Copy Paste: Fenster der Vergangenen
von Ereschkidal
Kurzbeschreibung
[In Überarbeitung - Charakteroptik, Satzstruktur, Formatierung -18/59] >>Ich kann nur einmal an denselben Ort zurück. Es ist ähnlich einem temporären Speicherpunk/t, der eine Schlüsselszene wiedergibt. Auf Zeit. Fehler kosten mich ein Original.<< ---- Eine Reise in die Vergangenheit, um etwas für die Gegenwart zu verändern. Manchen Menschen erfüllt Naoe diesen Wunsch, andere gehen leer aus. Darunter auch Vergo, der seit seinem Versagen gegen Trafalgar Law auf eine konstante Veränderung aus ist. Wissend, dass sie gegen ihn nicht ankommen kann, beschließt sie sich dazu eine Allianz zu formen, ähnlich einem Pakt von Geben und Nehmen. Doch die Verbindung ist vage, getränkt von verschiedensten Gefühlen und die Hände, die nach ihr greifen, werden mehr - denn außer Vergo scheint auch die Marine einen Plan zu hegen. [Trafalgar Law x OC]
GeschichteDrama, Romance / P18 / Het
Eustass Kid
OC (Own Character)
Sakazuki / Akainu
Trafalgar D. Water Law
Vergo
03.01.2018
16.09.2018
59
179.878
38
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02.09.2018
3.778
Nerven schienen spürbar zu reißen, während die erlittenen Verletzungen sich wieder öffneten. Naoe konnte sich kaum auf die andere Seite ihres Fensters schleppen, bemerkte, wie ihre Beine immer wieder nachgaben. Schlussendlich fehlte die Kraft, sodass sie den Halt verlor, stolperte über den Rahmen des Ausgangs und krachte hilflos zu Boden. Schwer atmend reagierte ihr Körper kaum noch, weigerte sich aufzustehen, sich überhaupt zu regen. Dabei entging ihr fast das metallische Klirren, als etwas zu Boden fiel. Spitz bohrte sich der Klang in ihr Trommelfell, ließ sie seufzen, zumindest den Kopf heben. Das schummrige Licht erhellte die wenigen Gegenstände und Personen in diesem Raum. Ihr vergangenes Ich saß gefesselt auf dem Stuhl, während ihr Peiniger irritiert einen Blick zwischen beiden hin und her warf. Musste sie ihrer eigenen Kraft vertrauen, dann war sie an den falschen Ort zurückgekehrt. Sie wollte zurück zur Insel, dort wo sie und Law geflohen waren, doch die stetigen Bilder in ihrem Kopf, wie man sie schlug und entstellte, vernebelten das klare Bild vor ihrem inneren Auge. Schlussendlich hatte es die Überhand gewonnen und sie hatte nur einen winzigen Sprung geschafft. Würde dieser Klotz von Mann gehen, wäre Akainu der Nächste, der den Raum betrat. Etwas, das sie vermeiden musste.
Es galt zu entkommen.
Wissend in welcher Situation sie sich befand, kratzte Naoe ihre letzten Kräfte zusammen, zwang sich dazu, sich langsam in eine sitzende Position zu bringen. Doch ihr Zimmergenosse hatte bereits erkannt, was passiert war. Obwohl sie es gerne angenommen hätte, war er nicht annähernd so dumm wie erhofft. Ehe sie sich versah, hatte er nach dem Hammer gegriffen, der in seiner Hand schrecklich klein wirkte und der ihr die Knochen gnadenlos zertrümmert hatte. Nicht dazu imstande sich wehren zu können, sah sie einfach dabei zu, wie sein massiger Körper sich in ihre Richtung bewegte, groß und erdrückend auf sie wirkte. Es gab keinen Weg, um auszuweichen. Ihre Gliedmaßen waren zu erschöpft, um einen wirklichen Angriff zu bestreiten. War sie etwa ihrem eigenen Tod in die Arme gelaufen?
Dem Fremden lediglich mit den Augen folgend, dachte sie an Koala, an Law, an all die Piraten und Allianzen, die umsonst an diesen Ort kommen würden, wenn sie starb. Erklärte sie ihrem vergangenen Ich einfach was passieren würde, gäbe es kaum einen Weg der Veränderung. Vergo war da und würde warten, was sie auf jeden Fall verhindern musste. Fand sie einen Weg aus der Zelle heraus, noch bevor die Revolutionäre eintrafen, standen die Chancen höher, dass sie entkamen, ohne sich dem Kampf ausliefern zu müssen. Denn egal wie sie es betrachtete, es gab keinen Weg, um in den Angriff einzugreifen oder den Marineverräter aufzuhalten. Generell wirkte jeder Zug beinahe zwecklos. Ihr blieb nur das Beste aus der Situation zu machen und dazu brauchte sie Kraft. Welche, die sie nur noch mit ihrem Willen aufbringen konnte. Selbst wenn es ihr Leben kosten würde, sie musste den Akt verhindern und dafür sorgen, dass Vergo den Kürzeren zog. Genau deswegen durfte sie an dieser Stelle noch nicht sterben. Noch hatte sie eine Aufgabe, einen Wunsch, der sie antrieb.
Während ihr Peiniger langsam in ihre Richtung trampelte, schob Naoe sich langsam auf die Fußspitzen, brachte sich in die Hocke. Ihr Puls raste, wirkte, als würde er jeden Augenblick zerbersten. Zugleich atmete sie schneller, stieß die Luft schon fast hektisch durch den Mund aus, ehe sie den Sauerstoff wieder einsog. Es war heiß, unglaublich heiß binnen dieser vier Wände und die Nervosität drehte ihr alles im Inneren um. Das letzte Gefühl, das sie wirklich spüren konnte, denn alles andere an ihr wirkte schon lange tot und unbewegbar. Noch konnte sie es steuern, sich mit schierer Willenskraft fortbewegen, aber die Zeit lief ab.
Den Hammer fest umschlossen, fixierte er ihre Gestalt, sorgte somit auch dafür, dass ihr vergangenes Ich unsicher versuchte einen Blick hinter den Stuhl zu werfen. Glücklicherweise war sie dazu nicht in der Lage, wusste sich generell kaum zu bewegen.
Sich langsam in eine aufrechte, stehende Position drückend, versuchte die Revolutionärin eine halbwegs günstige Stellung einzunehmen. Es galt schnell auszuweichen, wenn er sie angriff, und irgendetwas vom Foltertisch zu schnappen, womit sie ihn töten konnte. Handlungen, die an sich weniger schwer klangen, als sie wirklich waren und das wusste sie. Trotzdem behielt sie sich diesen einfachen Strang in Gedanken, beobachtete derweil ihren Angreifer, der zwar langsam, doch stetig näher kam. Die Waffe schon fast vorsichtig anhebend, als sei Naoe eine Ratte, die jede Sekunde davonlaufen würde, schien er zu zielen, um sie keineswegs zu verfehlen. Sie hatte keine Ahnung, was seine verzögerten Bewegungen darstellen sollten, doch sie rüstete sich für einen starken Schlag, dem sie nicht zum Opfer fallen durfte. Mittlerweile hatte er das Metall über seinen Kopf gehoben, hielt es am höchsten Punkt an Ort und Stelle. Für einen Augenblick sahen sie sich beide einfach nur an, beobachteten die Regungen des jeweils anderen und als ihr Körper einmal unbewusst zuckte, griff er an. Sausend schnellte das Werkzeug herunter, genau auf sie zu. Ein schrecklich vorhersehbarer Zug, dem sie mit einem einfachen, seitlichen Schritt ausweichen wollte. Es mochte knapp werden, aber es würde reichen. Deshalb setzte sie einen Fuß zur Seite, wollte gerade das Gewicht verlagern, als eine bebende Erschütterung ihr den Halt nahm. Wegknickend stieß Naoe gegen den Stuhl, auf dem ihr vergangenes Ich scharf die Luft einsog.
