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Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Romance / P18 / Het
Eustass Kid OC (Own Character) Sakazuki / Akainu Trafalgar D. Water Law Vergo
03.01.2018
16.09.2018
59
179.878
38
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Dieses Kapitel
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05.08.2018 3.466
 
Die Schwärze vor ihren Augen hatte nur wenige Atemzüge angehalten, ehe ihre Lider sich wieder hoben, Naoe erneut den Blick verschlafen durch das Zimmer hatte wandern lassen. Gefühlt waren es Sekunden, in denen sie eingenickt war, allerdings waren es Minuten gewesen, in denen Trafalgar seine Dusche hinter sich gebracht hatte und ihr mit einem einfachen Nicken deutete, dass sie ebenfalls gehen konnte.
Somit hatte sie geduscht, sich zurechtgemacht, den Schweiß und vor allem seinen Geruch von sich gewaschen, was für einen Augenblick Bedauern in ihr auslöste. Trotzdem war es erfrischend, erweckte ihre müden Lebensgeister zum Leben und sorgte schlussendlich auch dafür, dass sie vollkommen ausgeruht auf dem Deck stand und die Insel beobachtete. Das morgendliche Treiben hatte die Bewohner noch nicht völlig wach gerüttelt, ließ einige von ihnen verschlafen die Mauern entlang schlurfen. Müde Augen suchten nach Arbeit, zitternde Hände vermittelten die Grenzen der Hafenarbeiter. Viele von ihnen hatten bereits am Vortag hart gearbeitet, schienen sich keinerlei Pause zu gönnen und wirkten damit wie Sklaven eines Systems, das keinen Profit für seine Schafe abwarf. Es ließ sie die Augen verdrehen. Als Revolutionärin wollte sie nicht nur eine neue Ära schaffen, sie wollte auch die Armut vernichten. Die Reichen sollten teilen oder fallen, die Armen sollten lernen, dass es auch für sie einen Platz auf der Welt gab. Viel zu viele Dinge mussten verbessert, mussten zurechtgeschoben werden, weil die Marine es nicht tat. Sie folgten lieber einer Gerechtigkeit, die einem brüchigen Frieden gleichkam. Die einen genossen es, die anderen hassten es und manchen war es egal. Einzig teilten sie die Gemeinsamkeit, dass sie alle den Blick abwandten und ihre eigene Spezies verrotten ließen, wie das Ungeziefer auf den Straßen. Die einfachen Menschen waren Sklaven, nicht mehr und nicht weniger. Würden sie sich alle erheben, die Arbeit niederlegen, für ihr Recht kämpfen, dann könnte ihnen niemand mehr etwas anhaben. Nicht nur, weil Gemeinschaft stark machte, sondern auch, weil die Revolutionäre sich in diesem Moment aus ihren Verstecken erheben würden. Entstehen würde ein Krieg, in dem Fairness eine Bedeutung spielte. Kinder waren die Zukunft und ihre Eltern sollten ein stabiles Fundament aufbauen. Eines, das nicht brach, wenn den Himmelsdrachen die Zacken aus den Kronen brachen.
Seufzend drehte Naoe dem Szenario den Rücken zu, zupfte ein wenig an der Jacke herum, die Ikkaku ihr gegeben hatte. Es war keine der ihren, sondern ein Teil des Geschenks von Joris. Die Piratin hatte es vergessen, schlicht, weil auch ihre Gedanken mit Sorge gefüllt an manchen Thematiken hängengeblieben waren. Nichts, was sie ihr verübeln konnte.
Unsicher mit den Knöpfen spielend, die ihre Brust herunter reichten, legte sie den Kopf in den Nacken. Der schwarze Stoff, verziert mit zwei Goldbändern, die ihren Hals hinabreichten, erinnerte stark an die Jacken mancher Gesetzeshüter. Adrett, passend für stolze Vertreter der Revolution. Joris hatte eine gute Wahl getroffen, auch wenn dieses Oberteil schon fast zu kurz für ihren Geschmack wirkte. Es reichte gerade knapp bis zur Hüfte, wo ein dunkelbrauner, breiter Gürtel den makellosen Übergang darstellte. Auf ihrer Haut ein seltsames Gefühl, für ihren Körper ein wenig beschämend.
