Guildhouse of Horror III: Dark Temptation
von Lady Sonea
Kurzbeschreibung
Seit Monaten sucht Lorlen nach einem Weg, seinen einstigen Freund Akkarin aufzuhalten. Denn dieser praktiziert ohne das Wissen der Gilde schwarze Magie. Lorlen hat schon alle Hoffnung aufgegeben, als er auf einer Party ein mysteriöses Buch entdeckt. Mit der Hilfe des Harrels Mayrte und eines bewusstseinserweiternden Krauts entschlüsselt er schließlich das Geheimnis schwarzer Magie. Daraufhin verändert sich alles für Lorlen. Zum ersten Mal in seinem Leben ist er Akkarin ebenbürtig, begehrt bei den Frauen und kann endlich aus Akkarins Schatten heraustreten. Und seine neue Macht eröffnet ihm noch dunklere und verlockendere Möglichkeiten. Denn eigentlich ist es doch ziemlich geil, Macht zu haben, oder nicht? - Eine neue Folge aus Lady Soneas Halloween Badfic-Special. Warnungen: dark Lorlen, NSFW, Lorlen/OC, Sonea/? … lest selbst ;)
KurzgeschichteHumor, Horror / P18 / Het
Administrator Lorlen
Hoher Lord Akkarin
31.10.2017
31.10.2017
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16.581
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31.10.2017
16.581
Bitch Enterprises präsentiert:
Eine Minas Morgul Lightcolumn Studios Produktion
Guildhouse of Horror III: Dark Temptation
von Lady the-djinn-in-the-black-cell Sonea
Mit freundlicher Unterstützung von Jackie the Ripper, Rahel Queen of Bitches und Jamaica Becky „no feuel no cry“
powered by Dark Horse Wine
Kapitel 1
„Du siehst ganz abgespannt aus, Lorlen“, hatte Velia bei seinem letzten Besuch gesagt. „Du arbeitest zu viel. Es wird Zeit, dass du wieder einmal unter Leute kommst. Derril und ich sind am Wochenende auf einer Party des Oberhauptes von Haus Dillan eingeladen. Wir würden uns freuen, wenn du auch kommst.“
„Das ist sehr lieb von euch, aber ich habe zu tun“, hatte Lorlen abgelehnt.
„Dann lass dich von deinem Assistenten vertreten. Bitte Lorlen, wir würden uns so freuen. Walin kommt morgen für ein paar Wochen aus Elyne zu Besuch. Wie lange habt ihr euch jetzt nicht gesehen? Fünf Jahre? Sechs Jahre?“
Aber Walin hatte sich auf dem Schiff eine hartnäckige Magen-Darm-Erkrankung zugezogen und so war Lorlen ohne seinen Freund aus Kindertagen mit dessen Eltern zu der Party gefahren.
Ich hätte absagen sollen, dachte Lorlen zum wiederholten Male. Solche Parties sind nichts für mich. Die Tatsache, dass Walins jüngerer Bruder Barran nicht hier war und seine Sorgen bezüglich der in der Stadt wütenden Mordserie schürte und ihn wieder daran erinnerte, dass er nach einem Dreivierteljahr noch immer keinen Weg gefunden hatte, um Akkarin aufzuhalten, half nicht. Seit er seinen Eid geschworen hatte, hatten die Häuser aufgehört, seine Welt zu sein. Intrigen und Klatsch gab es in der Gilde auch, doch die Magier waren direkter und weniger scheinheilig und verbargen ihre Absichten nicht hinter einer Maske aus übertriebener Freundlichkeit.
In der einen Stunde, die er nun hier war, hatte Velia ihn sämtlichen jungen Frauen vorgestellt, die noch ungebunden waren. Es bedurfte keiner allzu lebhaften Phantasie, um zu begreifen, was das bedeutete.
„Bitte entschuldigt mich“, sagte Lorlen, als Velia ihm die zehnte – zwanzigste? - Frau vorstellte. Ein junges Ding namens Elina, kaum zur Frau erblüht, tironussbraunes Haar und Augen so dunkel wie Nachtholz. Ihre Haut war so hell und perfekt wie Vin-Porzellan und Lorlen kam nicht umhin sich zu fragen, ob Akkarin sie ihm vor der Nase weggeschnappt hätte, so wie er es mit jedem Mädchen getan hatte, in das Lorlen als Novize verliebt gewesen war. Der Gedanke machte ihn krank.
„Ist alles in Ordnung, Lorlen?“, fragte Velia besorgt.
„Alles bestens“, erwiderte Lorlen lächelnd. „Elina, Ihr seid ein reizendes Ding, doch die Natur ruft. Ich bin bald wieder bei Euch.“
Dann floh er mit wehenden Roben aus dem Raum. Die Gäste sahen ihm verstört nach.
Magisches Potential!, dachte Lorlen. Sie könnte eine großartige Heilerin werden. Und was tun ihre Eltern stattdessen? Sie werfen sie auf den Heiratsmarkt! Als würde sie als Magierin die magischen Blutlinien ihres Hauses nicht stärken!
Doch selbst würde Elina in fünf Jahren eine ausgebildete Heilerin sein, hätte Lorlen sie nicht gewollt. Er war Administrator. Er war mit seiner Arbeit, mit der Gilde verheiratet. Wie sollte er da Zeit für eine Beziehung finden? Es wäre keiner Frau gegenüber fair.
Kyralische Häuser mochten individuell eingerichtet und geschnitten sein, doch die Lage der Räume war in allen gleich. Von dem großen Wohnzimmer trat Lorlen seine Reise einen Flur entlang an bis zu einer Tür auf der anderen Seite des Anwesens. Seine Sinne ausstreckend registrierte er niemanden dahinter. Erleichtert drückte er die Klinke hinab und fand sich in einer Bibliothek wieder.
Bücher, dachte er anerkennend. Eine so viel bessere Gesellschaft, um den Abend zu verbringen.
Den Wein in seinem Glas schwenkend, schritt er die Regale entlang und entzifferte die Titel auf den Einbänden. Qualen von Dillan hatte einen wirklich erlesenen Geschmack. Elynische Dramen, Schriften alter Gelehrten und Philosophen, Geschichtschroniken, moderne Unterhaltungsliteratur – und dann …
Das Buch war alt und der Titel machte ihn stutzig. Stirnrunzelnd schlug er das Buch auf. Es war beinahe siebenhundert Jahre alt! Mit angehaltenem Atem überflog Lorlen die ersten Seiten. Und dann erstarrte er, als er begriff, was er dort las.
Kapitel 2
Die Papierblenden vor die Fenster seines Büros geschoben, saß Lorlen über seinen Schreibtisch gebeugt und las im Schein seiner gedämpften Lichtkugel das Buch, das er im Haus des Oberhauptes von Haus Dillan konfisziert hatte. Es war bereits nach Mitternacht und er durfte nicht riskieren, dass Osen ihn so fand und schalt, weil er wieder eine Nacht durchgearbeitet hatte. An Lady Vinaras Reaktion, wenn er die Besprechung der höheren Magier am nächsten Tag mit dunklen Schatten unter den Augen bestritt, wollte er gar nicht erst denken.
Eine rasche Durchsuchung der Bibliothek hatte ergeben, dass es das einzige Buch über Magie in Qualens Haushalt war. Allein dafür gehörte der Mann angeklagt und bestraft. Was Lorlen in diesem Buch entdeckt hatte, rechtfertigte jedoch Hinrichtung.
Das Buch war nicht einfach nur ein altes Buch über Magie. Es enthielt eine Anleitung zum Praktizieren schwarzer Magie.
Lorlen war über seinen Fund so entsetzt gewesen, dass er es sich mit der Ausrede, das Buch im Rahmen seiner Freizeitbeschäftigung, der Recherche über alte Magie, von dessen Besitzer ausgeborgt hatte. Wenn er das Buch gelesen hatte, würde er die höheren Magier konsultieren und sie würden gemeinsam überlegen, wie sie nun am besten vorgingen. Offenkundig wusste Qualen von Dillan nicht, dass er verbotenes Wissen in seiner Bibliothek beherbergte. Aber woher sollte ein Nichtmagier den Unterschied zwischen Magie und schwarzer Magie kennen, wenn die meisten Gildenmagier ihn nicht einmal kannten?
Nein, dachte Lorlen dann. Wenn ich die höheren Magier informiere, wird Akkarin davon erfahren. So auch, wenn ich Qualen anklage. Akkarin würde versuchen, das Buch in seine Hände zu bekommen. Lorlen wollte sich nicht ausmalen, was geschah, wenn sein einstiger Freund zudem herausfand, dass Lorlen sein finsteres Geheimnis kannte. Nein, dieses Buch musste ein Geheimnis bleiben. Qualen von Dillan mochte, ob wissentlich oder unwissentlich, gegen eines der wichtigsten Gesetze der Gilde verstoßen haben, doch für das Wohl Kyralias musste Lorlen so tun, als sei nichts weiter passiert, als habe er eine spannende Lektüre entdeckt.
Seufzend rieb er sich die Schläfen. Sein Sumi war erkaltet und sein Nacken schmerzte. Das Mondlicht fiel in silbernen Fäden durch das feine Muster der Papierblenden. Wie lange saß er schon hier? Eine Stunde? Zwei Stunden? Drei?
Es hilft alles nichts, dachte er. Ich sollte schlafen.
Er verstaute das Buch in einem Fach unter seinem Schreibtisch und schob einen Stapel mit Mappen davor. Dort würde das Buch sicher sein. Lorlen hatte seinem Dieber verboten, sein Büro aufzuräumen, und Osen war zu respektvoll, um in seinen Sachen zu wühlen.
Lorlen verließ sein Büro, belegte die Tür mit einem magischen Schloss und verließ die Universität. Die Nacht war sternenklar, das Auge hing weitgeöffnet am Himmel. Unter seinem bleichen Blick fühlte Lorlen sich seltsam beobachtet. Rasch hastete er hinüber zu den Magierquartieren.
Doch auch als er im Bett lag, wollte der Schlaf nicht kommen. Das Auge schien hell durch seine Fenster. Lorlen schob die Papierblenden vor sein pockennarbiges Antlitz, doch er konnte seine Blicke durch das dichte Papier hindurch spüren. Immerzu kreisten seine Gedanken um das Buch und was er daraus erfahren hatte.
Ob Akkarin auf diese Weise schwarze Magie gelernt hat?, fragte er sich. Als Hoher Lord war Akkarin ständig auf Parties in den Häusern und im Palast. Ob er sich das Buch ebenfalls ausgeborgt hatte? Akkarin hatte die gesamten Verbündeten Länder bereist, weswegen Lorlen immer angenommen hatte, er hätte dort schwarze Magie gelernt. Aber vielleicht war die Lösung so einfach. Akkarin war erfolglos gewesen und hatte nach seiner Rückkehr das Buch auf einer Party entdeckt. Und ich habe Dannyl auf Recherche geschickt … Lorlen brauchte das Oberhaupt von Haus Dillan nur fragen. Doch was, wenn Qualen Akkarin davon berichtete?
Ich habe in einem Buch über schwarze Magie gelesen. Ich habe gelesen, wie man sie praktiziert. Ich habe meinen Eid gebrochen.
Lorlen rieb sich übers Gesicht.
Du musstest es tun, sagte eine Stimme in ihm. Es war deine Pflicht herauszufinden, ob das Buch verbotenes Wissen enthält.
Und warum verlangt es mir dann danach, weiterzulesen?
Du kennst die Antwort, Lorlen.
Ja, das tat er. Es war wie damals als er sich in Akkarins Zimmer geschlichen hatte, wenn dieser gerade Schwertkampfunterricht gehabt hatte. Akkarin hatte in seinem Tagebuch all seine Eskapaden mit Mädchen detailgetreu festgehalten. Aus den Aufzeichnungen hatte Lorlen erfahren, welche Novizin er als nächstes zu verführen beabsichtigte und wie er Lorlen seine Freundinnen ausgespannt hatte.
Irgendwie war das hier ähnlich. Und es fühlte sich wie eine kleine Rache an.
Aber ich darf nicht. Ich bin Administrator der Gilde!
Doch, sagte die Stimme. Seit Monaten hast du nach einem Weg gesucht, um Akkarin aufzuhalten. Du warst kurz davor aufzugeben. Aber das hier ist deine Chance. Weil du Administrator bist, darfst du seine Eskapaden nicht mehr dulden.
Seufzend erhob Lorlen sich, kleidete sich in seine dunkelblaue Robe und kehrte zurück in sein Büro.
Der Mond war weitergewandert und Schwärze war alles, was noch durch das Muster in den Papierblenden fiel. Irgendwie war das beruhigend.
Erneut schuf Lorlen eine winzige Lichtkugel, dann räumte er die Akten aus dem Fach unter seinem Schreibtisch und zog das Buch heraus. Rasch fand er die Stelle wieder, an der er aufgehört hatte. Und begann weiterzulesen.
Der Begriff ’höhere Magie’ umfasst ein Vielzahl von Fähigkeiten, las er. Zu den geringen zählt sich die Erschaffung von Blutjuwelen, die die Fähigkeit ihres Erschaffers verbessern, mit einer anderen Person Gedankenrede zu führen.
Er pfiff leise durch die Zähne. Auf diese Weise könnte ich mit anderen Magiern kommunizieren, wenn wir daran arbeiten, Akkarin aufzuhalten, dachte er. Lord Balkan würde begeistert sein. Sie würden sich in ihren Strategien absprechen, und wenn sie Akkarin stellten, würde er ihren Plan nicht kennen.
Aber dazu müsste ich schwarze Magie praktizieren. Und das werden die höheren Magier niemals erlauben. Sie werden mir das Buch wegnehmen und mich hinrichten.
Lorlen betrachtete das Buch. Wollte er das zulassen? Das Buch war das Beste, was ihm in den vergangenen Monaten widerfahren war. Mit ihm besaß er nicht nur das Wissen, wie er Akkarin aufhalten konnte. Mit ihm besaß er das nötige Werkzeug.
Akkarin war dabei, sich an der Stadtbevölkerung zu stärken. Fast jede Woche meldete Barran den Fund einer neuen Leiche. Was wollte Akkarin mit so viel Magie? Er war bereits Hoher Lord. Wollte er König werden? Die möglichen Konsequenzen waren beunruhigend. Und es gab nur einen Weg, Akkarin aufzuhalten.
Und Lorlen begriff, dass er diesen gehen musste.
***
„Administrator?“ Etwas schüttelte sanft seine Schulter. „Lorlen?“
Lorlen fuhr hoch. Von der anderen Seite seines Schreibtisches starrte ihm ein vertrautes Gesicht besorgt entgegen. „Osen“, murmelte er. „Was macht Ihr hier?“
„Ich bringe Euch die Post.“ Sein Assistent legte ein Päckchen mit Briefen auf Lorlens Schreibtisch. „Doch was ist mit Euch passiert? Wart Ihr etwa die ganze Nacht auf?“
„Ich …“, begann Lorlen und dann traf ihn der Schock mit seiner ganzen Wucht. Die Party, Elina, die Bibliothek, das Buch -
Das Buch!
Hastig klappte Lorlen seine Lektüre zu und bedeckte sie mit dem Aktenstapel. Wenn er es jetzt in sein Fach legen würde, würde Osen wissen, wo er es aufbewahrte.
„Ich muss die Zeit vergessen haben“, sagte er und fuhr sich über die Stirn. „Nach der Party hatte ich noch unerwartet Arbeit zu erledigen. Wahrscheinlich bin ich darüber eingeschlafen.“
Osen musterte ihn ungläubig. „Beim Lesen eines Buches?“
„Ein elynischer Liebesroman. Der Gastgeber hat ihn mir geliehen. Ich habe gestern Abend reingelesen, als ich eine Pause von der Arbeit brauchte.“ Oh hoffentlich ist er kein Romantiker!, dachte Lorlen. Nicht, dass er das Buch auch lesen will!