Sich an der Lehne festhaltend, sah die Revolutionärin dabei zu, wie ihr Peiniger genauso wenig das Gleichgewicht seiner Masse halten konnte. Seine Knie waren nicht dazu in der Lage den Schwung abzubauen, gaben durch die hinzukommende Erschütterung nach, weshalb er wuchtig zu Boden fiel. Die Waffe glitt ihm dabei ungeschickt aus der Hand, rutschte von ihm weg, was Naoe nutzte, um einen Gegenschlag auszuführen. Noch ehe er sich auf seine Arme stützen konnte, hatte sie das kalte Metall bereits erreicht, sammelte es auf.
Trotz all der Muskeln, die der Körper ihres Gegenübers besaß, konnte er sich nur schwerlich in eine sitzende Position bringen. All das zusätzliche Gewicht auf seinen Knochen hatte ihn langsam gemacht und in diesen Sekunden gab es keinen größeren Segen für sie. Eilig, schrecklich zielgenau, kam sie ihm näher, holte aus, schlug zu. Mit der flachen Seite des Hammers gab sie ihm das zurück, was er ihr während der Folter gegeben hatte. Schmerzen, unglaubliche, unaufhaltsame Schmerzen, die ihn töten würden. Schwungvoll landete das Metall auf seinem Kopf, hinterließ ein brechendes Geräusch und stellte Widerstand dar, der sie förmlich abfederte. Ein Teil dieser Kraft schoss durch ihren Arm, half ihr dabei das Werkzeug noch einmal anzuheben und noch einmal zuzuschlagen. Da ihr Gegner jedoch mit einem schmerzverzerrtem Aufschrei das Haupt in den Nacken riss, die Hände schneller als erwartet auf die Wunde presste, um die Blutung zu stoppen, landete ihr Schlag in seinem Gesicht. Noch während sich das Gewicht in seine Haut drückte, quollen seine Augen hervor, während sich seine Nase sichtlich zur Seite bog. Sie brach mit einem Ruck, bewegte sich dabei, als sei ein Gummiband gerissen. Was folgte, war noch mehr rote Flüssigkeit, die in ansehnlichen Perlen durch die Luft schwebte, ehe sie massenhaft zu Boden floss. Die Menge seines Blutes ließ sein wehleidiges Klagen in einem erstickten Glucksen sterben, ihn rücklings umfallen und bewegungslos verharren.
Den Hammer fallen lassend, atmete Naoe einmal tief durch, konnte die ängstliche Stoßatmung ihres vergangenen Daseins hören. Sie musste weitermachen, denn zu allem Überfluss hatte sich mehr verändert als die simple Tatsache, dass sie in der Zeit zurückgegangen war. Aus unempfindlichen Gründen griffen ihre Helfer früher an als zuvor. Minuten, die sie dringend gebraucht hätte, jedoch nicht bekam. Unsicher über die Situation nachdenkend, fielen ihre Gedanken zu Joris. Alle Veränderungen, die sie einläutete, hatte er irgendwann einmal gesehen. Wenn er wusste, was mit Koala passieren würde, dann hatte er selbst gewisse Pläne in dieser Hinsicht, um sie zu retten. Aber was hatte er vor? Welchen Weg wollte er mit diesen winzigen Minuten gehen?
Kopfschüttelnd verdrängte sie die Gedanken, atmete noch einmal durch, versuchte sich zusammenzureißen. Müdigkeit machte sich in ihr breit, erschwerte ihr das Offenhalten der Augen. Ihre Zeitspanne wurde mit jeder Sekunde knapper, weshalb sie sich beeilen musste.
Ihrem zweiten Ich den Kopf herunterdrückend, beugte Naoe sich zu dem Foltertisch, schnappte sich ein Messer, mit dem man ihr die Haut einst eingeritzt hatte. Sie nutzte es, um es an der Kehle ihrer Vergangenheit anzulegen, innerlich darum zu betteln, dass man ihr eines Tages Vergebung schenken würde. Dann zog sie es einmal mit viel Druck von rechts nach links, blendete die wimmernden Hilferufe ihrer jüngeren Version aus. Sie konnte nicht hinsehen, spürte nur, wie sie durch das Fleisch ihres Opfers schnitt, sich selbst das Leben nahm, um zu überleben. Ein groteskes Handeln, das sie niemals verstehen würde. Der Körper auf dem Stuhl versuchte sich anfänglich noch zu wehren, verlor jedoch binnen Sekunden so viel Blut, dass kurz darauf keine einzige Regung mehr stattfand. Was folgte, war die zerreißende, zwanghafte Leere, die sie erreichte. Eine, der sie kaum standhalten konnte.
Aufstöhnend fasste Naoe sich an den Kopf, hatte das Gefühl er würde zerspringen. Gleichzeitig griff sie nach ihrem Dial, setzte es an und noch bevor ihre Erinnerungen in ungreifbare Entfernung schwanden, drückte sie ab, holte sich die Bilder zurück und versuchte sich zugleich in denselben Sekunden die dazugehörigen Gefühle einzuprägen. Die Folge war ein innerliches Chaos, Emotionen, die ihr den Magen umdrehten, sie zum Würgen brachten. Der Geruch von süßem Metall biss in ihrer Nase, reizte die Galle in ihrem Hals, doch sie hielt ein. Langsam auf die Knie gehend, wippte sie einheitlich vor und zurück, versuchte die Welle des Vergessens und der gleichzeitigen Erinnerung schlicht zu überleben. Als würden die bereits vorhandenen Scherben in ihrem Kopf splittern, bohrte sich das unangenehm pochende Gefühl in jede Ecke ihres Verstandes. Alles verging, kam zurück, wurde mit verworrenen Gefühlen übersät.
Und sie tat es nur, weil sie nicht vergessen wollte. Die letzten Aufträge, die Liebe zu Law, die gemeinsame Nacht mit ihm, die sie beide bewusst wahrgenommen hatten – all das sollte nicht gehen, musste bleiben. Vielleicht konnte sie es nicht behalten, doch auf diese Weise konnte sie es ersetzen, als sei es niemals fort gewesen.
Lediglich dieser simple Gedanke beruhigte die Unruhe in ihrem Kopf. Die Übelkeit zog sich allmählich zurück und auch der eintretende Schwindel war nur von kurzer Dauer. Was zurückblieb, war ganz allein Naoe, sitzend auf dem Boden, umgeben von einem roten Teppich aus Blut.