Einzig um die Gedanken zu verdrängen, wandte Naoe sich zurück zur Insel, beobachtete die Arbeiter noch eine Weile lang. Gehorsam wie Hunde schufteten sie, rannten auf und ab, lösten in ihr Mitleid aus. In Sekunden wie diesen wünschte sie sich mehr Macht, mehr Mut und Kraft, um etwas zu bewirken. Ähnlich wie Betty, die keinerlei Probleme damit hatte sich mitten ins Dorf zu stellen und auf die Bewohner zu schießen, wenn es genau das war, was es brauchte, um sie allesamt wachzurütteln.
Die Lider ein wenig senkend, dachte sie an diese Frau zurück, die sie nur ein einziges Mal gesehen hatte. Belo Betty, die Revolutionärin, die genau wusste, wie man einen bleibenden Eindruck hinterließ. Sie war eine Kommandantin, überzeugte nicht nur mit Handlungen, sondern auch mit Worten. Durchaus, Feinfühligkeit zählte nicht zu ihren Stärken, aber sie war ehrlich. Ehrlich genug, um Naoe ein Schmunzeln zu entlocken. Sie erinnerte sich daran, wie Belo bereits einmal verkündet   hatte, dass man die Revolutionäre immer rufen durfte. Einzig, weil sie keine Schwächlinge zurückließen, die dazu bereit waren, etwas an ihrer Lage ändern zu wollen.
Schlussendlich waren die Revolutionäre alle aus demselben Holz geschnitzt und sie gehörte irgendwie dazu.

„Hey.“
Unerwartet drang Trafalgars Stimme an ihre Ohren, während er sich mit einer Hand dicht neben ihr an das Geländer lehnte. Den Blick ebenfalls für wenige Sekunden auf die Insel gerichtet, lenkte er seine Aufmerksamkeit kurz darauf in ihre Richtung, sah sie eindringlich an.
„Hey... Suchst du etwas?“ Fragend eine Braue hebend, drehte sie sich etwas in seine Richtung, wartete ab. Das Zucken in seinen Mundwinkeln entging ihr nicht, auch wenn sich an seiner Miene generell nicht viel veränderte. Starr, ähnlich einer Schaufensterpuppe, schien er über etwas nachzudenken. “Du kannst mich natürlich auch einfach anstarren...so wie ich das für gewöhnlich bei dir mache...“
„Stört es dich?“
Davon absehend, dass ihr bei seinem Blick ein mulmiges Gefühl in der Brust gegen die Rippen drückte, blieb noch die Unsicherheit, jede Bewegung genau zu überdenken. Jede Regung musste gut aussehen, sie durfte nicht mit den Fingern an ihren Knöpfen spielen und auch nicht mit den Augen zucken. Angestarrt zu werden war ein seltsames Phänomen, das die komischsten Dinge in einem auslöste. Eines wurde ihr dabei ganz besonders bewusst: Es war unangenehm!
