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Endless Death

Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Horror / P18 / Het
Armin Castiel Lysander Nathaniel OC (Own Character) Pia
20.10.2017
15.03.2023
91
244.734
6
Alle Kapitel
16 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
10.08.2018 2.235
 
Ein Dankeschön an Waffelkoenigin für dein Review! Wir hoffen, wie haben zukünftig öfter die Freude miteinander ^^
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"Kia, schau mal! Ein Einhörnchen!"
  Vorsichtig hob ich den Kopf an, um Devi auf meinen Schultern nicht zum Stürzen zu bringen und schaute in die Richtung, in die sie mir ihrer kleinen Hand zeigte. Auf einem der Bäume, der an der Mauer des Schulgeländes grenzte, sprang ein kleines, rot-braunes Wesen von Ast zu Ast Richtung Stamm.
  "EiCHhörnchen", korrigierte ich sie sanft, das Tier beobachtend.
  "Eiiinnnhörnchen", versuchte sie es erneut. Ich konnte nur lächeln. Ich hob sie von meinen Schultern runter und wiederholte ein paar Mal ruhig, aber deutlich die Aussprache vom ch, bis sie es schließlich hinbekam. Sie war so stolz auf sich, es erwärmte mein kaputtes Herz.
  "Wieso kannst du das nicht, das ist doch so leicht", meinte der kleine Junge aus der Gruppe, aus der die rothaarige Mutter stammte, fast schon überheblich zu Devi. Namen waren zwar nicht so meine Sache, aber er hier hieß Josh. Er sprach nun ebenfalls den Tiernamen aus und es klang auch richtig, weshalb die Braunhaarige beleidigt die Wangen aufblies. Bevor sie sich streiten konnten, wandte ich mich in der Hocke dem blonden Jungen zu.
  "Weißt du, es gibt viele, denen etwas leichter fällt, als anderen. Und diese sind dann wieder in etwas anderem sehr gut. Als ich so alt war wie ihr und sogar noch ein paar Jahre länger, da hatte ich große Probleme mit dem Sprechen. Meine Aussprache war lange nicht so gut, wie es deine oder die von Devi ist."
  Nun sagte auch das andere Mädchen, Sarah war ihr Name, etwas, wenn auch schüchtern: "Aber... du klingst doch ganz normal."
  Ich lächelte sie freundlich an. "Ich hatte viel Hilfe. Und Übung macht den Meister."
  "Schaut! Das Ein... Eichhörnchen!", rief Devi und wollte auf es zulaufen, doch hielt ich sie zurück. "Langsam, Devi, sonst verjagst du es. Sammelt doch ein paar Eicheln und versucht es damit ganz leise und ruhig zu füttern, vielleicht habt ihr ja Glück."
  Die Kinder taten wie geheißen und blieben sogar einige Meter vom Eichhörnchen entfernt, das in der Nähe des Baumes etwas verbuddelte. Es war niedlich, wie sie versuchten, es anzulocken, auch wenn ich bezweifelte, das ihnen das gelingen würde.
  "Du kannst gut mit Kindern umgehen."
  Ich drehte meinen Kopf von den Kindern weg und schaute der rothaarigen Frau ins Gesicht, deren Name ich wieder vergessen hatte. Diese Vorstellungsrunde war vielleicht eine ganz nette Idee, aber um mir ihre Namen auch alle merken zu können, würde ich wohl noch ein bisschen brauchen.
  "Möchtest oder besser gesagt wolltest du auch mal Kinder haben?", fuhr sie mit einem Zahnpasta-Lächeln fort. Ich konnte diese Frage nicht wirklich beantworten. Ich hatte mir nie wirklich Gedanken darum gemacht, hätte wohl gesehen, was die Zeit so mit sich brachte, aber wirklich mich als Mutter vorstellen konnte ich mir wohl noch nie. "Glaube nicht" war dementsprechend meine Antwort.
  Josh, Sarah und Devi kamen zu mir und der rothaarigen Frau zurückgelaufen und sahen dabei ein bisschen aus wie Figuren aus der Gummibärchenbande.
