Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

[TKKG] Terror bei der Bundesbahn

von Gonda
Kurzbeschreibung
OneshotKrimi / P12 / Gen
27.07.2017
27.07.2017
1
5.973
 
Alle Kapitel
3 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
 
 
27.07.2017 5.973
 
Für dieses Jahreszeit war es ungewöhnlich warm. Die Mittagssonne ließ ihre voller Kraft frei.
Peter Carsten, Tim genannt, stand am Bahnhof seiner Heimatstadt und wartete auf den Zug, der ihn zurück in die Millionenstadt bringen sollte.
Da entdeckte er ein circa 15 Jahre altes Mädchen, das ihm sehr bekannt vorkam.
Sie entdeckte ihn ebenfalls.
»Tim«, rief sie überrascht, »lebst du auch noch!«
»Trine? Ewig nicht mehr gehen. Was machst du so?«
Trine bleib vor Tim stehen. »Tja, was mache ich. Meistens Schularbeiten. Und du? Löst ihr immer noch Fälle? So wie letztes Mal?«
»Ja, immer noch. Vor zwei Wochen hatten wir drei Fälle hintereinander.«
»Waren die so gefährlich wie der letzte, mit den Autobahn-Gangstern?«
Tim nickte nur.
Katharina Schmetterkoog, die, wie in dieser Region üblich, Trine genannt wurde, hatte vor fast einem Jahr bei einem Fall mitgewirkt, in dem Autobahn-Gangster, mit deren Komplicen die TKKG-Bande bereits früher konfrontiert worden waren, an den Autobahnen in ganz Deutschland junge Frauen und Mädchen entführt hatten. Trine hatte sich als Lockvogel angeboten, worauf die Gangster hereingefallen waren.
»Und ich war natürlich nicht dabei.«
»Wir hatten zu der Zeit Schule«, sagte Tim. »Die Fälle haben sich in unserer Millionenstadt abgespielt. Hier gibt es doch vergleichsweise wenig zu ermitteln.«
»Tja. Ich suche allerdings für nächstes Schuljahr ein Internat. Schade, das eures keine Mädchen aufnimmt.«
»Doch, seit diesem Schuljahr sind auch Mädchen zugelassen.«
»Tatsächlich? Ich guck mal, ob ich reinkomme. Vielleicht muss ich dann wieder irgendwo als Lockvogel herhalten.«
»Was seit dem letzten Jahr allerdings auch nicht weniger gefährlich ist.«
Trine lachte nur. »Da seh' ich nicht gegen an.«
»So? Naja, wir werden es ja erleben. Zumindest habe ich den Verdacht. Worauf wartest du jetzt genau?«
»Auf die Regionalbahn«, antwortete Trine. »Ich muss meine Tante besuchen. Stell' dir vor. Die Frau verdrückt an einem Tag eine ganze Krakauer Fleischpeitsche und nimmt nicht ein einziges Gramm zu. Da kriege ich wieder was zu hören.«
Tim lachte. »Willi hat diese Eigenschaft nicht.«
»Das liegt auf jeden Fall nicht in der Familie. Mein Cousin isst den ganzen Tag Schokolade, und das sieht man auch. Vier Tafeln sind Minimum.«
Wieder musste Tim lachen. »Eu, eu. Ich gliebe, das kömmt mir bikinnt vör«, sagte er in einem Spaß-Dialekt, der in dieser Stadt unter gewissen Kleingaunern üblich war.
Jetzt lachte auch Trine. »Jaja, mit dienen Klienguunerschnack tätest du äich in die Szäne 'rinkömmen.«
»Aber nur fast. So, ich muss jetzt los, meine Bahn kommt gleich.«
»Wie lange brauchst du dorthin?«
»Mit dem Silberpfeil wäre ich in ein paar Stunden da. Der fällt heute allerdings aus. Also muss ich erst mal mit dem Ponyexpress fahren. Das dauert fast den ganzen Tag.«
»Alles klar. Man sieht sich!«
Tim ging zum richtigen Abschnitt des Bahnsteiges. Dort fuhr auch schon der Triebwagen ein, mit dem er fahren würde.

