicht zu leugnen, dass sie mit der Idee vielleicht versagte. Denn manchmal fühlte sie zu viel, dann wieder zu wenig und sie wusste nicht, was von beidem schlimmer war: Unter den Wellen dieser Emotionen zu ertrinken, oder vor Durst danach zu vertrocknen.
Beides war falsch, war verworren und dennoch lag es schrecklich dicht beieinander. Es war verwerflich in einer Geschichte, die sie nie hatte auf diese Weise erleben wollen. Naoe mochte die kleinen Erzählungen, in denen Frauen sich selbst retteten. Sie mochte die schönen Seiten erfundener Welten. All diese Fantasien hatten manchmal einen wundersamen Teil, den sie mit sich brachten. Einen, an dem sie scheiterte. Weder schaffte sie es, sich selbst zu retten, noch wirklich stark zu sein. Lediglich Schwäche wusste sie zu zeigen und es war erschütternd, dass es genau das war, was ihr am bittersten aufstieß. Das ewige Versagen, weil ihr die Kraft oder die Taktik fehlte. Ihr Tod war damit gerecht. Hätte sie die Chance, sie würde es ändern, würde anfangen langsam weiterzugehen. Vielleicht etwas mehr lächeln oder offener sein. Weniger an sich und Law im Bereich der Liebe zweifeln. Verbotene Dinge tun, die ihren Puls höher schlagen ließen. Abenteuer erleben. Freier atmen. Glücklich sein. Leben. Lieben.
Und wenn sie all das wollte, dann musste sie sterben. Sie musste den Tod herbeisehnen, aufgeben, ihn bitten sie mitzunehmen. Vermutlich verstand in diesen Atemzügen niemand, wie sehr sie es wollte. Wie sehr sie sterben wollte, nur für ein besseres Gewissen.
Der Boden unter ihr knackte, schien zu brechen, was Naoe erst bemerkte, als ihr Kopf leicht hin und her gerüttelt wurde. Mit den Gedanken wieder in die Realität wandelnd, bemerkte sie, wie das Gestein unter ihr zu Glas wurde, sich langsam zu etwas formte, womit sie arbeiten konnte. Zurück an denselben Ort, weiter weg als die Folter. Irgendwo zwischen Gefangenschaft und tiefer Schwärze. Eine Erinnerung, die ihr fehlte, doch die ihr Verstand zeichnete. Das Dial hatte ihr Bilder geschenkt, die sie selbst nicht mitbekommen hatte und die Rückkopplung der letzten, chaotischen Anwendung, schenkte ihr ein Gefühl, als wäre sie auch mit dem Geist dort gewesen. Genau zu diesem Zeitpunkt, als absolut niemand in diesem Raum saß und ihr einen Vortrag darüber hielt, welche Seite wohl die Gerechteste war. Dort musste sie hin. Weiter würde sie ohnehin nicht mehr kommen. Ein faires Ziel, für einen letzten Versuch den Tod mit dem Leben unter einen Hut zu bekommen. Deshalb konzentrierte sie sich auf dieses eine Bild. Die Erinnerungen der Folter ließen von ihr ab, verschwammen in weiter Ferne, wo sie keine Rolle mehr spielten. In den Vordergrund rückte dafür dieser isolierte Raum, in dem sie aufgewacht war. Schlechtes Licht, kahle Wände, blanker Boden. Die verschlossene Tür ihr gegenüber. Kein Marinesoldat, kein Admiral, kein Henker, nur sie allein zwischen den stillen Schreien ihrer inneren Alarmglocke. Der Ort, an dem sie ihre letzten dreißig Sekunden fristen wollte.
„Open.“ Es war ein Hauchen, so leise und fein, dass sie es selbst kaum hören konnte. Dennoch war es laut genug, um ihre Teufelsfrucht in Wallung zu bringen, auch, wenn sie diese innerliche Magie nicht mehr fühlen konnte. Lediglich bemerkte sie, wie die Scheiben unter ihr nachließen, ihr den freien Fall boten und noch bevor sie wirklich der Schwerkraft zum Opfer fiel, huschte ihr Blick zu Koala. Die Miene ihrer Freundin schien erstarrt, nur langsam zu begreifen, was vor sich ging. Jegliche Hilfe kam damit zu spät, verschwand in den Fugen der Vergessenheit.
