Venomous
von ReScripta
Kurzbeschreibung
Ein Gifttier zu sein hat oft seine Vorteile. Doch wenn andere dies für eigennützige Zwecke missbrauchen, kann das Leben sehr schnell zur Hölle werden.
GeschichteKrimi, Thriller / P12 / Gen
Böser Bill
OC (Own Character)
30.11.2017
12.02.2023
6
9.514
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30.11.2017
2.398
Eine kleine Story für unseren BadBill Fanclub auf deviantart.com der heute ein Jahr geworden ist. :)
https://gilamonster-badbill.deviantart.com/
Viel Spaß bei der kurzen FF. Vielleicht etwas düster, aber ich hoffe es gefällt euch trotzdem. :)
Leichtes Schaukeln weckte ihn langsam aus seiner schmerzlichen Ohnmacht. Um ihn herum war alles dunkel. Ab und zu verspürter er eine kräftige Erschütterung.
Die Krustenechse stöhnte wegen den Kopfschmerzen und wollte nach Luft schnappen, aber er konnte den Mund nicht öffnen. Plötzlich erschütterte ein erneutes Rütteln den Boden und er rollte kraftlos zur Seite. Er drehte den Kopf hin und her, aber mehr konnte er nicht bewegen. Wieso nicht? Aus seiner Bewusstlosigkeit langsam entkommend spannte er seine Muskeln an.
Doch er konnte weder Arme noch Beine bewegen. Irgendetwas hielt sie zusammen. Er spürte Seile und Stricke.
„Mmmmmpf!“, murmelte er dumpf. Er setzte sich ruckartig auf und zerrte wie verrückt an den Seilen. Plötzlich gab es erneut eine Erschütterung und er taumelte wieder auf den Boden.
Verdammt! Wo war er?
Er unterdrückte die Panik und versuchte sich zu orientieren. Prüfend bewegte er erneut Hände und Füße. Seine Hände waren stramm auf seinem Rücken zusammengebunden. Auch seine Beine waren eng verschnürt. Seine Augen waren verbunden und sein Mund beknebelt.
Sogar sein Echsen-Schwanz war mit seinen Beinen zusammengebunden. Es war ihm so gut wie gar nicht möglich, sich zu bewegen. Er konnte höchsten hin und her rollen.
Nachdem er das festgestellt hatte, erkundete er die äußere Umgebung. Da sein Mund geknebelt war, konnte er nicht die Zunge und somit auch nicht sein Riechorgan benutzen. Stattdessen blieb ihm nichts anderes übrig als seine eigentliche Nase zur Hilfe zu nehmen. Er atmete mehrere Male konzentriert ein und aus. Die Luft roch leicht dunstig und der Temperatur nach zu urteilen war es anscheinend Nacht. Dann versuchte er das ständige Rütteln und Schaukeln zu ergründen, was ihm bekannt vorkam. Er musste sich in einem Wagen befinden, der von einem Zugtier gezogen wurde.
Er lauschte angestrengt. Das leichte Quietschen der Wagenreifen und ein leichtes Schnauben von einem Tier, wahrscheinlich ein Pekari, der den Wagen zog, war alles was er akustisch wahrnehmen konnte. Keine Stadtgeräusche, keine Stimmen, keine Nebengeräusche wie Wasser oder sonst etwas. Absolut nichts. Der Wagen fuhr durch unbevölkerte Landschaft. Zumindest war der Boden nicht ganz eben. Ab und zu fuhr der Wagen über einen Stein oder eine kleine Mulde. Aber wo genau sie sich befanden, falls noch jemand anderes auf dem Wagen war, konnte er nicht feststellen. Er war völlig ratlos wo er war.
Er legte sich auf den Rücken und betastete mit den Händen den Boden, der aus stabilem Holz bestand. Er rollte sich einmal, dann stieß er mit seinem Körper gegen eine Wand. Dann rollte er sich zweimal in die entgegengesetzte Richtung und er stieß gegen eine zweite Wand.
Der Holzkasten in dem er sich befand, war nur doppelt so groß wie er selber und doppelt oder dreimal so breit. Sachte lehnte er sich gegen die Wand und schaffte es trotz gefesselter Füße aufzustehen. Er hatte sich fast zu seiner ganzen Größe aufgerichtet, als sein Kopf gegen die Wagenwand stieß. Stöhnend hielt er inne und versuchte einen Lufthauch zu finden. Doch dieses Gefängnis besaß offensichtlich keine Fenster.