Es ließ sie den Kopf einen Augenblick lang in den Nacken legen, die Gefühle auf sich einwirken, ehe sie sich wieder erhob, schwer auf der Stuhllehne abstützte. Sie war noch nicht am Ende, musste weiter voran.
Mühsam setzte die Revolutionärin einen Fuß vor den anderen, brachte sich zur Tür, die sich mit Leichtigkeit öffnen ließ. Sie brauchte den schweren Stahl nur einen Spalt weit zu öffnen, damit ihr die lauten Sirenen und panischen Ausrufe der Marine entgegenkamen. Sie tummelten sich auf dem Korridor, bogen in verschiedene Richtungen ab, verschwanden hinaus aufs Schlachtfeld. Den Aufruhr nutzend, schlüpfte sie auf den Gang, schlug die Richtung ein, die sie zuvor gemeinsam mit Koala gegangen war. Auch dieses Mal nahm sie die Wand als Stütze, brachte sich langsam voran, warf immer wieder einen Blick über die Schulter. Sie durfte auf keinem Fall Akainu über den Weg laufen, oder Vergo. Beide Männer wären ihr Untergang, so viel stand fest. Deshalb versuchte sie achtsam zu sein, schlich in ihrem besten Ermessen und folgte den Abzweigungen entlang zu der Fensterfront, an der sie die Schlacht schon einmal bewundert hatte. Etwas, wozu sie sich dieses Mal nicht in der Lage sah.
Müde schnaufend lehnte Naoe sich einen Moment lang an die Wand, ruhte sich aus, schloss die Augen. Es war nicht mehr weit und obwohl alles einen anderen Weg einzuschlagen schien, schreckte sie hilflos zusammen, als man ihren Namen rief. Lautstark verlangte man nach ihr, sodass sich ihre Lider schon fast automatisch wieder hoben. Was sie sah war Sorge und zugleich Erleichterung, die schon einmal verblasst war.
„Naoe! Ich habe dich schon gesucht!“ Vor ihr blieb Koala stehen, leicht außer Puste doch noch immer bereit das gesamte Gebäude bei Bedarf einzureißen. „Du siehst grauenhaft aus.“
„Du wirkst nicht annähernd so geschockt, wie beim ersten Mal.“ Verwundert die Brauen hebend, betrachtete Naoe ihr Gegenüber, musterte sie von oben bis unten.
„Joris sagte mir bereits, was passiert ist. Runde zwei also, hm? Ich weiß nicht, was ihr beide plant, aber er wirkte angespannt. Er sagte mir, dass ich gestorben bin und dass du folglich gerade an einer Veränderung arbeitest, aber da war noch irgendetwas anderes.“
„Wer weiß.“ Unwissend mit den Schultern zuckend, reagierte die Revolutionärin auf die Aussage ihrer Freundin, wandte den Blick aus dem Fenster, begutachtete das Morden auf dem Platz.
Es wirkte nicht mehr annähernd so heldenhaft, wie beim ersten Mal. Vermutlich, weil sie beim ersten Durchgang froh über das Erscheinen der Hilfe war. Doch dieses Mal hatte sie Angst. Versagten sie irgendwo noch einmal, wäre ihr Plan gescheitert und damit wäre auch ihr Opfer völlig umsonst gewesen.
„Also...wir müssen da runter.“ Dem Schauspiel noch etwas folgend, dabei zusehend wie naiv manch einer dem Tod in die Arme lief, wandte Naoe sich an Koala.
„Müssen wir. Ich werde mich diesmal darum kümmern.“
„Wie? Willst du etwa springen?“
„In der Tat!“ Überzeugt von ihrer Stärke, legte Koala die flache Hand auf die Scheibe, schien mit einer winzigen Bewegung so viel Druck auszuüben, dass das Glas zersprang. Die spiegelnden Scherben zogen Naoe dabei in ihren Bann, wenn auch nur für einen Atemzug. Sie erinnerten an die zerbrochenen Bilder in ihrem Kopf, auf denen sie tanzte, als sei es das Normalste der Welt.
Über diese Splitter musste sie allerdings nicht gehen, denn ihre Begleitung nutzte den ungeachteten Moment, um sie hochzuheben. Fest an Beinen und an Brust gesichert, raubte man ihr den Boden, trug sie vor dem Oberkörper her und sprang. Über das Fenstersims hinweg, hinaus in die Freiheit. Dabei war es für Koala ein Einfaches genug Kraft aufzubringen, um weit in die Menge hineinzufliegen. Der Wind, der Naoe dabei über Haut und Haare strich, kratzte in ihren Augen, in ihrem Hals und auch schien die Wärme mit jeder Sekunde anzusteigen.
Der stickige Geruch von Rauch, kombiniert mit der unangenehmen Hitze des Feuers, ließ sie kurz husten, nach Luft schnappen. Schreie drangen derweil an ihre Ohren und das Einatmen löste ein unangenehmes Brennen in ihren Lungen aus, das stetig schlimmer wurde.
Als ihre Rettung schlussendlich landete und losrannte, um aus der Schusslinie eines jeden zu finden, konnte die Revolutionärin nicht mehr tun, als dem Chaos erneut Aufmerksamkeit zu schenken. Noch immer wirkte es so, als würden die Soldaten der Marine wie weiße Flocken aus der Menge hervorstechen. Teilweise hilflos, teilweise überfordert mit den Umständen. Stimmen ballten sich in der Luft, rauschten an ihr vorbei, als seien sie nur ein Flüstern im Wind. Zwischen all dem Stress und dem vielen Blutvergießen war es schon fast entspannend die Dinge kaum noch wirklich wahrnehmen zu können – bis zu diesem einen Punkt, an dem sie Laws Stimme klar und deutlich in dem Schwall hören konnte. Suchend den Blick von einer Richtung in die andere gleiten lassend, konnte sie ihn nicht ausfindig machen. Koalas Tempo sorgte dabei für wenig Hilfe, gab ihr keine Zeit, um die Lücken zu analysieren.
Es als Gegebenheit hinnehmend, wollte sie sich gerade nach vorn wenden, den Blick in die Zielrichtung wenden, als das plötzliche Aufwirbeln von Dreck und Steinen ihre Freundin zum Anhalten zwang. In einer flüssigen Bewegung setzte man Naoe dabei ab. So wie es aussah, gab es keinen Weg des Weiterkommens, wenn sie nicht erst etwas anderes erledigten.
Etwas, das sie anhand der Waffe sehen konnte, die wenige Meter vor ihnen im Boden eingeschlagen war.
Vergo hatte sie gefunden.
„Dir ist klar, dass ich dich nicht gehenlassen kann.“
Den Blick vom Bambusstab abwendend, lenkten beide Revolutionärinnen ihre Sicht zur Seite, bemerkten, wie ihr Gegner langsam zu ihnen schlenderte. Seine eisige Miene war keinerlei Abwechslung zu der von Sakazuki, was vor allem in Koala Alarm auslöste. Sich für einen Kampf positionierend, beobachtete sie ihren Feind, ließ ihn nicht eine Sekunde lang aus den Augen.