Mehrere hundert Kilometer entfernt saßen Karl, Klößchen und Gaby im ADLERNEST. Klößchen hatte seine Freunde telefonisch dorthin bestellt.
»Also, Klößchen, wieso hast du uns hierher zitiert?« wollte Gaby wissen.
»Weil ich was für euch habe«, sagte Klößchen.
»Mach's doch nicht so spannend.«
»Okay.« Klößchen setzte sich gerade auf sein Bett. Karl und Gaby hatten sich jeweils einen Schreibtischstuhl genommen. »Wir lösen seit über drei Jahren ununterbrochen irgendwelche Fälle. Wo wir gingen und standen, erwartete uns irgendein Verbrechen, irgend etwas Unmoralisches, irgendein spannendes Abenteuer. Selbst wenn wir weggefahren sind.«
Karl säuberte seine Nickelbrille. »Du hast doch hoffentlich nicht einen Kriegsrat einberufen, nur um uns etwas mitzuteilen, was wir selbst wissen, oder, Willi?«
»Natürlich nicht«, erwiderte der Schoko-Fan. »Mein Vater spendiert uns aber dieses Mal wieder einen Urlaub. Und nach der ganzen Aufregung haben wir uns den verdient. Geplant ist, wir fahren in den kommenden Ferien für eine Woche in ein einsam gelegenes Tal, das einen See hat und einen Ort mit nur 120 Einwohnern sowie einer Pension mit gerade mal acht Zimmern. Dort kommt fast nie einer hin. Es ist total schön da, und es passiert nichts. Dort erwartet uns unter Garantie kein Fall. Wäret ihr dabei?«
Karl und Gaby überlegten kurz. »Warum eigentlich nicht«, meinte Karl schließlich, »wir haben uns das wirklich mal verdient. Wo ist denn das?«
»In Österreich, südlich vom Brenner. Ja, ich weiß, wir haben noch nie österreichisches Staatsgebiet betreten, ohne irgendeinen Fall zu lösen, aber dieses Mal soll das anders sein.«
»Hört sich gut an«, fand auch Gaby. »Wir wären also dabei. Tim können wir ja jetzt noch nicht fragen, er ist ja noch unterwegs.«
»Wie lange wird das denn dauern, bis er hier ist?« erkundigte sich Karl. »Wird Tim mit dem Silberpfeil fahren?«
»Nein, aus irgendwelchen Gründen fällt der heute aus«, antwortete Klößchen. »Er sagte am Telefon, er muss mit der Regionalbahn fahren, was natürlich um einiges länger dauert. Vermutlich ist er nicht vor heute Abend hier.«
»Dann können wir eventuelle gemeinsame Aktionen zu viert für heute jedenfalls knicken«, meinte Gaby.
»Wenigstens haben wir aktuell keinen Fall. Ein wenig wie Urlaub ist das ja schon fast«, sagte Klößchen. »Nur dass wir morgen schon wieder zur Schule müssen. Schlimm ist das.«
Karl lachte. »Was Tim wohl zu deiner Arbeitsauffassung sagen würde.«
»Danach frage ich ihn gar nicht erst.«
»Wir haben es noch gut«, meinte Gaby, »im Gegensatz zu meinem Papi. Der hat momentan wieder alle Hände voll zu tun. Seine Mitarbeiter sind alle nicht abkömmlich, und Vertretungen von anderen Revieren bekommt er nicht bewilligt. Dabei hat er ausgerechnet jetzt wieder einen Fall.«
»Was denn für einen?« erkundigte sich Klößchen. »Will wieder irgendein Durchgeknallter das Präsidium in die Luft jagen? Ist wieder einer überraschenderweise vorzeitig entlassen worden? Oder macht wieder wer aufm ›Fasanenhof‹ die Pferde verrückt?«
»Nichts von alledem. Stattdessen ein großangelegter Einbruch in die Lagerhalle eines der Metallverarbeitungsbetriebe hier in der Stadt. Große Mengen Metall wurden letzte Nacht gestohlen. Keiner hat was bemerkt. Und was das soll, kann sich auch keiner vorstellen. Mein Papi steht vor einem Rätsel. Naja, vielleicht kriegen sie das gelöst. Dann müssen wir das nicht übernehmen.« Gaby musste lachen. »Obwohl er jetzt wahrscheinlich jeden halbwegs hilfreichen Kollegen gebrauchen kann. Vielleicht selbst uns.«
»Tja. Was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Tag?« fragte Karl.
Klößchen sagte: »Ich bin für Kuchenessen im LA DOLCE VITA.«

Während der Bahnfahrt las Tim Zeitung. Einen Speisewagen hatte der Zug nicht, und auch sonst nicht viel. Fahrgäste waren jetzt nur durchschnittlich viele unterwegs. Tim hatte den Vierer für sich allein, nachdem er zweimal umgestiegen war. Dort waren die Züge brechend voll gewesen, doch jetzt war es Nachmittag.
An ersten größeren Bahnhof stieg ein Mann Mitte dreißig zu, blickte sich um und erkundigte sich bei Tim, ob ihm gegenüber auf dem Viererplatz noch frei wäre. Tim blickte kurz von seiner Zeitung auf und sagte: »Bitte sehr.«
Der Mann bedankte sich und nahm Platz.
Nach kurzer Zeit fragte er: »Was gibt’s Neues? Ich bin heute noch nicht dazu gekommen, die Zeitung zu lesen.«
»Ich bin fast durch, dann können Sie die Zeitung von mir aus haben.«
»Sehr gut.«
»Da haben wohl ein paar Gauner eine Lagerhalle leergeräumt, in der Metall aufbewahrt wurde. Ich weiß gar nicht, was die mit so viel Metall wollen.«
»Wo war das?« erkundigte sich der Mann.
Tim nannte den Namen der Millionenstadt, die dieser Zug als Endziel hatte.
»Ach ja. Fahren Sie dorthin?«
Dies schien ein Gespräch zu ergeben. Tim klappte die Zeitung zusammen. »Ja, das ist mein Reiseziel.«
Der Mann nickte. »Meins auch. Das dauert aber auch wieder. Und das nur, weil der Silberpfeil heute ausfällt. Das kostet mich mehr als zwei Stunden. God verdomme.«
»Sind Sie Niederländer?« erkundigte sich Tim nach dem letzten Wort, einem beliebten Fluch im Niederländischen. Außerdem fiel ihm sein Akzent auf.
»Ja, bin ich. Und Sie sind Südländer, nehme ich an. Italiener oder Türke.«
Tim lachte. »Ich habe zwar dunkle Haut, aber ich bin Deutscher. Überdies können Sie mich ruhig duzen, ich bin erst fünfzehn.«
»Alles klar. Wie heißt du?«
»Peter Carsten, ich werde Tim genannt.«
»Ich heiße Johannes Vanstraaten. Ich werde Jan genannt. Ich habe einen Geschäftstermin in der Stadt. Ich bin stellvertretender Geschäftsführer bei den Metallverarbeitungsbetrieben in Maastricht und regle zudem die Zusammenarbeit mit den Betrieben hier. Von dem Metalldiebstahl habe ich gehört.«
»Ah, dann wissen Sie Bescheid.«
»Deshalb frage ich mich, ob es irgend etwas Neues gibt. Ich weiß, dass das schon seit Wochen so geht, aber es scheint keine neuen Erkenntnisse zu geben.«
»Gibt es bis heute nicht«, bestätigte Tim. »Die Polizei tappt immer noch im Dunkeln.«
»Damit war zu rechnen«, sagte Jan enttäuscht. »Kommst du eigentlich aus der Stadt?«
»Nein«, antwortete Tim wahrheitsgemäß. »Ich gehe dort auf das Internat. Eigentlich komme ich aus …«, er nannte den Namen seiner Heimatstadt.
Jan nickte. »Mein Bruder kommt dort auch her.«
In diesem Moment knackte es lautstark, dann kam eine Ansage vom Fahrer des Triebwagens: »Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass der Zug aufgrund von Störungen im Betriebsablauf nicht weiterfahren kann. Sie müssen leider alle in Rohrbach aussteigen. Es ist ungewiss, wann Sie Ihre Reise fortsetzen können. Wir bitten, dies zu entschuldigen.«
»Störungen im Betriebsablauf«, wiederholte Jan. »Das höre ich nicht zum ersten Mal. Das sagen sie immer, wenn was nicht planmäßig hinhaut. Das ist so ziemlich deren Standard-Ausrede. Mehr Gründe kennen sie nicht.«
»Ist wohl so«, meinte Tim. »Na gut, dann steigen wir halt aus.«