Ein neues Schlagloch brachte den Wagen zum Zittern und die Krustenechse fiel hart auf den Wagenboden. Wütend setzte er sich wieder auf.
Wohin zum Teufel brachte man ihn hin und vor allem wozu?
Wer war es gewesen, der ihn da betäubt, gefesselt und eingesperrt hatte?
Waren es Kopfgeldjäger, Schwarzhändler oder gar Gesetzeshüter, die ihn ins Gefängnis bringen wollten?
Er war zwar kein weit gesuchter Verbrecher, aber als Böser Bill hatte er bei den meisten keinen guten Ruf.
Wo hatte er sich noch zuletzt befunden, bevor man ihn k.o. geschlagen hatte?
Das war irgendwo in der Nähe von Dreck gewesen. Er war auf dem Weg zu seinem Versteck, als ihn irgendetwas hart auf dem Kopf getroffen hatte. Ab da herrschte eine tiefe Gedächtnislücke.
Er versuchte nochmal die Fesseln zu lösen, aber er merkte sofort, dass es nichts brachte. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig als abzuwarten wohin die Fahrt ging. Aber egal wohin man ihn vorhatte zu bringen, es war höchstwahrscheinlich kein guter Ort für ihn.
Es dauerte mindestens eine Stunde. Bill hatte sich solange wieder hingelegt und sich die Zeit mit lauter Theorien über seine Situation vertrieben. Dann meinte er der Wagen würde seine Fahrt verlangsamen.
Er hob den Kopf. Lag etwas im Weg oder waren sie am Ziel?
Ein Ruck durchzog den Wagen und kam zum Stillstand. Doch dies dauerte nur ein paar Sekunden. Dann fuhr der Wagen weiter. Bill merkte, wie sich die Bodengeräusche der Räder veränderten. Dann hielt Wagen an. Bill wagte kaum zu atmen. Er lauschte auf jedes Geräusch. Jemand stieg vom Wagen runter. Kurz darauf nährten sich weitere Schritte. Er lauschte angestrengt, aber niemand redete ein Wort, als würden sie sich nur mit Zeichensprache verständigen. Jemand öffnete eine Art große Luke an der Wagen-Seite. Bill hob den Kopf, obwohl er nichts sehen konnte. Für einen Moment fragte er sich, ob er sich nicht hätte schlafen legen sollen.
Doch jetzt hatte man bereits gesehen, dass er wach war.
Er hörte schwere Schritte. Mehrere Schritte von mindestens 3 Personen oder mehr. Dann auf einmal verstummten sie. Er murmelte etwas durch den Knebel, als niemand etwas sagte. Aber er spürte Augen, die ihn anstarten. Er richtete sich etwas auf. Aber es redete immer noch keiner.
Plötzlich packten ihn mehrere große Hände und zerrten ihn nach vorne an die offene Wagentür. Bill atmete hörbar aus und ein. Fragte sich immer wieder was das sollte. Aber niemand gab ihm eine Antwort auf seine stumme Frage. Bill geriet langsam in Panik und stemmte sich gegen die Unbekannten, die ihn versuchten aus dem Wagen zu bekommen.
Ketten klirrten und er spürte wie man Seile durch seine Arme schob. Etwas unangenehm Kaltes schlang sich um seinen Hals. War das eine Halsfesselkette?
Mit einem Mal ließen die Hände ihn los und stattdessen wurden die Seile und Ketten gespannt, die ihn mit aller Kraft aus dem Wagen zerrten.
Bill protestierte lautstark und rollte sich mehrere Male hin und her um zu verhindern, dass sie ihn aus dem Wagen bekamen. Doch es schien jetzt eine ganze Armee an den Seilen zu ziehen. Nach nur wenigen kräftigen Versuchen musste Bill den Widerstand aufgeben. So gefesselt wie er war hätte er sich nirgendwo festhalten können. Mit einem Ruck wurde er aus der Waggontüre rausgezerrt und landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Boden neben dem Wagen. Der Boden war steinig, das merkte er sofort. Aber für eine genauere Analyse seiner neuen Umgebung blieb ihm keine Zeit. Die Unbekannten begannen sofort wieder an den Seilen zu ziehen und schleiften das Gila-Tier über den Boden in eine bestimmte Richtung.