„Das sah mir nach einem sehr alten Liebesroman aus.“
Lorlen zuckte zusammen. Romantik hin oder her, Osen hatte eine hervorragende Beobachtungsgabe. „Ja“, antwortete er daher. „Ein sehr altes Buch. Mehr als fünfhundert Jahre alt. Ein echter Klassiker also.“
Sein Assistent betrachtete ihn einen langen Moment schweigend. Sein Unbehagen beiseiteschiebend hielt Lorlen seinem Blick stand. „Es tut mir leid, dass die Party für Euch so langweilig war, Administrator“, sagte Osen schließlich.
Lorlen hob die Schultern. „Ich dachte, ein wenig Zerstreuung würde mir guttun, aber ich muss den Tatsachen wohl ins Auge sehen: Parties sind nicht meine Welt.“
„Habt Ihr dort keine Frauen kennengelernt?“
„Keine, die mein Interesse geweckt hätten.“ Lorlen lächelte müde. „Könnt Ihr mir vielleicht eine Tasse Sumi bringen, Osen? Heute Vormittag steht die Besprechung mit den Oberhäuptern der Disziplinen an und ich würde gerne vermeiden, dass Lady Vinara mich erneut scheltet.“
„Sehr gerne, Administrator.“ Osen wirkte so übereifrig, dass nicht mehr viel gefehlt hätte und er hätte sich verneigt. „Wünscht Ihr noch etwas?“
„Einen Harrel“, sagte Lorlen spontan.
Osen hob die Augenbrauen. „Einen Harrel?“, wiederholte er. „Was wollt Ihr damit?“
„Der gestrige Abend hat mir bestätigt, dass es keine Frau ist, die ich brauche, sondern ein Haustier“, sagte Lorlen.
„Harrel machen viel Dreck“, wandte Osen ein. „Sie scharren, hinterlassen überall Kot und kratzen die Möbel an. Wollt Ihr wirklich ein solches Untier in Euren Räumlichkeiten halten? Eine Frau dagegen würde Euch dazu anhalten, Ordnung zu halten. Ihr wärt ebenfalls nicht mehr allein. Doch im Unterschied zu einem Tier würde sie …“
„Mein Leben ist geordnet genug“, unterbrach Lorlen ihn. Die Ungeduld in seiner Stimme bemerkend, lächelte er. „Ich denke, ein wenig Unordnung ist genau das Richtige.“
***
Den ganzen Tag hatte Lorlen der Gedanke an das Buch unter seinem Schreibtisch gequält. Es lauerte dort wie eine ständige Erinnerung an die Macht, die es verhieß. Während Balkan, Sarrin und Vinara sein Büro belagert und Gildenangelegenheiten totdiskutiert hatten, hatte er alle Gedanken an das Buch nur schwerlich ausblenden können. Als Vinara ihn zum wiederholten Mal um die Bewilligung weiterer Gelder für die Anschaffung neuer Heilpflanzen bat, hatte er bemerkt, dass er der Unterhaltung schon länger nicht mehr gefolgt war.
Mit der Anweisung, weniger zu arbeiten und mehr zu schlafen, war Vinara schließlich hinter ihren beiden Kollegen aus dem Raum gerauscht.
Aber es war nicht bei einer Begegnung mit den höheren Magiern geblieben. Am Abend, als er sich gerade in sein Apartment hatte zurückziehen wollen, waren sie erneut bei ihm eingefallen. Zusammen mit Rektor Jerrik und Lord Rothen, dessen Novizin sich einen Kampf mit mehreren ihrer Klassenkameraden im Wald geliefert hatte. Diese lagen nun geblendet im Heilerquartier und Lady Vinara hatte erklärt, die Magie ihrer Heiler nicht darauf zu verschwenden, dass ihre Sehkraft zurückkehrte, wenn dies durch die Selbstheilungskräfte eines jeden Magiers von selbst geschehen würde. Lorlen war nicht umhin gekommen, dem zuzustimmen.
Nachdem er auch Rothen und Balkan aus seinem Büro geworfen hatten, weil sie offenkundig der Meinung waren, ihre Diskussion hier fortsetzen zu müssen, ließ er sich in seinen Sessel zurücksinken.
Endlich! Ich dachte, sie gehen nie!
Er lauschte, bis die Schritte auf dem Flur verklungen waren, dann zog er das Buch unter dem Schreibtisch hervor und klemmte es sich so unter den Arm, dass der Einband nicht zu sehen war.
In dieser Nacht war das Auge von Wolken verhüllt als hätte es beschlossen, nicht hinzusehen. In seinem Apartment angekommen belegte er die Tür mit einem magischen Schloss. Dann ließ er den Harrelkäfig auf den Tisch schweben und legte das Buch daneben. Als Lorlen es aufschlug, spürte er, wie ihn ein freudiger Kitzel überkam. Das war wie damals im Heilkunstunterricht, wo sie zuerst an Tieren experimentiert hatten, bevor sie an Patienten gelassen wurden.
Mit klopfendem Herzen las Lorlen erneut die Stelle, die er sich in der Nacht markiert hatte:
Zu Beginn seiner Ausbildung lehrt man einen Schüler, sich seine Magie als Gefäß vorzustellen. Im späteren Verlauf lernt er, dass der Körper das Gefäß ist und dass seine Haut die natürliche Barriere ist, die die Magie im Inneren festhält. Und so kommt es, sollte er eine Öffnung dieser natürlichen Barriere bei einer anderen Person spüren – wie zum Beispiel durch eine Wunde, seine Sinne in den Körper des anderen ausstrecken und diesen ganz anders wahrnehmen kann, als beim Heilen.
Was für ein Unsinn!, dachte Lorlen. Heilende Magie durchdringt die natürliche Barriere. Man muss diese dafür nicht gewaltsam öffnen. Und man kann auf diese Weise auch das magische Potential der Person spüren.
Nichtsdestotrotz war er begierig zu erfahren, wie man seinen Körper als Gefäß wahrnehmen konnte.
Er erkundet die Magie im Körper des anderen, nicht den Körper selbst, las Lorlen weiter. Er runzelte die Stirn. Als Heiler hatte er Tote und Lebende untersucht. Mit und ohne magisches Potential. Er wusste, wie man einen Tod durch schwarze Magie mit Hilfe der Heilkunst bestätigen konnte. Also war es letztendlich nur eine andere Form der Wahrnehmung?
Außerdem kann er diese Magie beeinflussen, ihr etwas hinzufügen oder wegnehmen. Obwohl es möglich ist zu spüren, wie viel Magie eine Person besitzt, ist es unmöglich festzustellen, wie stark diese ist. Mann kann die körperliche Erschöpfung einer Person spüren, die ihrer Magie beraubt wurde, was die Vermutung nahelegt, dass die körperliche Energie angezapft wird, sobald die magische aufgebraucht ist …
Lorlen ließ das Buch sinken. Und er hatte immer geglaubt, magische und körperliche Energie wären dasselbe. Und dass die Menge darüber entschied, ob es als magisches Potential definiert wurde. Und Magie hinzuzufügen bedeute doch nichts anders als Heilen. Waren schwarze Magie und Heilkunst ein und dasselbe? Andererseits … das Buch war siebenhundert Jahre alt. Damals hatten gerade die ersten Anfänge der Heilkunst stattgefunden. Das Wissen war somit veraltet, und obwohl Lorlen als einstiger Heiler darüber nur den Kopf schütteln konnte, war der verbotene Teil der einzig spannende.
Er hoffte, dass dieser nicht auch veraltet war. Andererseits galt schwarze Magie seit einigen Jahrhunderten als verboten. Aktuelleres Wissen würde er wohl kaum finden.
Also fangen wir es an.
Lorlen erhob sich und trat zu dem Schrank, in dem das Tischgeschirr – Erbstücke seiner Großmutter – aufbewahrt wurde. Unter Regalen mit feinstem Vin-Porzellan war eine Schublade für Besteck. Lorlen zog sie auf und betrachtete die verschiedenen Messer. Ich hätte mir ein Skalpell besorgen sollen. Obwohl er als Administrator zweifelsohne eines im Heilerquartier erhalten hätte, hätte er sich mit einem solch ungewöhnlichen Wunsch rasch zum neuesten Geschwätz im Abendsaal gemacht. Und Lady Vinara hätte er nicht fragen können. Sie war von Natur aus misstrauisch. Und sie hatte Lorlens und Akkarins Novizenstreiche noch allzu gut im Gedächtnis.
Schließlich wählte er ein Steakmesser und kehrte zurück. Er öffnete den Käfig und betrachtete den Harrel.
„Ein Riss in der natürlichen Barriere also“, murmelte er und griff in den Käfig.
Der Harrel zappelte, als Lorlen ihn auf den Käfigboden drückte und einen kleinen Schnitt in dessen Nacken vollzog. Das Wimmern des Tieres ignorierend, schuf er eine magische Barriere und hielt es damit auf dem Boden fest. Dann legte er einen Finger auf die Wunde. Unter ihm ging die Atmung des Harrels schnell und flach.
Lorlen schloss die Augen.
Meine Magie ist nicht das Gefäß. Mein Körper ist es. Er versuchte seinen Körper zu spüren. Doch alles, was er spürte, war das in seinen Adern rauschende Blut und die Arbeit seiner Organe.
Mein Körper ist das Gefäß. Die Magie ist überall.
Nichts passierte. Erneut versuchte Lorlen statt der Visualisierung seiner Magie, diese zu spüren. Und wieder spürte er nur seinen Körper.
Frustriert ließ er den Harrel los. So konnte das nichts werden. Wahrscheinlich war auch dieser Teil des Buches veraltet. Weiter vorne hatte er gelesen, dass schwarze Magie für gewöhnlich von Geist zu gelehrt wurde.
Aber diese Möglichkeit war Lorlen verwehrt. Den einzigen schwarzen Magier, den er kannte, konnte er nicht fragen.
Er schnaubte leise. Als Novize wäre ihm das auch nicht eingefallen.
Aber er hatte Akkarin etwas voraus: Er hatte einen Abschluss in einer Kunst, die Akkarin immer als Mädchendisziplin bezeichnet hatte. Und damit kannte Lorlen Mittel und Wege, wie er schwarze Magie lernen konnte, ohne dass jemand es ihn lehrte.
***
Trotz der späten Stunde war das Bolhaus Zum kühnen Messer überfüllt. Dank Lord Dannyls ausführlichem Bericht über seine Verhandlungen mit den Dieben hatte Lorlen das Bolhaus leicht gefunden. Entsetzt sah er sich um. Was die Klientel betraf, so hatte Dannyl nicht übertrieben.
Seine Kapuze zurechtrückend bahnte Lorlen sich seinen Weg zur Theke.
„Was darf’s sein?“, fragte der Wirt, ein schmieriger Kerl mittleren Alters.
„Ein Messer“, sagte Lorlen und legte ein Silber auf den Tisch.
„Dann musst du was warten. Trink solange’n Bol. Macht noch’n Silber.“
„Danke“, sagte Lorlen, bemüht sich nicht über die schlechten Umgangsformen des Mannes zu ärgern. „Aber ich bin nicht durstig. Und ich brauche das Messer sofort.“
„Das sagen se alle, du musst trotzdem warten.“
Also wartete Lorlen an der Theke, einen Krug Bol vor sich, der so abscheulich roch, dass er den Kopf wegdrehte. Stattdessen beobachtete er die Gäste. Die meisten waren Kyralier, er entdeckte jedoch auch ein paar Vindo und Elyner. Und einen Sachakaner. Sie alle hatten jedoch eines gemeinsam: Sie sahen sehr gefährlich aus.
„Du willst’n Messer?“
Lorlen zuckte zusammen. Ein anderer, noch schmierigerer Mann mit einer Narbe stand neben ihm.
„Ja“, sagte er.
„Komm mit.“
Er folgte dem Mann nach draußen und durch ein Labyrinth von schmalen, finsteren Gassen. Ravi stoben davon und irgendwo kläffte ein Yeel.
„Warte“, sagte Lorlen.
Sein Führer hielt inne. „Was?“
„Ich weiß, jetzt gleich kommt das Schlachthaus und ich werde weitere Leute von meinem Anliegen überzeugen müssen. Ich würde es begrüßen, wenn du mich stattdessen direkt zum Ziel bringst. Und eigentlich geht es gar nicht um ein Messer.“
Der Mann sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Was willste dann?“
Lorlen lächelte dünn. „Ich will mein Bewusstsein erweitern.“
Er hätte auch entsprechende Substanzen im Heilerquartier finden können. Die Nachtdienst habenden Heiler würden sich jedoch wundern. Wie das Skalpell kam das nicht in Frage.
„So einer biste also.“ Der Mann lachte. „Wusste gleich, dass mit dir was anders ist. Komm, ich bring dich zu Faren.“
Den Rest der Reise legte Lorlen mit verbundenen Augen zurück. Von dem Klang seiner Schritte und dem Geruch nach zu urteilen, befanden sie sich im Tunnelsystem unter der Stadt. Lorlen versuchte seine Schritte zu zählen, fand sich jedoch bald wieder dabei, wie er über das Buch nachdachte. Würde sein Vorhaben ihn beim Erlernen schwarzer Magie unterstützen? Er wusste, dass er damit erneut gegen das Gesetz verstieß. Akkarin aufzuhalten, war ihm dies jedoch mehr als wert.
Endlich quietschte eine Tür und das Geräusch ihrer Schritte änderte sich und hielten schließlich auf einem dichten Teppich.
„Ein Besucher für Faren“, sagte Lorlens Führer.
„Bring ihn her“, erklang eine tiefe Stimme.
Lorlen wurde einige Schritte nach vorne geschoben, dann nahm ihm jemand die Augenbinde ab.
„Lass uns allein.“
Gegen das helle Licht blinzelnd sah Lorlen sich um. Der unterirdische Raum war geschmackvoll und kostspielig eingerichtet. Vor den Brokatsesseln und den Schränken und Regalen aus Nachtholz verblasste jedoch der Anblick des Magiers aus Lonmar, der hinter einem Schreibtisch saß, und dessen Kleidung so schwarz war, wie seine Haut. Er handelte nicht nur mit Drogen und Giften, er hatte sich auch noch nach einem giftigen Insekt benannt und sein Aussehen an dieses angepasst.
„Wie heißt du?“
„Mein Name tut nichts zur Sache.“ Lorlen zog die Kapuze herunter. „So wie es vermutlich nichts zur Sache tut, dass ausgerechnet ein Lonmar Anführer einer kriminellen Untergrundorganisation ist.“
„Gildenmagier“, sagte Faren. „Warum bist du hier?“
„Wie kommst du darauf, ich wäre einer?“, fragte Lorlen.
„Nur ihr seid so arrogant.“ Faren faltete die Hände vor dem Bauch. „Und die Tatsache, dass du zu mir gekommen bist, zeigt mir, dass du etwas willst, von dem deine Freunde besser nicht erfahren, dass du es willst.“ Er lächelte und entblößte dabei zwei Reihen strahlend weißer Zähne. „Also sag mir, was du willst, dann sehe ich, ob ich dir helfen kann.“
„Ich brauche etwas, um mein Bewusstsein zu erweitern. Ohne zu sehr zu benebeln.“
Das Lächeln verbreiterte sich. „Da kann ich dir helfen. Du hast die Wahl: wenig benebelt, aber dafür lange Wirkung. Oder stark benebelt und du kannst morgen früh wieder arbeiten.“
„Das Starke. Ich habe immer Arbeit. Viel Arbeit.“
„Deine Entscheidung. Es macht abhängig. Wenn du dein Bewusstsein genug erweitert hast, musst du aufhören.“
Lorlen winkte ab. „Ich brauche nur eine Erkenntnis.“
„Dann wird dir das Kraut gefallen, das ich dir anbieten kann. Kommt aus dem Norden von Lonmar. Gibt richtig heftige Erkenntnisse. Die Priester im Tempel zu Jebem benutzen es zur Meditation. Es heißt, Dorgon persönlich hätte es inhaliert, bevor er seine Wunder vollbracht hat. Aber pass auf, es macht schnell abhängig.“
***
Eine Stunde später hockte Lorlen über ein glühendes Kohlebecken gebeugt in seinem Apartment und inhalierte die Dämpfe des Krautes, das Faren ihm für zehn Goldstücke verkauft hatte. „Hast du ein Kohlebecken bei dir?“, hatte der Dieb gefragt.