Karl, Klößchen und Gaby waren ins LA DOLCE VITA gefahren, um Kuchen zu essen. Danach saßen sie noch herum. Sie wollten Tim am Hauptbahnhof abholen. Zu diesem Zwecke hatte Klößchen Tims Rennrad mitgenommen und während der Fahrt festgehalten.
»Ich glaube, wir können bald zum losfahren«, meinte Klößchen mit einem kurzen Blick auf die Uhr an der Wand. »Es wird gleich dunkel.«
»Ja, ein wenig Zeit ist ja noch«, sagte Karl. »Tim wird erst in einer halben Stunde eintreffen, und weit ist es ja nicht von hier.«
In diesem Augenblick klingelte Gabys Handy. Sie ging dran.
»Gaby Glockner? – Ah, Tim, du bist das! Bist du gleich da? Wir sind schon im … – Was? – Wo stehst du? – Nicht weiter? – Ja, vielleicht kriegen wir das organisiert, dass … – Ja, bleib, wo du bist. Wir versuchen einen zu kriegen. Bis dann!«
Gaby klappte das Handy zusammen und steckte es ein. »Kommando zurück, Freunde.«
»Was ist los? Kommt Tim nicht?« fragte Karl.
»Er steckt fest. Die Regionalbahn ist nicht weitergefahren. Er steht am Bahnhof in Rohrbach und kommt nicht vom Fleck.«
»Und jetzt?«
»Jetzt müssen wir zusehen, dass dort jemand hinfährt und ihn abholt. Eine Mitfahrgelegenheit hat er nicht gefunden. Vielleicht hat mein Papi doch noch ein wenig Zeit, und wir können ihn abholen fahren.«
»Dann solltest du mal nachfragen«, meinte Karl. »Rohrbach ist ja nicht so erschreckend weit. Über die Autobahn vielleicht eine gute halbe Stunde.«
»Die Räder kriegen wir jedenfalls nicht mit«, sagte Klößchen. »Das heißt, ich muss auch wieder mit zwei Fahrrädern zurückfahren. So ein Mist.«

Tim hatte Gaby verständigt. Jetzt wartete er ab.
Jan Vanstraaten hatte sich kurzfristig umentschieden und nachgefragt, ob der Geschäftstermin zu verschieben sei. Er war mit dem Gegenzug der gleichen Regionalbahn zurück in die nächstgrößere Stadt gefahren, wo er ein Hotelzimmer hatte. Auch er hatte keine Mitfahrgelegenheit gefunden. Es wäre für Jan und Tim selbst zu zweit zu teuer gewesen, sich ein Taxi zu teilen.
Die Dunkelheit legte sich langsam über den relativ einsamen Bahnhof. Tim langweilte sich und vertrat sich die Beine.
Da hörte er, wie sich zwei junge Männer in seiner Nähe unterhielten.
»… war eine saubere Aktion, Scherbel«, sagte einer. »Alle Welt denkt, wir machen nur kleinen Mist.«
»Dabei machen wir großen«, lachte der mit Scherbel Angesprochene. »Mann, Fichna, du bist manchmal echt genial.«
»Nur manchmal?« grinste Fichna.
»Fast immer.«
»Die Sache war echt die beste Idee, die wir je hatten. Vor allem, weil es meine Idee war. Jetzt werden wir reich.«
Mit einem Male bemerkte Scherbel, dass Tim in ihrer Nähe war und jedes Wort mitbekam. »Ey, Kurzer!«
Tim drehte sich nach Fichna und Scherbel um. »Was ist?«
»Du hast uns nicht zuzuhören, wenn wir uns unterhalten, ist das klar?«
»Ich habe Ihnen nicht zugehört«, erwiderte Tim.
»Erzähl' das deiner Großmutter, du Wicht!«
»Kann ich nicht mehr.«
»Willst du Ärger, Frechdachs?!«
»Nur zu. Ich bin hier. Aber ich warne Sie – den Satz hab' ich zuletzt vernommen, als anschließend jemand auf mysteriöse Weise Nasenbluten hatte.«
»Na warte!« Scherbel kam auf Tim zu. Er nahm Anlauf und hob seine Faust. Als er bei Tim war, ging dieser zur Seite, vollzog eine Drehung und streckte Scherbel zu Boden.
Scherbel schrie vor Schmerzen auf.
»Pass auf, du Hänfling!« Fichna ging ebenfalls auf Tim los, allerdings mit einem Messer. Doch das war Tim egal. Er wartet ab, bis Fichna nahe genug an ihm war, dann trat er wie bei Scherbel zur Seite, drehte sich allerdings nicht, sondern trat Fichna mit voller Wucht vors Knie.
»Au! Hauen wir ab, Scherbel! Der Mistbengel ist stark!«
Scherbel stand auf, wirkte noch etwas benebelt, doch folgte Fichna in die Dunkelheit.Tim schaute ihnen nach, doch er konnte sie nach kurzer Zeit nicht mehr erkennen.
Was die wohl angestellt hatten, überlegte Tim. Ganz sauber waren die beiden garantiert nicht. Und Krawalltüten waren das auch noch.