Bill wehrte sich, obwohl er wusste, dass es nichts nützen würde, aber kampflos wollte er sich nicht ergeben. Er konnte es auf den Tod nicht ausstehen, dass ihn jemand wie totes Fleisch behandelte. Er winkelte etwas die Beine an und versuchte aufrecht auf dem Boden zu sitzen. Er stemmte die Füße auf dem Boden und für einen Moment schaffte er es das Gezerre an ihm zu verlangsamen. Aber nur für ein paar Sekunden. Das Ziehen ließ einen kurzen Moment nach, doch dann riss die Gruppe ihn mit aller Gewalt nach vorne und er landete unsanft mit dem Oberkörper auf dem Boden. Jemand stellte sich hinter ihm und versetzte ihm einen harten Tritt in den Rücken. Bill stöhnte laut auf und war für einen Augenblick unfähig sich zu bewegen. Diesen Moment nutzten die Entführer und schleiften ihn erneut über den Boden. Diesmal im schnelleren Tempo, dass ihm ganz schwindelig wurde. Es mussten sehr große Tiere sein, die ihn mit Ketten und Seilen über den Boden schleiften.
Noch einmal richtete er sich auf und warf den Kopf in den Nacken.
„Mmmo mpfng mh mmh?! Mmm mpf muh?!“
Natürlich verstand niemand seine dumpfen Schreie, was wohl auch niemand wollte. Niemand sagte ein Wort. Niemand stellte ihm eine Frage oder warnte ihn ruhig zu bleiben. Es war ein beängstigendes Schweigen.
So langsam wurde Bill müde von dem ganzen Wehren und Kämpfen. So sehr er sich auch bemühte, er wurde wie ein verachtetes, totes Tier dorthin gebracht, wovon er nicht das Ziel wusste und auch nicht wusste, ob das nicht sein letzter Gang werden würde.
Das Letztere gab ihm immer wieder Antrieb sich gegen seine Entführer zu sträuben. Er hielt kurz inne, als er hörte wie eine Tür geöffnet wurde. Seine Fänger hielten kurz an und unterbrachen ihr Gezerre an ihm. Ein merkwürdiges Summen war zu hören.
Die Krustenechse winselte unsicher.
Was sollte das alles?
Dann ertönte ein klarer, hoher Piepton, den Bill nicht oft, aber schon einmal gehört hatte.
Was da vor ihm stand war ein Aufzug. Aber ein eher moderner Aufzug. Alte besaßen kein High-Tech. Schon gar nicht in der Wüste. Waren sie überhaupt noch in der Wüste?
Erneut ging das Gezerre an ihm los und Bill ließ sich beinahe widerstandslos in den Aufzug befördern. Dort ließ man ihn wenigstens wieder eine kleine Weile in Ruhe. Die Aufzugtüren schlossen sich und der Aufzug fuhr nach unten.
Bill wusste nicht wie weit nach unten, aber es war nicht lange.
Kurze Zeit später öffneten sich die Türen wieder und das Spiel ging von vorne los.
Kaum hatten sie den Aufzug mit der Krustenechse im Schlepptau wieder verlassen, fiel Bill sofort auf, dass der Boden aus glatten Steinplatten bestand. Er versuchte sich zu orientieren, aber es waren keine Nebengeräusche zu hören. Zum Glück ging die Zwangsführung nicht lange und der Zug hielt an. Er hörte Schlüssel klimpern und eine Tür wurde aufgeschlossen.
Dann wurde er wieder nach vorne gezerrt. Kaum hatten sie die Tür passiert, hörte Bill die Geräusche gedämpfter. Es musste ein Raum sein, wo man ihn hineinbrachte.
Vermutlich die Endstation.
Jemand packte ihn an der Halseisenkette und zwang ihn zum Sitzen. Sein Rücken wurde gegen eine Art Säule oder sowas gepresst und dran gefesselt.
Er versuchte wieder aufzustehen, doch dann versetzte ihm jemand einen Tritt ins Becken und seine Beine gaben ungewollt nach.
Nachdem er ausreichend befestigt war, ließen die Hände von ihm ab und entfernten sich. Die Tür wurde zugeschlagen und es kehrte Stille im Raum ein.
