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Copy Paste: Fenster der Vergangenen

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Romance / P18 / Het
Eustass Kid OC (Own Character) Sakazuki / Akainu Trafalgar D. Water Law Vergo
03.01.2018
16.09.2018
59
179.878
38
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Dieses Kapitel
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17.08.2018 3.505
 
„Was redest du da?“ Leiste zischte sie ihm im mahnenden Ton die Frage entgegen. „Was sieht für dich in diesem Fall wie Freude aus, Law?“
„Sieh sie dir an.“ Ruhig forderte er sie auf, nickte in Livs Richtung. Eine Geste, der Naoe nur widerwillig folgte. Erneut heftete sich ihr Blick auf diesen kleinen, geschundenen Körper. Durchaus, er war geschunden, übersät mit kleinen Verletzungen, die sie tatsächlich stutzig werden ließen. Schob sie ihren Drang helfen zu wollen beiseite und betrachtete dieses Kind so nüchtern wie möglich, dann war das, was übrig blieb ein Bild, das ihr völlig entgangen war. Blaue Flecken, so wie Liv sie trug, entstanden nicht binnen weniger Minuten oder Stunden. Sie brauchten mehr Zeit, um so der blau-grünen Färbung gerecht zu werden. Damit stand auch fest, dass dieses Farbenspiel auf ihrem Körper älter sein musste und es jagte Naoe einen Schauen über den Rücken. Wenn tatsächlich dieser Mann dafür verantwortlich war, dann machte Laws Aussage einen Sinn.
Sich langsam zu ihrer Allianz umdrehend, presste sie kurz die Lippen aufeinander, drückte dann jedoch ihre Sorge aus. „Du meinst, dass er sie geschlagen hat und sie deshalb froh darüber ist, dass er tot ist?“
Kaum merklich schüttelte er den Kopf. „Die Hämatome befinden sich hauptsächlich im Bereich ihrer Handgelenke und Beine. Das Gesicht hat man versucht zu schützen, damit sie ansehnlich bleibt. Betrachtet man den Grad der Verfärbungen, wird klar, dass viel Druck ausgeübt wurde. Sie wurde dazu gezwungen, sich nicht zu viel zu bewegen und gegen ihren Willen an einer Stelle zu verharren. Wenn du genau hinsiehst, kannst du vor allem Eindrücke von Daumen zwischen Speiche und Elle sehen.“
Während Trafalgar ihr eine Erklärung lieferte, wandte Naoe sich zurück zu Liv, die noch immer auf den Toten am Boden starrte. Ihr Partner hatte mit allem, was er sagte, recht. Das Kleid reichte nur bis zu den Knien, war an der Front sogar ein winziges Stück kürzer. Helle, gelbliche Flecken bildeten sich dort ab, bewiesen, dass sie vielleicht noch sehr viel weiter hoch reichten.
Obwohl ihre Arme, Handgelenke und Hände sich an den Teddy pressten, konnte sie nicht vermeiden immer mal wieder erneut zuzugreifen – als wäre der Bär zu schwer für sie. Dabei stachen der Revolutionärin sofort die von Law benannten Eindrücke ins Auge, die sie kaum merklich scharf die Luft einsaugen ließen. Es sah schmerzhaft aus, sorgte dafür, dass sie sich unbewusst selbst an die Gelenke fasste. Ein unangenehmes Prickeln breitete sich auf ihrer Haut aus, vermittelte Naoe ein Gefühl, das sie von sich schütteln wollte, doch einfach nicht los wurde.
„Ich kann mir denken...worauf du hinaus willst...“ Schwer schluckend manifestierte sich langsam ein Bild in ihrem Kopf, widerte sie an, drehte ihr den Magen um. „Trotzdem will ich das nicht glauben. Wie alt ist sie? Neun? Zehn? Wer tut so was?“
„Derjenige, der sein Leben dafür lassen musste.“
„Ich kann helfen. Ich kann dafür sorgen, dass all das niemals passiert.“ Die aufkeimende Hoffnung in ihrem Inneren suchte nach Bestätigung, traf bei ihrer Allianz jedoch auf kalte Abweisung.