„Wir Magier erzeugen Wärme mit Magie“, hatte Lorlen erwidert. „Wir kommen ohne solch primitive Hilfsmittel aus.“
„Egal“, hatte Faren gesagt und ihm eines für fünf weitere Goldstücke mitgegeben. Lorlen hatte noch fünf weitere draufgelegt, um sicherzustellen, dass Faren über ihr Geschäft Stillschweigen wahrte, dann hatte er das Gerät nach Hause geschleppt. Er hatte den Weg durch das fehlende Stück Mauer in die Gilde gewählt. Die Krieger am Tor hätten sich über seinen Erwerb gewundert; so war Lorlen jedoch ungesehen in sein Apartment zurückgelangt.
Ist das dämlich, dachte er. Eine Unterlage aus Stein oder Metall hätte völlig genügt, um das Kraut zu verbrennen und seine Dämpfe zu atmen. Vermutlich hatte Faren das Ding nur loswerden wollen und in ihm den Dummen gesehen, der verzweifelt genug war, nicht zu bemerken, dass er ausgenommen wurde.
Während er den Rauch in tiefen Zügen inhalierte, spürte Lorlen, wie er träge wurde. Zugleich verbesserte sich jedoch auch seine Wahrnehmung. Das Gefühl war absolut berauschend.
Also noch einmal, dachte er, schloss die Augen und visualisierte seine Magie. Mein Körper ist das Gefäß. Mein Körper ist das Gefäß.
Erst zögernd, dann mit mehr Zuversicht verwarf er die Visualisierung und konzentrierte sich auf das Gefühl seiner Magie. Sie war überall, pulsierte in ihm und erfüllte ihn mit Leben.
Das ist es!, dachte er.
Er löste sich aus seiner Visualisierung, öffnete den Harrelkäfig und schnitt das Tier erneut. Einen Finger auf die Wunde gelegt, konzentrierte er sich wieder auf seine eigene Magie. Er streckte sich darin aus und erforschte sie mit all seinen Sinnen und nahm seinen Körper auf eine ganz neue Weise wahr. Und dann spürte Lorlen es.
Ein Riss in einer fremden Barriere unter seinem Finger. Die panische Präsenz des Tieres war durch diesen verstärkt zu spüren, und als Lorlen sich darauf konzentrierte, schoss ein Blitz aus Magie aus dem Riss.
Huh!, dachte er. Das ist wahrhaftig ein starkes Kraut!
Doch jetzt wusste er, was er zu tun hatte. Sein Bewusstsein wanderte in den Riss und Lorlen wurde sich der Magie des Harrels bewusst. Vorsichtig nahm Lorlen ein wenig davon und zog es in seinen Körper. Er wusste nicht, wie er es dort speichern sollte, doch es vermischte sich wie von selbst mit seiner eigenen Magie.
Nanu? Habe ich gerade schwarze Magie praktiziert? Das war ja einfach!
Verblüfft ließ er von dem Harrel ab. Das Tier war ruhig geworden und bewegte sich nur noch träge. Er selbst fühlte sich jedoch ein winziges Bisschen stärker. Das Triumphgefühl hingegen war überwältigend.
Ich habe schwarze Magie praktiziert!, dachte er. Akkarin ist sechs Jahre durch die Welt gereist, um das zu lernen. Und mir ist es in einer Nacht gelungen!
Sein halbes Leben hatte er in Akkarins Schatten gestanden. Das würde nun ein für alle Mal ein Ende haben.
Kapitel 3
Eine Woche hatte Lorlen an dem Harrel experimentiert. Er hatte das Tier Mayrte genannt, nach dem Mädchen, das Akkarin ihm einst ausgespannt hatte und das fast das Ende ihrer Freundschaft gewesen war. Angesichts dessen, was er ihr tat, genoss er die damit verbundene Ironie.
Aber Mayrte besaß kein magisches Potential. Lorlen konnte dem Tier Lebensenergie entziehen und es mit Futter aufpäppeln, so dass er den Prozess am nächsten Tag wiederholen konnte. Aber damit konnte er nicht einmal auffüllen, was er den Tag über verbraucht hatte. Um einen schwarzen Magier zu besiegen, brauchte er mehr. Viel mehr. Und Mayrte machte mehr Dreck in seinem Apartment, als er gutheißen konnte. Als er an diesem Morgen aufgestanden war und sie über Nacht das Bein seines Esstisches angenagt hatte, hatte er das Tier kurzerhand mit schwarzer Magie getötet. Der Tisch war aus Nachtholz gewesen.
„Welch ein Glück, dass das Tier tot ist“, hatte Lorlens Diener gesagt, als er ihm seinen morgendlichen Sumi brachte. „In den wenigen Tagen, die es hier war, hat es Eure halbe Wohnung zerlegt. Und immer dieser Geruch! Wie in einem Bordell in Kiko Town!“
„Wahrscheinlich sind ihm die Holzspäne nicht bekommen“, sagte Lorlen, die Bemerkung über den Geruch ignorierend. Um seine Experimente effektiver zu machen, hatte er mehr von Farens Kraut inhaliert. Die Wirkung war danach jedes Mal rasch verfolgen, doch mit jedem Morgen hatte er sich zerschlagener gefühlt. Nun fühlte er sich jedoch erfahren genug, es nicht mehr zu benötigen. Es war besser, damit aufzuhören, bevor einer seiner Kollegen den seltsamen Geruch bemerkte. „Davon kann man innere Blutungen bekommen.“
Es war noch früh, als er zur Universität schritt. Einige Novizen eilten an ihm vorbei zur Speisehalle, doch die meisten zogen es vor, bis kurz vor Unterrichtsbeginn zu schlafen und dann ihr Frühstück hinunterzuschlingen. So war ich nie, dachte Lorlen. Ich bin immer früh aufgestanden und habe ordentlich gefrühstückt. Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Sein einstiger Freund war anders gewesen. Aber Akkarin hatte es auch nicht gestört, wenn er darüber zu spät zum Unterricht gekommen war. Regeln waren noch nie sein Ding gewesen.
Eine kleine Gestalt kam aus der Richtung des Novizenquartiers den Weg entlang. Sie trug eine Tasche für Bücher und Unterlagen. Angesichts ihrer kleinen, zierlichen Gestalt, schien diese zu groß und zu schwer.
Bevor wir nicht wissen, wie wir Akkarin besiegen können, dürfen wir mit niemandem über das hier sprechen.
Lorlen lächelte, als ein Plan in ihm zu reifen begann.
Als das Mädchen ihn erblickte, hielt sie kurz inne und runzelte dann die Stirn. „Guten Morgen, Administrator“, grüßte sie und verneigte sich.
„Guten Morgen, Sonea“, erwiderte Lorlen freundlich. „Stehst du immer so zeitig auf?“
Ihr schmales Gesicht verdüsterte sich. „Um diese Zeit ist es in der Speisehalle noch ruhig.“
„Verstehe.“ Also versuchte sie, Regin und seinen Freunden aus dem Weg zu gehen. Lorlen spürte, wie sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. „Ich habe vielleicht eine Idee, wie gewisse Novizen dir bald keinen Ärger mehr machen werden.“
Ihre Miene hellte sich auf. „Wie?“
Lorlen nickte zur Universität. „Komm in mein Büro, dann erkläre ich dir alles.“
Gemeinsam stiegen sie die Stufen empor und durchquerten die Eingangshalle. In seinem Büro bot Lorlen ihr einen Stuhl an und setzte sich dann hinter seinen Schreibtisch. „Du erinnerst dich, dass ich nach einer Möglichkeit suchen wollte, um Akkarin aufzuhalten?“
Sie nickte. „Wart Ihr erfolgreich?“
„Das könnte man so sagen.“ Lorlen betrachtete sie ernst. „Aber damit mir das gelingt, brauche ich deine Hilfe.“
Sie nickte eifrig. „Was muss ich tun?“
„Mich jeden Abend nach Unterrichtsende treffen und mir deine Magie übertragen. Nur so kann ich stark genug werden, um Akkarin zu besiegen.“
„Aber …“, begann sie, dann weiteten sich ihre Augen. „Ihr habt schwarze Magie gelernt!“
„Es war die einzige Möglichkeit.“
Entsetzt schob Sonea ihren Stuhl zurück. „Nein!“, rief sie. „Das mache ich nicht!“
„Setz dich!“, befahl Lorlen und seine Magie katapultierte sie zurück auf ihren Stuhl. „Und hör mich erst zu Ende an.“ Als sie zögernd nickte, fuhr er fort: „Sicher hast du von den Morden in der Stadt gehört, nicht wahr?“
Sie nickte erneut. „Was ist damit?“
„Akkarin begeht sie. Die Opfer sterben scheinbar grundlos und die Stadtwache findet nur oberflächliche Wunden, wie durch ein Messer zugefügt, das du gesehen hast, als du Akkarin im Keller beobachtet hast.“
Aus ihrem Gesicht wich alle Farbe. „Und deswegen habt Ihr schwarze Magie gelernt? Wie?“
„Mit einem Buch.“ Lorlen lächelte schief. „Wie mir scheint, gibt es keinen anderen Weg. Akkarin bezieht täglich Magie von seinem Diener und jagt zusätzlich in der Stadt. Du bist jedoch sehr stark. Mit deiner Hilfe werde ich in ein paar Wochen genug Magie gesammelt haben, um ihn zu stellen. Als Gegenleistung werde ich dafür sorgen, dass Regin und seine Freunde dich ein für allemal in Ruhe lassen.“
Sie starrte ihn an. „Ihr glaubt mir, dass ich den anderen nicht aufgelauert habe?“
„Ich war in deinem Geist, Sonea“, erinnerte Lorlen.
Daran, wie sich eine sanfte Röte auf ihre Wangen stahl, konnte er sehen, dass er sie hatte. „Werde ich noch eine Klasse überspringen dürfen?“
„Wenn du möchtest, werde ich auch dafür sorgen.“ Lorlen betrachtete sie eingehend. Es war wie er erwartet hatte. Sie hielt nur bedingt etwas von den Regeln der Gilde. Und das machte sie zu einer perfekten Verbündeten.
„Also, was sagst du?“, fragte er.
„Ich hätte wirklich meine Ruhe vor Regin?“
Lorlen nickte.
„Könnt … könnt Ihr auch dafür sorgen, dass ich wieder bei Rothen wohnen darf?“
„Eins nach dem anderen. Doch ich sehe nichts, was dagegen spricht.“
Sie kaute auf ihrer Unterlippe. „Wo treffen wir uns, damit ich Euch meine Magie geben kann?“
„Ich werde jeden Tag einen neuen Treffpunkt bestimmen. Dann sieht es weniger verdächtig aus.“
„Müsst Ihr mich dafür schneiden?“
Lorlen schüttelte den Kopf. „Ich vergaß, du hast in Kriegskunst noch nicht gelernt, wie man einem anderen Magier seine Magie überträgt. Das ist Stoff des zweiten Jahres. Ich werde es dir zeigen. Aber ich werde dir nicht zeigen, wie ich die Magie in mir speichere.“
„Ich glaube, das will ich auch gar nicht wissen, Lorlen.“
Kapitel 4
Als Sonea an diesem Morgen erwachte, war sie voll Zorn. Wie hatte Regin es wagen können, ihr einen Diebstahl unterzuschieben? Sie brauchte daran zu denken, wie sie in Rektor Jerriks Büro gerufen worden war, um sicher zu sein, dass sie es von nun an noch schwerer haben würde.
Und ich habe Lorlen geglaubt!, dachte sie bitter.
Zwei Wochen lang hatte sie ihm jeden Abend ihre verbleibende Magie gegeben. In der Zwischenzeit hatte Regin sie ignoriert und sie hatte geglaubt, Lorlen habe seinen Einfluss spielen lassen. Nun fühlte sie sich betrogen. Und missbraucht. Und das erfüllte sie mit unsäglichem Zorn.
Draußen auf dem Korridor wurden aufgeregte Stimmen laut. Füße trappelten, ein Mädchen schrie.
Alarmiert sprang Sonea auf und schlüpfte in ihre Novizenrobe. Nachdem sie ihr Haar grob durchgekämmt und mit einer Spange im Nacken befestigt hatte, trat sie auf den Flur.
Eine Traube von Novizen hatte sich um die Tür eines Zimmers – Regins Zimmers – gebildet. Das Mädchen schrie noch immer.
Sonea schob sich zwischen den Novizen nach vorne, um einen besseren Blick zu haben. Die anderen Novizen achteten nicht auf sie. Sie alle starrten wie gebannt nach vorne.
„Was geht hier vor?“
Mit langen Schritten und wehenden Roben schritt Lord Ahrind den Flur entlang. Hastig stoben die Novizen zur Seite und verneigten sich.
„Regin!“, schluchzte ein Mädchen. Es war das Mädchen, das geschrien hatte. Issle.
Für einen Moment hatte Sonea freien Blick in das Zimmer. Regin lag auf seinem Bett, den Oberkörper aus einem ihr unerfindlichen Grund entblößt. Seine Miene war friedlich. Doch Sonea wusste augenblicklich, dass er tot war.
Lord Ahrind war bereits an Regins Seite geeilt und untersuchte ihn.
- Vinara!
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
- Ahrind?
- Kommt ins Novizenquartier. Es gibt einen Notfall.
Ahrind wandte sich um. „Hat jemand von Euch gesehen, wer das war?“
Die Novizen schüttelten die Köpfe. Issles Augen hefteten sich jedoch auf Sonea und hob den Arm. „Sie“, fauchte sie und zeigte auf Sonea. „Sie war es!“
„Alle Novizen gehen wieder auf ihre Zimmer!“, befahl Ahrind. Er funkelte Sonea und Issle an. „Bis auf euch beide.“
Wenig später rauschte Vinara in einem Wirbel grüner Roben ins Novizenquartier. Als sie Regin erblickte, erbleichte sie. „Wie …?“
„Das hoffe ich von Euch zu erfahren.“
Vinara trat neben Regins Bett und untersuchte ihn. „Es gibt nicht die geringsten Anzeichen, wie er gestorben sein könnte. Er hat weder äußere noch innere Verletzungen. Bei einem Nichtmagier würde ich sagen, dass er vergiftet wurde und das Gift nicht mehr nachweisbar ist. Aber damit hätte sein Tod das halbe Novizenquarter in Schutt und Asche gelegt.“
„Könnte er sich erschöpft haben?“, fragte Ahrind.
Vinara nickte langsam. „Er hatte gestern Kriegskunst. Er könnte sich erschöpft haben. Vielleicht hatte er einen Traum, in dem er gekämpft hat und dieser war so real, dass er seine Magie tatsächlich erschöpft hat. Auch wenn das den friedlichen Ausdruck auf seinem Gesicht nicht erklärt.“
„Sie war es“, sagte Issle kalt und zeigte erneut auf Sonea. „Sie ist nicht nur eine Diebin. Sie hat zugegeben, in den Hüttenvierteln jemand erstochen zu haben.“
„Aus Selbstverteidigung!“, zischte Sonea. „Und wie überhaupt soll ich Regin umgebracht haben, bei meinem wirklich großen Talent als Kriegerin!“
„Nun“, sagte Vinara. „Wir haben einen toten Novizen, keine Zeugen, aber eine Anschuldigung. Ich schlage vor, wir gehen zu Administrator Lorlen.“
***
Die Strapazen der Nacht mit einem starken Sumi vertreibend, ging Lorlen seine morgendliche Post durch, als es an der Tür klopfte. Seit zwei Wochen gab Sonea ihm ihre Magie und Lorlen konnte spüren, wie er sich stärker, mächtiger und lebendiger fühlte. Schlafmangel konnte schwarze Magie jedoch offenkundig nicht kompensieren.
„Administrator“, sagte Lady Vinara mit einer Miene, die ihn das Schlimmste befürchten ließ. „Es gab einen Toten im Novizenquartier. Issle hat Sonea beschuldigt, den Mord begangen zu haben.“
Lorlen hob eine Augenbraue. „So?“
Lady Vinara trat in den Raum gefolgt von einem grimmigen Lord Ahrind, der die beiden Novizinnen vor sich herscheuchte.
