„Was ist denn dieses ‚Slash‘, was ich da dauernd lese? Geht es da um eine Art episches Kampfduell zwischen Ash und mir?“, fragte er plötzlich aus dem Nichts und machte seltsame Bewegungen.

Ich konnte nicht anders als loszulachen. Auf diesem Gebiet war er wirklich unschuldig. „Klar, dabei benutzt ihr eure Schwerter.“ Ich dachte schon, dass ich mich nicht mehr zurückhalten konnte, da legte mein Kumpel noch einen drauf: „Aber ich hab doch nur Dolche.“ Was er danach sagte, hörte ich schon gar nicht mehr, denn ich kringelte mich lachend auf meinem Stuhl zusammen. Es war fast zu schade, dass ich ihn nun wohl oder übel aufklären musste. Dabei begannen sich auf seinem Gesicht rote Flecken zu bilden, bis er sich am Ende die Ohren zuhielt und laut ‚lalala‘ sang. Damit konnte die kleine Lehrstunde weitergehen.

Ich beschloss, ihn noch ein wenig weiter aufzuziehen, nachdem er sich beruhigt hatte. „Wieso ist das denn so abwegig? Zwei heiße Feentypen in Action? Da würden sicher auch einige Feendamen Karten für kaufen.“ Ich zwinkerte spitzbübisch in seine Richtung. „Du findest mich heiß?“ Natürlich war das wieder das Einzige, was er rausgehört hatte. Ich gab mir selbst ein Facepalm, nachdem ich mich versichert hatte, dass er mein Augenrollen mitbekommen hatte. „Na sichi, mal davon abgesehen ist das auch ziemlich unfair mit eurem Schein-Gedöns und den Feen-Genen.“ Ich hoffte, das würde ihn von seinem Trip herunterbringen. „Aber du hast trotzdem gesagt, ich wäre heiß.“ Damit gab er mir auch mein freches Zwinkern zurück. Danach ließ er sich doch noch auf eine ernstere Antwort ein: „Trotzdem ist es seltsam, sich das vorzustellen. Sehr sogar. Ich kenne den ehemaligen Eisbubi schon ewig und immerhin hat er zwischendurch versucht, mich umzubringen."
Ich wusste, was ich antworten konnte: „Das ist doch kein Hindernis. Gib es doch zu, das hat dich sogar ‘n bisschen angemacht.“ Als er das hörte, schlug er mir spielerisch auf den Arm. Ich hielt ihn, als würde er mir ernsthaft wehtun. „Gewalt kommt oft zum Einsatz, wenn man das Gefühl hat, auf verbaler Ebene zu unterliegen. Keine Chance, ich hab dich durchschaut“, witzelte ich und lachte. Goodfellow stimmte mit ein und ließ ein kurzes „Vielleicht“ verlauten, ehe er sich wieder dem Bildschirm zuwandte.

„Warum haben viele der Stories mit einer Zitrone zu tun? Ist das so ein Trend oder so?“ Er suchte sich auch wirklich immer die besten Begriffe heraus. Ich seufzte, denn auch das würde ihm nicht gefallen. Vielleicht müsste ich anders an die Sache herangehen. „Ist dir der Ausdruck ‚Hentai‘ ein Begriff?“ Er schaute mich unvermittelt an. Wahrscheinlich rätselte er gerade, was um alles in der Welt das mit einer Zitrone zu tun hatte oder malte sich schlimmeres aus. Dennoch nickte er. „Nun ja, das ist sozusagen ein Gegenbegriff im Fanfiktion-Universum. Es kommen halt…explizite Inhalte darin vor. Hier ist zum Beispiel eine.“ Ich würde ihn ins eiskalte Wasser schmeißen für all die Streiche, die er auch mir gespielt hatte. Ich hatte endlich eine Chance auf Revanche.

Es handelte sich um eine Lemon mit Puck und Titania als Hauptbesetzung. Ich schmunzelte und öffnete sie.