„Ich bin einen Deal mit der Marine eingegangen, weil-“
„Ist mir echt völlig egal!“ Genervt den Kopf hängen lassend, unterbrach Naoe Vergo. Ein einfacher Akt, der ihn furchtbar ärgerte, da sie ihm damit erneut pure Respektlosigkeit entgegenbrachte.
Tiefe Furchen gruben sich zwischen die Augen des ehemaligen Vize-Admirals, drückten aus, wie ernst es ihm in diesen Sekunden sein musste. Zugleich rang er innerlich um Beherrschung, das wusste sie. Er hatte ein ganz klares Ziel, das er nicht verlieren durfte und Naoe konnte nicht mehr tun, als sich auf Koala zu verlassen. Doch bevor irgendjemand wirklich den ersten Schritt zum Kampf setzte, spitzte sich die Lage noch ein wenig zu.
„Ich hätte dich eigenhändig töten sollen, um sicherzugehen.“
Entsetzt über die Schulter schauend, erblickte Naoe ihre Allianz, durchaus verärgert und sichtlich genervt von der Tatsache, dass Vergo noch lebte.
„Law.“ Abgeneigt entwich dem Marineverräter ein Schnaufen, ehe er so tat, als wäre niemals etwas gewesen. „Ohne Smoker hättest du damals keine Chance gegen mich gehabt. Dein Sieg war Glück. Nicht mehr und auch nicht weniger.“
„Das können wir gerne herausfinden.“ Law war es, der in diesem Fall den ersten Schritt tätigte, Vergo provozierte, sodass dieser seinen Stab wieder an sich nahm und sich voll und ganz dem Geschehen zuwandte. Kurz darauf stieß er sich ab, steuerte den Piraten an, der auf Anhieb verteidigte. Binnen eines Wimpernschlages hatte Vergo ihren Partner erreicht und schmetterte seine Waffe auf die Klinge des Schwertes, welches Trafalgar standhaft zur Verteidigung benutzte. Er konnte der Wucht standhalten, schien stärker geworden seit dem Kampf auf Punk Hazard.
Schwungvoll wehrte ihre Allianz den ersten Angriff ab, blockte Vergo und holte zum Gegenschlag aus. Das metallische Scheppern der Waffen tönte unangenehm laut auf, ließ Naoe die Zähne zusammenbeißen. All diese Handlungen, der Kampf und die Bewegungen, sie unterschieden sich kaum vom ersten Mal und es machte ihr Angst. Auch wenn Koala um ihr Schicksal wusste, es garantierte keine Sicherheit für ein Überleben.
Nebenbei stieß Vergo ihrem Partner mit der flachen Hand vor die Brust, sorgte somit dafür, dass Law den Boden unter den Füßen verlor. Schmerzhaft mit dem Rücken aufschlagend, nutzte er den Schwung, um sich gleichzeitig vom Boden abzustoßen und wieder auf die Beine zu kommen. Dann sah sie weg. Schlicht und ergreifend sah Naoe weg, konnte sich diesen identischen Ablauf kaum ansehen. Sie wusste, dass ihr Partner nun blutete, dass Vergo bald dasselbe erfahren würde und alles einen positiven Ablauf nahm. Das war nichts Neues. In diesem Fall jedoch etwas Unerwünschtes.
„Okay!“ Koalas motivierte Stimme riss sie aus den Gedanken, ließ die Revolutionärin erneut hinsehen. Zu ihrer Überraschung stand ihre Freundin dieses Mal hinter dem ehemaligen Vize-Admiral, blieb in Bewegung, achtete zugleich auf ihre Umgebung. Würde der Schütze abdrücken, standen die Chancen mit einem Mal perfekt, dass er verfehlen würde und es nahm Naoe einen Stein vom Herzen, der all ihre Sorgen in den Hintergrund rückte. Der Kampf wurde damit zu einer Hürde, die sie fast genommen hatten.
Sich harsch vom Boden abstoßend, schnellte Vergo nach vorn, wollte aus seiner Zwickmühle ausbrechen und Trafalgar gleichzeitig von der Bildfläche fegen. Er holte mit seinem Bambusstab aus, verfehlte Laws Kopf jedoch knapp. Zu einem zweiten Angriff von unten kam er ebenfalls nicht, denn Koala sorgte mit einer Druckwelle dafür, dass sich sein Arm schmerzlich verdrehte, ihm die Waffe aus der Hand glitt und er gleich darauf ein Knie von seinem Gegenüber ins Gesicht gerammt bekam. Trotz des Rüstungshakis, das er im Laufe des Kampfes an seinem gesamten Körper angewandt hatte, brachte Trafalgar mit seinem Handeln solch eine Wucht mit, dass Vergo kläglich einige Schritte zurückstolpern musste. Koala fing ihn auf halbem Wege ab, verpasste ihm einen Schlag ins Rückgrat, sodass er auf dem Punkt, an dem er zuvor noch gewankt hatte, keuchend zu Boden krachte, mit dem Gesicht nach unten gerichtet. Die Revolutionärin konnte dabei zusehen, wie die Steinplatten rissen, an einigen Stellen zersprangen und sich verschoben. Ihr Gegner blieb infolgedessen reglos liegen, hatte den Kampf damit ganz klar verloren.
Erleichtert durchatmend, versuchte Naoe sich zu sammeln, warf einen Blick zu Law, dem sie gerne näher gewesen wäre. In diesem Augenblick wollte sie sich einfach bedanken, sich in seine Obhut begeben und sich sicher wissen, während Koala sie anführte. Doch Änderungen besaßen ihre Tücken und sie konnte das blitzschnelle, scharfe Rauschen des Projektils hören, als es an ihrem Ohr vorbeiflog. Jedoch nicht in Richtung ihrer Retterin, sondern in die ihrer Allianz.
Noch bevor Naoe etwas sagen, geschweige denn eine Warnung aussprechen konnte, traf die Kugel Trafalgar in der Brust. Sie verschwand in seinem Körper, auf der linken Seite, nahe seines Herzens. Einzig das Blut, welches sein Oberteil tränkte, verriet, dass dort eine Wunde ihren Platz gefunden hatte. Eine, die ihn nach Luft schnappen ließ, ehe er verwirrt eine Hand auf die Verletzung presste und einige Schritte zurücktaumelte. Von Panik gelähmt, war es ihr nicht möglich auf ihn zu zurennen. Hinzukommend streikten ihre Beine, gaben nach, weil die Müdigkeit sie übermannte und die Zeit bereits abgelaufen war. Deshalb konnte sie nur den Blick auf ihn gerichtet halten, dabei zusehen, wie sich weitere Schüsse auf ihm niederließen und noch mehr Eisen in ihm versenkten. Man durchbohrte seine Brust mehrere Male, bis es so schien, als gäbe es keinen freien Fleck Haut mehr. Manche trafen ihn von hinten, durchbrachen Muskelmasse und nisteten sich im Fleisch ein. So lange, bis er auf die Knie fiel, sie ansah, kaum merklich den Kopf schüttelte. Sie konnte nur zusehen, sich nicht mehr bewegen, nur noch leiden. Law wusste in diesen, seinen letzten, Sekunden, was sie dachte und er hieß es nicht gut. Vielleicht, weil er wusste, wie riskant es war und dass es ihr an Kraft mangelte. Aber während er vor ihren Augen starb, nicht mehr in ihr auslöste als eisige Leere, die sie nicht begreifen konnte, fällte sie eine Entscheidung.