„Um welchen Novizen handelt es ist?“, fragte er.
„Regin.“ Das Oberhaupt der Heiler schürzte die Lippen. „Erst gestern Narrons Füllfederhalter, heute Regins Leben.“
„Ich habe Narrons Stift nicht gestohlen!“, erklärte Sonea verärgert. „Und ich habe Regin nicht getötet!“
Lorlen hatte keinen einzigen Augenblick an ihrer Unschuld gezweifelt. Es war offensichtlich, dass Regin sich ein paar Taschenspielerfertigkeiten angeeignet hatte, um Sonea den Diebstahl unterzuschieben. Regins Verhalten erinnerte an das eines gewissen Novizen, der sein lächerlich schwaches Potential mit Niederträchtigkeiten kompensiert hatte. Mittlerweile war er Krieger und fristete eine Strafe an einem Fort in den Bergen ab. „Sonea, wenn du unschuldig bist, dann wirst du gewiss einer Wahrheitslesung zustimmen“, sagte er.
Sie tauschten einen kurzen, verschwörerischen Blick. „Ihr könnt meine Gedanken gerne erneut lesen.“
„Nun“, sagte Lorlen mit einem dünnen Lächeln, „dann schlage ich vor, schaffen wir die Sache hier und jetzt aus der Welt. Dann können Sonea und Issle zum Unterricht gehen und ich kann die anderen rufen, damit wir Regins Tod untersuchen.“
„Soll mir recht sein“, erwiderte Vinara.
„Gut. Ahrind, geht zurück ins Novizenquartier und befragt die Novizen auf Regins Flur. Vielleicht hat jemand in der Nacht etwas Ungewöhnliches gehört. Ich erwarte Euren Bericht, wenn ich mit meinen Kollegen spreche.“
Ahrind verschwand mit einer Miene, als würde er nichts lieber tun, als Novizen zu verhören. Lorlen winkte Sonea zu sich.
- Ihr habt Regin getötet, nicht wahr?, fragte sie, als seine Finger auf ihren Schläfen ruhten.
Nur mit Mühe konnte Lorlen sein Lächeln zurückdrängen, als er sich an das süße Gefühl erinnerte, als Regins Magie in seine Adern gerauscht war. Es war anders gewesen als mit Sonea. Sonea gab ihm ihre Magie freiwillig. Bei Regin hatte er jedoch zum ersten Mal das Gefühl absoluter Kontrolle genossen.
- Ja, sandte er.
- Aber wie?
- Levitation, antwortete er erheitert. Dann wurde er wieder ernst. Du musst dieses Wissen für dich behalten, Sonea. Andernfalls werden wir Akkarin nicht aufhalten können.
- Ich verstehe. Wird denn niemand herausfinden, dass Regin mit schwarzer Magie getötet wurde?
- Ich habe seine Wunde geheilt. Sie werden denken, er habe sich im Schlaf selbst erschöpft. Es gibt dazu einige Theorien, die den Heilern für Wochen Rätsel aufgeben werden.
„Sie war es nicht“, sagte Lorlen laut. „Und sie hat auch Narrons Stift nicht gestohlen. Ich vermute, dass Regin den Diebstahl inszeniert hat und seinen Sieg auf eine Weise gefeiert hat, bei der er sich erschöpft hat.“
Sonea schenkte ihm ein verstohlenes Lächeln. „Danke, Lorlen“, flüsterte sie.
Osen trat ein. „Schickt eine Nachricht an Lord Garrel und die Familie Winar“, wies Lorlen ihn an. „Regin ist wurde heute Morgen tot im Novizenquartier gefunden.“ Dann griff er nach mehreren vertrauten Präsenzen.
- Balkan! Sarrin! Jerrik! In mein Büro.
Kapitel 5
„Was bedrückt Euch, Lorlen?“
Blinzelnd löste Lorlen seine Hände von denen Soneas. Sie hatten sich in einem Raum in den Inneren Passagen getroffen, nachdem Lady Tya das Mädchen aus der Novizenbibliothek gescheucht hatte.
„Es gab schon wieder einen Mord. Dieses Mal waren es zwei Tote.“ Lorlen seufzte frustriert. Akkarin wurde von Tag zu Tag stärker und er selbst hatte immer noch nur Sonea. Mittlerweile war er stärker denn je, doch er stand noch immer in Akkarins Schatten. Würde es ihm jemand gelingen, ihn zu übertreffen?
„Ich brauche mehr Quellen“, sagte er. „Sonst ist das ganze Unterfangen sinnlos.“
„Wir können Rothen um Hilfe bitten“, schlug Sonea vor. „Er weiß ohnehin schon über Akkarin bescheid.“
„Das könnten wir.“ So ganz war Lorlen jedoch noch nicht von dieser Idee überzeugt.
„Vielleicht“, sagte Sonea, „finden wir in dem Buch noch etwas, das uns weiterhilft.“
Lorlen nickte. „Gehen wir in mein Büro.“
In seinem Büro schob Lorlen die Papierblenden vor seine Fenster, dann zog er das Buch unter seinem Schreibtisch hervor und reichte es Sonea. „Ich habe es so oft gelesen, dass ich es beinahe auswendig kann“, sagte er. „Vielleicht findest du etwas.“
Er würde wieder in die Stadt zu Faren müssen, wenn er weitere Erkenntnisse daraus beziehen wollte. Doch als Heiler wusste er um die Gefährlichkeit des seltsamen Krautes.
Vielleicht wird es Zeit, Akkarin zu stellen, dachte Lorlen. Während der vergangenen Wochen war er seinem einstigen Freund noch mehr aus dem Weg gegangen als zuvor. Es hieß, Akkarin konnte die Gedanken anderer lesen, ohne sie zu berühren. Was, wenn er irgendetwas von Lorlens Absichten spürte?
„Hier!“, riss Sonea ihn aus seinen Gedanken. „Das könnte uns helfen: Es gibt Möglichkeiten, wie die natürliche Barriere gesenkt werden kann“, las sie vor, „das geht entweder, durch Übung, bewusst, oder während des Empfindens höchster Lust, wenn sich die Barriere von selbst senkt.“
„Und wie soll uns das helfen?“, fragte Lorlen.
In Soneas Augen war ein fiebriger Glanz. „Indem ich mit Akkarin schlafe. Aber dazu müsst Ihr mich in schwarzer Magie unterweisen.“
„Nein“, sagte Lorlen entschieden. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wer wird dann meine Quelle sein?“
„Ich muss nur das Prinzip kennen“, beharrte Sonea. „Meine Magie kann ich Euch trotzdem weiterhin geben. Außerdem“, sie verzog das Gesicht, „denken sowieso alle, dass ich in den Hüttenvierteln als Hure gearbeitet habe.“
Lorlen betrachtete sie nachdenklich. Es gefiel ihm nicht, sein kostbares Wissen zu teilen. Es war alles, was ihm gefehlt hatte, um endlich gleich mit Akkarin zu sein.
Aber wenn ich Sonea das erledigen lasse, wird niemand auf die Idee kommen, dass ich etwas damit zu tun habe, dachte er dann. Er wird sie nicht verdächtigen, sie ist zu unschuldig. Wenn Akkarin tot war, dann war er der mächtigste Mann der Gilde. Lorlen würde sich nicht die Finger schmutzig machen, sondern konnte seine neue Macht in aller Ruhe genießen.
Mit einem dünnen Lächeln sah er zu der Novizin, die auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch fast zu versinken schien.
„Das ist eine sehr gute Idee, Sonea“, sagte er. „Und ich weiß auch schon, wie wir dafür sorgen werden, dass er dich will.“
Was das betraf, hatte er genug aus Akkarins Tagebüchern gelernt.
***
Akkarin war gerade damit beschäftigt, die Liebesbriefe einer Elynerin zu verbrennen, die ihm bei Hofe immer wieder nachstellte, als es klopfte und Takan die Bibliothek betrat.
„Lady Sonea ist hier um Euch zu sprechen, Meister“, sagte er und verneigte sich.
Akkarin hob eine Augenbraue. Sonea war das Mädchen, das die Gilde ein Jahr zuvor aufgenommen hatte, nachdem es seine Magie selbst entfesselt hatte. Die Magier hatten wochenlang die Hüttenviertel durchsucht und damit seine eigene Jagd auf ärgerliche Weise gestört. Was konnte sie von ihm wollen?
Er löschte die Asche in der Steinschale mit seinem Willen. „Bring sie her.“
Takan rümpfte missbilligend die Nase ob des Geruchs von verbranntem Papier. „Ja, Meister“, sagte er und zog sich zurück.
Akkarin öffnete ein Fenster und ließ den Brandgeruch abziehen. Als er eine nervöse Präsenz nahen spürte, schloss er das Fenster wieder und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder.
Ein dürres Mädchen hatte die Bibliothek betreten. Die Novizenrobe schien ihr ein wenig zu kurz zu sein, was angesichts ihrer kleinwüchsigen Gestalt bemerkenswert war. Ihr Haar war ordentlich gekämmt und frisiert und sie wirkte so gepflegt, dass sie trotz ihrer mageren Figur ansehnlich war.
„Hoher Lord“, grüßte sie und verneigte sich.
„Sonea.“ Akkarin wies auf einen Sessel. „Setz dich.“
Die Arme um den Leib geschlungen setzte sie sich. Begreifend, dass ihr kalt war, streckte Akkarin seinen Willen aus und schuf eine Wärmekugel, die er hinter einen Wandschirm schweben ließ. Sie lächelte dankbar und ihre blassen Wangen färbten sich rosa.
„Wie kann ich dir helfen?“, fragte er.
„Ich … ich …“, sie schluckte, „wäre gerne Eure … Novizin.“
Fast hätte Akkarin laut aufgelacht. Er hatte nie Interesse an einem Novizen gehabt. Es gab diverse Umstände, die dies verbaten. Und wieso sollte er ausgerechnet sie nehmen?
„Ich will lernen, mich besser zu behaupten und besser zu kämpfen“, sprudelte es aus ihr heraus. „Es heißt, Ihr wärt nicht nur der stärkste Magier der Gilde, sondern auch hervorragender Krieger.“
Akkarin legte die Spitzen seiner Finger zu einem Dreieck zusammen. „Und warum willst du das, jetzt wo dir die Novizen keinen Ärger mehr machen?“
„Nur, dass Regin tot ist, heißt nicht, dass sie mich von nun an in Ruhe lassen. Sie können mich noch immer nicht leiden. Irgendwann werden sie sich wieder gegen mich zusammenrotten.“
Und dann kommst du ausgerechnet zu mir?, dachte Akkarin. Balkan war eine so viel bessere Alternative. Dann dachte er wieder an König Merin und die Häuser. Das Hüttenmädchen als Novizin zu haben, würde für einen Aufschrei sorgen. Bei der Vorstellung flog ein amüsiertes Lächeln über sein Gesicht.
Und dennoch …
„Nein“, sagte er. „Ich kann dich nicht ausbilden. Meine Pflichten als Hoher Lord lassen mir dazu keine Zeit.“
Ihr Mund klappte auf vor Enttäuschung. Dann plötzlich verhärtete sich ihre Miene. „Entweder, Ihr macht mich zu Eurer Novizin oder ich erzähle der ganzen Gilde, dass Ihr ein schwarzer Magier seid“, zischte sie.
Akkarin zuckte zusammen. Woher …?
„Ich habe Euch beobachtet“, fuhr sie fort. „Vor mehr als einem Jahr im Keller unter Eurer Residenz. Ihr habt Magie von Eurem Diener genommen.“
Die Wahrheit traf ihn wie einen Schock. „Wem hast du davon erzählt?“, verlangte er zu wissen.
„Niemandem.“
„Und wie hast du herausgefunden, dass es schwarze Magie ist?“
„Ich habe Rothen gefragt, ob es möglich ist, Magie von anderen zu nehmen und in sich zu speichern, und er sagte, das wäre verbotenes Wissen.“ Sie schenkte ihm ein schüchternes Lächeln und biss sich auf die Unterlippe. „Ich habe mich nicht getraut, ihm von meiner Beobachtung zu erzählen, weil ich nicht wollte, dass er erfährt, dass ich damals die Magier ausspioniert und Bücher gestohlen habe.“
„Verstehe“, sagte Akkarin trocken. Novizen waren immer gleich. Er hatte immer geglaubt, vorsichtig zu sein. Doch, dass jemand sein Geheimnis auf ausgerechnet diese Weise herausfand, hatte er nie für möglich gehalten. Aber wenn sie davon wusste, dann konnte er sie vielleicht zu seiner Komplizin machen.
„Ich werde Rothens Mentorenamt übernehmen“, teilte er ihr mit. „Nach allem, was man hört, bist du stark und talentiert genug, dass du meiner Aufmerksamkeit wert bist. Aber glaube nicht, das wird ein Zuckerschlecken.“
Ein subtiles Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Glaubt mir, Hoher Lord, Zucker will ich ganz sicher nicht schlecken.“
***
Seit Sonea offiziell Akkarins Novizin war, waren Treffen mit ihr schwieriger geworden. Der Hohe Lord schien seine Augen und Ohren überall zu haben, und Lorlen kam nicht umhin sich zu fragen, ob er auch so sein würde, wenn er lange genug schwarze Magie praktizierte hatte und noch stärker geworden war. Zugleich hatte sie weniger Magie übrig, weil Akkarin dafür sorgte, dass ihr Unterricht anstrengender wurde.
Noch war Sonea dabei, sich Akkarins Vertrauen zu erarbeiten; Lorlen las derweil weiter in dem Buch und verbrannte weitere Mengen des illegalen Krautes in einem neuen Kohlebecken, das er ebenfalls von Faren erstanden hatte. Sollte Sonea auffliegen, so würde es dennoch an ihm sein, Akkarin zu besiegen. Davon abgesehen faszinierte ihn die schwarze Magie und je stärker er wurde, desto großartiger fühlte er sich.
„Die Novizen lernen die Kontrolle über ihre Magie auf diese Weise seit Bestehen der Gilde“, sagte Sarrin gerade mit seiner nasalen Stimme. „Unsere Methode ist altbewährt und erfolgreich. Warum wollt Ihr etwas daran ändern?“
„Weil es egal ist, was sie als Gefäß visualisieren“, antwortete Lorlen seine Entnervung unterdrückend. „Warum also nicht gleich die Variante wählen, die ihr Körpergefühl verbessert?“
Sarrin ist so unglaublich konservativ und engstirnig!, dachte er. Einst war er selbst nicht anders gewesen, doch sein Studium der schwarzen Magie und das Inhalieren illegaler Kräuter hatten nicht nur sein Bewusstsein, sondern auch seinen Horizont erweitert.
Er schloss seine Lider und verdrehte darunter die Augen. Dann trank er einen Schluck Wein. Es war ein Fehler in den Abendsaal zu gehen. Dieses ganze dumme Gerede der Magier trieb ihn in den Wahnsinn. Hatten sie nichts Besseres zu tun, als Woche für Woche denselben Klatsch auszutauschen? Sie alle waren in ihren Meinungen völlig festgefahren und verbohrt. Wie hatte Lorlen das früher ertragen? Mit dem Wissen, das er nun besaß, hatte sich sein Weltbild völlig verändert. Sie alle waren nichts als kleine, armselige Kreaturen, die sich diese Wahrheiten auf immer selbst versagen würden, weil sie sich so sehr davor fürchteten. Es war ein elynisches Trauerspiel.
„Es ist nun einmal bewiesen, dass die einfachste Visualisierung am leichtesten zu erlernen ist“, erwiderte Sarrin. „Zudem ist Eure Variante gefährlich nahe an Wissen, das die Gilde nicht lehren will.“
Aha!, dachte Lorlen. Das ist es also!
„Sagt mir, wie seid Ihr auf diese Variante gekommen, Administrator?“
„Meditation“, antwortete Lorlen glatt. Er lächelte dünn. „Vinara hält mir seit Jahren vor, ich sollte mehr für meine geistige Gesundheit tun und einen entspannenden Ausgleich zu meiner Arbeit finden.“
„Scheint eine sehr erfolgreiche Meditation zu sein“, bemerkte Sarrin.