„Wie weit willst du zurückgehen? Willst du diesen Mann eigenhändig töten, um das Mädchen zu beschützen? Was wird dann aus dieser Familie? Denkst du, es wird das Leben dieses Kindes besser machen? Naoe, ich bitte dich. Manchmal muss man die Dinge so akzeptieren, wie sie kommen.“
„Aber sie ist noch ein Kind.“ Innerlich spürte sie ihr Herz brechen, fühlte, dass sie die Situation quälte. Selbst hatte sie als kleines Mädchen genug gelitten und ihr Partner war nicht besser davongekommen. Beide waren sie gezwungen zu akzeptieren. Er, weil er zu viele bedeutende Dinge getan hatte, sie, weil sie es bereits ruiniert hatte. Doch bedeutete das auch, dass sie die Gelegenheit in diesem Fall ziehen lassen musste?
„Naoe.“ Seufzend legte er eine Hand auf ihre Schulter, brachte ihren Körper voller Unglauben zum Beben. „Selbst wenn du es veränderst, eines Tages kommt vielleicht der Moment, in dem sie sich wieder daran erinnert. Sie ist jung und wenn diese Erinnerung zurückkommt, wird sie nicht unterscheiden können, was real ist und was nicht. Du merkst es vielleicht selbst nicht, doch eine Veränderung, die eine Realität überschreibt, um eine Neue zu schaffen, ist enorm brüchig. Nicht jeder kann sich denken, was passiert ist.“

Ihre Allianz wusste, wovon er sprach. Sie hatte ein Event verändert, an das er sich schlussendlich wieder zu erinnern wusste. Er hatte nicht ganz unrecht damit, dass sie keine Ahnung hatte, wie sich diese Sekunden der Unsicherheit anfühlten. Als Teufelsfruchtnutzerin war ihr klar, dass es bei jeder Änderung zwei Versionen gab. Niemals musste sie infrage stellen, welche Wirklichkeit wohin gehörte. Es erschloss sich ihr von selbst und genau an diesem Punkt lag das Problem.
Liv war jung, verstört und würde Naoe in genau diesem Moment die Gegenwart verändern, glich es einer instabilen Wand, welche die unschönen Dinge fern hielt. Niemand konnte sagen, für wie lange es sein würde und letztlich konnte niemand dieses Kind beschützen. Nicht einmal diese Frau, die noch immer am Türrahmen kauerte und Liv keines Blickes würdigte.
„Ich kann nicht gehen, ohne zu wissen, was passiert ist...“ Die Arme fest vor der Brust verschränkt, atmete Naoe einmal tief durch. „Ich möchte ihr zumindest diese Starre nehmen.“
„Wie?“ Skeptisch sah er sie an, hob eine Braue, vermittelte ihr damit, dass in seinen Augen jegliche Handlung vergebene Liebesmüh war.
„Ich will etwas ausprobieren. Fünf Minuten...mehr werde ich hoffentlich nicht brauchen. Und danach...gehen wir. Wir gehen einfach.“
Seufzend entgegnete man ihr mit einer wegwerfenden Handbewegung. Law war keineswegs begeistert von ihrem Handeln. Aber sie wollte nicht locker lassen. Wenn sie Liv die Erinnerung nicht nehmen konnte, dann wollte sie die kleinen Fragmente dieser vergangenen Tage teilen und ihr das Gefühl geben, dass sie nicht allein war, dass ihre Einstellung völlig in Ordnung war.