Für einen Moment wagte Bill sich nicht zu rühren. Er traute sich sogar nicht zu atmen. Als er es nicht mehr länger aushalten konnte, zog er kräftig die Luft durch die Nase ein. Er konnte zwar nicht so gut riechen wie mit seinem ausgeprägten Geruchsorgan im Mund die er mit seiner Zunge bediente, aber es lagen keine verdächtigen Gerüche in der Luft. Höchstens Metall und… etwas Desinfizierendes. Der Raum schien vor kurzem erst gründlich gereinigt worden zu sein. Er lehnte sich nach hinten und rieb den Kopf an der Säule und versuchte irgendwie die Augenbinde abzustreifen. Schließlich schaffte er es sie wenigstens einen kleinen Spalt nach oben zu schieben, aber auch das hatte nichts gebracht, denn der Raum war stockdunkel. Selbst ohne Augenbinde hätte er hier nichts sehen können.
In Bill stieg wieder die Panik hoch. Mit aller Kraft zerrte er kräftig an seinen Fesseln. Doch je mehr er sich bewegte umso fester schienen sie sich um seine Handgelenke zu ziehen. Er atmete heftig vor Aufregung und Erschöpfung. Sein Herz raste wie wild. Warum hatte man ihn hierher gebracht? Warum hatte niemand ein Wort gesagt? Warum diese Verschwiegenheit? Was wollte man von ihm? Wollte man ihn hier umbringen?
Diese Fragen durchquerten immer und immer wieder seinen Kopf, bis er dann doch vor Müdigkeit nicht mehr denken konnte und etwas einnickte. Er schreckte erst wieder aus seinem dösenden Schlaf hoch, als er ein Klimpern an der Tür hörte. Seine Muskeln spannten sich an, als diese geöffnet wurde. Die Gila-Echse hielt den Atem an.
War das sein Ende?
Die Tür schwang auf. Durch den Millimeter breiten Spalt unter der Augenbinde konnte Bill Licht in den Raum eindringen sehen, begleitet von großen Schatten.
Jemand betrat den Raum. Es waren Schritte von mindestens zwei Personen.
„Das ist also unser Neuzugang?“, hörte er zum ersten Mal eine Stimme. Sie war männlich und klang alles andere als freundlich. Im Gegenteil. Sie klang sogar ziemlich herablassend.
„Keine schlechte Wahl“, fuhr der Unbekannte fort. „Sieht kräftig genug aus. Woher kommt er?“
„Aus der Mojave-Wüste“, antwortete sein Nebenstehen, von dem Bill nicht sagen konnte, ob er zu denen gehörte, die ihn hierher geschliffen hatten.
„Sieh an, sieh an. Selbst in so einer solchen Einöde ist noch etwas zu holen. Fein, fein, fein.“
Bill zischte protestierend über die Respektlosigkeit, die man ihm entgegen brachte. Wütend rief er durch den Knebel in der Hoffnung jemand würde ihm das Tuch abnehmen, damit er sie ordentlich ausschimpfen konnte. Aber diesen Gefallen tat ihm keiner.
Stattdessen fuhr der Fremde fort: „Ich sehe, du liegst noch im Dunkeln. Aber keine Sorge. Deine Aufgabe wird dir noch früh genug erklärt werden.“
Aufgabe? Was erlaubte sich der Kerl?
Zu gerne würde er seinem Entführer wütend ins Gesicht blicken. Doch da seine Augen immer noch verbunden waren, konnte er noch nicht einmal das. Stattdessen warf er wutschnaubend den Kopf in den Nacken und zerrte mit aller Kraft an seinen Fesseln.
Er konnte es zwar nicht sehen, aber er meinte zu spüren, dass der Fremde lächelte und sich an seiner Hilflosigkeit erfreute, was Bill nur noch wütender machte.
Zornig wie er war, versuchte er immer wieder aufzustehen.
Jetzt konnte er den Fremden leise dunkel kichern hören.
„Lasst ihn noch eine Weile so. Ein paar Tage Diät, danach könnt ihr ihn euch vornehmen.“
Er hörte wie sie sich umdrehten und den Raum verließen.
Bill zischte empört und schrie sämtliche Beleidigungen durch das Tuch im Mund, die man mit etwas Fantasie erahnen konnte. Doch davon ließen sich die Fremden nicht beeindrucken. Mit ruhigen, gelassenen Schritten entfernten sie sich und schlossen die Tür ab.