Eine halbe Stunde später trafen Kommissar Glockner, Karl, Gaby und Klößchen am Rohrbacher Bahnhof ein. Tim verstaute seine Sachen im Kofferraum, und Glockner fuhr los.
»Sei froh, dass ich Zeit hatte, Tim«, sagte Glockner. »Momentan ist echt die Hölle los. Wir hatten noch nie so viele Metalldiebstähle.«
»Die in den Verarbeitungsbetrieben?«
»Richtig.«
»Davon habe ich in der Zeitung gelesen.«
Glockner setzte den Blinker nach rechts und fuhr auf die Bundesstraße. »Ich würde euch ja absetzen, aber ich muss dringend ins Präsidium. Ihr könnt ja warten, und ich bringe euch nachher zurück.«
»Wir haben Zeit«, sagte Karl und grinste.
»Wie? Ach, ihr wollt dabeisein. Naja, das verkürzt die Sache zeitlich. Und vielleicht schadet es ja auch nicht. Bei eurer Erfahrung. Und viel passieren kann ja auch nicht.«
»Fünf Köpfe denken ohnehin besser als einer«, warf Klößchen ein.
»Wir halten uns auch im Hintergrund, Papi«, versprach Gaby.
»Das will ich hoffen.«
»Sagt mal«, begann Tim, »erinnert ihr euch noch an den Fall mit den Autobahn-Gangstern?«
»Davon hatten wir zwei«, erwiderte Karl.
»Richtig. Ich meine den zweiten.«
»Ja, natürlich. Weshalb?«
»Dann kennt ihr Trine auch noch?«
»Trine?« Klößchen überlegte kurz. »Ach ja, der Lockvogel!«
»Richtig, Willi.« Er erzählte, wie er Trine heute Mittag am Hauptbahnhof begegnet war.
»Nicht schlecht«, meinte Gaby. »Und was macht sie so?«
»Das hab' ich sie auch gefragt. Da sagt sie doch, in erster Linie Schularbeiten.«
Klößchen lachte. »Fast wie bei uns.«
»Ja, nur dass ihr nebenbei auch noch Verbrecher jagt«, warf Glockner ein.
»Sie wissen doch, wir können gar nicht anders. Und das fliegt uns einfach so zu. Wie ein gebratenes Hähnchen in meinen Mund.«
Glockner fuhr geradewegs auf die Stadt zu, deren Lichter man von hier aus schon sehen konnte. Sie reflektierten sich in den Wolken, die jetzt über diesem Teil Deutschlands hingen. Offenbar war nicht überall schönes Wetter.
Bald erreichten sie die Stadt, und es dauerte auch nicht allzu lange, bis sie am Polizeipräsidium eintrafen.
Sie stiegen aus und betraten das 13. Revier. Direkt marschierten sie in Glockners Büro, wo sie Glockners Assistent Ettel vorfanden.
»Da sind Sie ja, Herr Kommissar. Sie kommen gerade richtig. Es könnte sein, wir haben jetzt eine Erklärung für den überdimensionalen Metallraub.«
»Legen Sie los, Ettel.«
»In der Zeit, in der Sie in Rohrbach waren, musste ich zu den Verkehrsbetrieben der Stadtwerke. Dort ist ein anonymer Brief eingegangen, garniert mit der Drohung, eine Straßenbahn entgleisen zu lassen.«
»Ach du heiliger Strohsack!« stieß Glockner aus. »Wurde eine Forderung gestellt?«
»Bis jetzt nicht«, antwortete Ettel. »Aber wir sind trotzdem weiter. Es wurde bei einer Nachfrage bei den Metallverarbeitungsbetrieben festgestellt, dass das gestohlene Metall bei der Bundesbahn zur Instandsetzung von Bahngleisen verwendet werden sollte. Das fehlt natürlich nun.«
»Dann geht es vermutlich nicht um das Metall«, schlussfolgerte Klößchen, »sondern darum, bei der Bundesbahn Terror zu schieben.«
»Völlig richtig, Willi«, bestätigte Ettel. »Als wenn du hellsehen könntest. Eben ging beim Bahnhofsvorstand ein anonymer Anruf ein, der die gleiche Drohung ausspricht. Auch wieder keine Forderung – bis jetzt. Aber das könnte sich ändern. Sie sollten so schnell wie möglich hinfahren, Herr Glockner.«
»Und wie wollen Sie das hier alles schaffen?« fragte Gabys Vater. »Die ganze Aktenarbeit, die noch ansteht?«
»Tja, das weiß ich auch nicht, Herr Kommissar.«
In diesem Moment hörten sie Schritte hinter sich. »Da bin ich ja wohl gerade rechtzeitig gekommen.«
Sie drehten sich um. In der Tür stand Oberinspektor Miroslav Sadić.
»Na, Herr Oberinspektor?« grüßte Glockner. »Wieder zurück?«
»So ist es, Herr Glockner. Pünktlich zum Spätdienst, obwohl ich noch frei habe. Aber ich habe schon vermutet, der Laden hier läuft ohne mich nicht. Also nehme ich mir jetzt die Zeit. Ich war noch nicht mal zu Hause, bin gerade erst zurückgekommen. Ich war ja auf Verwandtenbesuch.«
»Wie bitte? Heißt das, Sie sind ohne Umschweife aus Serbien hierhergefahren?« Glockner gab sich verblüfft.
»So ist es, Herr Kommissar. Ich kann doch das Revier nicht im Stich lassen.«
»Dann sind Sie doch sicher geflogen, Herr Sadić«, meinte Karl.
»Nein, ich bin mit dem Auto gefahren.«
»Dann sollten Sie sich ausruhen, Herr Oberinspektor«, fand Ettel. »Das war doch sicher eine lange Fahrt.«
»Ach, Unsinn«, gab Sadić zurück. »Ich bin noch quietschfidel. Sind doch bloß 941 Kilometer, das ist doch keine Entfernung. Ich mach' das nicht zum ersten Mal. Jetzt leiste ich Ihnen eben noch ein wenig Gesellschaft. Sie können's gebrauchen, Ettel.«