Folglich kam sie dem Mädchen wieder etwas näher, kniete sich zu ihr herunter. Ihre Teufelsfrucht konnte viel, war mächtig und vielleicht nicht vollkommen ergründet. Sie konnte Fenster in die Vergangenheit öffnen, hindurchsteigen und Dinge verändern. Was war, wenn sie auch Fenster in den Köpfen der Menschen öffnen konnte, um das Geschehene einfach zu beobachten?
Mit diesem einfachen Gedanken legte sie eine Hand an die Wange ihres Gegenübers, drehte ihren Kopf sachte zur Seite, sodass sie sich ansahen. Der tote Blick Livs erschütterte sie dabei einen Augenblick lang, ließ ein drückendes Gefühl in Naoes Brust aufleben, ehe die Revolutionärin sich wirklich ihrer Aufgabe widmen konnte. Die Lider senkend, ließ sie die Dunkelheit auf sich einwirken, konzentrierte sich auf die Berührung, die sie mit ihrem Ziel verband. Ein Kribbeln entstand in ihren Händen, wies sie darauf hin, dass ein Fenster geöffnet werden konnte und Naoe leitete diese Macht durch ihre Fingerspitzen in den Körper des Mädchens. Sie wollte sehen, was Liv am meisten zerfraß, hatte ein Ziel in den verworrenen Erinnerungen des Mädchens. Die Suche konsumierte ihre Kraft, zehrte an ihr, brachte ihr Kopfschmerzen, die sie nicht kannte. Tatsächlich verbrauchte dieser feinfühlige Akt beinahe all ihre Reserven auf einmal, trug sie hinfort und schnürte ihr damit die Kehle zu. Zugleich vermittelte man ihr ein Bild. Eines, das sie neben Liv stehen ließ, in einer Vergangenheit, in der sie keine Rolle spielte. Sie war nicht mehr als ein stummer Zuschauer, den niemand sehen oder hören konnte. Doch sie fühlte, fühlte die Angst im Körper dieses Kindes, die sich ihr aufdrängte und sie zu zerfressen schien. Dieses Fenster verband sie, teilte die Gefühle gerecht auf zwei Parteien auf.

Es war wenige Stunden zuvor, als Liv in den Schubladen des Arbeitszimmers ihres Stiefvaters herumwühlte. Naoe konnte es sehen, das raue Papier und das kalte Holz förmlich selbst spüren und auch erhielt sie alle Erinnerungen, die für diese Szene eine Rolle spielten. Beinahe, als sei sie selbst dieses verlorene Mädchen im süßen Kleid, bewaffnet mit einem Stoffbären.
Ihre Mutter hatte diesen Mann nach einer gescheiterten ersten Ehe geheiratet, um das Leben lebenswerter zu machen. Er besaß Geld und ein schönes Haus, konnte beide versorgen, ohne, dass sie auf irgendetwas verzichten mussten. Auf den ersten Blick wirkte es so, als hätte diese Frau es für ihr Kind getan, doch schlussendlich wurde schnell klar, dass es nur um das eigene Wohlbefinden ging. Liv war ein ungewolltes Kind, ein Unfall, der Naoes Kundin in die erste Ehe gezwungen hatte. Aus Spaß wurde bitterer Ernst, den niemand tragen wollte. Streit überschattete das Leben und sechs Jahre nach Livs Geburt folgte die Scheidung.
Ihre Mutter war hübsch, keine Frage. Deshalb war das Suchen und Finden eines neuen Mannes etwas Einfaches für sie. Der Start war perfekt, nahezu traumhaft und die Revolutionärin konnte spüren, wie glücklich dieses Kind war. Sie hatte sich zu diesem Zeitpunkt geborgen gefühlt, geliebt und beschützt von jemandem, den sie gerne ihren Vater nennen wollte. Ein warmes Gefühl wanderte beinahe täglich durch ihre Brust, bis die Ehe eintrat. Plötzlich veränderte sich das Gesamtbild, in dem ihre Mutter kaum noch zu Hause war, das teure Leben der Reichen genoss und sie zurückließ. Die Tage wurden grauer, dieses kleine Mädchen zwei Jahre älter und an ihrem achten Geburtstag kam ihr Vater früher nach Hause, mit Schmuck als Geschenk.