Eine Weile kämpfte das Gila-Monster noch, dann gab er auf. Es hatte keinen Zweck sich abzukämpfen, wenn eh keiner dabei zusah. Er musste versuchen einen klaren Kopf zu bewahren, obwohl ihm das nicht gerade leicht fiel. Für ihn war immer das Motto jemanden den Schädel einzuschlagen oder wegzulaufen. Eine andere Option hatte er selten im Hinterkopf. Nachdem er sich tausend Mal „Ruhe“ in den Kopf gehämmert hatte, tat er das einzig Gescheite was er jetzt tun konnte. Sich ausruhen. Wer weiß ob er seine Kräfte nicht noch für was brauchte. Im schlimmsten Fall um um sein Leben zu kämpfen.
https://gilamonster-badbill.deviantart.com/
Viel Spaß bei der kurzen FF. Vielleicht etwas düster, aber ich hoffe es gefällt euch trotzdem. :)
1. Im Dunkeln
Leichtes Schaukeln weckte ihn langsam aus seiner schmerzlichen Ohnmacht. Um ihn herum war alles dunkel. Ab und zu verspürter er eine kräftige Erschütterung.
Die Krustenechse stöhnte wegen den Kopfschmerzen und wollte nach Luft schnappen, aber er konnte den Mund nicht öffnen. Plötzlich erschütterte ein erneutes Rütteln den Boden und er rollte kraftlos zur Seite. Er drehte den Kopf hin und her, aber mehr konnte er nicht bewegen. Wieso nicht? Aus seiner Bewusstlosigkeit langsam entkommend spannte er seine Muskeln an.
Doch er konnte weder Arme noch Beine bewegen. Irgendetwas hielt sie zusammen. Er spürte Seile und Stricke.
„Mmmmmpf!“, murmelte er dumpf. Er setzte sich ruckartig auf und zerrte wie verrückt an den Seilen. Plötzlich gab es erneut eine Erschütterung und er taumelte wieder auf den Boden.
Verdammt! Wo war er?
Er unterdrückte die Panik und versuchte sich zu orientieren. Prüfend bewegte er erneut Hände und Füße. Seine Hände waren stramm auf seinem Rücken zusammengebunden. Auch seine Beine waren eng verschnürt. Seine Augen waren verbunden und sein Mund beknebelt.
Sogar sein Echsen-Schwanz war mit seinen Beinen zusammengebunden. Es war ihm so gut wie gar nicht möglich, sich zu bewegen. Er konnte höchsten hin und her rollen.
Nachdem er das festgestellt hatte, erkundete er die äußere Umgebung. Da sein Mund geknebelt war, konnte er nicht die Zunge und somit auch nicht sein Riechorgan benutzen. Stattdessen blieb ihm nichts anderes übrig als seine eigentliche Nase zur Hilfe zu nehmen. Er atmete mehrere Male konzentriert ein und aus. Die Luft roch leicht dunstig und der Temperatur nach zu urteilen war es anscheinend Nacht. Dann versuchte er das ständige Rütteln und Schaukeln zu ergründen, was ihm bekannt vorkam. Er musste sich in einem Wagen befinden, der von einem Zugtier gezogen wurde.
Er lauschte angestrengt. Das leichte Quietschen der Wagenreifen und ein leichtes Schnauben von einem Tier, wahrscheinlich ein Pekari, der den Wagen zog, war alles was er akustisch wahrnehmen konnte. Keine Stadtgeräusche, keine Stimmen, keine Nebengeräusche wie Wasser oder sonst etwas. Absolut nichts. Der Wagen fuhr durch unbevölkerte Landschaft. Zumindest war der Boden nicht ganz eben. Ab und zu fuhr der Wagen über einen Stein oder eine kleine Mulde. Aber wo genau sie sich befanden, falls noch jemand anderes auf dem Wagen war, konnte er nicht feststellen. Er war völlig ratlos wo er war.
Er legte sich auf den Rücken und betastete mit den Händen den Boden, der aus stabilem Holz bestand. Er rollte sich einmal, dann stieß er mit seinem Körper gegen eine Wand. Dann rollte er sich zweimal in die entgegengesetzte Richtung und er stieß gegen eine zweite Wand.
Der Holzkasten in dem er sich befand, war nur doppelt so groß wie er selber und doppelt oder dreimal so breit. Sachte lehnte er sich gegen die Wand und schaffte es trotz gefesselter Füße aufzustehen. Er hatte sich fast zu seiner ganzen Größe aufgerichtet, als sein Kopf gegen die Wagenwand stieß. Stöhnend hielt er inne und versuchte einen Lufthauch zu finden. Doch dieses Gefängnis besaß offensichtlich keine Fenster.
Ein neues Schlagloch brachte den Wagen zum Zittern und die Krustenechse fiel hart auf den Wagenboden. Wütend setzte er sich wieder auf.
Wohin zum Teufel brachte man ihn hin und vor allem wozu?