Kommissar Glockner und die TKKG-Bande fuhren zum Hauptbahnhof, wo der Vorsteher des Bahnhofes arbeitete.
Als vor ein paar Jahren die TKKG-Bande einen ähnlichen Fall gelöst hatte, waren sie in genau dasselbe Büro gefahren. Herr Schulzl-Müller hatte damals als Bahnhofsvorsteher fungiert, doch der war inzwischen pensioniert.
Sein Nachfolger hieß Ronald Hesse und war achtundvierzig Jahre alt. Er war schwarzhaarig und eher dünn.
Kommissar Glockner und die TKKG-Bande betraten sein Büro.
»Guten Abend, ich bin Kommissar Glockner, das sind meine vier Assistenten.«
»Angenehm. Hesse mein Name. Das ist mein Bürostuhl, der einzige Assistent, den ich habe.«
»Herr Hesse, ich bin ein Kollege des Beamten, dem Sie den Anruf des Erpressers gemeldet haben, und komme wegen dieses Falles. Hat sich in der Zwischenzeit etwas Neues ergeben?«
»Leider nein, Herr Kommissar. Dies ist bis jetzt der einzige Anruf geblieben. Der Typ sagte nur, er wolle überall die Schienen zerschweißen. An einigen Stellen hat er das sogar. Heute sind in der Gegend allein acht Regionalzüge ausgefallen. Und der Süd-Express Silberpfeil.«
»Wie hat er sich angehört?« wollte Glockner wissen.
»Heisere Stimme, vielleicht verstellt. Er sprach passables Deutsch, aber mit hörbarem Akzent, der sich irgendwie nach Osteuropa oder Balkan anhörte. Irgendwie auch ein wenig gekünstelt, aber das kann täuschen. Die Verbindung war außerdem sehr schlecht; vermutlich hat er ein Mobiltelefon benutzt und war gerade in einer Gegend mit sehr schlechtem Empfang.«
Karl begann sich Notizen zu machen.
»Zwischenzeitlich hat er sich auch ein wenig verhaspelt. Er kam ins Stottern und benutzte dann zwischendrin so ein komisches Wort.«
»Was für ein Wort?« erkundigte sich Glockner.
»Ich weiß nicht, es war in einer fremden Sprache. Es klang so ähnlich wie … ›Schelessnitzer‹ oder so. Dann verbesserte sich und sagte dann, er würde eine Forderung bei der Bahn stellen. Welche, würde er mir später verraten.«
Karl notierte weiter. »Hm, mir sagt dieses Wort auch nichts. Ich notiere mal, wie es sich ungefähr anhört.«
»Tja, und ich muss jetzt hier die ganze Nacht sitzen und warten, dass sich der Kerl wieder meldet. Das schaffe ich alles nicht, eine Zumutung.«
»Darüber hat sich Ihr Vorgänger schon mokiert«, bemerkte Karl.
»Was? Sie kennen den Schulzl-Müller?«
»Ja. Lange Geschichte.«
»Gut, dann wäre es das gewesen, Herr Hesse«, verabschiedete sich Glockner, »wir hören voneinander, ja?«
»Aber sicher, Herr Kommissar.«
Glockner und die TKKG-Bande verließen das Büro.