Dann brach die beiläufige Erinnerung ab und übrig blieb das aktuelle Geschehen, in dem das Mädchen in den Sachen ihres Stiefvaters herumwühlte. Irgendetwas in ihrer Brust brannte, spiegelte Hass und Angst wider, die Naoe nicht verstehen konnte. Alles wirkte perfekt, sah man von den Flecken auf ihrem Körper ab.
Abwartend auf der Türschwelle stehend, ließ die Revolutionärin den Blick wandern, begutachtete die ländlichen Bilder an den Wänden und auch das Chaos auf dem Schreibtisch. Es hatte etwas Ruhiges und zugleich furchtbar Unordentliches an sich, sodass ihr ein leichtes Schmunzeln über die Lippen huschte. Es erinnerte sie ein wenig an Laws Arbeitsplatz, der in letzter Zeit alles andere als strukturiert wirkte. Die Bücher standen perfekt sortiert in ihren Regalen und alles andere hatte einen festen Platz. Aber der Schreibtisch versank unter Karten, Stiften und noch mehr Büchern, die einem sortierten Chaos glichen. Ihre Allianz fand sich darin zurecht, für sie selbst wirkte es jedoch wie ein Schlachtfeld der Koordinaten und medizinischen Unterlagen.
Den Gedanken mit einem Lächeln verwerfend, sah Naoe weiterhin dabei zu, wie Liv sich durch die Schubladen wühlte, bis sie fand, was sie suchte. Kaltes Metall schmiegte sich an ihre Finger, wog schwer in dieser winzigen Hand. Es war eine kleine, für einfache Männer recht praktische, Schusswaffe. Nichts Besonderes aber zugleich auch nichts, das ein zehnjähriges Mädchen in den Händen halten sollte. Das gerechte Gewissen wurde jedoch von Erleichterung und Hoffnung beiseitegeschoben. Liv freute sich über den Fund, sah einen Ausweg aus einem Leben, das gar nicht so schlecht aussah.

Ihre kurzen Beinchen trugen sie an Naoe vorbei, die Stufen hinunter in das Wohnzimmer, in dem der Mann gestorben war. Den Teddy fest an die Brust gedrückt, presste Liv sich mit dem Rücken gegen die Holzwand direkt neben der Tür, sodass es schmerzte. Die Stiche im Rücken waren unangenehm, verleiteten die Revolutionärin dazu den Mund zu verziehen.
Nur langsamen Schrittes folgte sie dem Mädchen, trat in den noch sauberen Raum, wartete ab. Gemeinsam mit Liv ließ sie die Zeit vergehen, konnte etwas in sich aufwallen spüren, doch konnte sie es nicht ergreifen. Noch schien es zu weit weg. Eine Erinnerung, die sich noch nicht zeigen wollte, eine, die das Gesamtbild noch nicht zu füllen vermochte.
Naoe spürte, wie die Zeit sich binnen weniger Atemzüge vorspulte, zu dem Ereignis überging, das von Bedeutung war. Die Haustür fiel lautstark ins Schloss, wurde abgelöst durch hörbare Schritte, die auf dem Holzboden ein Klacken beim Auftreten hinterließen. Sah sie zur Seite, so konnte sie den Mann sehen, dessen letzte Minuten langsam verstrichen. Gekleidet in einen maßgeschneiderten Anzug, stellte er seine Tasche auf der Treppe ab, löste seine Krawatte ein wenig und ging weiter voran. Ihr Herz schlug höher, genauso wie das von Liv, die leise zu sich selbst betete. Sie suchte nach Vergebung und neuer Hoffnung, einem Leben, das sie mit Freuden in die Arme schließen würde.