  "Kia! Eichhörnchen sind sooooo niedlich!" Die Braunhaarige hüpfte vor mir auf und ab.
  "Mir hat es aus der Hand gefressen!", freute sich Josh.
  "Gar nicht wahr!", fuhr Devi ihn an, ihre kindlichen, hellblauen Augen blitzten auf. "Es hat sich gar nicht an uns ran getraut!"
  Sie wirbelte wieder zu mir herum, nun strahlten ihre Augen voller Faszination. "Aber wir konnten die Nüsse zu dem süßen, kleinen Eichhörnchen hinwerfen und sie hat sie genommen und dann verbuddelt!"
  "Wie schön", lächelte ich liebevoll.
  Jemand zupfte an meiner Hose und als ich runterschaute, blickten mir wie treudoof große, braune Augen entgegen. "Warum verbuddeln Eichhörnchen Nüsse?", fragte Sarah leise, aber mit einer typischen kindlichen Neugierde.
  "Warum?" Meine Lippen zierten noch immer ein sanftes Lächeln, was ich nicht so recht verstand, aber das musste ich auch nicht. Hauptsache, es war da. "Soll ich euch das anhand einer kleinen Geschichte erzählen?"
  Drei Paar freudig glitzernde Kinderaugen strahlten mir entgegen, während sie einvernehmlich "Jaaaaa!" riefen. Also nahm ich Sarah, sowie Devi an die Hand und führte die drei weiter zum Beachvolleyballfeld der Schule, wie es bereits zu Anfang der Plan war, während ich begann, den Kindern eine Geschichte über ein kleines Eichhörnchen im Herbst zu erzählen, dass sich auf seinen langen Schlaf im Winter vorbereitete.

Irgendwann war ich allein. Isabelle - ja, ich hatte ihren Namen wieder aufgeschnappt - hatte sich nicht sehr lang nach meiner Geschichte über das Eichhörnchen vor seiner Winterruhe die Kinder geschnappt und sie zurück in die Schule gebracht. Sie sollten ihren Mittagsschlaf machen. Da ließ sie auch nicht mit sich reden, da mochten Devi und Josh noch so quengeln. Nur Sarah hatte sich müde die Augen gerieben und bestätigt, dass sie neue Energie tanken musste. Ich begleitete sie aber nicht. Die Schule fühlte sich irgendwie... erdrückend an. Kalt. Leer. Mich zog es nicht wirklich länger dort hinein, als unbedingt notwendig. Das Problem an der Sache war bloß, dass ich mich nirgendwo mehr besonders hingezogen fühlte. Drinnen erwartete einem nur die Erkenntnis, dass das fast leergefegte Schulgebäude wohl nie wieder den Dienst antreten würde, für das es eigentlich erschaffen wurde, während man draußen mit dem Grund dafür konfrontiert wurde. Ich musste mich also für das kleinere Übel entscheiden. Weshalb ich nach längerem Hadern nur kurz die Schule betrat, Spawner holte und mich weit abseits hinter die Sporthalle der Schule setzte, die an einem Wald oder Wäldchen grenzte. Hier war es ziemlich ruhig. Ich konnte zwar noch immer entfernt Schüsse und andere Kampfgeräusche hören, aber zumindest keine Infizierten sehen, die, wie am Haupttor, gegen den Zaun kratzen.
  Mit dem Rücken gegen die Mauer gelehnt, redete und spielte ich ein wenig mit meiner zahmen Ratte. Ich konnte sehen, wie sehr sie den Auslauf, die frische Luft und das weiche, grüne Gras genoss. Ich konnte es so gut sehen, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam, Spawner fast wie einen Gefangenen zu halten. Klar, er war schon immer eine Hausratte, hatte immer in einem Käfig gelebt, wenn er auch täglich einen rattensicheren Raum als Auslauf nutzen konnte. Aber jetzt war alles anders. Ich zwang ihn die meiste Zeit, in einer kleinen Transportbox zu leben, weil ich ihn nicht frei herumlaufen lassen konnte, wenn ich nicht aufpasste. Weil ich Angst hatte, er könnte weglaufen, wenn ich nicht hinsah. Er war schließlich letztlich noch immer eine Ratte. Ein soziales, intelligentes, eigenständiges Wesen. Spawner hieß Spawner, weil er wie urplötzlich in mein Leben getreten war. Er könnte genauso schnell auch wieder verschwinden...