Als die TKKG-Bande und Kommissar Glockner wieder im Präsidium eintrafen, wurden sie von Ettel und Sadić erwartet.
»Gut, dass Sie da sind, Herr Glockner«, sagte Ettel. »Vor zwei Minuten hat der Bahnhofsvorsteher Hesse angerufen. Sie waren wohl gerade weg, da hat sich der Erpresser wieder gemeldet. Er fordert anderthalb Millionen Euro.«
»War es derselbe Typ, den er uns beschrieben hat?« wollte Karl wissen.
»Heisere, verstellte Stimme, slawischer Akzent. Nur die Verbindung war jetzt besser.«
»Ja, uns sagte er, vermutlich vom Balkan oder aus Osteuropa.«
»Wenn es tatsächlich einer vom Balkan war«, warf Klößchen ein, »dann kann der Herr Oberinspektor vielleicht was mit diesem komischen Wort anfangen. Irgendwas mit Gelee.«
»Mit Gelee?« wiederholte Sadić und versuchte einen Witz. »Vielleicht hat er sich verwählt und will in Wirklichkeit die Marmeladenhersteller erpressen.«
Karl lachte kurz, dann wurde er wieder ernst. »Nein, nein, Herr Sadić, das Wort war … Augenblick …«, er blätterte in seinem Notizbuch, »›Schelessnitzer‹. Hesse vermutet, der Typ hätte sich verhaspelt und es dann unüberlegt benutzt.«
»›Schelessnitzer‹?« wiederholte Sadić. »Es gibt ein Wort, das so ähnlich klingt, tatsächlich. Der Ausdruck ›železnica‹ ist serbisch und heißt ›Eisenbahn‹.«
»Eisenbahn …«, wiederholte Gaby nachdenklich. »Dann kann er also wirklich vom Balkan stammen.«
»Naja, den Ausdruck gibt es auch in anderen Sprachen«, wandte Sadić ein, »aber er bedeutet Eisenbahn.«
»Hm, das Verbrechensmuster würde zu dem passen, was ich heute belauscht habe«, sagte Tim. »Da waren in Rohrbach am Bahnhof zwei Typen, die sich über irgendwas unterhalten haben, was sie wohl angestellt haben. Sie sagten nicht, was. Aber sie sprachen davon, dass sie erst kleinen Mist gebaut hätten und dann ganz großen, und dass sie davon reich werden würden, ohne dass es jemand bemerkt.«
»Das ist zwar interessant, Tim, kann aber auf alles Erdenkliche zutreffen«, meinte Sadić. »Klar, es passt dazu. Erst Metalldiebstahl, dann Erpressung der Bundesbahn. Ihr sagtet, der Akzent von dem Anrufer sei nicht ganz echt?«
»Hesse vermutet es«, sagte Karl, »aber sicher ist er sich nicht.«
»Hm. Wenn es Aufzeichnungen gäbe, könnte ich mir das anhören und feststellen, ob der Akzent echt ist. Hesse als Nicht-Jugo wird das gar nicht auseinanderhalten können.«
»Weißt du zufällig die Namen der beiden, Tim?« fragte Glockner.
»Sie haben einander mit Fichna und Scherbel angesprochen. Dürften ihre Nachnamen sein. Sie waren so um die zwanzig.«
»Wir werden das überprüfen«, sagte Glockner. »Es ist jetzt fast halb zehn. Ich denke, es ist Zeit, dass ich euch nach Hause fahre. Heute passiert ohnehin nichts mehr.«

Am nächsten Nachmittag des nächsten Tages fuhren die TKKG-Freunde wieder aufs Polizeipräsidium. Dort trafen sie Gabys Vater allein an.
Kommissar Glockner hatte eine große Landkarte vor sich ausgebreitet, mit zahlreichen Markierungen versehen.
»Ah, hallo. Ihr kommt gerade recht«, grüßte er.
»Gibt es neue Erkenntnisse?« fragte Karl.
»Allerdings. Heute Morgen gab es zahlreiche Anschläge. An vielen Ecken haben sie festgestellt, dass Schienen herausgerissen worden sind. Eben wurde wieder einer gemeldet.«
Tim sah sich die Karte an. »Hallöchen, das glaub ich ja nicht. Sehr viele Anschläge in dieser Gegend, aber alle Anschläge geschahen auf der Strecke in Richtung meiner Heimatstadt.«
»Ja, das haben wir auch schon festgestellt. Deine Heimatstadt, Tim, ist besonders gefährdet, da sie seit gestern keinen Bahnhofsvorsteher mehr hat.«
»Ach, nicht?«
»Er hat noch gestern Abend die Kündigung eingereicht.«
»Das haut mich um.«
»Das heißt ja«, überlegte Klößchen weiter, »dass der Täter gewusst haben muss, dass in Tims Heimatstadt zur Zeit der Betrieb nicht hinreichend überwacht wird. Es kann also sein, dass der Täter bei der Bahn arbeitet.«
»Das ist gut denkbar, Willi.« Gabys Vater faltete die Karte, die das gesamte Bahnstreckennetz Deutschlands erfasste, zusammen. »Der Vorsteher, der kündigt hat, heißt übrigens Rikkert Vanstraaten.«
»Vanstraaten?« wiederholte Tim. »Der Name sagt mir was.«
»Ja, tatsächlich? Kennst du den?«
»Nein, aber ich habe gestern auf der Fahrt nach Rohrbach einen etwa 35 Jahre alten Mann kennengelernt, der Johannes Vanstraaten heißt. Ein Holländer. Es könnte eine Verbindung bestehen. Er sagte, sein Bruder wohne in meiner Heimatstadt. Vielleicht ist er es.«
»Das können wir überprüfen.«
»Haben Sie auch die beiden Typen überprüft, die ich in Rohrbach angetroffen habe?« wollte Tim noch wissen.
»Habe ich. Dario Fichna und Moritz Scherbel. Beide zwanzig Jahre alt; Fichna ist aus Rohrbach, Scherbel ist hier aus der Stadt. Bei der Polizei sind sie bis jetzt allerdings noch nicht bekannt, was natürlich nichts heißen muss.«
Tim dachte nach. »Vielleicht irren wir uns auch. Aber man sollte diese Spur verfolgen.«
»Auch wenn sie dämlich genug wären, würden sie offen über das sprechen, was sie angestellt haben«, meinte Gaby.
»Naja, sie haben mich ja zuerst nicht bemerkt, und sonst war da ja keiner.«
»Am besten, wir fahren gleich bei Scherbels vorbei und gucken einfach mal, was der Moritz so anstellt«, schlug Klößchen vor. »Wenn er aufmuckt, haben wir ja Tim dabei.«
»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist«, bemerkte Glockner.
»Viel werden ihm sowieso nicht aus der Nase ziehen können«, sagte Klößchen, »aber wir sollten uns den Kerl mal aus der Nähe ansehen.«
»Schaden kann es nicht«, fügte Gaby hinzu.
»Gestern wart ihr noch meine Assistenten, heute schon meine Vorgesetzten«, sagte Glockner. »Ist schön, dass ich das auch erfahre. Aber gut, wir fahren hin. Scherbel wohnt in der Bleibetreustraße Nummer siebzehn.«