Als ihr Stiefvater den Raum betrat, bemerkte er sie nicht. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet und die leichten Grübchen um seine Augen herum ließen ihn beschäftigt, gar völlig in Gedanken versunken wirken. Deswegen schwankte Naoes Sicht zurück zu Liv, die sich langsam von der Wand löste, als sei sie zuvor ein Teil davon gewesen. Wenige Zentimeter ging sie voran, richtete die Waffe auf ihn. Das Bild prägte sich im Kopf der Revolutionärin ein, wirkte unwirklich, völlig falsch. Dieses zehnjährige Mädchen stand einfach dort, hielt ihren geliebten Teddy in der einen und die Pistole in der anderen Hand. Den Blick starr auf ihre Vater gerichtet, begrüßte sie ihn mit einer zuckersüßen, zugleich völlig leeren Stimme. So leise, so bedrohlich. „Hi, Dad.“
Ihm fiel ihre sanfte Stimme sofort auf, sodass er sich perplex zu ihr umdrehte, die Waffe bemerkte und höhnisch die Mundwinkel hob. Seine Worte füllten beinahe hochnäsig, gar arrogant den Raum, während der Hass in Livs Brust stieg. „Liv, ich bitte dich, meine Pistole? Das ist gefährlich. Kleine Kinder sollten nicht mit Dingen spielen, von denen sie keine Ahnung haben.“
Mehrmals schüttelte er mit dem Kopf, verdeutlichte, dass er fest daran glaubte, seine Stieftochter würde nicht abdrücken. Dabei erkannte er nicht, dass sein Gegenüber nicht im Entferntesten daran dachte von der Waffe abzulassen. Im Gegenteil, sie wollte ihn fallen sehen.
Nebenbei klopften die fehlenden Erinnerungen in Naoes Kopf an, baten um Einlass, den sie nicht verhindern konnte. Das Bild vor ihr verschwamm, hinterließ nur einen ohrenbetäubenden Schuss, der das Leben eines Menschen beendete. Gefangen von Schwärze waren es düstere Bilder, die vor ihren Augen aufblitzten und ihr die Galle in den Rachen trieben. Law hatte recht.
Gewaltsam presste man Liv auf den Boden, ließ eine Hand unter ihr Kleid wandern. Ihre einst so perfekte Familie zerbrach binnen Sekunden, als man sich an ihrem achten Geburtstag an ihr verging. Zwei Jahre lang, mehrmals die Woche, war sie diesem Mann hilflos ausgeliefert, wurde geschändet und gab es irgendwann auf sich zu wehren. Ihre Mutter sah nur weg, handelte Liv als Kollateralschaden für ein reiches Leben ab. Der Wert dieses Kindes spielte für niemanden in diesem Haus eine Rolle. Sie war nicht mehr als ein Spielzeug für einen Pädophilen, der sie wie eine Puppe beschenkte und dafür ihren Körper verlangte.

Die Galle brannte in ihrem Hals, schmeckte sauer und ließ sie letztlich würgen. All die Bilder zogen wie eine Achterbahn an ihr vorbei, bis die Verbindung kappte, Naoe wieder in der Realität war und sich übergab. Genau vor die Füße des Mädchens erbrach sie Blut, welches so viel heller wirkte, als das des Toten. Die Schmerzen in ihren Knochen ließen sie wimmern, sorgten dafür, dass sich gleich darauf eine Hand auf ihren Rücken legte. Sie brauchte nicht aufzusehen, um zu bemerken, dass es sich um ihren Partner handelte. Seine Fürsorge erreichte sie durch diese einfache Berührung, ließ sie den Schmerz tolerieren, der sich langsam aus ihren Eingeweiden zurückzog. Die Kraft, die man ihr genommen hatte, gab man bruchstückhaft zurück. Trotzdem wirkte diese Fähigkeit zu gefährlich, ließ sie davon absehen überhaupt daran zu denken, sie jemals noch einmal zu benutzen.