Die Innenflächen von Lorlens Handflächen begannen zu schwitzen und er umklammerte das Weinglas fester. „Allerdings. Ich habe damit meine Einschlafprobleme in den Griff bekommen.“ Er leerte sein Glas und erhob sich. „Doch nun entschuldigt mich. Ich werde mich nun zurückziehen, um vor dem Schlafengehen noch ein wenig zu meditieren. Gute Nacht, Lord Sarrin.“
Er überreichte sein Weinglas einem Diener und beeilte sich, die Sieben Bögen zu verlassen, bevor er erneut in Gespräche verwickelt wurde. Kurz vor den Türen wäre er jedoch beinahe mit einem ältlichen Alchemisten zusammengestoßen.
„Administrator.“
„Lord Rothen.“
Der Blick in Rothens blauen Augen war unstet. „Könnt Ihr vielleicht ein wenig Eurer Zeit erübrigen?“, fragte er. „Es gibt da etwas, das mich seit einer Weile umtreibt.“
„Wenn es für den Weg zum Magierquartier ausreicht, ja“, sagte Lorlen. „Ich wollte mich gerade zurückziehen.“
Rothen sah sich um. „Das wäre mir auf jeden Fall lieber. Wir könnten in meinem Apartment sprechen. Dort wären wir ungestört. Meine Nachbarn sind um diese Zeit immer im Abendsaal.“
„Dann lasst uns gehen“, erwiderte Lorlen und sie traten hinaus in den spätherbstlichen Abend.
In seinem Apartment schuf Rothen eine Lichtkugel, die zugleich Wärme abstrahlte, und sandte sie hinter einen Wandschirm. „Sumi?“
„Nein, danke“, wehrte Lorlen ab.
„Es geht um Sonea“, sagte Rothen, während er sich selbst eine Tasse zubereitete. Als er sich umwandte, funkelte das Blau in seinen Augen voll Zorn. „Wie konntet Ihr zulassen, dass sie Akkarins Novizin wird?“
„Sie hat es selbst vorgeschlagen“, antwortete Lorlen. „Sie hilft mir, ihn aufzuhalten.“
„Ihr habt sie tiefer in diese Sache reingezogen?“, entfuhr es Rothen.
„Ich kann ihre Hilfe gut gebrauchen“, erwiderte Lorlen. Er musterte den Alchemisten nachdenklich. Rothen war nicht mehr der Jüngste, doch sein Potential war recht passabel. „So wie die Eure.“
„Warum wurde ich nicht informiert?“, verlangte Rothen zu wissen.
„Ich dachte, Sonea hätte mich Euch gesprochen. Doch anscheinend hat Ihr weniger Kontakt, seit sie ins Novizenquartier gezogen ist.“ Rothens Augen blitzten und so fuhr Lorlen fort: „Doch vielleicht wollte sie Euch bei dieser Sache schützen. Nun, mir käme Eure Hilfe dennoch gelegen.“
„Und was soll ich tun?“
„Eure Magie zu Akkarins Fall beisteuern.“
„Habt Ihr denn schon einen konkreten Plan? Wenn es soweit ist, werde ich meine Magie gerne mit denen der anderen Magier vereinen und Akkarin gemeinsam mit ihnen vernichten.“
„Das wird vielleicht nicht nötig sein“, erwiderte Lorlen. „Ein solcher Kampf könnte viele Tote fordern. Wenn Ihr mir Eure Magie vorab und freiwillig gebt, kann ich das alleine schaffen.“ Als Novizen hatten er und Akkarin so viele Machtkämpfe in der Arena ausgefochten. Lorlen hatte immer unterlegen, es hatte ihn wütend gemacht. Er kannte jetzt jedoch auch Akkarins Schwächen.
„Heißt es was ich denke, das es heißt?“, fragte Rothen plötzlich misstrauisch.
„Ich habe Nachforschungen angestellt, Rothen“, sagte Lorlen. „In dem einen Jahr seit der Anhörung habe ich die Magierbibliothek durchforstet. Ich habe sogar Dannyl mit Recherchen beauftragt. Aber es wird auf folgendes hinauslaufen: Ein schwarzer Magier kann nur durch einen anderen schwarzen Magier getötet werden.“
„Nein“, sagte Rothen heftig. „Da mache ich nicht mit. Es ist schlimm genug, dass Ihr Sonea in diese Sache reingezogen habt. Lasst ich aus dem Spiel.“
„Rothen, Ihr denkt nicht mit wachem Verstand“, sagte Lorlen beschwichtigend.
„Mein Verstand funktioniert einwandfrei!“ Mit zitternden Schultern wandte Rothen sich wieder dem Sumi auf seiner Anrichte zu.
„Das ist bedauerlich.“ Lorlen erhob sich. „Ihr wärt mir eine große Hilfe gewesen.“ Ein winziges Messer blitzte im Ärmel seiner Robe auf. „Doch nun seid Ihr vor allem eines: eine Gefahr.“
Einen Augenblick später war er hinter Rothen, zog die Klinge über dessen Nacken und die fremde Magie rauschte in seinen Körper.
Kapitel 6
„Wenn ich wetten würde, was den Jungen umgebracht hat, dann das hier.“ Lady Vinara schlug ein Buch auf, drehte es und schob es über den Schreibtisch zu Lorlen. Dieser nahm es entgegen und studierte den Text.
Die Krankheit kann plötzlich auftreten und den Betroffenen die Kontrolle über seine Magie kosten, las er. Sie ist nicht zu verwechseln mit instabilem magischen Potential, das sich kurz nach der Entfesselung der Magie zeigt. Noch sollte sie mit einem altersbedingten Kontrollverlust verwechselt werden. Es gibt keine Heilung. Der Betroffene kann sein Leben verlängern, indem er seine Magie regelmäßig erschöpft oder dabei Hilfe durch einen anderen Magier erhält. Doch der Tod kann einsetzen, wann immer er seine Magie anzapft.
Lorlen reichte Lady Vinara das Buch zurück. „Ich hätte nicht gedacht, dass ihn das trifft. War er nicht eine Woche zuvor noch im Heilerquartier wegen Blindheit?“
„Es wäre nicht aufgefallen“, sagte Vinara. „Eine solche Krankheit lässt sich erst diagnostizieren, wenn sie bereits ausgebrochen ist.“ Sie schüttelte den Kopf. „Und dann ist es zu spät. Auch wenn es nicht erklärt, warum er so friedlich aussah.“
„Wahrscheinlich wusste er, dass er stirbt, und hat sich selbst erschöpft, um nicht andere mit in den Tod zu reißen.“ Er machte eine Pause und fügte hinzu: „Und bei Lord Rothen wird es ähnlich gewesen sein. Nur, dass es hier vermutlich eher der altersbedingte Kontrollverlust war.“
Er hatte den Schnitt in Rothens Nacken geheilt. Anschließend hatte er den toten Alchemisten ausgezogen, in ein Nachtgewand gehüllt und ihn dann in sein Bett gelegt. Die ganze Gilde nahm an, er sei friedlich im Schlaf gestorben und habe sich zuvor erschöpft.
Lady Vinara nickte langsam. „Zwei solche Tode in so kurzer Zeit sind dennoch seltsam. Aber es ist die einzige logische Erklärung.“
„Vielleicht ist ein magischer Krankheitserreger dafür verantwortlich, den wir noch nicht kennen“, überlegte Lorlen.
„Eine gute Idee. Ich werde meine Heiler darauf ansetzen.“
„Nun“, sagte Lorlen und erhob sich. „Damit wäre das Rätsel um Regins Tod geklärt. Danke, dass Ihr mich darüber in Kenntnis gesetzt habt. Einen guten Tag noch, Vinara.“
„Euch ebenso, Lorlen. Und macht heute einmal ein wenig früher Feierabend. Ihr seht entsetzlich aus.“
„Natürlich, Vinara“, erwiderte Lorlen, während seine Verärgerung innerlich stieg. Er war so viel mächtiger als sie. Und sie maßte sich an, über sein Leben zu bestimmen? War sie seine Mutter?
Mit wehenden Roben verließ er das Heilerquartier. Auf dem Weg zum Ausgang kam ihm eine Gruppe Heilerinnen entgegen.
„Administrator“, flöteten sie und lächelten ihn kokett an.
„Ladies“, erwiderte er.
So, ich sehe also entsetzlich aus, dachte er. Für diese Damen anscheinend nicht.
Auf dem Rückweg zur Universität passierte er die Arena, wo Lord Balkan gerade eine Klasse aus dem Fünften Jahr unterrichtete. Was für ein Ignorant!, dachte Lorlen sich an sein letztes Gespräch mit dem Mann erinnernd. Das Oberhaupt der Krieger war offenkundig der Meinung, dass eine Bedrohung niemals aus dem Innern der Gilde kommen könnte. Allerdings glaubte er auch nicht an eine Bedrohung von außerhalb, weil sie in Frieden lebten.
Für Balkan war Kriegskunst nur ein Spiel. Lorlen sah sich unfähig, das zu begreifen. Und für seinen Kampf gegen Akkarin war er damit von keinem Nutzen.
Auf den Stufen vor der Universität kamen ihm mehrere Novizinnen entgegen. „Guten Tag, Administrator“, grüßten sie kichernd und verneigten sich.
Lorlen nickte ihnen zu und schritt weiter. Hinter sich konnte er sie tuscheln hören.
„Er sieht so unglaublich gut aus heute.“
„Und er strahlt so viel Autorität aus.“
„Das tut der Hohe Lord auch“, wandte das Mädchen ein, das zuerst gesprochen hatte.
„Aber der Hohe Lord ist so viel kühler“, sagte ein drittes Mädchen. „Administrator Lorlen dagegen ist warmherzig und freundlich und …“
Sie begehren mich!, dachte Lorlen. Früher hatte er nie als attraktiv gegolten. Neben Akkarin hätte er ebenso gut unsichtbar sein können, wenn es um Frauen ging. Doch jetzt wusste er, wie Akkarin das machte. Und wenn ich ihn beseitigt habe, kann ich jede haben, die mir gefällt!
Mit diesem Gedanken betrat er sein Büro und erstarrte. Neben einem Aktenschrank stand eine junge Frau in einem Kleid, das über und über mit Rüschen verziert war. Über ihren Schultern trug sie einen Umhang aus Zillpelz. Ihre Haar war so braun wie Tironüsse und ihre Augen hatten die Farbe von Nachtholz.
Ihre Blicke begegneten einander und sie schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln.
„Guten Tag, Administrator“, sagte sie und verneigte sich elegant und mit einer Spur von Spott. „Euer Assistent war so freundlich, mich hier warten zu lassen. Ich komme doch hoffentlich nicht ungelegen?“
Osen!, dachte Lorlen verärgert. Wie konntest du nur? Es verlangte ihm nachzusehen, ob sein Buch noch in dem Fach unter seinem Schreibtisch war, er wusste jedoch nicht, wie er das anstellen sollte, ohne verdächtig zu wirken.
„Nein, nein“, sagte er sein Unbehagen mit einem Lächeln überspielend. „Ich bin überrascht und erfreut, Euch wiederzusehen, Elina.“
Die nachtholzdunklen Augen strahlten auf. „Ich war so enttäuscht, als Ihr die Party damals so früh verlassen habt. Seitdem hatte ich auf ein Wiedersehen gehofft. Velia sagte mir, Ihr wärt ein vielbeschäftigter Mann.“
„Das, fürchte ich, ist leider so“, erwiderte Lorlen. „Doch da Ihr nun hier seid, nehme ich mir gerne Zeit für Euch.“
„Das ehrt mich, Lorlen. Ich darf doch Lorlen sagen, nicht wahr?“
Lorlen lächelte breit. „Ihr dürft.“
Erneut dieses Strahlen. „Denn ich fürchte, auch ich habe nicht viel Zeit. Mein Vater weiß nicht, dass ich hier bin.“
„Ihr habt Euch von zuhause weggeschlichen, um mich zu sehen?“, fragte Lorlen beeindruckt. Er hob einen Finger. „Elina, Elina. Ihr seid ein schlimmes Mädchen.“
Sie biss sich auf die Unterlippe. Es wirkte schüchtern und frech zugleich. Und es gefiel Lorlen ungemein. „Und Ihr seid noch attraktiver als damals auf der Party. Wie kann das sein, wenn nur so wenige Wochen vergangen sind?“
„Magie“, erwiderte Lorlen mit einem Lächeln. Er fand sie hinreißend, unwiderstehlich. Und als ihre Blicke einander begegneten, wusste er, er konnte sie haben. Er, Lorlen, würde dieses hinreißende Mädchen namens Elina haben und sie verführen. Als erster Mann überhaupt. Und Akkarin würde ihm nicht zuvorkommen. Sie gehörte ganz alleine ihm.
„Nun, da Ihr den weiten Weg zur Gilde gekommen seid, was würdet Ihr gerne unternehmen?“, fragte er. „Ich gehöre ganz Euch.“
Sie lächelte und tat einen Schritt auf ihn zu. „Ich würde Euch gerne näher kennenlernen, Lorlen“, sagte sie. „Ich will wissen, was sich unter diesen dunkelblauen Roben verbirgt.“
„So, das interessiert Euch?“, fragte er, während sich seine Lenden zu regen begannen.
Sie nickte begierig. Ihre roten Lippen reckten sich zu ihm empor, Lorlen schlang einen Arm um ihre Taille und ihr weicher Körper schmiegte sich gegen seinen, dann küsste er sie.
Ihre Lippen waren weich und schmeckten nach Pachi. Aus einem unerfindlichen Grund konnte Lorlen nicht genug davon bekommen. Das Verlangen wurde stärker. Zuletzt hatte er sich so als Novize gefühlt. Doch mit seiner neuen Macht nahm er die Welt wie mit verbesserten Sinnen wahr. Er presste Elina fester an sich, um ihr sein Verlangen zu zeigen. Sie sog scharf die Luft ein.
„Nimm mich, Lorlen“, flüsterte sie.
„Wir sind nicht verheiratet“, erinnerte er sie.
„Das ist mir egal. Ich will dich. Jetzt.“
Die Worte kamen mehr gestöhnt als gesprochen. Ihr Verlangen war für seine durch schwarze Magie gestärkten Sinne so überdeutlich spürbar, dass er sich nicht mehr länger zurückhalten konnte. In einer ungestümen Bewegung seines Willens fegte er die Briefe und Unterlagen von seinem Schreibtisch und bettete Elina auf das polierte Holz. In einem Moment war er über ihr, im nächsten nestelte er an den Haken und Ösen auf der Vorderseite ihres Kleides.
„Wie funktioniert das?“, fragte er atemlos.
Sie schenkte ihm ein amüsiertes Lächeln. „So.“ Mit geschickten Fingern öffnete sie ihr Kleid und ihre weißen, festen Brüste sprangen heraus.
„Bist du sicher, dass du kein elynisches Blut in den Adern hast?“, fragte Lorlen, während er sein Glück kaum fassen konnte, dass er endlich hatte, was Akkarin ihm sein halbes Leben verwehrt hatte.
„Absolut.“
Die nächste halbe Stunde wurde ein ekstatischer Rausch aus Haut auf Haut, Verlangen, Küssen, süßen Düften und dem unbändigen Gefühl am Leben zu sein. Lustvoll ging Elina auf seine Liebkosungen ein, und obwohl sie noch unerfahren war, schien sie ein gutes Gefühl dafür zu haben, wie ein Mann am besten befriedigt wurde. Und als Lorlen endlich in sie hineinstieß, spürte er etwas, das ihn an ihre erste Begegnung erinnerte.
Magisches Potential. Und ihre Barriere war unten.
Das Herabsenken der natürlichen Barriere kann auch beim Empfinden sexueller Lust geschehen, erinnerte Lorlen sich an das Buch. Und als Heiler wusste er, dass sexuelle Lust und Stress demselben Mechanismus folgten. Sie konnten einander verstärken wie Lust und Schmerzen.
Und er würde ein kleines bisschen stärker sein, um Akkarin zu bezwingen. Wenn sie öfter miteinander schliefen, konnte sie seine Quelle werden.