Wer war es gewesen, der ihn da betäubt, gefesselt und eingesperrt hatte?
Waren es Kopfgeldjäger, Schwarzhändler oder gar Gesetzeshüter, die ihn ins Gefängnis bringen wollten?
Er war zwar kein weit gesuchter Verbrecher, aber als Böser Bill hatte er bei den meisten keinen guten Ruf.
Wo hatte er sich noch zuletzt befunden, bevor man ihn k.o. geschlagen hatte?
Das war irgendwo in der Nähe von Dreck gewesen. Er war auf dem Weg zu seinem Versteck, als ihn irgendetwas hart auf dem Kopf getroffen hatte. Ab da herrschte eine tiefe Gedächtnislücke.
Er versuchte nochmal die Fesseln zu lösen, aber er merkte sofort, dass es nichts brachte. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig als abzuwarten wohin die Fahrt ging. Aber egal wohin man ihn vorhatte zu bringen, es war höchstwahrscheinlich kein guter Ort für ihn.
Es dauerte mindestens eine Stunde. Bill hatte sich solange wieder hingelegt und sich die Zeit mit lauter Theorien über seine Situation vertrieben. Dann meinte er der Wagen würde seine Fahrt verlangsamen.
Er hob den Kopf. Lag etwas im Weg oder waren sie am Ziel?
Ein Ruck durchzog den Wagen und kam zum Stillstand. Doch dies dauerte nur ein paar Sekunden. Dann fuhr der Wagen weiter. Bill merkte, wie sich die Bodengeräusche der Räder veränderten. Dann hielt Wagen an. Bill wagte kaum zu atmen. Er lauschte auf jedes Geräusch. Jemand stieg vom Wagen runter. Kurz darauf nährten sich weitere Schritte. Er lauschte angestrengt, aber niemand redete ein Wort, als würden sie sich nur mit Zeichensprache verständigen. Jemand öffnete eine Art große Luke an der Wagen-Seite. Bill hob den Kopf, obwohl er nichts sehen konnte. Für einen Moment fragte er sich, ob er sich nicht hätte schlafen legen sollen.
Doch jetzt hatte man bereits gesehen, dass er wach war.
Er hörte schwere Schritte. Mehrere Schritte von mindestens 3 Personen oder mehr. Dann auf einmal verstummten sie. Er murmelte etwas durch den Knebel, als niemand etwas sagte. Aber er spürte Augen, die ihn anstarten. Er richtete sich etwas auf. Aber es redete immer noch keiner.
Plötzlich packten ihn mehrere große Hände und zerrten ihn nach vorne an die offene Wagentür. Bill atmete hörbar aus und ein. Fragte sich immer wieder was das sollte. Aber niemand gab ihm eine Antwort auf seine stumme Frage. Bill geriet langsam in Panik und stemmte sich gegen die Unbekannten, die ihn versuchten aus dem Wagen zu bekommen.
Ketten klirrten und er spürte wie man Seile durch seine Arme schob. Etwas unangenehm Kaltes schlang sich um seinen Hals. War das eine Halsfesselkette?
Mit einem Mal ließen die Hände ihn los und stattdessen wurden die Seile und Ketten gespannt, die ihn mit aller Kraft aus dem Wagen zerrten.
Bill protestierte lautstark und rollte sich mehrere Male hin und her um zu verhindern, dass sie ihn aus dem Wagen bekamen. Doch es schien jetzt eine ganze Armee an den Seilen zu ziehen. Nach nur wenigen kräftigen Versuchen musste Bill den Widerstand aufgeben. So gefesselt wie er war hätte er sich nirgendwo festhalten können. Mit einem Ruck wurde er aus der Waggontüre rausgezerrt und landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Boden neben dem Wagen. Der Boden war steinig, das merkte er sofort. Aber für eine genauere Analyse seiner neuen Umgebung blieb ihm keine Zeit. Die Unbekannten begannen sofort wieder an den Seilen zu ziehen und schleiften das Gila-Tier über den Boden in eine bestimmte Richtung.