Moritz Scherbel hatte seine eigene Wohnung in der Innenstadt. Er öffnete die Tür, nachdem Kommissar Glockner geklingelt hatte. Gabys Vater und die TKKG-Freunde fuhren im Aufzug in das fünfte Stockwerk. Dort klopfte Glockner an die Wohnungstür.
Moritz öffnete.
»Ja?«
»Kriminalpolizei, mein Name ist Glockner. Dürften wir eintreten?«
»Ich wüsste nicht, wieso, aber bitte.«
Sie betraten die nicht ganz so aufgeräumte Zwei-Zimmer-Wohnung. Moritz schien Glockners Gedanken zu erraten und sagte: »Ich hab' nicht aufgeräumt. Wusste ja nicht, dass Sie antanzen würden.«
»Das macht nichts«, sagte Glockner.
Jetzt bemerkte Scherbel Tim. »Meine Fresse, nicht der schon wieder. Der Typ von gestern Abend, vom Bahnhof.«
»Korrekt, Scherbel«, sagte Tim.
»Herr Scherbel«, sagte jetzt Gabys Vater, »Sie und der Herr Dario Fichna, stehen unter dem Verdacht, mit den derzeitigen Anschlägen auf die Bundesbahn zu tun zu haben. Außerdem sollen Sie eine Lagerhalle mit Metallbeständen ausgeräumt haben. Was haben Sie dazu zu sagen?«
»Was soll ich getan haben? Wer sagt das? Etwa der Furzknoten da vorne?«
»Ich bitte doch um Sachlichkeit, Herr Scherbel. Haben Sie etwas dazu zu sagen?«
Scherbel schüttelte den Kopf. »Ich war's nicht.«
»Das bekomme ich so oft zu hören, das glauben Sie gar nicht. Haben Sie ein Alibi für die jeweiligen Tatzeiten? Beispielsweise heute Morgen?«
»Wie, wo, was? Warum soll ich Metall klauen. Ich mache meine Ausbildung in der Metallverarbeitung. Der Fichna auch.«
»Da hätten Sie beide ja noch leichter Zugang zu den Lagerhallen.«
»Wieso soll ich so 'nen Scheiß machen, hä? Sehen Sie die Beule hier? Ich war vorletzte Nacht in den Verarbeitungsbetrieben als Nachtwache. Die Typen, die die Lagerhallen ausgeräumt haben, haben mir voll eins draufgegeben.«
»Und wieso haben Sie das nicht ausgesagt?«
»War mir nicht wichtig genug. Zufrieden? Ich habe jetzt zu tun. Ich hatte seit heute Morgen sechs Uhr Dienst und will jetzt pennen. Heute Abend muss ich schon wieder hin, Nachtwache schieben. War's das dann?«
»Ja, damit wären wir durch. Danke, Herr Scherbel.«
»Keine Ursache. Und jetzt raus!«
Nachdem Glockner und die TKKG-Bande die Wohnung verlassen hatten, schlug Scherbel die Tür hinter ihnen zu.

Glockner bog um die nächste Straßenecke, da sagte Karl: »Bitte halten Sie mal an.«
Gabys Vater hielt am rechten Straßenrand an. »Was ist los?«
»Wir sollten Scherbel weiter beschatten. Vielleicht kommen wir so weiter. Sie können nicht mitmachen, Herr Glockner, ich weiß, daher machen wir das.«
»Wieso? Was versprichst du dir davon?«
»Vielleicht ist er nicht der Täter, aber führt uns zu ihm. Wir müssen es einfach sehen. Anders ist das ja momentan nicht zu bewerkstelligen.«
Gaby, Tim und Klößchen stimmten zu.
»Na gut, dann macht. Wie kommt ihr dann nach Hause?«
»Mit der Straßenbahn«, sagte Klößchen. »Vielleicht haben wir ja Glück und es gibt keinen weiteren Anschlag. Wenn was ist, melden wir uns.«
»Okay. Dann bis später.«
Die TKKG-Freunde stiegen aus. Glockner fuhr weiter.
Tim lugte um die Ecke. In diesem Augenblick sah er, wie Scherbel aus dem Hause trat und die Straße hinabging.
»Hinterher«, wies er an. »Aber unauffällig!«
Sie verfolgten Scherbel, ohne dass er sie bemerkte, bis zum anderen Ende der Straße, wo diese in die Hauptstraße einmündete.
Genau gegenüber der Einmündung stand ein Straßencafé, welches Scherbel nun betrat. Er setzte sich ans Fenster, sodass TKKG keine Mühe hatten ihn weiter zu observieren. Eintreten konnten sie nicht, da Scherbel sie ja kannte.
Ein Mann ging an Scherbels Tisch vorbei und schaute Scherbel recht schief an. Scherbel starrte genauso schief zurück. Die beiden mussten sich kannten. Jetzt kam der Mann heraus.
»Kann irgendwer von euch ein Foto machen?« fragte Tim.
Karl hatte seine sündhaft teure Kamera schon herausgeholt. In Windeseile machte er einen Schnappschuss.
»Der Typ könnte glatt als Spion alter Schule durchgehen«, meinte Klößchen. »Mit seinen Klamotten.«
Gerade erwog Tim, den Mann weiter zu beschatten, da stieg dieser in ein Taxi und fuhr davon. Eine Verfolgung war nicht möglich.
Die TKKG-Bande beschloss zur nächsten Straßenbahnstation zu laufen.
»Wenn wir uns beeilen, kriegen wir die nächste Straßenbahn noch«, meinte Tim.
»Das wäre ja Bewegung«, gab Klößchen zurück.
»Na, gut, dann warten wir ausnahmsweise.«
»Was machen wir jetzt?« wollte Karl wissen.
»Wir fahren gleich zum Polizeipräsidium zurück. Dort besprechen wir alles Weitere. Und ich rufe jetzt Trine an. Vielleicht kann sie herauskriegen, ob sich Jans Bruder in meiner Heimatstadt aufhält. Ich will wissen, warum er den Dienst quittiert hat.«