Sich vom Zustand der Müdigkeit langsam konsumieren lassend, rauschte der freie Fall an der Revolutionärin vorbei, als sei er gar nicht existent. Sie nahm es kaum noch wahr, konnte es kaum noch erfassen. Lediglich die Dunkelheit umhüllte sie, wurde am Ende irgendwo lichter, bis sie schwächlich auf einer Konstante gehalten wurde. Gleich darauf überwand sie die letzten Meter, bevor sie auf dem Boden aufschlug. Sie konnte das schmerzliche Stechen in ihren Beinen vernehmen, hörte es knacken, doch erreichte sie die Welle ihrer kreischenden Muskeln und Knochen gar nicht erst wirklich. Lediglich raubte man ihr bei dem folgenden Aufprall mit den Rippen jegliche Luft, ließ sie kurz röcheln, dann reglos liegen. Es war unangenehm, durchaus, doch mehr fühlte sie nicht. Der Grund unter ihr wirkte nur wie ein hartes Brett, glatt, rutschig, weder kalt noch warm. Das schummrige Licht wurde mit jedem Atemzug dunkler und während ihre Zeit tickte, lag sie einfach dort, versuchte irgendwie am Leben zu bleiben. Irgendetwas in ihr schien stetig zu ticken, hinterließ einen Takt in ihren Ohren, der sie unterschwellig nervös stimmte. Sah Naoe auf, so konnte sie sich selbst sehen. Dieses Mal saß ihr vergangenes Ich mit dem Gesicht zu ihr gerichtet. Würde sie die Augen öffnen, wären beide Geschichten verloren. Doch sie war bewusstlos, würde es noch lange bleiben, wenn sie niemand weckte. Und das war ihr Job, ihrer ganz allein.
Unfähig die Beine noch zu bewegen, mit denen sie zuerst aufgekommen war, versuchte die Revolutionärin sich mit den Händen nach vorn zu ziehen. Sie musste ihren Körper erreichen, die wenigen Sekunden nutzen. Gleichzeitig konnte sie sich selbst im Kopf herunterzählen hören. Fünfzehn Sekunden.
Minimal kam sie voran, ignorierte, wie schlecht es funktionierte. Ihre gebrochene, zermürbte Hand war keine große Hilfe und auch der anderen mangelte es an Kraft. Trotzdem robbte sie voran, leise keuchend, hoffend, noch eine einzige Chance zu bekommen.
Zehn Sekunden.
Ihr Keuchen wurde kläglicher, ging mit dem schwindenden Ticken in ihrem Inneren Gleichschritt. Mühsam zwang sie sich dazu, sich weiter zu recken, dem Bein näherzukommen, es zu berühren.
Fünf Sekunden.
Zuerst erreichte sie nur das Leder ihrer Stiefel, suchte sich dabei einen Zipfel, um heranzukommen. Es waren noch drei Sekunden, als sie ihren Körper unter dem Stoff der Hose weiter oben spüren konnte. Bei zwei Sekunden schloss sie die Augen, atmete aus, ließ ihr Bewusstsein durch die Fingerspitzen gleiten. So, wie sie es immer getan hatte, wenn sie ein Fenster öffnete. Auch wenn sie es nicht mehr spüren konnte, die Routine zahlte sich aus. In der letzten Sekunde wurde ihr Arm schlaff, verlor den Halt, die Verbindung, rutschte zu Boden. Das letzte Ticken in ihrem Kopf bekam sie nicht einmal mehr mit. Es verklang im Nichts, zerfraß ihren Körper, vernichtete die Unregelmäßigkeit in der Zeitlinie. Leichtigkeit wäre alles gewesen, was sie hätte in diesen Sekunden erleben dürften, doch stattdessen war es Schwere. Das Gewicht eines bewegungsunfähigen Körpers, gefesselt an einem Stuhl. Ihr Bewusstsein nistete sich langsam ein, stahl ihr jegliche Reaktion, erforschte ihre Sinne. Das, was bereits existierte, verband sich mit dem, was noch vor all der Tortur stand. Sie wurden eins, litten, empfanden, bekamen zurück, was verloren schien. Ihre Hülle war unbeschädigt, sah man von einer eventuellen Beule am Hinterkopf ab. Ihre Hände waren intakt, ihre Gliedmaßen alles andere als taub. Mit einem Mal spürte sie die angenehme Temperatur im Raum, das nervöse Kribbeln in ihrer Brust auch den Schmerz ihres Herzens. Das Risiko war ein voller Erfolg gewesen, brachte jedoch all die Bilder und verworrenen Gefühlsregungen mit sich, die sie erlebt hatte. Koalas Tod, der so plötzlich kam und sie zum Zurückspulen zwang. Laws Tod, der ihr in diesem Augenblick die Kehle zuschnürte.