Bill wehrte sich, obwohl er wusste, dass es nichts nützen würde, aber kampflos wollte er sich nicht ergeben. Er konnte es auf den Tod nicht ausstehen, dass ihn jemand wie totes Fleisch behandelte. Er winkelte etwas die Beine an und versuchte aufrecht auf dem Boden zu sitzen. Er stemmte die Füße auf dem Boden und für einen Moment schaffte er es das Gezerre an ihm zu verlangsamen. Aber nur für ein paar Sekunden. Das Ziehen ließ einen kurzen Moment nach, doch dann riss die Gruppe ihn mit aller Gewalt nach vorne und er landete unsanft mit dem Oberkörper auf dem Boden. Jemand stellte sich hinter ihm und versetzte ihm einen harten Tritt in den Rücken. Bill stöhnte laut auf und war für einen Augenblick unfähig sich zu bewegen. Diesen Moment nutzten die Entführer und schleiften ihn erneut über den Boden. Diesmal im schnelleren Tempo, dass ihm ganz schwindelig wurde. Es mussten sehr große Tiere sein, die ihn mit Ketten und Seilen über den Boden schleiften.
Noch einmal richtete er sich auf und warf den Kopf in den Nacken.
„Mmmo mpfng mh mmh?! Mmm mpf muh?!“
Natürlich verstand niemand seine dumpfen Schreie, was wohl auch niemand wollte. Niemand sagte ein Wort. Niemand stellte ihm eine Frage oder warnte ihn ruhig zu bleiben. Es war ein beängstigendes Schweigen.
So langsam wurde Bill müde von dem ganzen Wehren und Kämpfen. So sehr er sich auch bemühte, er wurde wie ein verachtetes, totes Tier dorthin gebracht, wovon er nicht das Ziel wusste und auch nicht wusste, ob das nicht sein letzter Gang werden würde.
Das Letztere gab ihm immer wieder Antrieb sich gegen seine Entführer zu sträuben. Er hielt kurz inne, als er hörte wie eine Tür geöffnet wurde. Seine Fänger hielten kurz an und unterbrachen ihr Gezerre an ihm. Ein merkwürdiges Summen war zu hören.
Die Krustenechse winselte unsicher.
Was sollte das alles?
Dann ertönte ein klarer, hoher Piepton, den Bill nicht oft, aber schon einmal gehört hatte.
Was da vor ihm stand war ein Aufzug. Aber ein eher moderner Aufzug. Alte besaßen kein High-Tech. Schon gar nicht in der Wüste. Waren sie überhaupt noch in der Wüste?
Erneut ging das Gezerre an ihm los und Bill ließ sich beinahe widerstandslos in den Aufzug befördern. Dort ließ man ihn wenigstens wieder eine kleine Weile in Ruhe. Die Aufzugtüren schlossen sich und der Aufzug fuhr nach unten.
Bill wusste nicht wie weit nach unten, aber es war nicht lange.
Kurze Zeit später öffneten sich die Türen wieder und das Spiel ging von vorne los.
Kaum hatten sie den Aufzug mit der Krustenechse im Schlepptau wieder verlassen, fiel Bill sofort auf, dass der Boden aus glatten Steinplatten bestand. Er versuchte sich zu orientieren, aber es waren keine Nebengeräusche zu hören. Zum Glück ging die Zwangsführung nicht lange und der Zug hielt an. Er hörte Schlüssel klimpern und eine Tür wurde aufgeschlossen.
Dann wurde er wieder nach vorne gezerrt. Kaum hatten sie die Tür passiert, hörte Bill die Geräusche gedämpfter. Es musste ein Raum sein, wo man ihn hineinbrachte.
Vermutlich die Endstation.
Jemand packte ihn an der Halseisenkette und zwang ihn zum Sitzen. Sein Rücken wurde gegen eine Art Säule oder sowas gepresst und dran gefesselt.
Er versuchte wieder aufzustehen, doch dann versetzte ihm jemand einen Tritt ins Becken und seine Beine gaben ungewollt nach.
Nachdem er ausreichend befestigt war, ließen die Hände von ihm ab und entfernten sich. Die Tür wurde zugeschlagen und es kehrte Stille im Raum ein.
Für einen Moment wagte Bill sich nicht zu rühren. Er traute sich sogar nicht zu atmen. Als er es nicht mehr länger aushalten konnte, zog er kräftig die Luft durch die Nase ein. Er konnte zwar nicht so gut riechen wie mit seinem ausgeprägten Geruchsorgan im Mund die er mit seiner Zunge bediente, aber es lagen keine verdächtigen Gerüche in der Luft. Höchstens Metall und… etwas Desinfizierendes. Der Raum schien vor kurzem erst gründlich gereinigt worden zu sein. Er lehnte sich nach hinten und rieb den Kopf an der Säule und versuchte irgendwie die Augenbinde abzustreifen. Schließlich schaffte er es sie wenigstens einen kleinen Spalt nach oben zu schieben, aber auch das hatte nichts gebracht, denn der Raum war stockdunkel. Selbst ohne Augenbinde hätte er hier nichts sehen können.