„Nein, gar nicht. Ich fühle mich nur etwas belastet durch die Tatsache, dass ich keine Ahnung habe, ob ich gleich nicht vielleicht einfach das Atmen einstelle, weil es dumm aussieht.“ Den Mund verziehend, verschränkte Naoe die Arme hinter dem Rücken, versuchte gegen das unangenehme Gefühl in ihren Muskeln anzukämpfen. Das Verhalten war lächerlich und dennoch natürlicher, als man meist denken mochte. Zugleich erleichterte sie die gesamte Situation ein wenig. Die Nähe zu Law hatte sie wieder in den alten Stand zurückgebracht. Die Angst war verschwunden und ihr Verhalten wieder völlig normal. Lediglich ihr Herz, das in seiner Gegenwart glückliche Sprünge vollzog, stellte eine Veränderung dar, die sie willkommen hieß. „Also, was gibt es?“
„Lass uns frühstücken gehen.“ Seine Antwort kam sicher, zugleich etwas kleinlaut und halb fragend. Er wusste genau, dass der Koch der Crew den Tisch auf Wunsch decken würde und dennoch wollte dieser Mann anderweitig Geld ausgeben. Dachte sie daran, dass er niemals etwas ohne genaue Überlegung tat, musste auch hinter dieser Aufforderung mehr stecken. Sie waren ein Team, mehr als nur eine Allianz und das bedeutete auch, dass die Mannschaft es irgendwann erfahren würde. Nicht sofort, vielleicht nicht an diesem Tag, doch ihn absehbarer Zeit. Trafalgar suchte ganz klar nach einem Mittelweg, einer Lösung, die ihn nicht unbedingt in die Ecke drängte. Er wusste genau, was er wollte und zugleich hatte er keine genaue Vorstellung davon, was er mit ihr anfangen sollte. Sein Begehren war vorhanden, seine Lust etwas, das sie bändigen konnte. Sein Herz hatte er spürbar an sie verloren und sein Körper wusste, wo es lang ging. Doch sein Verstand predigte sein eigenes Testament, überschüttete ihn mit Logik und gleichermaßen auch mit Hürden. Für Law brauchte es mehr Zeit, um sich den Umständen anzupassen, die mitsamt Tür und Einrichtung ins Haus gefallen waren. In Naoes Augen kein Problem, denn schlussendlich waren es nur kleine Umstände, die eines Tages schwinden würden.
„Nur, wenn ich aussuchen darf, wo wir frühstücken.“
„Meinetwegen.“ Mit einer wegwerfenden Handbewegung, schob ihr Partner das Schwert auf seiner Schulter zurecht, sorgte damit dafür, dass der dunkle Stoff sich verschob. Gleichzeitig drehte er ihr den Rücken zu, ging voraus, ließ sie damit einen genauen Blick erhaschen. Alles an ihm sah genauso aus wie immer, nur, dass er dieses Mal eine einfache Jacke mit den gelben Verzierungen seiner Mannschaft trug. Es glich dem Mantel aus Punk Hazard, den sie in einer Videoübertragung gesehen hatte. Zu diesem Zeitpunkt galt es noch Informationen zu sammeln und gewisse Individuen im Auge zu behalten.

Ihm folgend, nahm Naoe ihren Platz neben Law ein, verließ mit ihm an ihrer Seit das Schiff, wissend, dass sie den Tag zum ersten Mal wirklich gemeinsam genießen würden. Das Verlangen ihn anzusehen war verschwunden und lediglich die Freude blieb ihr erhalten. Er würde nicht davonlaufen, nicht verschwinden. Zumindest wollte sie daran glauben und es störte sie folglich auch nicht, der Insel mehr Beachtung zu schenken, als ihrer Allianz. Die Menschen in ihrem Trott zu beobachten war etwas, das ihr Ruhe schenkte, ihr neue Ideen und Eindrücke vermittelte. Zugleich erinnerte sie das gemütliche Schlendern, das sie und ihre Allianz an den Tag legten, an etwas, das sie beinahe vergessen hätte.
„Das erste Mal, als wir so nebeneinander hergelaufen sind, habe ich versucht mit dir ein Gespräch zu starten...über die Zeit. Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, jemand würde sich ernsthaft mit den Themen, die ich anspreche, auseinandersetzen.“
„Seitdem sind einige neue Dinge hinzugekommen.“ Seine freie Hand in der Hosentasche verschwinden lassend, kam er ihr entgegen, dachte wohl selbst an den vergangenen Moment zurück. Es war niemals etwas Besonderes gewesen, aber dachte Naoe genauer darüber nach, dann hatten sie an diesem Tag bewiesen, dass sie beide wussten, wie man völlig ruhig manche Themen anging. Law hatte ihr mit seiner Aussage imponiert, ihr eine neue Sicht gezeigt.