Und sie atmete zum ersten Mal bewusst wieder ein.
Tief, als wäre sie fast ertrunken, sog sie den Sauerstoff ein, verarbeite zugleich das Chaos in ihrem Kopf. Naoe wusste genau, wo die Dinge hingehörten und wann was passiert war, doch hatte sie niemals die Chance gehabt, es zu verarbeiten. In diesen Minuten war sie gefesselt, genauso wehrlos, wie am Anfang. Sie konnte sich nicht ablenken, musste hingegen die aufwallenden Tränen akzeptieren. Ein leicht brennendes Gefühl breitete sich auf ihrer Haut aus, war nass, gefüllt von Ängsten und gleichzeitiger Erleichterung. Man hatte ihr eine letzte Chance gegeben, eine, die entweder genauso enden würde, wie die zwei Fluchtversuche zuvor, oder eine, die man mit einem Wunder zu etwas Großem bringen würde.
Kopfschüttelnd ließ Naoe das Haupt hängen, schluchzte, ließ den Tränen freien Lauf. Dank ihres zuvor nahezu toten Körpers, hatte sie nicht bemerkt, wie tief die Angst saß. Sie hatte Akainu und den Soldaten Lizt verspottet, hatte sich lustig über ihn gemacht, um die Panik zu vertuschen. Der Gedanke, dass es ihr an diesem Punkt einfach egal war und dass ihre Rettung vielleicht einen Weg in das Versteck gefunden hatte, waren schlichte Lügen. Welche, die sie selbst geglaubt hatte, weil sie zu mehr nicht mehr in der Lage gewesen war. Doch in diesem Raum, gefesselt an denselben Stuhl, an dem sie einst Blut und Knochen gelassen hatte, mit vollem Empfinden, wurde ihr die Kehrseiten bewusst. Auch in diesem Zimmer hatte die Furcht sie angefressen, doch ihr Wille war stärker gewesen. Der Tod schien einladender, als etwas zu tun, das die Welt vollständig aus den Angeln reißen konnte. An diesem Ort hatte sie Stärke bewiesen. Dafür wollte sie stolz auf sich selbst sein, selbst, wenn es noch einmal so kommen würde.
Stoppen wollte das salzige Nass auf ihrer Haut dennoch nicht. Die Bilder ließen ihren Körper zittern, leiden, sie Schmerzen in ihren Händen empfinden, obwohl nichts passierte. Einzig die Erinnerung an den Hammer, wie er ihr die Knochen brach und ihre Haut zerfetzte, jagte ihr eine Heidenangst ein. Es war einfacher den Dingen standzuhalten, wenn man sie nicht kommen sah. In diesem Fall wusste sie jedoch bereits, was passieren würde, kam sie nicht davon. Die Erinnerung daran, wie man ihr die Nägel gezogen hatte, wie ihr rohes Fleisch ungeschützt diesem Monster ausgeliefert war, es trieb den Wahnsinn in ihr voran. Hilflos zerrte sie an den Ketten, hatte nicht annähernd genug Kraft es dauerhaft zu versuchen. Seestein zerfraß ihre Möglichkeiten, engte sie ein, machte sie zu einer einfachen Frau, die nicht wusste, wie sie solche Fälle überlebte.