Er dehnte sich in seiner eigenen Magie aus und griff dann nach der Magie in Elinas Körpers. Für einen Moment geriet sie in Aufruhr, als ihr Körper von dem Abfließen der Magie paralysiert wurde, dann wurde ihr Stöhnen lustvoller und ihre Muskeln erzitterten, während sie selbst völlig reglos blieb. Ihre Reaktion war so ansteckend, dass Lorlen vorzeitig zum Abschluss kam.
„Das war großartig!“, seufzte er und beugte sich über Elina um sie zu küssen. „Fandest du nicht auch?“
Elina antwortete nicht.
„Elina?“, fragte Lorlen und schüttelte sie. Doch sie regte sich nicht. Furcht überfiel ihn und er streckte seinen Geist nach ihr aus. Elinas Herz hatte aufgehört zu schlagen.
Ich habe sie getötet, war alles, was er denken konnte. Ich habe sie mit schwarzer Magie getötet.
Und irgendwie war das entsetzlicher als die Morde, die er vor ihr begangen hatte.
Kapitel 7
Entsetzt starrte Lorlen auf die Frauenleiche. Er hatte sich nur mit ihr vergnügen wollen. Wie sollte er das ihrem Vater erklären? Oder Velia? Und was sollte er mit ihr tun? Er konnte sie nicht hier liegenlassen, bis es dunkel wurde. Osen würde vorher noch mindestens dreimal mit irgendeinem Unsinn vorbeikommen. An all die Magier, die andauernd mit ihren Anliegen zu ihm kamen, wollte er gar nicht erst denken. Nein, es war besser, wenn niemals jemand hiervon erfuhr.
Denk nach!, befahl Lorlen sich. Es muss doch einen Ausweg geben.
Seine Aktenschränke waren zum Bersten voll. Auch dort konnte er keine Leiche verstecken.
Akkarin!, fiel ihm wieder ein. Und mit einem Mal hätte er nicht dankbarer für die Heimlichtuerei seine einstigen Freundes sein können.
Er begann die Wände seines Büros mit seinen Sinnen zu untersuchen. Bei dem Bild mit dem Schiff, das in den kitschigen Sonnenuntergang fuhr – ein Bild, das er schon immer gehasst hatte, wurde er schließlich fündig. Er schob einen Finger hinter den Rahmen, fand den Auslöser eines Mechanismus’ und drückte darauf. Ein Teil der Wand glitt zur Seite und offenbarte einen dunklen Korridor. Die Geheimgänge der Gilde.
Erleichtert fasste Lorlen Elinas Leiche bei den Armen und zog sie in den finsteren Tunnel. Nachdem er ihr gefolgt war, verschloss der den Zugang wieder.
Um seine kostbare Magie nicht zu verschwenden, schleifte er Elinas Körper durch die Geheimgänge. Nach einer Weile bemerkte er, dass er damit nicht nur den Staub vom Boden wischte, sondern auch fremde Fußspuren. Es waren die Spuren von Stiefeln. Großen Stiefeln.
Oh nein!, dachte Lorlen. Wenn Akkarin das nächste Mal hier entlang kommt, wird er Verdacht schöpfen. Er wollte jedoch nicht seine Magie verwenden, um eine Leiche zu verstecken. Ah, aber er konnte behaupten, einer der Diener wäre auf die Idee gekommen, hier zu putzen!
Erfreut über seinen Einfall warf er sich Elina über die Schulter und wanderte weiter. Sie war erstaunlich leicht. Nachdem er eine Weile durch die Tunnel gewandert war, begriff Lorlen jedoch, dass es schwierig sein würde, hier eine Leiche zu verstecken. Hier und da gab es leerstehende Räume, doch was, wenn dort jemand seinen Geheimvorrat von Pachiwein lagerte?
Der Tunnel, dem er folgte, ging nun schon seit einer Weile geradeaus und daran, wie die Luft allmählich kälter wurde, konnte Lorlen erraten, dass er sich nicht mehr unter der Universität befand. Wo auch immer der Weg hinführte, vielleicht konnte er die Leiche dort verstecken. In der Ferne schimmerte ein Licht. Lorlen zuckte zusammen und dimmte seine Lichtkugel. Eine Weile lauschte er mit ausgestreckten Sinnen auf jedes Geräusch und jede Bewegung. Der Tunnel war jedoch verlassen. Neugierig ging er weiter.
In der Tunnelwand war eine Tür. Ein Stück getrübtes Glas war vor ein Guckloch geschoben, durch welches ein dünner Lichtstrahl in den Tunnel fiel. Als Lorlen hindurchspähte, setzte sein Herz einen Schlag aus. Eine große, schwarze Gestalt bewegte sich dort und ging auf und ab.
Das ist Akkarins Keller! Hastig zog Lorlen sich zurück und trug Elinas Leiche zurück zur Universität.
***
Eine halbe Stunde später kletterte er völlig erschöpft durch die Geheimtür in sein Büro. Er hatte Elina in einem leerstehenden Raum abgelegt und die Tür mit Magie verriegelt. Sie würde dort bleiben, bis ihm eine bessere Idee kam.
„Administrator!“
Lorlen zuckte zusammen. Osen hatte irgendwo seitlich des Gucklochs gestanden, so dass er ihn nicht gesehen hatte, als er hindurch gespäht hatte.
„Osen“, sagte er. „Ich glaube, ich weiß jetzt, warum es in diesem Büro immer so zieht.“
Sein Assistent bedachte ihn mit einem seltsamen Blick. „Geht es Euch gut, Administrator? Ist Euer Besuch wieder fort?“
„Elina konnte leider nicht lange bleiben.“
„Ich verstehe“, sagte Osen. „Werdet Ihr sie wiedersehen?“
Lorlen schüttelte den Kopf. „Ich habe Ihr zu verstehen gegeben, dass ich keine Zeit für eine Romanze habe.“
„Das ist bedauerlich“, sagte Osen. „Während Ihr fort wart, habe ich Euren Schreibtisch wieder hergerichtet und dabei auch darunter …“, seine Augen verengten sich, „ist das Blut?“
„Wo?“ Alarmiert tastete Lorlen sich ab. Dann fiel sein Blick auf seine Hand. „Ich bin gestolpert, als ich den Tunnel erkundet habe.“ Rasch wischte er seine Hand an der Robe ab. Er lachte wegwerfend. „Deswegen ist auch meine Robe so staubig.“
Unter Osens kritischen Blicken klopfte er sich den Staub aus der Robe.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, Ihr habt Euren Besuch getötet und irgendwo in den Tunneln versteckt.“
Lorlen zuckte zusammen, hatte sich jedoch sofort wieder unter Kontrolle. „Ihr lest zu viele Kriminalromane, Osen.“
„Es würde Euer Interesse für die Morde in der Stadt erklären.“ Osen tat einen Schritt auf ihn zu. „Ein Serienmörder will immer wissen, wie dicht er davor ist, entdeckt zu werden.“
„Osen, Osen, Osen“, sagte Lorlen. „Eure Phantasie geht mit Euch durch.“
„Ich habe das Buch unter Eurem Schreibtisch gefunden. Euer seltsames Verhalten während der letzten Wochen, das alles ergibt jetzt einen Sinn!“
Was fiel ihm ein, in Lorlens Angelegenheiten zu schnüffeln? Lorlen verspürte einen unsäglichen Zorn. „Und welchen?“, fragte er kühl.
„Dass Ihr ein schwarzer Magier seid.“
Lorlen lachte. „Ach, Osen. Lady Vinara rät immer mir, ich solle nicht so viel arbeiten. Vielleicht sollte ich diesen Rat an Euch weitergeben.“
„Und warum habt Ihr dieses Buch dann in Eurem Besitz?“
„Ich wusste nicht, dass es schwarze Magie enthält. Das meiste darin sind alte Heilmethoden.“
„Das Buch erklärt außerdem den Tod von Lord Rothen und Regin“, fuhr Osen fort.
„Diese Tode waren natürliche Tode“, erwiderte Lorlen, seine Nervosität zurückkämpfend. „Vorhin war ich bei Lady Vinara, die mir dies bestätigt hat.“
„Wie habt Ihr es gemacht, Lorlen? Wie ist es Euch gelungen, sie zu erschöpfen, ohne dass man einen Hinweis auf schwarze Magie findet?“
„So“, sagte Lorlen und holte das Messer aus seinem Ärmel.
Osen riss einen Schild hoch, doch Lorlens Kraftschlag zerschmetterte diesen. Im nächsten Augenblick hatte er seinen Assistenten überwältigt und nahm seine Magie.
„Es tut mir leid, Osen“, sagte er atemlos. „Ich wollte nicht, dass es soweit kommt. Aber Ihr lasst mir keine Wahl.“
Er hörte erst auf, als Osen das Bewusstsein verloren hatte. Dann schleifte er ihn in den Tunnel.
Nachdem er die Geheimtür wieder verschlossen hatte, ließ er sich in seinen Schreibtischstuhl sinken. Er war so mächtig, wie noch nie zuvor. Es war ein gutes Gefühl. Und er war einen anstrengenden Menschen mehr los.
Er betrachtete die ’Ordnung’, die Osen auf seinem Schreibtisch wiederhergestellt hatte. Die Anordnung der Briefbox, der Schreibutensilien und der Bücher und Akten entsprach nicht seinem Geschmack. Er griff nach seiner Magie und fegte alles vom Schreibtisch.
Ah, das ist eindeutig besser, dachte er und legte die Füße auf das polierte Holz. In einer Sache hatte Vinara in ihre mütterlichen Überfürsorge recht. Er arbeitete definitiv zu viel.
***
Nachdem sie ein ausgiebiges Bad in dem privaten Bad des Hohen Lords genommen hatte, hatte Sonea eine frische Robe aus ihrem Schrank gewählt. Wo Novizenroben für gewöhnlich bis zum Knie reichten, hatte sie diese so gekürzt, dass sie auf halbem Oberschenkel aufhörte. Obwohl fast schon Winter war, verzichtete sie auf ihre wollene Unterwäsche. In der Residenz brauchte sie diese nicht.
Und schon gar nicht für ihr Vorhaben.
Ihr Haar war mittlerweile lang genug, um es hochzustecken. Nachdem sie ihr Haar mit Magie getrocknet hatte, steckte sie es in unordentlichen Strähnen auf ihrem Kopf fest und ließ eine einzelne hängen. Befindend, dass sie verführerisch aussah, verließ sie ihr Novizenzimmer und stieg hinab in die Empfangshalle und von dort aus die Treppe hinab zu dem Raum, den sie ein Jahr zuvor durch ein Kellerfenster gesehen hatte.
Die Tür war verschlossen, doch unter dem Spalt war eine Ritze gelben Lichts zu sehen.
Ich kann das schaffen, redete sie sich ein. Er ist ein Mann. Er hat Bedürfnisse. Und wegen seiner schwarzen Magie muss er Junggeselle bleiben.
Zögernd hob sie eine Hand und klopfte.
„Komm herein!“, erklang Akkarins tiefe Stimme.
Schaudernd öffnete Sonea die Tür und trat ein. Akkarin saß an einem Tisch über ein Buch gebeugt, das zweifelsohne von schwarzer Magie handelte. Wieso sonst sollte er es hier in diesem ungemütlichen Kellerloch lesen?
„Stell den Sumi …“, sein Kopf fuhr hoch und seine Miene verfinsterte sich, „ich habe dir nicht erlaubt, hier herunter zu kommen. Was hast du hier zu suchen?“
„Ich wollte zu Euch“, erklärte Sonea. „Hoher Lord.“
„Und was willst du von mir?“
Sie öffnete die Schärpe ihrer Robe und der braune Stoff glitt zu Boden. „Meine Noten in Kriegskunst aufbessern.“
Akkarins dunkle Augen glitten über ihren Körper. Es war verstörend. Sonea hatte sich noch nie so entblößt gefühlt. Mit wachsender Scham fragte sie sich, was er davon hielt, dass sie ihre Körperbehaarung entfernt hatte. Mochten Männer das überhaupt? Was, wenn es ihm nicht gefiel und er sie deswegen nicht wollte? Diese schmerzhafte Prozedur hatte sie den ganzen Nachmittag gekostet! Sie hatte dafür sogar Heilkunst geschwänzt!
„Komm her.“
Die Stimme war so voll Autorität, dass Sonea sich ihr nicht entziehen konnte. Mit klopfendem Herzen umrundete sie den Tisch und blieb vor ihm stehen.
„So“, sagte er. „Du willst also deine Noten aufbessern.“
Sie nickte.
„Und du denkst, ich würde Lord Vorel dazu bringen, meiner Novizin eine bessere Note zu geben, nur weil sie nackt vor mir steht?“
„Natürlich werde ich mir die Note verdienen“, sagte Sonea.
Seine Magie umschlang ihre Taille und zog sie zu sich. „Das erwarte ich.“
Jetzt war sie ihm nahe genug, dass er sie berühren konnte. Und das tat er auch. Seine Finger strichen über ihre Schultern, ihre Brüste, ihre leicht geöffneten Lippen, prüften ihr Gesäß, rieben ihre Nippel und fuhren schließlich in ihren Schoß. Sonea schnappte nach Luft. Sie hatte gedacht, das hier würde schmerzhaft. Jetzt wünschte sie, er würde nicht aufhören sie dort zu berühren.
Akkarin lachte leise und schob seine Roben beiseite. Dann setzte er sie auf sich.
Seine Lippen waren auf ihren, seine Zunge umspielte ihre und seine Hände führten sie, während sie ihn ritt. Es war ein großartiges Gefühl. Ob es sich so anfühlt, ein Pferd zu reiten?, fragte Sonea sich. Das Pferderennen, das sie am vergangenen Wochenende mit einem ihrer Klassenkameraden gesehen hatte, fiel ihr wieder ein. Eines der Pferde, ein schwarzer Hengst, hatte sie an Akkarin erinnert. Und Akkarin war genauso ungestüm. Ja, er war ungezügelt wie ein junger Hengst.
Sie konnte spüren, wie die Erregung in ihm wuchs und wie seine natürliche Barriere instabil wurde. Sie streckte die Hände nach seinem Kopf aus, wie um durch seine lange schwarze Mähne zu fahren und tastete dann nach der Quelle seiner Magie. Da! Pure Magie. Und so unvorstellbar viel, dass es ihr schwindelte.
Mit einem wütenden Grollen stieß Akkarin sie zurück. Im nächsten Augenblick fand Sonea sich mit dem Rücken auf der Tischplatte wieder, die Hände über ihrem Kopf mit einer magischen Barriere gefesselt.
„Versuch das nicht noch einmal“, knurrte er.
Voll Furcht schüttelte Sonea den Kopf. Würde er sie nun töten?
Akkarin schob ihre Knie gegen ihre Brust. „Weißt du, wie man verhütet?“
Sie schüttelte erneut den Kopf. Spielte das jetzt noch eine Rolle?
„Dann übernehme ich das“, sagte er und stieß in sie hinein. „Denn ich will keinen Bastard mit meiner Novizin zeugen.“ Dann nahm er sie hart und ungestüm, und als sein Daumen die empfindliche Stelle in ihrem Schoß massierte, begriff Sonea, dass dieser Hengst nicht zu zähmen war. Sie spürte, wie ihre natürliche Barriere unter ihrer puren, unverfälschten Lust ins Wanken geriet. Dann entlud sich ihre Lust in Wellen, die ihr ganzes Universum bis in seine Grundfesten erschütterten, während sie zugleich eine unendliche Trägheit überkam, als ihre Magie aus ihr herausfloss. Sie wusste, sie würde sterben, aber sie hätte nicht geglaubt, dass Sterben so schön sein konnte. Hatte sie wirklich vorgehabt, ihn zu töten?
„Oh Akkarin!“, wisperte sie.
„Für dich immer noch Hoher Lord.“ Akkarin entfuhr ein heiserer Laut und wurde still. Sonea starrte zu ihm empor, wie er über ihr verharrte. Er hatte sie nicht getötet. Die soeben verspürte Lust hallte derweil noch immer in jeder Faser ihres Körpers wider.