„Durchaus, aber ich bin mir sicher, dass wir uns bei vielen Sachen niemals einig we-“ Stockend hielt die Revolutionärin inne, als ein zerreißender Schrei die Straßen flutete. Spitz und zugleich hoffnungslos um Hilfe bettelnd, löste es eine unangenehme Gänsehaut auf ihr aus, ließ sie stoppen. Law tat es ihr gleich, schien abzuwarten, wirkte weit weniger von all dem aus dem Konzept gebracht, wie Naoe selbst.
Weiter vorn, wenige Meter von ihnen entfernt, klammerte sich eine junge Frau an die Ecke eines Hauses, suchte nach jemandem, der ihr zuhören würde. Ihr panischer Blick und die roten Flecken auf ihrer Schürze ließen Naoe verwirrt den Kopf zur Seite legen. Gleich darauf warf sie einen fragenden Blick zu Trafalgar, der ihr ein winziges Stück nähergekommen war, ähnlich, als wollte er achtgeben.
Die Fremde sammelte ihren Atem, versuchte erneut die Aufmerksamkeit der mittlerweile leicht panischen Mitbürger zu erhaschen. „Bitte! Irgendjemand! Ich brauche einen Arzt!“
„Ich glaube, sie ruft nach dir.“ Nicht wissend was sie tun sollte, ergriff die Revolutionärin ihren Begleiter am Ärmel, sah ihn unsicher an. Law schien sich nicht wirklich regen zu wollen, geschweige denn zu helfen. Für ihn hatte es keinen Sinn seine Kräfte an irgendjemanden zu verschwenden, der ihm nicht irgendwie nützlich sein konnte. Viele Dinge tat er nur, wenn man ihn förmlich dazu zwang oder ihm keine andere Wahl ließ.
Einen Ausweg gab es letztlich ohnehin nicht.
Ehe Trafalgar sich in irgendeiner Hinsicht vor der erwünschten Hilfe drücken konnte, hatte die Unbekannte sie beide bereits entdeckt. Irgendetwas veränderte sich in ihrem Gesichtsausdruck, schwankte von nackter Angst rüber zu kläglicher Erleichterung. Gleich darauf trugen ihre zittrigen Beine sie voran, weg von der Ecke, rüber zu ihnen. Naoe konnte spüren, wie ihr Herz dabei schneller schlug. Die ganze Situation kam mit einem Schlag, unerwartet und unerwünscht, sodass sie letztlich nicht einmal sagen konnte, ob das Anbieten von Hilfe die beste Idee war.
„Sie! Sie sind das Mädchen mit dem Kopfgeld...diese...Teufelsfruchtnutzerin der Zeit!“ Die bebenden Worte ihres Gegenübers ließen sie einen Schritt zurücktreten. Ihr Steckbrief war zwar kein Geheimnis, doch noch nie hatte sie jemand anhand des Bildes erkannt. Niemand hatte sie je darauf angesprochen und schlussendlich wirkte es immer wieder so, als sei sie nur ein Schatten, der seinen Aufträgen ungesehen nachkam. Diese Frau wusste jedoch genau, dass der Steckbrief existierte und sie hatte ihn mehr als offensichtlich mit der Zeitung zusammen genauestens studiert. Etwas, das ihr die Kehle zuschnürte, ihre gesamte Hoffnung, weiterhin unbemerkt zu bleiben, zerstörte.
Innerlich Vergo für sein Handeln verfluchend, zwang Naoe sich zu einem bitteren Lächeln, versuchte freundlich zu wirken, wollte etwas sagen, doch wurde schlicht übergangen.