„Liege ich im Unrecht?“
Zu Naoes Verwunderung stellte Liv völlig beiläufig eine Frage, die nach dem Urteil eines anderen lechzte. Sie wusste nicht warum, doch der leere Blick dieses Mädchens brachte sie innerlich um. Etwas anderes als den Kopf zu schütteln, wirkte wie eine Lüge. Dieser Mann hatte es verdient zu sterben, war an seinem Schicksal selbst Schuld und es gab keinen Grund das Leben zu Gunsten der Frau zu verändern. Trafalgars Worte in Hinsicht auf Liv waren ebenfalls etwas, das sie verstand, letztlich akzeptierte und herunterwürgte.
„Nein. Deine Handlung war vielleicht nicht die Beste und vielleicht auch nicht richtig...aber du liegst nicht im Unrecht. Du hast dich verteidigt. Das ist mutig.“ Ihre Worte fanden schwer über die Lippen, ließen Naoe die innerliche Übelkeit noch einmal spüren, bevor Law sich endgültig einschaltete. Er packte sie am Arm, half ihr auf die wackeligen Beine, gab ihr Halt. Sein Seufzen verurteilte ihr gedankenloses Handeln, während sie sich gemeinsam abwandten. An diesem Ort konnten sie nichts tun, um irgendetwas zu verbessern.
„Wartet! Wo wollt ihr hin?“ Mit panischem Unterton bäumte ihre Klientin sich auf, suchte nach einem Grund hinter der offensichtlichen Ablehnung. Naoe fehlten dabei die Worte. Die Bilder in ihrem Kopf fraßen sich noch immer durch ihren Verstand, weshalb ihr Partner sich dem Problem annahm. Eine astreine Lüge aus seinem Mund zu hören, klang dabei schon fast surreal.
„Sie kann hier nichts tun. Ihre Tochter hat nur ihren Mann sterben sehen, nicht aber dabei zugesehen, wie man ihn tötet. Ohne diese Erinnerung gibt es keinen Weg das Geschehene zu verändern.“
„Das...ist unmöglich... Wie soll ich...wie...“ Ungläubig stützte die Fremde sich an der Wand ab, atmete schwer. Nichts, das Law interessierte. Stattdessen wandte er sich ohne ein weiteres Wort ab, visierte den Ausgang an, den sie gemeinsam nur langsam erreichten.

Erst als sie einen Fuß an die frische Luft gesetzt hatten, schien die Übelkeit langsam zu schwinden und das schmerzliche Gefühl in der Magengegend abzunehmen. Beide entfernten sie sich langsam vom Anwesen, schlenderten ohne Ziel voran, wobei ihre Schritte schneller waren als seine. Sie wollte weg, weit weg von diesem Szenario.
Tief durchatmend legte Naoe den Kopf in den Nacken, genoss die frische Brise des Windes, die den blutigen Geruch des Hauses von ihrer Kleidung trug.
„Bist du zufrieden?“ Einen seitlichen Blick auf sie werfend, spürte Naoe einen Hauch von Ärger in seiner Stimme. Schlussendlich hatte sie doch etwas getan, das ihm nicht gefallen hatte.
„Nein.“ Mehr als wahrheitsgemäß zu antworten, blieb nicht übrig. Dabei spürte sie, wie sie ihre Schultern hängen ließ, die Enttäuschung nach außen trug. Gleichzeitig plagte sie das Gewissen, den Job vor ihre Allianz gestellt zu haben. Law bedeutete ihr viel, immerhin hatte sich ihr Herz der Liebe zu ihm hingegeben. Doch auch das Helfen bedeutete ihr eine Menge. Beides hatte einen festen Stand in ihr und dennoch wusste sie ganz genau, dass sie unmöglich dazu imstande war die Liebe und den Job unter einen Hut zu bekommen. Wollte sie das eine, musste sie das andere aufgeben, oder zumindest kürzer treten.