Bevor ihr Verstand dieses Szenario wirklich begriff und sie vor Trauer tötete, legte sie lieber selbst Hand an. Schnell genug, um zu wissen, dass all das niemals passiert war.
Man hatte ihr einmal alles genommen, die Familie und das eigene Leben. Sie hatte diese Verluste ziehen lassen. Doch Law an den Tod auszuhändigen sprach gegen ihren Willen, gegen all die Liebe, die sie noch zu geben hatte. Ihre Seele schrie förmlich bei der Idee, warnte sie vor diesem Handeln, wollte sie innerlich bekehren. Allerdings hatte es noch nie jemand geschafft, sie im Sinne ihrer eigenen, selbstsüchtigen Wünsche zu belehren.
Und auf einmal fiel ihr Vergos Aussage wieder ein, als sie ihm durch die Finger gerutscht war. Eines Tages würde ihre Seele um Gnade bitten, aber sie würde keine haben. Er hatte recht.
Sie hatte keine Gnade, denn sie würde dem Tod alles geben, um die Uhr nur fünf Minuten zurückdrehen zu dürfen.
Es galt zu entkommen.
Wissend in welcher Situation sie sich befand, kratzte Naoe ihre letzten Kräfte zusammen, zwang sich dazu, sich langsam in eine sitzende Position zu bringen. Doch ihr Zimmergenosse hatte bereits erkannt, was passiert war. Obwohl sie es gerne angenommen hätte, war er nicht annähernd so dumm wie erhofft. Ehe sie sich versah, hatte er nach dem Hammer gegriffen, der in seiner Hand schrecklich klein wirkte und der ihr die Knochen gnadenlos zertrümmert hatte. Nicht dazu imstande sich wehren zu können, sah sie einfach dabei zu, wie sein massiger Körper sich in ihre Richtung bewegte, groß und erdrückend auf sie wirkte. Es gab keinen Weg, um auszuweichen. Ihre Gliedmaßen waren zu erschöpft, um einen wirklichen Angriff zu bestreiten. War sie etwa ihrem eigenen Tod in die Arme gelaufen?
Dem Fremden lediglich mit den Augen folgend, dachte sie an Koala, an Law, an all die Piraten und Allianzen, die umsonst an diesen Ort kommen würden, wenn sie starb. Erklärte sie ihrem vergangenen Ich einfach was passieren würde, gäbe es kaum einen Weg der Veränderung. Vergo war da und würde warten, was sie auf jeden Fall verhindern musste. Fand sie einen Weg aus der Zelle heraus, noch bevor die Revolutionäre eintrafen, standen die Chancen höher, dass sie entkamen, ohne sich dem Kampf ausliefern zu müssen. Denn egal wie sie es betrachtete, es gab keinen Weg, um in den Angriff einzugreifen oder den Marineverräter aufzuhalten. Generell wirkte jeder Zug beinahe zwecklos. Ihr blieb nur das Beste aus der Situation zu machen und dazu brauchte sie Kraft. Welche, die sie nur noch mit ihrem Willen aufbringen konnte. Selbst wenn es ihr Leben kosten würde, sie musste den Akt verhindern und dafür sorgen, dass Vergo den Kürzeren zog. Genau deswegen durfte sie an dieser Stelle noch nicht sterben. Noch hatte sie eine Aufgabe, einen Wunsch, der sie antrieb.
Während ihr Peiniger langsam in ihre Richtung trampelte, schob Naoe sich langsam auf die Fußspitzen, brachte sich in die Hocke. Ihr Puls raste, wirkte, als würde er jeden Augenblick zerbersten. Zugleich atmete sie schneller, stieß die Luft schon fast hektisch durch den Mund aus, ehe sie den Sauerstoff wieder einsog. Es war heiß, unglaublich heiß binnen dieser vier Wände und die Nervosität drehte ihr alles im Inneren um. Das letzte Gefühl, das sie wirklich spüren konnte, denn alles andere an ihr wirkte schon lange tot und unbewegbar. Noch konnte sie es steuern, sich mit schierer Willenskraft fortbewegen, aber die Zeit lief ab.
Den Hammer fest umschlossen, fixierte er ihre Gestalt, sorgte somit auch dafür, dass ihr vergangenes Ich unsicher versuchte einen Blick hinter den Stuhl zu werfen. Glücklicherweise war sie dazu nicht in der Lage, wusste sich generell kaum zu bewegen.
Sich langsam in eine aufrechte, stehende Position drückend, versuchte die Revolutionärin eine halbwegs günstige Stellung einzunehmen. Es galt schnell auszuweichen, wenn er sie angriff, und irgendetwas vom Foltertisch zu schnappen, womit sie ihn töten konnte. Handlungen, die an sich weniger schwer klangen, als sie wirklich waren und das wusste sie. Trotzdem behielt sie sich diesen einfachen Strang in Gedanken, beobachtete derweil ihren Angreifer, der zwar langsam, doch stetig näher kam. Die Waffe schon fast vorsichtig anhebend, als sei Naoe eine Ratte, die jede Sekunde davonlaufen würde, schien er zu zielen, um sie keineswegs zu verfehlen. Sie hatte keine Ahnung, was seine verzögerten Bewegungen darstellen sollten, doch sie rüstete sich für einen starken Schlag, dem sie nicht zum Opfer fallen durfte. Mittlerweile hatte er das Metall über seinen Kopf gehoben, hielt es am höchsten Punkt an Ort und Stelle. Für einen Augenblick sahen sie sich beide einfach nur an, beobachteten die Regungen des jeweils anderen und als ihr Körper einmal unbewusst zuckte, griff er an. Sausend schnellte das Werkzeug herunter, genau auf sie zu. Ein schrecklich vorhersehbarer Zug, dem sie mit einem einfachen, seitlichen Schritt ausweichen wollte. Es mochte knapp werden, aber es würde reichen. Deshalb setzte sie einen Fuß zur Seite, wollte gerade das Gewicht verlagern, als eine bebende Erschütterung ihr den Halt nahm. Wegknickend stieß Naoe gegen den Stuhl, auf dem ihr vergangenes Ich scharf die Luft einsog.
Sich an der Lehne festhaltend, sah die Revolutionärin dabei zu, wie ihr Peiniger genauso wenig das Gleichgewicht seiner Masse halten konnte. Seine Knie waren nicht dazu in der Lage den Schwung abzubauen, gaben durch die hinzukommende Erschütterung nach, weshalb er wuchtig zu Boden fiel. Die Waffe glitt ihm dabei ungeschickt aus der Hand, rutschte von ihm weg, was Naoe nutzte, um einen Gegenschlag auszuführen. Noch ehe er sich auf seine Arme stützen konnte, hatte sie das kalte Metall bereits erreicht, sammelte es auf.