„Sie müssen mir helfen! Mein Mann, er ist tot! Jemand muss in unser Haus gekommen sein und ihn erschossen haben. Ich flehe Sie an, helfen Sie mir!“ Entgegen ihrer Erwartung, kam die Fremde noch ein wenig näher, wollte sie an den Schultern ergreifen, scheiterte dank Law jedoch. Bestimmt setzte er eine Grenze mit seinem Schwert, untersagte damit jegliches Näherkommen. Naoe versuchte dabei das Ganze irgendwie zu einem Bild zusammenzufügen, bekam jedoch nur wirre Anfänge und Enden zusammen, die sie nicht verstand. Man bat sie um ihre Hilfe, berichtete von einem toten Mann und einem womöglichen Einbruch. Eine Kleinigkeit, die wie etwas wirkte, das sie ganz einfach zurechtrücken konnte. Innerlich trieb sie der Sinn nach Gerechtigkeit an, ein unterschwelliges Verlangen zu helfen, wenn jemand ehrliche Hilfe brauchte. Doch sie war nicht allein, wollte den Tag eigentlich mit ihrem Partner genießen und wusste nicht, wie er zu dem Thema stand. Er war Pirat, eiskalt im Bezug zu Menschen, mit denen er nichts zu schaffen hatte. Für ihn gab es keinen Grund auch nur einen Finger zu krümmen und das machte eine Entscheidung schlussendlich nahezu unmöglich. Sie wollte keinen von beiden in irgendeiner Hinsicht ziehen lassen.

„Willst du es tun?“ Die Fremde nicht eine Sekunde lang aus den Augen lassend, stellte Law ihr eine überraschende Frage. Seinem Klang nach zu urteilen, war es ihm egal, ob sie helfen wollte oder nicht. Er würde folgen, wenn ihr etwas an dem Chaos lag und sie wusste es zu schätzen. Als Revolutionärin gab es Dinge, die sie nicht ignorieren konnte. Genauso wie damals, als sie das Versteckspiel der alten Frau beendet hatte, forderte ihr Herz in diesem Fall zumindest einen Einblick. Entscheiden konnte sie sich, wenn sie mehr wusste. Trotzdem erschien das Antworten wie eine Qual. Ihr Mund wirkte trocken, ihre Kehle zerquetscht. Es schmerzte, pochte unschön unter ihrer Haut und das Gewissen fraß sich mit jedem Atemzug mehr in ihren Verstand. Sie wollte ihre Allianz nicht mit ihren irrsinnigen Hilfeaktionen verärgern oder gar nerven, doch ausschlagen konnte sie solche Bitten dennoch nicht.
„Ich...würde mir gerne ein genaueres Bild machen.“ Beinahe zu leise, als dass er es hätte hören können, drückte sie ihren Wunsch aus, starrte dabei beschämt zu Boden. Tatsächlich fühlte sie sich schlecht bei der Aussage, bereute es und gleichzeitig spürte sie die winzige Erleichterung ihres Gewissens. Sie musste einfach helfen.
Das Schwert zurückziehend, hörte sie Law seufzen. Aufgebend, jedoch keineswegs verärgert. „Dann gibt es wohl keinen anderen Weg.“
„Es tut mir leid.“ Die Lippen aufeinanderpressend, sah sie zu ihm auf, begegnete seinem weichen Blick, der ihr diesen Wunsch einfach erfüllen wollte. Er brauchte nichts zu sagen, ihre Worte nicht ablehnen, denn sie wusste es bereits. Sie sah es ihm an, konnte es in seinen Augen sehen und fühlte zugleich die Dankbarkeit, die ihre reumütigen Gedanken beiseite schob. Sie nickte ihm zu, zupfte etwas an seinem Ärmel herum, versuchte ihre Freude kaum merklich auszudrücken. Gleich darauf wandte sie sich zurück zu der Fremden, die abwartend die Hände in Brusthöhe gefaltet hielt. Das braune Haar hing ihr dabei wirr ins Gesicht, unterstrich das gehetzte Dasein dieser Frau. Von Panik zerfressen und von Angst geplagt, musste sie direkt losgestürmt sein, um irgendwo auf der Insel Hilfe zu finden. Eine Aktion, die so undurchdacht und dennoch schrecklich menschlich wirkte.