Sich wimmernd auf die Unterlippe beißend, bemerkte sie das Beben ihres Unterkiefers. Unruhig, verängstigt durch das, was noch kommen sollte, konnte sie ihn nicht mehr kontrollieren. Schnell gab Naoe den Versuch auf, die meisten Dinge zurückzuhalten, weinte sich den Druck von der Seele. Dabei spielte es keine Rolle mehr, ob sie leise war oder nicht. Einzig die Freiheit binnen dieser vier Wände war noch wichtig, dämpfte ihre wütenden Schreie, ihr lautes Schluchzen, die spitzen Töne, wenn sie Luft schnappte. Dieser Raum versteckte ihre Tränen vor den Augen anderer, gab ihr die Sicherheit für einen Wimpernschlag fallen zu dürfen, ehe sie sich selbst fangen musste. Der Gedanke an Laws Kopfschütteln stimmte sie unsicher, das Blut auf seiner Kleidung hingegen hilflos. Sie hatte sich nicht mehr bewegen können, weil sie es zu weit getrieben hatte. Er war ihretwegen gestorben, weil sie Koala retten wollte. Etwas, das dieses Mal nicht passieren durfte. Nicht noch einmal.
Ihre Schlacht war noch nicht vorbei und das wusste sie.
Law und Koala waren beide noch am Leben und der Krieg würde erst in drei Tagen beginnen. Genug Zeit, um erneut zu sterben oder schlussendlich zu fliehen.
Noch einmal tief durchatmend, beruhigte Naoe sich schlussendlich wieder, erholte sich von dem Chaos im Inneren. Es würde nicht so einfach vergehen, aber es würde sie nicht behindern. Prüfend den Blick durch den Raum wandern lassend, versuchte sie einen Weg der Flucht zu finden. Man hatte außer ihr und diesem Stuhl nichts in diesem Raum untergebracht. Es gab keinen einzigen Weg, um sich aus den Fesseln zu lösen und zu verschwinden.
Mehr als ein Seufzen blieb ihr nicht übrig, ließ sie das Haupt in den Nacken legen und die Decke anstarren. Das Licht war schrecklich schwach, würde irgendwann anfangen zu flackern, kümmerte man sich nicht um die Glühbirnen.
Die Sicht wieder nach vorn richtend, wischte sie sich die Wangen an den Schultern trocken, ignorierte das Pochen unter ihrer Haut. Kurz darauf setzte die langsame, aber existente Müdigkeit ein. Nicht dieselbe, die sie kurz vor ihrem Tod empfunden hatte, sondern von einer anderen Art, ausgelöst durch nervlichen Stress. Wo sie endlich anfing sich zu beruhigen, folgte das einheitliche Verlangen der Ruhe. Sanft nahm es sie in die Arme, ließ sie entspannen, genauer über ihre ausweglose Situation nachdenken. Bis zu dem Punkt, an dem das Quietschen der Tür ihr gegenüber sie nur kaum merklich die Augen verdrehen ließ. Ihr erster Besucher musste Akainu sein. Mit ihm hatte sie über ihren Vater, ihre Gerechtigkeit und Ansicht geredet. Dieses Mal würde sie es nicht tun. Sie würde einfach schweigen und abwarten.
Den Blick starr auf den Eingang gerichtet, sah Naoe dabei zu, wie man den schweren Stahl langsam öffnete, sich Eintritt verschaffte. Schon beinahe unsicher schlüpften zwei Marinesoldaten in das Zimmer, flüsterten miteinander. Einer von ihnen besaß Schlüssel, die so aussahen, als würden sie in die schmalen Schlösser ihrer Ketten passen. Das klimpernde Metall in seinen Händen beobachtend, entging ihr keinesfalls, dass sie sich absprachen, einer erneut vor die Tür trat und sie damit allein mit seinem Begleiter ließ. Dieser nutzte sein kleines Zeitfenster, eilte auf sie zu, nickte kurz zur Begrüßung. Irritiert von seiner Geste, spürte Naoe gleich im nächsten Augenblick, wie das Gewicht der Ketten nachließ, sich von ihr löste und schlussendlich verschwand. Er nahm all diese Hindernisse von ihr, sorgte dafür, dass die Kraft ihrer Teufelsfrucht zurück durch ihren Körper schoss.