In Bill stieg wieder die Panik hoch. Mit aller Kraft zerrte er kräftig an seinen Fesseln. Doch je mehr er sich bewegte umso fester schienen sie sich um seine Handgelenke zu ziehen. Er atmete heftig vor Aufregung und Erschöpfung. Sein Herz raste wie wild. Warum hatte man ihn hierher gebracht? Warum hatte niemand ein Wort gesagt? Warum diese Verschwiegenheit? Was wollte man von ihm? Wollte man ihn hier umbringen?
Diese Fragen durchquerten immer und immer wieder seinen Kopf, bis er dann doch vor Müdigkeit nicht mehr denken konnte und etwas einnickte. Er schreckte erst wieder aus seinem dösenden Schlaf hoch, als er ein Klimpern an der Tür hörte. Seine Muskeln spannten sich an, als diese geöffnet wurde. Die Gila-Echse hielt den Atem an.
War das sein Ende?
Die Tür schwang auf. Durch den Millimeter breiten Spalt unter der Augenbinde konnte Bill Licht in den Raum eindringen sehen, begleitet von großen Schatten.
Jemand betrat den Raum. Es waren Schritte von mindestens zwei Personen.
„Das ist also unser Neuzugang?“, hörte er zum ersten Mal eine Stimme. Sie war männlich und klang alles andere als freundlich. Im Gegenteil. Sie klang sogar ziemlich herablassend.
„Keine schlechte Wahl“, fuhr der Unbekannte fort. „Sieht kräftig genug aus. Woher kommt er?“
„Aus der Mojave-Wüste“, antwortete sein Nebenstehen, von dem Bill nicht sagen konnte, ob er zu denen gehörte, die ihn hierher geschliffen hatten.
„Sieh an, sieh an. Selbst in so einer solchen Einöde ist noch etwas zu holen. Fein, fein, fein.“
Bill zischte protestierend über die Respektlosigkeit, die man ihm entgegen brachte. Wütend rief er durch den Knebel in der Hoffnung jemand würde ihm das Tuch abnehmen, damit er sie ordentlich ausschimpfen konnte. Aber diesen Gefallen tat ihm keiner.
Stattdessen fuhr der Fremde fort: „Ich sehe, du liegst noch im Dunkeln. Aber keine Sorge. Deine Aufgabe wird dir noch früh genug erklärt werden.“
Aufgabe? Was erlaubte sich der Kerl?
Zu gerne würde er seinem Entführer wütend ins Gesicht blicken. Doch da seine Augen immer noch verbunden waren, konnte er noch nicht einmal das. Stattdessen warf er wutschnaubend den Kopf in den Nacken und zerrte mit aller Kraft an seinen Fesseln.
Er konnte es zwar nicht sehen, aber er meinte zu spüren, dass der Fremde lächelte und sich an seiner Hilflosigkeit erfreute, was Bill nur noch wütender machte.
Zornig wie er war, versuchte er immer wieder aufzustehen.
Jetzt konnte er den Fremden leise dunkel kichern hören.
„Lasst ihn noch eine Weile so. Ein paar Tage Diät, danach könnt ihr ihn euch vornehmen.“
Er hörte wie sie sich umdrehten und den Raum verließen.
Bill zischte empört und schrie sämtliche Beleidigungen durch das Tuch im Mund, die man mit etwas Fantasie erahnen konnte. Doch davon ließen sich die Fremden nicht beeindrucken. Mit ruhigen, gelassenen Schritten entfernten sie sich und schlossen die Tür ab.
Eine Weile kämpfte das Gila-Monster noch, dann gab er auf. Es hatte keinen Zweck sich abzukämpfen, wenn eh keiner dabei zusah. Er musste versuchen einen klaren Kopf zu bewahren, obwohl ihm das nicht gerade leicht fiel. Für ihn war immer das Motto jemanden den Schädel einzuschlagen oder wegzulaufen. Eine andere Option hatte er selten im Hinterkopf. Nachdem er sich tausend Mal „Ruhe“ in den Kopf gehämmert hatte, tat er das einzig Gescheite was er jetzt tun konnte. Sich ausruhen. Wer weiß ob er seine Kräfte nicht noch für was brauchte. Im schlimmsten Fall um um sein Leben zu kämpfen.