„Wieso?“ Zu ihrem Erstaunen hakte Trafalgar nach, schien sich für ihr innerliches Chaos wirklich zu interessieren.
„Ich wollte diesem Kind helfen und eine starke Schulter anbieten. Diese Erinnerung...ich habe sie mit ihr geteilt und es war grauenhaft. Einfach und ergreifend grauenhaft. Letztlich habe ich es nicht einmal geschafft, Liv in den Arm zu nehmen und sie zu trösten. Stattdessen hat mich diese Aktion völlig aus dem Takt gerissen und niedergeschmettert. Wozu habe ich mich bemüht? Dieser Akt, diese Handlung...sie waren alle völlig belanglos. Ich bin kläglich gescheitert und jetzt...bist du wütend auf mich...und ich bin enttäuscht von meinen beschränkten Fähigkeiten.“
„Ich bin nicht wütend.“
„Natürlich bist du das! Ich kann es förmlich riechen.“
Leise aufstöhnend ergriff Law sie am Handgelenk, zwang Naoe dazu stehenzubleiben und sich zu ihm umzudrehen. Entgegen ihrem Willen sah sie ihm in die Augen, wusste jedoch nicht, wie sie seinen Ausdruck deuten sollte.
„Du bist achtlos. Deine Teufelsfrucht kostet dich Körperkraft, genauso wie es bei mir ist. Eigentlich weißt du genau, wie anstrengend eine neue Fähigkeit sein kann und dennoch springst du ihr entgegen. Du setzt deinen Körper unter Druck und scherst dich kein Stück um deine Gesundheit.“ Schon fast schnippisch hielt er ihr die Dinge vor, die ihn störten. Kleinigkeiten, die sie immer in Kauf genommen hatte, trafen bei ihn auf Unverständnis. Dabei war er meist keineswegs besser. Betrachtete sie sein Training über die Jahre hinweg, die bitteren Kämpfe, in denen er es zu weit getrieben hatte, dann machte seine Aussage keinen Sinn. Seitdem sie für die Revolutionäre arbeitete, blieb ihr kaum etwas verborgen und sie wusste wirklich nahezu alles über Law. Die Kämpfe konnte sie an manchen Tagen verzeihen. Hätte er seinen Körper nicht so schrecklich herausgefordert, wäre er mit Sicherheit bereits tot. Doch es gab auch Auseinandersetzungen, die völlig irrational waren. Er hätte einfach gehen können und tat es nicht. Nur, weil er ein Ziel verfolgt hatte und es ihm egal war, was er dafür überwinden musste. Warum durfte sie sich also nicht herausfordern? Weil sie generell schwächer war als er?
„Du bist es manchmal auch.“ Nicht wissend, was sie ihm entgegnen sollte, gab sie schlicht ihre Gedanken preis, sah dabei zu, wie ihr Gegenüber den Mund verzog.
„Stimmt. Aber ich tue es, weil es wichtige Schritte für einen lang geplanten Krieg sind. Du tust es, weil du Mitleid empfindest.“ Die Lider senkend, wurde sein Griff ein wenig fester. „Du gehst unnötig zu weit.“
„Denkst du das?“
„Ich sehe es!“ Seine Stimme bebte, nicht vor Wut, das bemerkte sie sofort. Hinter den knurrenden Worten ihrer Allianz steckte etwas Weiches, etwas ihr Unbekanntes. Es appellierte an ihre Vernunft, darauf, dass sie nicht weiter ging als nötig und wenn sie das gesamte Bild betrachtete, dann gab es nur einen Grund, weshalb ihn ihr Handeln störte. Es war ihm egal, ob sie essen gingen oder nicht. Es spielte keine Rolle für ihn, ob sie in ihrem Job versagte. Das Problem war etwas ganz Einfaches und sie erkannte es hinter seiner eisigen Fassade.
„Du...machst dir Sorgen um mich.“
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