„Warum?“ Nicht sicher, wie sie reagieren sollte, fragte die Revolutionärin einfach nach, stand zugleich auf, streckte die steifen Gliedmaßen. Dieser Mann schien keine Gefahr zu sein, wo er ihr doch half.
„Dragon gab uns den Befehl dich zu befreien. Wir wissen nichts Genaues und uns bleibt auch keine Zeit.“ Abwinkend wies er ihre Frage ab, legte die Ketten beiseite und trabte gleich darauf zurück Richtung Ausgang. Dabei deutete er ihr mit einer einfachen Handbewegung, dass sie ihm folgen sollte. Eine einfache Aufforderung, der sie gerne nachkam. Alleine wäre sie ohnehin nicht aus ihrer misslichen Lage herausgekommen und wenn man ihr Hilfe anbot, dann wollte sie diese dankend annehmen.
Achtsam schritten sie auf den Korridor, sahen sich nach beiden Seiten um. Die eisige Stille auf den Gängen war beängstigend, wirkte, als ob man sie beobachtete. Die vereinzelten Schnecken an den Wänden, die normalerweise Videos aufnahmen, schienen zu schlafen, sich eine Pause zu gönnen, bevor sie der Arbeit nachkamen. Es machte sie stutzig, sodass sie nicht aufhören konnte Fragen zu stellen, während sie sich langsam in Bewegung setzten.
„Wo sind die anderen Soldaten? Und wieso sind die Überwachungsteleschnecken nicht wach?“
„In jedem Abteil gibt es zwei Soldaten, die ihre Routen laufen, um alles und jeden zu bewachen. Jetzt gerade sind wir beide dran, aber unsere Zeit wird knapp. Akainu lag die ganze Zeit auf der Lauer und hat sich erst vor kurzem zurück ins Büro verzogen, weil er einen Anruf erhalten hat. Ein kleines Ablenkungsmanöver. Die Überwachung wird erst in zehn Minuten wieder eingeschaltet. Du weißt, auch diese Tiere werden müde und brauchen Pausen. Da dieses Versteck nicht oft genutzt wird, müssen wir sie erst noch auf einen guten Takt einstimmen. Schlussendlich geht man davon aus, dass hier noch nichts passieren kann. Du bist erst seit ein paar Stunden in diesem Quartier.“ Flüsternd gab er ihr die Informationen, die er hatte, lotste sie zugleich mit seinem Begleiter durch die Gänge. An manchen Enden konnte sie andere Soldaten sichten, denen sie glücklicherweise verborgen blieben. Vorbei an kahlen Wänden, großen Fenstern und wachenden Gesetzeshütern, brachte man sie zum Ansatz einer Treppe, die in eine untere Etage führte.
„Wir können dich nur bis hierhin bringen. Unten wartet jemand anderes auf dich. Seid vorsichtig. Neben Akainu treiben auch Smoker und Vergo ihr Unwesen hier. Und sieh davon ab deine Teufelsfrucht zu benutzen, solange du sie nicht wirklich brauchst. Man sagte uns, dass dein Körper sich am besten erst ausruhen sollte, nachdem du ein zweites, vergangenes Fenster geöffnet hast. Niemand weiß was passiert, wenn du es jetzt noch einmal darauf anlegst.“
„Koala hat sich also erinnert?“
„Jetzt geh!“
Unsicher wandte Naoe sich von ihren beiden Helfern ab, sah hinab in den Treppengang. Irgendwo dort unten wartete jemand auf sie. Damit kam sie dem Ausgang näher und vor allem entwickelte sich ihre neue Chance zu etwas Positivem. Trotzdem konnte sie das wilde Auf- und Abspringen ihres Herzens nicht vermeiden. Nervosität machte sich in ihr breit, gekoppelt mit Vorfreude endlich von diesem Ort verschwinden zu können. Es machte sie glücklich genug, um ein schmales Lächeln auf ihren Zügen zu hinterlassen. Wenn all das ein Ende hatte, wäre sie für den Moment sicher. Nicht nur, weil man ihr Verschwinden erst einmal bemerken musste, es galt sie auch erneut zu fangen und je nachdem wo sie sich befand, war ihre Obhut die beste, die es gab. An Dragons Männern, die im Kampf alles niedermähten, kam niemand so einfach vorbei.