<<Sanft umschloss er die Hand der Sommerkönigin, während er ihr tief in die Augen blickte. Immer näher kamen sie sich, bis ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Zärtlich stupsten ihre Nasen aneinander. Robins Hand strich langsam an ihrer Seite entlang, bis sie…>>

„Aaaaahhhhrg, oh mein Gott“, schrie Puck mir auf einmal ins Ohr und schlug die Hände vors Gesicht. Ich erschrak, bis ich erkannte, dass er scheinbar gerade an derselben Stelle mitgelesen hatte. „Das ist echt …bah…als würde ich die Lichten-Zicke auch nur in irgendeiner Weise anfassen. Andersherum würde sie mich wahrscheinlich in ein Haushuhn verwandeln. Einige Leute haben eindeutig zu viel Fantasie!“ Sinnlos lief er während seiner aufgebrachten Rede im Zimmer auf und ab. Dann vernahm ich nur vereinzelte Schimpfworte unter seinem Gemurmel. Ich amüsierte mich dabei prächtig, sollte es jemanden interessieren. "Was denn, es ist doch noch gar nichts Spannendes passiert! Hier zum Beispiel, da machst du..das..mit ihrem...wow." Ich starrte jedoch weiterhin ausdruckslos auf den Bildschirm.

„Wie kommt es überhaupt, dass du so überhaupt keine Miene verziehst?? Ich meine, mal ehrlich. Die Hälfte der Leute sind im inneren Serienkiller, auf Drogen oder komplett in einer Fantasiewelt abgetaucht. Findest du das normal?“  Eigentlich fand ich, dass er ziemlich überreagierte, aber wenn ich der Hauptcharakter wäre und mit mir bekannten Personen geshippt würde, weiß ich nicht, wie ich das aufnehmen würde. „Jetzt reg dich doch ab. Es ist doch nur ausgedachtes Zeug. Ist doch gut, wenn sie sich einer Herausforderung stellen und Spaß am Schreiben haben. Ich wette das gibt es schon länger, als den Begriff selbst. Vielleicht hat sogar Shakespeare im stillen Kämmerchen schmutzige kleine Werke geschrieben, die niemand lesen sollte.“ Mein Gegenüber schnaubte abfällig. „Und jetzt hör auf zu heulen. Komm lieber wieder her, damit ich dich weiter aufziehen kann.“ Man sah ihm zwar an, dass er sich innerlich sträubte, jedoch sagte er nichts weiter und zog sogar einen Hocker aus einer anderen Ecke meines Zimmers heran. Ich konzentrierte mich indes auf die Website. Mir sprang eine Fanfiktion ins Auge, die ein höheres Ranking hatte. Gespannt klickte ich darauf. Sie war am Anfang sehr seltsam beschrieben und es stand „PWP“ darüber. Da war ich nun auch leider mit meinem Latein am Ende. Puck sprach mal wieder zu sich selbst „Hm…scheint detailliert zu sein…was ist das? Wofür braucht man…oh..OH! Was zum?? Ist das denn überhaupt möglich?“ Seine Augen wurden immer größer und ich musste zugeben, auch ich war geschockt. Wer kam bitte auf eine solche Idee. „Verschone mich mit dieser Folter, oh großer Gott der Fanfiktion.“ Puck legte sein Gesicht in seine Hände. Vielleicht hatte ich ihn wirklich genug gequält. „Menschen sind echt verrückt. Ich glaube jetzt verstehe ich, was der Kater meint. Moment, ob er etwa auch solche Schundliteratur kennt?“ Ich lachte über diese Vorstellung.

„Na schön. Dann hilf mir lieber meinen Text für das Theaterstück zu proben. Immerhin dauert es nicht mehr lange bis zur Aufführung“, schlug ich ihm vor, in der Hoffnung, er würde einwilligen.

Beinahe sofort sprang er von seinem Platz auf und warf sich auf das Bett, auf dem er zunächst bewegungslos liegen blieb. „Mit dem allergrößten Vergnügen! Nachdem ich das da über mich ergehen lassen musste, kommt mir eure Version gar nicht mehr allzu schlimm vor.“ Ich lächelte vor mich hin. Na also, es ging doch. Vielleicht würde ich ihm bei Zeiten nochmal eine andere schlimmere Seite vom Internet  zeigen, wenn er mich mal wieder nerven würde.