  "Spawner, komm", befahl ich ruhig und die schwarze Ratte lief auf meine Hand. Ich setzte sie auf meiner Schulter ab, packte die sieben Sachen zusammen, die ich gar nicht bei mir hatte, und machte mich auf den Weg zurück zum Schulhof. Sonderlich Lust, zurück ins Gebäude zu gehen, hatte ich immer noch nicht, also blieb ich draußen und lief zu unseren Fahrzeugen. Es wunderte mich wenig, dort auch andere anzutreffen.
  "Hey", grüßte ich kurz angebunden.
  Zwei Köpfe, die bis eben noch ihren Fahrzeugen Aufmerksamkeit geschenkt hatten, drehten sich nun zu mir und grüßten zurück. John war gerade dabei mit Wasser und einem Scheibenwischer die Frontseite unseres Geländewagens von Blut und Dreck zu entfernen, während Castiel mit einem Tuch seine schwarz-rote zweirädige Maschine polierte. Eitel selbst im Angesicht des Todes.
  "Habt ihr Spaß?", fragte ich neutral und doch sarkastisch.
  Mein Bruder sah mich an. Sorge lag in seinen Augen. Weshalb, konnte ich nicht sagen. Also ignorierte ich ihn und schnappte mir einen der sauberen Lappen, die bei Castiel rumlagen, tunkte ihn in einen Wassereimer und widmete mich meinem eigenen Motorrad, das nur wenige Meter entfernt von den beiden stand. Der grün-schwarze Lack war teils ungleichmäßig rot gesprenkelt und ich war froh, dass es nur das war. Mein geliebtes Zweirad hätte auch ganz anders aussehen können. Beispielsweise als rollende... Fleischtheke. Oder noch schlimmer: Schlimm beschädigt oder gar nicht mehr vorhanden. Da war mir das bisschen Blut fast schon Latte.
  Ich bemühte mich, beim Sauberwischen mich nicht allzu sehr zu bewegen. Spawner wegen. Ich nahm an, Ratten mochten es nicht so sehr, durchgeschüttelt zu werden. Aber irgendwie schien das Spawner nicht sonderlich zu kümmern. Er kuschelte sich zwischen meinen Kragen und Hals und putzte sich wahrscheinlich. Den Geräuschen nach zu urteilen. Wie sehr wünschte ich mir wieder einen Artgenossen für Spawner hier her, damit sie sich gegenseitig putzen konnten. Ihr ganz normales, soziales Rattenverhalten ausüben konnten. Aber nun musste er sich erstmal mit mir begnügen. Armes Tier.
  "Hey, Kyra. Wie wär's? Für'n bisschen Kohle wäscht du diese Fahrzeuge?" Castiels rauchige Stimme dröhnte fast schon in meinen Ohren. Mir fiel erst jetzt auf, dass ich Kopfschmerzen bekam.
  Ich hielt in meiner Bewegung inne und sah ihn verständnislos an. Was wollte er?
  "Du weißt schon, leicht bekleidet." Er warf seinen Lappen in den Wassereimer. "Mit viel Schaum. Wie so eine heiße High School Schülerin aus Filmen."
  Ich zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte leicht den Kopf, noch immer kein Stück schlauer. Hatte er mich etwa gerade als "heiß" bezeichnet oder war das nur ein Vergleich ohne direkten Bezug zu mir?
  "Mensch, jetzt guck' mich nicht so an, das war nur ein Scherz! Du schautest wie eine überfahrene Katze, ich wollte dich nur ein bisschen aufmuntern." Der Rothaarige löste die Aufbockung seines Motorrads und schob es weg. Wohl irgendwohin, wo es besser geschützt war. Ich fasste mir an die Stirn. Das wollte ich nun nicht. Ihn vergraulen.