Deshalb fasste Naoe sich ein Herz, hüpfte Stufe um Stufe herunter. Dabei löste das Gestein unter ihren Sohlen ein klackendes Geräusch aus. Auf der einen Seite wirkte es verräterisch, auf der anderen schrecklich befreiend. In diesem Augenblick bewegte sie sich frei, fort von dem Raum, der sie in dieser Version vermutlich das Leben gekostet hätte. Jegliche Last rutschte von ihren Schultern, die Angst zog sich langsam aber sicher zurück. Das fehlende Licht im Gang vermittelte ihr ein einst vergangenes Gefühl. Eines, an das sie sich nicht genau erinnern konnte, weil sie es einst auslöschen musste, doch sie bekam ein grobes Empfinden von dem, wie es gewesen sein musste. Die Nacht, als sie von ihrer Arbeit nach Hause ging. Die Zukunft, die sie sich selbst genommen hatte, um etwas völlig anderes daraus zu machen. Stellte sie sich den Heimweg an diesem Abend vor, schien die Kälte der Nacht an ihrer Kleidung zu zerren. Eilige Schritte hallten in weiter Ferne, rückten näher. Noch ehe sie etwas hatte tun können, stieß sie mit Koala zusammen, ihrer älteren Version, die sich auf der Flucht befunden hatte. Ohne einen wirklichen Grund zu haben, waren sie zusammen weggelaufen, hatten Gassen hinter sich gelassen und waren irgendwo im Nirgendwo herausgekommen. Naoe erinnerte sich genau an ihre ersten Worte, die sie zu ihrer neuen Bekanntschaft gesagt hatte.
„Das kam unerwartet. Warum fliehst du?“ Leise zu sich selbst wispernd, wiederholte sie diesen kleinen Text, der damals ein Schritt in eine andere Richtung gewesen war. Sie hätte aufstehen und gehen können, doch sie fragte lieber nach.
„Berufsrisiko. Tut mir leid, dass ich dich da mit hineingezogen habe, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich dich mitnehmen muss.“
Zurück in ihre aktuelle Lage gerissen, schüttelte die Revolutionärin kurz den Kopf, ehe sie Koala am Ende der Treppe erkannte. An der Wand lehnend, wartete sie ab, als könnte sie nichts mehr aus der Ruhe bringen. Vermutlich, weil sie die Oberhand hielten. Hinzukommend war es ihr fröhliches, für Naoe beruhigendes Lächeln, das ihre Lippen zierte, während sie dieselbe Antwort gab, die sie auch in der Gasse zwischen dem Müll und der Dunkelheit des Abends gegeben hatte. Natürlich wusste sie davon. Joris hatte ihr einst von der zerbrochenen Zukunft berichtet.
„Du bist wirklich lebensmüde gleich dreimal hierher zu kommen.“ Schmunzelnd nahm Naoe die Präsenz ihrer Freundin zur Kenntnis.
„Gleicht fast dem Wahnsinn, dem du letztlich gefolgt bist.“ Sie nahm es mit Humor, stieß sich von der Wand ab. „Wir kommen immer wieder hierhin zurück...beide, bis es klappt.“
„Du hast dich an meine Worte erinnert, oder?“
„Wie hätte ich sie vergessen können? Das wäre genauso schiefgegangen, wie Law davon zu überzeugen, dass wir dich retten.“
„Es ist schiefgegangen? Aber wieso ist er dann nicht hier?“ Verwundert eine Braue hebend, brachte Naoe die letzte Stufe hinter sich.
„Weil er ein Loch in seinem Schiff hat, das repariert werden muss...sonst geht es unter.“
„Er wurde angegriffen?“
Schulterzuckend legte Koala den Kopf etwas schief, schien über etwas nachzudenken. „Eigentlich wurde nur sein Schiff angegriffen. Ich hätte ihn niemals mit der Kanonenkugel getroffen. Dazu bin ich nicht geübt genug.“
„Du...hast ihm das Loch ins Schiff gejagt? Er wird dich umbringen, sieht er dich jemals wieder.“
„Dazu müssen wir erst einmal hier herauskommen, Naoe. Und die letzten Meter sind immer die schlimmsten.“