„Und jetzt“, sagte Akkarin streng, „wirst du mir alles darüber erzählen, wie du schwarze Magie gelernt hast.“
Kapitel 8
„So, Lorlen also.“
Einen ungeahnten Zorn verspürend löste Akkarin seine Finger von Soneas Schläfen. Er hatte sie in seinen Morgenmantel gehüllt und in seine Bibliothek gebracht, bevor er sie der Wahrheitslesung unterzogen hatte. Jetzt saß sie vor ihm in einem Sessel, völlig verängstigt und er wusste nicht, ob er wütender war, weil sie unter falschen Vorwänden zu ihm gekommen war, oder weil Lorlen sie dazu angestiftet hatte.
Immer war es Lorlen. Akkarin ballte die Fäuste. Er hatte geglaubt, Lorlen hätte mit dem Anlegen der grünen Roben aufgehört, in anderer Leute Angelegenheiten zu schnüffeln. Spätestens als er Administrator geworden war, hätte Akkarin das von seinem Freund – einstigen Freund erwartet.
Und jetzt hatte er schwarze Magie gelernt, um was? Akkarin nachzueifern? Ihn aufzuhalten?
Aus einem Buch?
Wie absurd sollte das noch werden?
Doch mit dem, was er soeben von Sonea erfahren hatte, wurden Akkarin auf einen Schlag noch einige andere Seltsamkeiten klar, die sich während der vergangenen Wochen in der Gilde ereignet hatten. Er hatte diesen jedoch keine allzu große Beachtung geschenkt, weil seine Gedanken wie immer den Ereignissen in den Hüttenvierteln gegolten hatten.
Aber Lorlen hatte Schwächen. Er wollte wie Akkarin sein, doch er war bei weitem nicht so gründlich dabei. In Bezug auf nichtmagische Macht war er verantwortungsvoll und pflichtbewusst, sobald Magie im Spiel war, wurde er jedoch gierig. Das war schon immer so gewesen. Soneas Wahrheitslesung hatte ergeben, dass er ihr kein Blutjuwel gemacht hatte. Und Sonea hatte sich ihm vorhin im Keller hingegeben. In ihrem Oberflächengedanken hatte er gespürt, wie sehr es ihr gefallen hatte, ihm ausgeliefert zu sein und wie ihr Wunsch, ihn zu töten vor der Vorstellung, das hier noch öfter haben zu können, verblasst war. Sie mochte denken, dass er nur ein Mann war, der seinen dunklen Trieben erlegen war. Doch sie war genauso eine Sklavin ihrer Triebe.
Und das machte sie manipulierbar.
„Sonea“, sagte er und betrachtete sie ernst. „Du kannst dich mir anschließen oder ich werde dich mit einem Blutjuwel zu Lorlen zurückschicken und darüber seine Pläne erfahren. Durch das Blutjuwel werde ich herausfinden, wenn du mich verrätst. Du hast die Wahl.“
„Das klingt für mich nicht wirklich nach einer Wahl“, gab sie zurück.
Akkarin lächelte ob ihrer Rebellion. Ob sie glaubte, er würde sie erneut gefügig machen, wenn sie sich nur lange genug gegen ihn auflehnte? Das konnte sie gerne haben. „Lorlen muss aufgehalten werden“, sagte er. „Und ich könnte deine Hilfe dabei sehr gut gebrauchen.“
„Wieso soll ich dir … Euch helfen, ihn aufzuhalten? Ihr seid das Krebsgeschwür im Herzen der Gilde.“
„Dafür hattest du gerade überaus erfüllenden Sex mit diesem Krebsgeschwür“, sagte er kalt.
Sie zuckte zusammen und senkte den Kopf, die Wangen gerötet. „Ich … es tut mir leid … ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.“
„Lorlen hat eine Grenze überschritten“, sagte Akkarin leise. „Er hat bereits einen Novizen getötet. Das ist etwas, das ich niemals tun würde.“
„Also würdet Ihr mich nicht töten?“
„Sei nicht albern, Sonea“, sagte Akkarin streng. „Es gibt bessere Methoden. Methoden, mit denen man jemanden dauerhaft kontrollieren kann.“ Zudem könntest du mir hervorragend als Quelle dienen.
Die Tür ging auf und Takan platzte herein. „Meister“, sagte er atemlos und warf sich zu Boden. „Soeben erreichte mich die Nachricht, dass die höheren Magier in den Sieben Bögen gefunden wurden. Tot.“
Akkarin fuhr herum. „Lorlen!“, zischte er.
„Woher …?“, begann Sonea verstört.
„Er war schon immer jemand, dem die Magie schnell zu Kopf steigt. Ganz besonders, wenn er versucht hat, mich zu übertreffen. Ich fürchte, ich habe zu lange gezögert.“ Er sah zu Sonea. „Wirst du mich nun unterstützten oder nicht?“
„Ich dachte gerade, ob Ihr mich mit einem solchen Blutjuwel zurückschicken sollt, damit ich ihn für Euch ausspionieren kann.“ Sie schüttelte den Kopf. „Als er Regin für mich getötet hat, war ich ihm dankbar. Aber die höheren Magier? Das geht zu weit.“ Sie sog scharf die Luft ein. „Was, wenn er Rothen auch getötet hat?“
„Rothen?“, fragte Akkarin scharf. Er hatte gedacht, der Mann wäre an einer Krankheit gestorben, die ältere Magier manchmal befiel. Doch im Zusammenhang mit Regins Tod ergaben die Umstände von Rothens Tod einen völlig anderen Sinn.
Sie nickte, die Augen groß und dunkel vor Furcht. Akkarin spürte eine düstere Vorahnung.
Als Sonea erneut sprach, war ihre Stimme von kalter Entschlossenheit erfüllt. „Ich helfe Euch“, sagte sie. „Und auch wenn ich nicht so recht weiß, was ich von Euch halten soll, so muss ich Euch zugestehen, dass Ihr in all den Jahren, die Ihr nun schon schwarze Magie praktiziert, nicht so weit gegangen seid.“
„Ich werde es dir erklären“, versprach Akkarin. „Aber dazu haben wir keine Zeit. Wenn wir Lorlen aufhalten wollen, müssen wir schnell handeln. Vertraust du mir?“
Sie sah zu ihm auf. „Ihr seid ein schwarzer Magier!“
So wie du, dachte er trocken. „Ich habe deine Magie genommen, als du dich auf dem Höhepunkt deiner Lust unter mir gewunden hast“, erinnerte er. „Und es hat dir so gut gefallen, dass Takan dich in seiner Küche gehört und mich gefragt hat, ob alles in Ordnung sei.“
Sie bedachte ihn mit dem seltsamsten Blick. „Also wenn das so ist!“, rief sie. „Ich vertraue Euch. Aber“, sie hob warnend einen Finger, „ich werde mit nicht mit halbgaren Erklärungen zufriedengeben.“
„Das brauchst du auch nicht.“ Akkarin zog sie auf die Füße und küsste sie. Sonea zögerte erst leicht, dann schlang sie die Arme um ihn und er konnte in ihrem Kuss ein Echo ihrer Leidenschaft wenig zuvor im Keller verspüren. Und wieder habe ich Lorlen ein Mädchen ausgespannt, dachte er amüsiert. Dabei hat sie ihn nicht einmal interessiert.
„Gehen wir Lorlen stellen“, sagte er und nahm ihre Hand.
„Aber ich habe weder Magie noch bin ich gut im Kämpfen.“
„Das macht nichts“, erwiderte Akkarin. „Ich habe schon eine Idee, wie ich dich einsetzen kann.“ Er führte sie zum Ausgang. „Und was Kriegskunst betrifft“, sagte er. „So werde ich dir einen Privatlehrer zuteilen. Mir missfallen deine Noten ebenfalls. Verbessern musst du dich jedoch selbst.“
***
Akkarin verließ die Residenz, das juwelenbesetzte Messer in seinem Gürtel, Soneas Hand in seiner. Abenddämmerung hatte sich über das Gelände der Gilde gelegt und in der Universität leuchtete nur noch hinter wenigen Fenstern Licht. Darunter auch in einem, das er in den vergangenen sechs Jahren so oft für einen kurzen Plausch aufgesucht hatte. Manchmal durch die Geheimgänge.
Das würde nun ein Ende haben.
- Lorlen!
Seine mentale Stimme kam mit der Intensität eines Gedankenschlages. Gewaltig, unfokussiert und voll Zorn. Neben ihm zuckte Sonea zusammen.
- Komm in die Arena. Jetzt.
Er konnte die neugierigen Präsenzen anderer Magier am Rande seines Bewusstseins spüren. Er verzog das Gesicht. Das würde Schaulustige geben.
- Akkarin, antwortete sein einstiger Freund. Ich freue mich schon auf unsere Begegnung.
Akkarin erwiderte nichts darauf. Die niederträchtige Vorfreude in Lorlens Präsenz war genug Beweis von dessen Absichten. Da war keine Reue gewesen. Keine Scham. Und kein Schuldgefühl. Lorlen hatte seine Seite gewählt.
„Wenn wir gleich in der Arena sind, tue genau was ich dir sage“, sagte Akkarin zu seiner Novizin. „Er weiß nicht, dass du dich mit mir verbündet hast. Das kann unser Vorteil sein.“
Sie nickte ernst. „Ich werde Euch gehorchen, Hoher Lord.“
Natürlich wirst du das, dachte er. Wenn das hier vorbei war, würde er sie jede Nacht mit in sein Bett nehmen. Es würde für sie beide erfüllend werden.
Sie durchquerten den Park und betraten die Arena durch das Portal. Akkarin stellte sich auf die dem Eingang gegenüberliegende Seite, Sonea vor sich. Im Park bewegten sich Lichtkugeln und die Tribünen begannen sich zu füllen. Akkarin lächelte fein in sich hinein.
Wenig später schritt Lorlen in die Arena, seine Roben flatterten dramatisch hinter ihm.
„Lorlen“, sagte Akkarin.
„Akkarin“, erwiderte Lorlen kalt. „Jetzt wird sich endgültig entscheiden, wer von uns beiden der Bessere ist.“
Akkarins Mundwinkel verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. „Allerdings.“
„Was hast du mit Sonea gemacht?“, verlangte sein einstiger Freund zu wissen.
„Ich habe ihre Gedanken gelesen. Ihr kleiner Versuch, mich zu töten, ist gescheitert. Sie wird mein Überleben garantieren, während ich dich stelle.“
Unter seinem Arm zuckte Sonea zusammen.
- Habe keine Angst, sandte Akkarin und zog sie ein wenig dichter zu sich. So stark wie ich konnte er in der kurzen Zeit nicht werden. Außerdem habe ich dich mit einem inneren Schild verstehen.
- Wenn das vorbei ist, will ich kämpfen lernen, erwiderte sie. Ich hasse es, hilflos zu sein.
- Wir werden uns darum kümmern, versprach er.
„Du hast einen Novizen, Soneas ehemaligen Mentor und die höheren Magier getötet, Lorlen.“ Akkarins Stimme hallte klar und deutlich durch die Arena. Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Sitzreihen, als die Magier diese Neuigkeit aufnahmen und diskutierten. „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“
„Ich musste versuchen, dich aufzuhalten. Du stärkst dich an der Stadtbevölkerung. Die Spur des Todes, die du dir hinterherziehst, ist sehr viel länger als meine jemals sein könnte.“
„Du gibst also zu, mit schwarzer Magie getötet zu haben“, folgerte Akkarin.
„So wie du.“
„Ich habe es getan, um Kyralia zu schützen, Lorlen.“
Die Luft um Lorlen flimmerte, als er einen Schild errichtete. „Das tue ich auch.“
„Falsch“, sagte Akkarin. „Du stärkst dich an Menschen, die keine Bedrohung für dieses Land sind.“
„Das sind Stadtbewohner auch nicht“, schnappte Lorlen.
Hast du eine Ahnung, dachte Akkarin humorlos. Die Magier und Novizen auf den Tribünen sprachen nun aufgeregt durcheinander.
„Du enttäuschst mich, mein Freund“, sagte er. „Wärst du zu mir gekommen. Ich hätte dir gezeigt, wie man mit dieser Macht umgeht.“
„Das Buch war alles, was ich brauchte. Und ein bewusstseinserweiterndes Kraut.“
Er war des Wahnsinns. Und damit erinnerte er Akkarin nur allzu sehr an jenen Magier, wegen dem die Gilde schwarze Magie fünfhundert Jahre zuvor verboten hatte.
„Ich bedaure, das tun zu müssen, alter Freund“, sagte Akkarin. „Doch du lässt mir keine Wahl.“ Er griff nach seiner Magie und formte sie zu einem starken Kraftschlag und warf diesen gegen Lorlens Schild.
Lorlens Gegenangriff erfolgte unmittelbar darauf und war nicht weniger stark. Akkarin fluchte leise.
- Wie lange hat er sich an dir gestärkt?, fragte er Sonea.
- Fast einen Monat.
Wunderbar, dachte Akkarin. Er hatte gehofft, das hier schnell beenden zu können. Jetzt würde es auf eine Wiederholung ihrer Machtkämpfe als Novizen hinauslaufen.
„Du kannst mich nicht besiegen, Akkarin“, antwortete Lorlen, während er Akkarins Schild mit magischen Angriffen bombardierte und die Arena in ein unheilvolles Flackern tauchte. „Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich stärker als du. Und das ist großartig. Ich hätte das schon vor so langer Zeit tun können. Es ist so befreiend. Und das alles nur mit einem Buch und der Erweiterung meines Bewusstseins.“ Er lachte niederträchtig. „Regin? Nur ein Weg, um Sonea zu überzeugen, meine Quelle zu sein. Der Junge war sowieso untragbar für das Image der Gilde. Rothen musste sterben, weil er sich geweigert hat, mir zu helfen. Und die höheren Magier? Ihr sinnloses Gelaber geht mir schon seit Jahren auf die Nerven. Du kennst das doch selbst.“
„Sinnloses Gelaber ist dennoch kein Mordmotiv“, sagte Akkarin kalt und attackierte Lorlens Schild von allen Seiten, während er einen Hitzeschlag durch den Boden sandte. Lorlen sah diesen jedoch kommen und levitierte sich zum Rand der Kampffläche.
„Ich bin es so leid, dass du mich immer belehren und in allem das letzte Wort haben musst, Akkarin.“ Lorlens Stimme war voll Hass. „Und ich bin es leid, dass du mich immer in allem übertreffen musst.“
„Und ich bin es leid, dass du aus deinen Fehlern als Novize nichts gelernt hast“, antwortete Akkarin. „Du schnüffelst noch immer in meinen Angelegenheiten und verletzt meine Privatsphäre. Und jedes Mal, wenn du es tust, verwickelst du dich in etwas, mit dem du nicht umgehen kannst. Du hast das Prinzip von Macht noch nie verstanden. Du taugst als Administrator nur, weil du dort an Regeln gebunden bist. Aber eine Macht, dessen Prinzip keinen Regeln unterliegt außer der eigenen Moral, war schon immer mehr, als dein Geist zu fassen vermochte.“
„Dann sieh dir einmal das an.“ Lorlens Hand berührte den Arenaschild und im nächsten Moment gleißte Magie direkt auf Akkarin und Sonea zu.
Akkarin fluchte und warf sich und Sonea zu Boden. Diese Magie war stark genug, um sie beide auf der Stelle zu töten. Lorlen lachte. Ein weiterer gleißender Blitz raste auf sie zu und Akkarin rollte sie beide zur Seite. Bei dem dritten Angriff gelang es ihm, lange genug einen Schild aufrechtzuerhalten, um sich und Sonea wieder auf die Füße zu bringen. Dann rannte er mit ihr zum von ihm nächstgelegenen Arenamast, Lorlens Angriffe schlugen hinter ihnen ein, wie Blitze eines übernatürlich starken Gewitters. Sonea schrie und Akkarin spürte, wie sich die Härchen auf seinen Armen aufstellten.
„Oh nein, Akkarin. So leicht mache ich es dir nicht, zu sterben.“
Blitze zuckten über den Arenaschild und kamen näher. Akkarin berührte das magische Feld neben sich gerade noch rechtzeitig, um die Magie in sich aufzunehmen und in einen Schild zu kanalisieren, bevor die Blitze ihn und Sonea erreichten.