„Können Sie uns zum Ort des Geschehens bringen? Ich nehme an, dort ist es ruhiger...als hier.“
„Na-Natürlich. Sie möchten nicht auffallen.“ Verständnisvoll machte ihre Klientin auf dem Absatz kehrt, eilte zurück in einem Tempo, das Naoe wie auch Law in ein leichtes Traben versetzte.
Vorbei an den Blicken tuschelnder Einwohner, entlang manch prächtiger Bauten, fanden sie den doch recht kurzen Weg zum Anwesen der Unbekannten. Sie hielt dabei nicht inne, lief immer weiter, führte sie damit allesamt ins Haus hinein, wo Naoe abrupt stehenblieb.
Der eindringliche, metallisch-süße Geruch von Blut drang in ihre Nase, vermischte sich mit den Düften von altem Holz und penetrantem Weihrauch. Die Kombination ließ ihr die Galle aufsteigen, zwang sie dazu, eine Hand vor Nase und Mund zu legen, in der Hoffnung, es würde vergehen. Ihre Allianz nahm all das viel gefasster entgegen. Er verzog lediglich kurz den Mund, schloss die Lider, schritt dann weiter voraus, um dem Szenario entgegenzutreten. Naoe versuchte es ihm gleichzutun, die Übelkeit zu verdrängen und erhobenen Hauptes zu folgen. Doch es war schwer, beinahe schon anstrengend sich nicht zu übergeben. Sämtliche Konzentration auf die Beherrschung gerichtet, schlich sie ihren Vorgängern hinterher, landete in einem großen Raum, auf dessen Boden sich ein roter Spiegel ausgebreitet hatte. Sie konnte ihr angewidertes Selbst in der simplen, wenn auch dunklen Reflexion der Flüssigkeit erkennen. Ein klares Bild von ihr, Law, der Fremden und einem Kind, das zusammengekauert nahe dem Toten stand. Mit einem Teddybären fest in den Armen, starrte sie unentwegt auf den leblosen Körper, wirkte verstört von alldem. Naoe verstand diese Starre, begriff nicht, wie diese Frau als offensichtliche Mutter ihr Kind allein in diesem Haus mit einer Leiche zurücklassen konnte.
Die Panik musste für ein einziges Chaos gesorgt haben, das niemand im Haus zu bewältigen wusste. Zugleich unterstrich es, dass ihre Klientin sich mehr um ihren Mann, als um die eigene Tochter zu scheren schien.
„Werden Sie mir helfen?“ Die Revolutionärin aus ihren Gedanken zerrend, wandte die junge Mutter sich an sie, fragte nach, hoffte auf Hilfe. Ihr flehender Blick bestärkte dabei Naoes Sinn für Humanität, gleichzeitig aber auch das unstimmige Kribbeln in ihrem Inneren. Folglich winkte sie ab, verschaffte sich selbst einen Moment.
„Ich würde gerne einen Moment mit Ihrer Tochter haben. Ich brauche jemanden, der Teil dieses Erlebnisses war, damit wir zu dieser Erinnerung zurückgehen können.“

Schniefend wandte ihre Kundin sich ab, suchte nach einem Ausweg, konnte den Anblick sichtlich nicht ertragen. Sie rückte weiter weg, näherte sich der Tür, wo sie stehenblieb und sich an den Rahmen lehnte. Ihre Gefühle schienen zerschmettert, die Träume in Blut ertränkt und zugleich wirkte alles andere völlig egal. Nicht ein einziges Mal sah sie ihr Kind an, nahm es in den Arm, versuchte es vielleicht zu beruhigen. Etwas, das Naoe einfach nicht verstehen konnte.