  "Mach dir nichts draus", meinte mein Bruder. Ich drehte den Kopf in seine Richtung. Ich musste einen Blick drauf haben, den ihn abrupt erstarren ließ, bevor er auch nur auf die Idee kam, auf mich zuzugehen. Sein Blick wich meinem aus und legte sich die Hand in den Nacken. Ich verstand nicht mehr, was los war. Was mit mir war. Ich hatte das Gefühl, auf einem dünnen Drahtseil der Gefühle zu balancieren und im Abgrund wartete die endlose, erbarmungslose Dunkelheit auf mich. Aber wo kam das her? Es war mitten am Tag. Und ich war nicht mal allein.
  John sah mich wieder an, dieses Mal fester. Es hätte mich auch gewundert, hätte er sich noch länger gedrückt. Schließlich war er nicht der Typ für Unsicherheit. Ganz im Gegenteil. Selbst im Streit hatte er stets einen entschlossenen Gesichtsausdruck, ganz egal, ob er im Recht lag oder nicht. Ich nahm an, die Tatsache, dass er unseren Vater erschossen hatte, ließ ihn so untypisch agieren.
  "Ist etwas passiert? Ich meine, vergangene Nacht?", fragte der Braunhaarige. Hatten die beiden sich irgendwie abgesprochen, in Rätseln zu sprechen?
  "Du meinst, abgesehen davon, dass ich wegen den ganzen untoten Gesichtern, der Ermordung unseres Vaters und Leonies Geburtstag, den sie nicht erleben darf, nicht schlafen konnte?"
  "Ich...", er stockte. Er fühlte sich unwohl und suchte wohl nach den richtigen Wörter. Er, John. Dass ich das noch erleben durfte. Was war bloß los mit mir?! Ich war doch sonst nicht so negativ. Nun ja... Vielleicht war das noch so, bevor alles den Bach runterging.
  "Ich habe dich in der Nacht mit Lysander gesehen. Du schliefst. Obwohl ich weiß, dass meine Sorgen völlig unbegründet sind, habe ich sie trotzdem. Also Kyra, antworte ehrlich: Er hat dich nicht angefasst oder Sonstiges getan, das er in deiner Verfassung ausgenutzt hat, oder?"
  Nun war ganz Ende bei mir. Vollkommen entgeistert starrte ich ihn an wie ein Auto mit Fernlicht. "Wie bitte?", fragte ich etwas harsch zurück. "Wie kommst du bitte auf so einen Scheiß?!" Hatte er sie nicht mehr alle? Wie konnte er es nur wagen, auch nur eine Sekunde daran glauben zu können, Lys würde etwas tun, dass mir böswillig schaden würde? Er, Lysander! Nein. Ganz im Gegenteil. Er war so sanft zu mir... So sanft, dass ich ihm heute komplett aus dem Weg gegangen war. Vor Scham. Ich schämte mich zutiefst dafür, dass er mich so schwach gesehen hatte, so verzweifelt. So verletzlich... Ich hätte es nicht geschafft, ihm in die Augen zu sehen, nach dem, was er vergangene Nacht für mich getan hatte. Also tat ich alles, um es nicht zu müssen.
  Vielleicht war es das, was mich heute so wankelmütig machte. Die Gedanken und Gefühle rotierten so schnell durch meinen Kopf, und allein die Vorstellung, ich würde unter die Augen des Silberhaarigen treten und er würde einzig das kleine, hilflose, schutzbedürftige Mädchen von vergangener Nacht in mir sehen, half auf der Suche nach einer Stabilisierung kein Stück.
  "Lysander", murmelte ich kopfschüttelnd und drehte mich von meinen leicht verschämten Bruder weg. "Klar, genau das hat er getan", meinte ich im Weggehen, triefend vor Ironie. Mein Motorrad musste vorerst auf seine Schönheitsbehandlung warten. Ich musste irgendwo hin, wo ich besser zu gebrauchen war. Oder eher, wo ich niemanden mit meiner Laune stören konnte.





Dieses Kapitel wurde Ihnen präsentiert von: @Sternenwandlerin
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