Trotz all der Muskeln, die der Körper ihres Gegenübers besaß, konnte er sich nur schwerlich in eine sitzende Position bringen. All das zusätzliche Gewicht auf seinen Knochen hatte ihn langsam gemacht und in diesen Sekunden gab es keinen größeren Segen für sie. Eilig, schrecklich zielgenau, kam sie ihm näher, holte aus, schlug zu. Mit der flachen Seite des Hammers gab sie ihm das zurück, was er ihr während der Folter gegeben hatte. Schmerzen, unglaubliche, unaufhaltsame Schmerzen, die ihn töten würden. Schwungvoll landete das Metall auf seinem Kopf, hinterließ ein brechendes Geräusch und stellte Widerstand dar, der sie förmlich abfederte. Ein Teil dieser Kraft schoss durch ihren Arm, half ihr dabei das Werkzeug noch einmal anzuheben und noch einmal zuzuschlagen. Da ihr Gegner jedoch mit einem schmerzverzerrtem Aufschrei das Haupt in den Nacken riss, die Hände schneller als erwartet auf die Wunde presste, um die Blutung zu stoppen, landete ihr Schlag in seinem Gesicht. Noch während sich das Gewicht in seine Haut drückte, quollen seine Augen hervor, während sich seine Nase sichtlich zur Seite bog. Sie brach mit einem Ruck, bewegte sich dabei, als sei ein Gummiband gerissen. Was folgte, war noch mehr rote Flüssigkeit, die in ansehnlichen Perlen durch die Luft schwebte, ehe sie massenhaft zu Boden floss. Die Menge seines Blutes ließ sein wehleidiges Klagen in einem erstickten Glucksen sterben, ihn rücklings umfallen und bewegungslos verharren.
Den Hammer fallen lassend, atmete Naoe einmal tief durch, konnte die ängstliche Stoßatmung ihres vergangenen Daseins hören. Sie musste weitermachen, denn zu allem Überfluss hatte sich mehr verändert als die simple Tatsache, dass sie in der Zeit zurückgegangen war. Aus unempfindlichen Gründen griffen ihre Helfer früher an als zuvor. Minuten, die sie dringend gebraucht hätte, jedoch nicht bekam. Unsicher über die Situation nachdenkend, fielen ihre Gedanken zu Joris. Alle Veränderungen, die sie einläutete, hatte er irgendwann einmal gesehen. Wenn er wusste, was mit Koala passieren würde, dann hatte er selbst gewisse Pläne in dieser Hinsicht, um sie zu retten. Aber was hatte er vor? Welchen Weg wollte er mit diesen winzigen Minuten gehen?
Kopfschüttelnd verdrängte sie die Gedanken, atmete noch einmal durch, versuchte sich zusammenzureißen. Müdigkeit machte sich in ihr breit, erschwerte ihr das Offenhalten der Augen. Ihre Zeitspanne wurde mit jeder Sekunde knapper, weshalb sie sich beeilen musste.
Ihrem zweiten Ich den Kopf herunterdrückend, beugte Naoe sich zu dem Foltertisch, schnappte sich ein Messer, mit dem man ihr die Haut einst eingeritzt hatte. Sie nutzte es, um es an der Kehle ihrer Vergangenheit anzulegen, innerlich darum zu betteln, dass man ihr eines Tages Vergebung schenken würde. Dann zog sie es einmal mit viel Druck von rechts nach links, blendete die wimmernden Hilferufe ihrer jüngeren Version aus. Sie konnte nicht hinsehen, spürte nur, wie sie durch das Fleisch ihres Opfers schnitt, sich selbst das Leben nahm, um zu überleben. Ein groteskes Handeln, das sie niemals verstehen würde. Der Körper auf dem Stuhl versuchte sich anfänglich noch zu wehren, verlor jedoch binnen Sekunden so viel Blut, dass kurz darauf keine einzige Regung mehr stattfand. Was folgte, war die zerreißende, zwanghafte Leere, die sie erreichte. Eine, der sie kaum standhalten konnte.
Aufstöhnend fasste Naoe sich an den Kopf, hatte das Gefühl er würde zerspringen. Gleichzeitig griff sie nach ihrem Dial, setzte es an und noch bevor ihre Erinnerungen in ungreifbare Entfernung schwanden, drückte sie ab, holte sich die Bilder zurück und versuchte sich zugleich in denselben Sekunden die dazugehörigen Gefühle einzuprägen. Die Folge war ein innerliches Chaos, Emotionen, die ihr den Magen umdrehten, sie zum Würgen brachten. Der Geruch von süßem Metall biss in ihrer Nase, reizte die Galle in ihrem Hals, doch sie hielt ein. Langsam auf die Knie gehend, wippte sie einheitlich vor und zurück, versuchte die Welle des Vergessens und der gleichzeitigen Erinnerung schlicht zu überleben. Als würden die bereits vorhandenen Scherben in ihrem Kopf splittern, bohrte sich das unangenehm pochende Gefühl in jede Ecke ihres Verstandes. Alles verging, kam zurück, wurde mit verworrenen Gefühlen übersät.
Und sie tat es nur, weil sie nicht vergessen wollte. Die letzten Aufträge, die Liebe zu Law, die gemeinsame Nacht mit ihm, die sie beide bewusst wahrgenommen hatten – all das sollte nicht gehen, musste bleiben. Vielleicht konnte sie es nicht behalten, doch auf diese Weise konnte sie es ersetzen, als sei es niemals fort gewesen.
Lediglich dieser simple Gedanke beruhigte die Unruhe in ihrem Kopf. Die Übelkeit zog sich allmählich zurück und auch der eintretende Schwindel war nur von kurzer Dauer. Was zurückblieb, war ganz allein Naoe, sitzend auf dem Boden, umgeben von einem roten Teppich aus Blut.
Es ließ sie den Kopf einen Augenblick lang in den Nacken legen, die Gefühle auf sich einwirken, ehe sie sich wieder erhob, schwer auf der Stuhllehne abstützte. Sie war noch nicht am Ende, musste weiter voran.
Mühsam setzte die Revolutionärin einen Fuß vor den anderen, brachte sich zur Tür, die sich mit Leichtigkeit öffnen ließ. Sie brauchte den schweren Stahl nur einen Spalt weit zu öffnen, damit ihr die lauten Sirenen und panischen Ausrufe der Marine entgegenkamen. Sie tummelten sich auf dem Korridor, bogen in verschiedene Richtungen ab, verschwanden hinaus aufs Schlachtfeld. Den Aufruhr nutzend, schlüpfte sie auf den Gang, schlug die Richtung ein, die sie zuvor gemeinsam mit Koala gegangen war. Auch dieses Mal nahm sie die Wand als Stütze, brachte sich langsam voran, warf immer wieder einen Blick über die Schulter. Sie durfte auf keinem Fall Akainu über den Weg laufen, oder Vergo. Beide Männer wären ihr Untergang, so viel stand fest. Deshalb versuchte sie achtsam zu sein, schlich in ihrem besten Ermessen und folgte den Abzweigungen entlang zu der Fensterfront, an der sie die Schlacht schon einmal bewundert hatte. Etwas, wozu sie sich dieses Mal nicht in der Lage sah.