„Wenn ich sage lauf, dann lauf aus der Arena“, sagte Akkarin zu seiner Novizin.
„Ich werde dich nicht verlassen“, entgegnete sie stur. „Wenn wir sterben, sterben wir gemeinsam.“
„Einer von uns muss das Geheimnis schwarzer Magie wahren“, wandte er ein.
„Nicht länger. Lorlen hat es aus einem Buch gelernt. Jeder andere Magier könnte es nachmachen.“
Akkarin wollte ihr befehlen zu gehen, doch ihm blieb keine Zeit. Er konnte sie später in seinem Keller für ihren Ungehorsam bestrafen. Er schob sich und Sonea gegen den metallenen Mast. So würden sie einen Teil der Magie ableiten können, wenn es ihm nicht gelingen sollte, Lorlens Angriffe völlig von ihnen fernzuhalten.
„Umschlinge den Mast mit deinen Armen“, murmelte Akkarin seiner Novizin zu. „Und schließ die Augen.“
Ohne auf ihre Antwort zu warten, wandte er sich wieder Lorlen zu, der auf der anderen Seite der Arena zu lachen begonnen hatte. Kommentarlos griff Akkarin nach der Magie im Schild der Arena und projizierte sie direkt auf Lorlen. Dieser bündelte jedoch noch mehr Magie und schon bald kämpften sie mehr darum, wer mehr Magie aus dem Arenaschild nehmen konnte, als gegeneinander.
Lorlens nächster Angriff war so machtvoll, dass Akkarin für einen langen Augenblick geblendet war. Hinter ihm begann Sonea ein langgezogenes Wehklagen. Akkarin wich zu ihr zurück, verkleinerte die Schildfläche und griff Lorlen mit einem letzten Strahl purer, gebündelter Magie an.
Magie prallte auf Magie, brannte sich durch Lorlens Schild und schoss in einem blendend hellen Blitz in den Nachthimmel. Akkarin zog noch immer Magie von dem Arenaschild ab, selbst dann noch, als er nicht mehr spüren konnte, wie Lorlen auf seiner Seite dasselbe tat.
Er hörte erst auf, als alle Magie verbraucht war.
Über der Sandfläche der Arena hing Rauch. Über der Tribüne hatte sich entsetztes Schweigen ausgebreitet. Mit einem Stöhnen löste Sonea sich von dem Mast und Akkarin zog sie in seine Arme.
„Es ist vorbei“, murmelte er und küsste ihr Haar.
„Das war wild.“
„Ja“, sagte er nur. „Das war es.“
Ein Schrei erklang und ein Magier eilte in die Arena. „Administrator! Lorlen!“
Dann fiel sein Blick auf die verkohlte Gestalt am gegenüberliegenden Rand der Arena und er erstarrte, bevor er mit wehenden Roben dorthin eilte und neben ihr zu Boden sank.
„Lord Osen.“ Mit Sonea an einer Hand schritt Akkarin durch die Arena. „Lorlen hat sein Schicksal gewählt. Bitte sagt mir, dass Ihr nicht auch schwarze Magie gelernt habt.“
„Er hat meine Magie genommen“, schluchzte Osen, seine Finger glitten über Lorlens verkohlte Überreste und fanden ein Stück dunkelblauen Stoffs. „Und trotzdem habe ich ihn verehrt.“ Er sah auf. Sein Gesicht war tränenüberströmt. „Ihr Monster“, hauchte er. „Was habt Ihr getan?“
„Euch einen neuen Posten verschafft.“ Akkarins Mundwinkel zuckten. „Meinen Glückwunsch, Administrator Osen.“
Irgendwo in den Ödländern Sachakas …
Kariko drehte seine Sklavin auf den Bauch und zog ihre Hüfte empor. Sie gab einen wimmernden Laut von sich, der rasch in lustvolles Stöhnen überging, als er es ihr besorgte. Er hielt weder viel von den fremdländischen Frauen, die hin und wieder in Händlerkarawanen waren, die er überfiel, noch von den Töchtern der Ashaki oder den Bauernmädchen, derer er sich im Frühjahr auf seinen Raubzügen annahm. Sie alle waren nichts gegen eine ausgebildete Bettsklavin.
Asha war eine solche. Er hatte sie im Frühsommer von Ashaki Rikaro erbeutet, dessen Anwesen er geplündert und niedergebrannt hatte. Noch weigerte Asha sich, ihn als ihren neuen Meister anzuerkennen, doch Kariko zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie sich bald an ihn gewöhnen würde. Das war der einzige Nachteil einer Bettsklavin. Sie war so auf den Mann fixiert, dem sie gehörte, dass sie einen neuen Meister nur schwerlich akzeptierte.
Die Stoffbahnen vor dem Eingang seines Zeltes raschelten und hastige Schritte erklangen.
„Meister! Meister!“
Einer seiner Sklaven, die das Lager bewachten, warf sich vor ihm zu Boden.
„Meister!“
Verärgert ließ Kariko von Asha ab. „Warum bist du nicht auf deinem Posten?“, fragte er und gab dem Sklaven eine schallende Ohrfeige.
„Draußen ist etwas, das Ihr Euch ansehen müsst. Schnell!“
In den Worten lag eine solche Dringlichkeit, dass Kariko beschloss, ihn später für sein respektloses Hereinplatzen zu bestrafen, so wie er sich später seiner neuen Bettsklavin annehmen würde. Er zog seine Hose hoch und trat vor das Zelt.
„Da, Meister! Seht!“
Aber Kariko achtete nicht auf seinen Sklaven. Es war nicht nötig, ihm das zu zeigen.
In den Himmel, der den ganzen Tag über noch dicht bewölkt gewesen war, hatte sich ein kreisrundes Loch gebrannt, das die Wolken an die Ränder der Welt verdrängt hatte. Und als Kariko sah, was es war, erstarrte er. Hinter der fernen Bergkette im Westen erhob sich eine gigantische Lichtsäule in den Himmel. Sie musste sehr weit entfernt sein, in jedem Fall weit genug, um sich hinter den Bergen zu befinden, die wie eine schwarze, scharf gezackte Linie den Horizont bildeten. Doch selbst hier war sie noch so hell, dass sie der gleißenden Sonne Konkurrenz gemacht hätte.
„Das ist nicht in den Bergen. Das muss in Kyralia sein.“ Kariko wusste nicht viel, über dieses Land. Doch er wusste, welche Stadt in diese Richtung lag:
Imardin.
Und das konnte nur eines bedeuten:
„Akkarin ist tot.“
„Meister?“
Erkennend, dass der Sklave zu ihm sprach, kam Kariko wieder zu sich. Er löste sich von dem Anblick und sah zu seinem Sklaven. Das Triumphgefühl war überwältigend.
„Schicke Nachrichten an die Ichani“, befahl er. „Und zwar an alle.“
Die Stunde der Rache war endlich gekommen.
Epilog
Der Kampf zwischen Lorlen und Akkarin hatte für einiges Aufsehen in der Gilde gesorgt. Die Magier wussten nun, dass ihr Anführer ein schwarzer Magier war, doch nach Akkarins Drohung, jeden zu töten, der darüber sprach, ob laut, per Brief oder per Gedankenrede, hatten sie diese Tatsache stillschweigend akzeptiert. Der König hatte Akkarin und Sonea zum Palast zitiert und gefragt, was Akkarin einfiel, doch Akkarin hatte sich auch von diesem nicht aufhalten lassen.
„Ihr mögt einen unkontrollierbaren schwarzen Magier fürchten, doch wenn Ihr mich tötet, wird etwas passieren, das Ihr noch mehr fürchten wird“, hatte er kalt erwidert. „Und niemand wird Euch davor bewahren können.“
Mit Akkarin weiterhin als Hoher Lord und Osen als neuem Administrator, der seine Befehle widerstandslos ausführte, war wieder Ruhe in die Gilde eingekehrt. Es gab noch immer Gildenversammlungen, doch ohne die zähnen Diskussionen der höheren Magier und Akkarins Talent, rasche und gute Entscheidungen zu treffen, gingen die Magier dort nun viel lieber hin.
Akkarin hatte neue Oberhäupter der Disziplinen ernannt, die ihm Bericht erstatteten, doch diese besaßen nicht mehr die Macht ihrer Vorgänger. Dasselbe galt für den neuen Rektor.
„Ich kann mich nicht um alles kümmern“, hatte er Sonea erklärt, als sie nach einer Runde sachakanischem Sex erschöpft in seinen Armen gelegen hatte. „Ich bin Krieger. Ich habe weder Ahnung von dieser Mädchendisziplin Heilkunst noch von so unnützen Dingen wie Alchemie. Und Novizen sind mir ein Gräuel. Zumindest bis auf dich.“
Obwohl er es nicht zugab, wusste Sonea, dass Akkarin um seinen Freund trauerte. Doch Sonea hatte gewusst ihn zu trösten. Es war kaum möglich gewesen, ihre Affäre vor der Gilde geheimzuhalten. Seit ein Novize sich während einer von Soneas Freistunden in die Geheimgänge verirrt hatte, war es offiziell. Doch selbst der neue Rektor konnte nicht viel dagegen unternehmen, weil Akkarin ihn in der Hand hatte.
Akkarin hatte ihr derweil einen Nachhilfelehrer für Kriegskunst gesucht. Er hatte ihr versprochen, sie im Kampf gegen schwarze Magier zu unterrichten, sobald der reguläre Unterricht wieder in der Arena stattfand. Noch war der Arenaschild jedoch nicht wieder genug hergestellt, als dass Novizen dort unterrichtet werden konnten, und so war der Dome regelmäßig überfüllt.
Und so waren die Wochen vergangen, bis Sonea eines Abends nach Hause gekommen war, um von Takan in den Keller geleitet zu werden, wo Akkarin auf sie wartete.
„Ist das wieder eines Eurer Rollenspiele?“, fragte Sonea, als sie seine einfache Kleidung bemerkte.
Akkarin lachte leise. „Ja“, sagte er und reichte ihr einen Umhang. „Aber nicht so, wie du denkst.“
Zu Soneas Überraschung ging es nicht durch die Tunnel zur Universität, sondern in die andere Richtung. Lange Zeit wanderten sie durch einen Tunnel ohne Abzweigungen und nur die Tatsache, dass Akkarin unterwegs mehrere magische Barrieren löste und hinter ihnen erneut errichtete, sagte ihr, dass sie die Gilde verlassen hatten. Dann veränderten sich die Tunnelwände von Erdreich zu Mauerwerk und mit ihnen der Geruch.
„Wir sind auf der Straße der Diebe!“, rief sie.
Akkarin bedachte sie mit einem amüsierten Seitenblick. „Exakt.“
Nachdem sie eine halbe Stunde durch das unterirdische Labyrinth gegangen waren, hielten sie vor einer mit Eisen beschlagenen Tür. Auf Akkarins Klopfen öffnete ein kräftiger Mann.
„Er’s wach“, teilte er Akkarin mit.
„Sehr gut.“ Akkarin lächelte dünn. „Danke Morren. Das hier ist Sonea. Ich werde sie später nach draußen schicken.“
Morrens Augen weiteten sich. „Die Sonea?“
Akkarins Mundwinkel zuckten. „Die lebende, atmende Legende.“
Sonea blinzelte verwirrt. Was hatte ihr in den Hüttenvierteln einen solchen Heldenstatus eingebracht? Der leise Stolz, mit dem Akkarin die Worte gesprochen hatte, erfüllte sie jedoch mit hehrer Freude.
Akkarin war bereits zur Tür getreten. „Komm“, sagte er und winkte Sonea zu sich. Er umgab sie beide mit einem Schild und öffnete dann die Tür.
Auf einer Bank aus Stein lag ein Mann. Seine Arme und Beine waren in Ketten gelegt. Und er war Sachakaner.
„Sonea“, sagte Akkarin. „Ich werde dir nun zeigen, wie man die Gedanken eines widerstrebenden Geistes liest. Das ist nötig, wenn du die ganz Wahrheit über mein Tun erfahren willst. Vorher erwarte ich jedoch, dass du schwörst, diese Technik nur auf meinen Befehl anzuwenden. Oder, solltest du gezwungen sein, die Entscheidung allein zu treffen, wenn sich Kyralia in größter Gefahr befindet.“
Sie sah zu ihm auf. „Ich schwöre.“
Akkarin bedeutete ihr, sich neben ihn an die Seite des Sachakaners zu hocken. Dann nahm er ihre Hand und legte sie auf die schweißfeuchte Stirn des Mannes. Sonea war nervös, Akkarins Hand auf ihrer beruhigte sie jedoch. „Was soll ich tun?“, fragte sie.
„Das hier“, antwortete er und sandte ihr ein Konzept.
Seinen Anweisungen folgend befand Sonea sich wenig später im Geist des Gefangenen.
- Und jetzt sieh zu, was ich mache, sandte Akkarin.
Seine Präsenz veränderte sich und trieb im Geist des Sachakaners, dessen Gedanken beobachtend. Plötzlich stürzte er sich auf einen Gedanken und fing ihn ein.
- Was plant Kariko?
- Kariko hat die Ichani zusammengerufen, antwortete der Sachakaner. Und zwar nicht nur seine Freunde, sondern alle achtundzwanzig. Er hat die Lichtsäule gesehen. Er hält dich für tot.
- Großartig, antwortete Akkarin. Dann hatte Lorlens Tod immerhin etwas Gutes.
- Oh, das hatte es, antwortete der Sachakaner mit niederträchtiger Erheiterung, und obwohl Sonea weder wusste, wer Kariko oder die Ichani waren, begann sie das Schlimmste zu befürchten. Kariko ist auf dem Weg nach Kyralia, um es zu erobern. Und die Ichani folgen ihm.
Entsetzt ließ Sonea von dem Sachakaner ab. „Was machen wir jetzt?“, wisperte sie. „Das ist der Untergang der Gilde.“
Akkarin wandte sich ihr zu, seine Miene war ernst. „Weitere schwarze Magier ausbilden.“
~*~*~ The End ~*~*~
Das war die dritte Folge meiner Halloween-Badfic-Reihe. Ich hoffe, sie hat euch ein wenig gefallen. Die Idee kam mir leider erst am Freitagabend, so dass ich nur das Wochenende zum Schreiben hatte. Eigentlich war sie als Verarbeitung von Traumata aus anderen Fanfictions gedacht. Da ich jedoch einen Weg finden musste, wie Lorlen auf möglichst absurde Weise schwarze Magie lernt, wurde diese Geschichte jedoch auch eine subtile Kritik an der unsäglichen Fortsetzung von Canavan, wo zwei Mädchen unter Drogeneinfluss schwarze Magie aus einem Buch lernen.
Den Versuch, schlecht zu schreiben, habe ich mittlerweile aufgegeben. Aber ich denke, sie enthält auch so genug Logikfehler, ooc-ness und andere Absurditäten. Der „Horror“-Anteil, wenn man das überhaupt so sagen darf, ist ohnehin dieses Mal Dark Lorlen. So etwas kenne ich nur von Hörensagen aus Harry Potter Fanfictions mit Dark Dumbledores etc. Ich muss gestehen, ich hatte sehr viel Spaß daran, den spießigen, pflichtbewussten Administrator auf die dunkle Seite zu bringen.
Allen, die zuvor noch nie etwas von mir gelesen haben, sei versichert, dass ich normalerweise seriösere, i.e. weniger grottige Fanfiction schreibe. Derart wie in dieser Story eskaliere ich nur, wenn die NaNoPrep in den Endspurt startet und Halloween vor der Tür steht ^_^
Last, but not least möchte ich meinen Helferinnen Jackie the Ripper, Rahel Queen of Bitches und Jamaica Becky „no feuel no cry“ von Herzen danken für Inspiration, Bitchen und dem Teilen und Diskutieren von Absurditäten der unsäglichen originalen Fortsetzung <3
In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein fröhliches Halloween und bitte, bitte lasst die Finger von bewusstseinserweiternden Drogen, wenn ihr nicht wie Lorlen enden wollt! ;-)