Langsam schritt sie auf das kleine Mädchen zu, ging in die Hocke, um einen angenehmen Platz neben ihr zu finden. Der Anblick eines toten Körpers war für sie als Revolutionärin und Kind einer ausgelöschten Insel nichts Schockierendes mehr. Sie hatte mehr Menschen sterben sehen, als viele andere. Deshalb war es ein Einfaches, den Mann auszublenden und sich völlig auf das Mädchen zu konzentrierten, dessen Tränen noch leicht feucht auf den Wangen glänzten. Law positionierte sich derweil hinter ihr, schien sich ebenfalls ein Bild von alldem machen zu wollen.
„Darf ich fragen, wie du heißt?“ Sanft warf Naoe ihre Frage in den Raum, lauschte für einige Momente der Stille, bis man ihr mit kraftloser Stimme eine Antwort gab.
„Liv.“
„Okay, Liv. Kannst du mir sagen, was passiert ist?“ Den Kopf etwas schieflegend, stupste sie das Ohr des Plüschtiers an, spielte damit, um weniger verdächtig für das Kind zu wirken. Sie wollte Angst vermeiden, Informationen erlangen, um zu erfahren, wie es zu allem gekommen war. Dabei musterte sie den roten Lockenkopf ihrer Gesprächspartnerin, die niedliche Kleidung und auch die blauen Flecken an Armen und Beinen. Der Täter musste sie entdeckt und als simple Gefahr angesehen haben. Beinahe schien es einem Wunder zu gleichen, dass er sie nicht ebenfalls erschossen hatte.
„Ich habe nichts gesehen!“ Forsch, zugleich ängstlich stieß sie Naoes Frage von sich. Livs zitternder Körper verlieh ihr einen Hauch von Zerbrechlichkeit, die jedem Kind in einer solchen Situation anhaften musste. „Er ist...einfach gestorben.“
„Du hast ihn nur sterben sehen?“
Die Lippen gegen den Bären pressend, nickte die Gefragte nur, konnte nicht mehr als weinen. Salzige Tränen rollten ihre Wangen hinab, wurden vom Stoff ihres ausgestopften Begleiters aufgesogen. Es brach Naoe irgendwo das Herz, ließ sie seufzend aufstehen. Eine Familie so zerreißen zu sehen, glich einer Tortur, die sie selbst kannte. Vielleicht auf eine andere Art und Weise, doch ein fehlender Vater war zugleich auch ein fehlendes Puzzlestück für jeden, der zurückblieb. Eine Lücke, die man nicht so einfach füllen konnte. Genau deshalb wollte sie helfen, wollte sich zur Frau umdrehen und ihre Hilfe, ihre Dienste anbieten. Ihre Kräfte wurden benötigt, um etwas zu retten. Etwas, das sich in diesen Sekunden hinter einem Hindernis befand, das sie nicht zu überwinden wusste: Trafalgar Law.
Er stand genau hinter ihr, versperrte ihr den Weg, als sie sich umdrehte. Weder wollte er zur Seite weichen, noch schien er es zu tolerieren, dass sie an ihm vorbei wollte. Stattdessen standen sie sich einfach gegenüber, während sein Blick noch einige Sekunden auf Liv ruhte. Irgendetwas in seinen Augen verriet ihr, dass er etwas gesehen hatte und abschätzte, ob es wirklich möglich war. Naoe wusste nicht, was es sein sollte, doch sie bewies Geduld, wartete ab, bis ihr Partner sich sicher war. Erst als seine Aufmerksamkeit an ihr hing, seine grauen Iriden auf ihr tiefes Blau trafen, verriet er ihr, woran er dachte. Er schockte sie damit, erinnerte sie an den giftigen Garten und auch daran, dass er schon einmal recht gehabt hatte.
„Eine Reise zurück wird nichts ändern. Dieses Mädchen weint vor Freude, nicht vor Traurigkeit.“
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