Müde schnaufend lehnte Naoe sich einen Moment lang an die Wand, ruhte sich aus, schloss die Augen. Es war nicht mehr weit und obwohl alles einen anderen Weg einzuschlagen schien, schreckte sie hilflos zusammen, als man ihren Namen rief. Lautstark verlangte man nach ihr, sodass sich ihre Lider schon fast automatisch wieder hoben. Was sie sah war Sorge und zugleich Erleichterung, die schon einmal verblasst war.
„Naoe! Ich habe dich schon gesucht!“ Vor ihr blieb Koala stehen, leicht außer Puste doch noch immer bereit das gesamte Gebäude bei Bedarf einzureißen. „Du siehst grauenhaft aus.“
„Du wirkst nicht annähernd so geschockt, wie beim ersten Mal.“ Verwundert die Brauen hebend, betrachtete Naoe ihr Gegenüber, musterte sie von oben bis unten.
„Joris sagte mir bereits, was passiert ist. Runde zwei also, hm? Ich weiß nicht, was ihr beide plant, aber er wirkte angespannt. Er sagte mir, dass ich gestorben bin und dass du folglich gerade an einer Veränderung arbeitest, aber da war noch irgendetwas anderes.“
„Wer weiß.“ Unwissend mit den Schultern zuckend, reagierte die Revolutionärin auf die Aussage ihrer Freundin, wandte den Blick aus dem Fenster, begutachtete das Morden auf dem Platz.
Es wirkte nicht mehr annähernd so heldenhaft, wie beim ersten Mal. Vermutlich, weil sie beim ersten Durchgang froh über das Erscheinen der Hilfe war. Doch dieses Mal hatte sie Angst. Versagten sie irgendwo noch einmal, wäre ihr Plan gescheitert und damit wäre auch ihr Opfer völlig umsonst gewesen.
„Also...wir müssen da runter.“ Dem Schauspiel noch etwas folgend, dabei zusehend wie naiv manch einer dem Tod in die Arme lief, wandte Naoe sich an Koala.
„Müssen wir. Ich werde mich diesmal darum kümmern.“
„Wie? Willst du etwa springen?“
„In der Tat!“ Überzeugt von ihrer Stärke, legte Koala die flache Hand auf die Scheibe, schien mit einer winzigen Bewegung so viel Druck auszuüben, dass das Glas zersprang. Die spiegelnden Scherben zogen Naoe dabei in ihren Bann, wenn auch nur für einen Atemzug. Sie erinnerten an die zerbrochenen Bilder in ihrem Kopf, auf denen sie tanzte, als sei es das Normalste der Welt.
Über diese Splitter musste sie allerdings nicht gehen, denn ihre Begleitung nutzte den ungeachteten Moment, um sie hochzuheben. Fest an Beinen und an Brust gesichert, raubte man ihr den Boden, trug sie vor dem Oberkörper her und sprang. Über das Fenstersims hinweg, hinaus in die Freiheit. Dabei war es für Koala ein Einfaches genug Kraft aufzubringen, um weit in die Menge hineinzufliegen. Der Wind, der Naoe dabei über Haut und Haare strich, kratzte in ihren Augen, in ihrem Hals und auch schien die Wärme mit jeder Sekunde anzusteigen.
Der stickige Geruch von Rauch, kombiniert mit der unangenehmen Hitze des Feuers, ließ sie kurz husten, nach Luft schnappen. Schreie drangen derweil an ihre Ohren und das Einatmen löste ein unangenehmes Brennen in ihren Lungen aus, das stetig schlimmer wurde.
Als ihre Rettung schlussendlich landete und losrannte, um aus der Schusslinie eines jeden zu finden, konnte die Revolutionärin nicht mehr tun, als dem Chaos erneut Aufmerksamkeit zu schenken. Noch immer wirkte es so, als würden die Soldaten der Marine wie weiße Flocken aus der Menge hervorstechen. Teilweise hilflos, teilweise überfordert mit den Umständen. Stimmen ballten sich in der Luft, rauschten an ihr vorbei, als seien sie nur ein Flüstern im Wind. Zwischen all dem Stress und dem vielen Blutvergießen war es schon fast entspannend die Dinge kaum noch wirklich wahrnehmen zu können – bis zu diesem einen Punkt, an dem sie Laws Stimme klar und deutlich in dem Schwall hören konnte. Suchend den Blick von einer Richtung in die andere gleiten lassend, konnte sie ihn nicht ausfindig machen. Koalas Tempo sorgte dabei für wenig Hilfe, gab ihr keine Zeit, um die Lücken zu analysieren.
Es als Gegebenheit hinnehmend, wollte sie sich gerade nach vorn wenden, den Blick in die Zielrichtung wenden, als das plötzliche Aufwirbeln von Dreck und Steinen ihre Freundin zum Anhalten zwang. In einer flüssigen Bewegung setzte man Naoe dabei ab. So wie es aussah, gab es keinen Weg des Weiterkommens, wenn sie nicht erst etwas anderes erledigten.
Etwas, das sie anhand der Waffe sehen konnte, die wenige Meter vor ihnen im Boden eingeschlagen war.
Vergo hatte sie gefunden.
„Dir ist klar, dass ich dich nicht gehenlassen kann.“
Den Blick vom Bambusstab abwendend, lenkten beide Revolutionärinnen ihre Sicht zur Seite, bemerkten, wie ihr Gegner langsam zu ihnen schlenderte. Seine eisige Miene war keinerlei Abwechslung zu der von Sakazuki, was vor allem in Koala Alarm auslöste. Sich für einen Kampf positionierend, beobachtete sie ihren Feind, ließ ihn nicht eine Sekunde lang aus den Augen.
„Ich bin einen Deal mit der Marine eingegangen, weil-“
„Ist mir echt völlig egal!“ Genervt den Kopf hängen lassend, unterbrach Naoe Vergo. Ein einfacher Akt, der ihn furchtbar ärgerte, da sie ihm damit erneut pure Respektlosigkeit entgegenbrachte.
Tiefe Furchen gruben sich zwischen die Augen des ehemaligen Vize-Admirals, drückten aus, wie ernst es ihm in diesen Sekunden sein musste. Zugleich rang er innerlich um Beherrschung, das wusste sie. Er hatte ein ganz klares Ziel, das er nicht verlieren durfte und Naoe konnte nicht mehr tun, als sich auf Koala zu verlassen. Doch bevor irgendjemand wirklich den ersten Schritt zum Kampf setzte, spitzte sich die Lage noch ein wenig zu.
„Ich hätte dich eigenhändig töten sollen, um sicherzugehen.“
Entsetzt über die Schulter schauend, erblickte Naoe ihre Allianz, durchaus verärgert und sichtlich genervt von der Tatsache, dass Vergo noch lebte.
„Law.“ Abgeneigt entwich dem Marineverräter ein Schnaufen, ehe er so tat, als wäre niemals etwas gewesen. „Ohne Smoker hättest du damals keine Chance gegen mich gehabt. Dein Sieg war Glück. Nicht mehr und auch nicht weniger.“
„Das können wir gerne herausfinden.“ Law war es, der in diesem Fall den ersten Schritt tätigte, Vergo provozierte, sodass dieser seinen Stab wieder an sich nahm und sich voll und ganz dem Geschehen zuwandte. Kurz darauf stieß er sich ab, steuerte den Piraten an, der auf Anhieb verteidigte. Binnen eines Wimpernschlages hatte Vergo ihren Partner erreicht und schmetterte seine Waffe auf die Klinge des Schwertes, welches Trafalgar standhaft zur Verteidigung benutzte. Er konnte der Wucht standhalten, schien stärker geworden seit dem Kampf auf Punk Hazard.
Schwungvoll wehrte ihre Allianz den ersten Angriff ab, blockte Vergo und holte zum Gegenschlag aus. Das metallische Scheppern der Waffen tönte unangenehm laut auf, ließ Naoe die Zähne zusammenbeißen. All diese Handlungen, der Kampf und die Bewegungen, sie unterschieden sich kaum vom ersten Mal und es machte ihr Angst. Auch wenn Koala um ihr Schicksal wusste, es garantierte keine Sicherheit für ein Überleben.
Nebenbei stieß Vergo ihrem Partner mit der flachen Hand vor die Brust, sorgte somit dafür, dass Law den Boden unter den Füßen verlor. Schmerzhaft mit dem Rücken aufschlagend, nutzte er den Schwung, um sich gleichzeitig vom Boden abzustoßen und wieder auf die Beine zu kommen. Dann sah sie weg. Schlicht und ergreifend sah Naoe weg, konnte sich diesen identischen Ablauf kaum ansehen. Sie wusste, dass ihr Partner nun blutete, dass Vergo bald dasselbe erfahren würde und alles einen positiven Ablauf nahm. Das war nichts Neues. In diesem Fall jedoch etwas Unerwünschtes.
„Okay!“ Koalas motivierte Stimme riss sie aus den Gedanken, ließ die Revolutionärin erneut hinsehen. Zu ihrer Überraschung stand ihre Freundin dieses Mal hinter dem ehemaligen Vize-Admiral, blieb in Bewegung, achtete zugleich auf ihre Umgebung. Würde der Schütze abdrücken, standen die Chancen mit einem Mal perfekt, dass er verfehlen würde und es nahm Naoe einen Stein vom Herzen, der all ihre Sorgen in den Hintergrund rückte. Der Kampf wurde damit zu einer Hürde, die sie fast genommen hatten.
Sich harsch vom Boden abstoßend, schnellte Vergo nach vorn, wollte aus seiner Zwickmühle ausbrechen und Trafalgar gleichzeitig von der Bildfläche fegen. Er holte mit seinem Bambusstab aus, verfehlte Laws Kopf jedoch knapp. Zu einem zweiten Angriff von unten kam er ebenfalls nicht, denn Koala sorgte mit einer Druckwelle dafür, dass sich sein Arm schmerzlich verdrehte, ihm die Waffe aus der Hand glitt und er gleich darauf ein Knie von seinem Gegenüber ins Gesicht gerammt bekam. Trotz des Rüstungshakis, das er im Laufe des Kampfes an seinem gesamten Körper angewandt hatte, brachte Trafalgar mit seinem Handeln solch eine Wucht mit, dass Vergo kläglich einige Schritte zurückstolpern musste. Koala fing ihn auf halbem Wege ab, verpasste ihm einen Schlag ins Rückgrat, sodass er auf dem Punkt, an dem er zuvor noch gewankt hatte, keuchend zu Boden krachte, mit dem Gesicht nach unten gerichtet. Die Revolutionärin konnte dabei zusehen, wie die Steinplatten rissen, an einigen Stellen zersprangen und sich verschoben. Ihr Gegner blieb infolgedessen reglos liegen, hatte den Kampf damit ganz klar verloren.
Erleichtert durchatmend, versuchte Naoe sich zu sammeln, warf einen Blick zu Law, dem sie gerne näher gewesen wäre. In diesem Augenblick wollte sie sich einfach bedanken, sich in seine Obhut begeben und sich sicher wissen, während Koala sie anführte. Doch Änderungen besaßen ihre Tücken und sie konnte das blitzschnelle, scharfe Rauschen des Projektils hören, als es an ihrem Ohr vorbeiflog. Jedoch nicht in Richtung ihrer Retterin, sondern in die ihrer Allianz.
Noch bevor Naoe etwas sagen, geschweige denn eine Warnung aussprechen konnte, traf die Kugel Trafalgar in der Brust. Sie verschwand in seinem Körper, auf der linken Seite, nahe seines Herzens. Einzig das Blut, welches sein Oberteil tränkte, verriet, dass dort eine Wunde ihren Platz gefunden hatte. Eine, die ihn nach Luft schnappen ließ, ehe er verwirrt eine Hand auf die Verletzung presste und einige Schritte zurücktaumelte. Von Panik gelähmt, war es ihr nicht möglich auf ihn zu zurennen. Hinzukommend streikten ihre Beine, gaben nach, weil die Müdigkeit sie übermannte und die Zeit bereits abgelaufen war. Deshalb konnte sie nur den Blick auf ihn gerichtet halten, dabei zusehen, wie sich weitere Schüsse auf ihm niederließen und noch mehr Eisen in ihm versenkten. Man durchbohrte seine Brust mehrere Male, bis es so schien, als gäbe es keinen freien Fleck Haut mehr. Manche trafen ihn von hinten, durchbrachen Muskelmasse und nisteten sich im Fleisch ein. So lange, bis er auf die Knie fiel, sie ansah, kaum merklich den Kopf schüttelte. Sie konnte nur zusehen, sich nicht mehr bewegen, nur noch leiden. Law wusste in diesen, seinen letzten, Sekunden, was sie dachte und er hieß es nicht gut. Vielleicht, weil er wusste, wie riskant es war und dass es ihr an Kraft mangelte. Aber während er vor ihren Augen starb, nicht mehr in ihr auslöste als eisige Leere, die sie nicht begreifen konnte, fällte sie eine Entscheidung.
Bevor ihr Verstand dieses Szenario wirklich begriff und sie vor Trauer tötete, legte sie lieber selbst Hand an. Schnell genug, um zu wissen, dass all das niemals passiert war.
Man hatte ihr einmal alles genommen, die Familie und das eigene Leben. Sie hatte diese Verluste ziehen lassen. Doch Law an den Tod auszuhändigen sprach gegen ihren Willen, gegen all die Liebe, die sie noch zu geben hatte. Ihre Seele schrie förmlich bei der Idee, warnte sie vor diesem Handeln, wollte sie innerlich bekehren. Allerdings hatte es noch nie jemand geschafft, sie im Sinne ihrer eigenen, selbstsüchtigen Wünsche zu belehren.
Und auf einmal fiel ihr Vergos Aussage wieder ein, als sie ihm durch die Finger gerutscht war. Eines Tages würde ihre Seele um Gnade bitten, aber sie würde keine haben. Er hatte recht.
Sie hatte keine Gnade, denn sie würde dem Tod alles geben, um die Uhr nur fünf Minuten zurückdrehen zu dürfen.