Trine nahm Tims Anruf entgegen und machte sich auf den Weg zum Bahnhof ihrer gemeinsamen Heimatstadt. Sie war sowieso auf dem Rückweg von ihrer Tante fuhr mit der Bahn, die wie durch ein Wunder noch den Betrieb hatte aufnehmen können.
Am Hauptbahnhof angekommen ging Trine zielstrebig zu einem Bahnmitarbeiter, der an einsamster Stelle am Bahnsteig stand und sich soeben eine Zigarette ansteckte.
»Entschuldigen Sie«, sprach sie ihn an.
»Ja, bitte?«
»Kennen Sie zufällig den Bahnhofsvorsteher Rikkert Vanstraaten?«
»Ja, den kenne ich. Den ehemaligen. Er hat gestern Abend die Kündigung eingereicht.«
»Ah ja. Wissen Sie, weshalb?«
Der Bahnmitarbeiter zog kräftig an seiner Fluppe. »Er hat sich in letzter Zeit wohl häufiger über die Arbeitsbedingungen ausgelassen. Und über die geringe Bezahlung. Und überhaupt über alles, worüber man sich bei der Bahn auslassen kann. Irgendwann muss es ihm gereicht haben. Es wird gemunkelt, er hatte zudem wegen irgendwelcher rechtlicher Streitigkeiten einen Prozess am Hals gehabt. Das sind aber nur Gerüchte, ich weiß nicht, ob sie stimmen.«
»Wissen Sie, ob er sich in der Stadt aufhält?«
Der Bahnmitarbeiter lachte. »Sie fragen ganz schön viel, junges Fräulein. Aber gut. Soweit ich weiß, ist er nach seiner Kündigung ins Auto gestiegen und irgendwohin gefahren. Ich weiß nicht, wohin, aber nach Hause ganz bestimmt nicht. Es sei denn, er ist einen Riesenumweg gefahren. Wieso er das hätte machen sollen, weiß ich auch nicht.«
»Okay Vielen Dank!«
Trine entfernte sich ein Stück und rief Tim an.

»… ah, okay. Besten Dank, Trine!«
Tim legte auf und steckte sein Handy in die Tasche. Die Straßenbahn hatte inzwischen fast die Station erreicht, in deren Nähe das 13. Polizeirevier lag.
Tim erzählte auf dem Weg von der Station zum Präsidium seinen Freunden, was Trine in Erfahrung gebracht hatte.
»Der Typ hat wohl ganz schön offen geplaudert«, meinte Karl.
»Anscheinend.«
Als sie wenig später in Glockners Büro eintrafen, fanden sie diesen nervös vor.
»Papi, was ist los?« erkundigte sich Gaby.
»Ach, der Erpresser hat sich wieder bei Ronald Hesse gemeldet. Jetzt fordert er zwei Millionen Euro von der Bundesbahn. Er hat soeben wieder ein ganzes Stück Gleis entfernt. Und er droht, den Fernverkehrszug aus Stuttgart entgleisen zu lassen, wenn er sein Geld nicht bis heute Mittag bekommt. Es soll in einem Bahnhofsschließfach deponiert werden. Er wird jemanden schicken, um das zu überprüfen, und nicht selber auftauchen. Es ist unmöglich, das Geld in so kurzer Zeit zu beschaffen.«
»Na ganz toll«, sagte Karl.
»Hätten Sie kurz Zeit? Wir bräuchten noch die Angaben der Vanstraatens. Wir wissen inzwischen, weshalb er gekündigt hat«, sagte Klößchen.
Glockner tippte etwas in den Computer ein. »Also: Johannes Vanstraaten ist vierunddreißig Jahre alt, stammt aus Maastricht und ist nicht vorbestraft, nicht hier, nicht in den Niederlanden. Ebenso wie mit seinem Bruder, Rikkert, 1982 geboren, wohnt in deiner Heimatstadt, Tim.«
»Wie sieht er aus?« Tim umrundete Glockners Schreibtisch und schaute auf den Bildschirm. Dann nickte er. »Alles klar. Das wollte ich nur wissen.«
»Am besten, Sie lassen gleich nach den beiden fahnden«, sagte Klößchen.
»Dein Ernst, Willi?«
»Mein voller. Und wir müssen los. Schnell!«
»Was ist denn in dich gefahren, Klößchen?«
»Ich habe einen Verdacht, und ich denke, den haben wir alle. Können Sie fahren?«
»Nein, das geht nicht. Aber Sadić kann.«

Kurze Zeit später brauste Sadić mit der TKKG-Bande durch die Stadt.
»Aber nicht, dass das wieder so halsbrecherisch wird wie beim letzten Mal«, merkte Tim lachend an.
»Keine Sorge.« Sadić schaltete das Blaulicht ein. »Dieses Mal lassen wir's entspannt angehen. Wohin darf ich die Herrschaften denn dieses Mal kutschieren?«
»Zu den Metallverarbeitungsbetrieben«, sagte Tim.
Kurze Zeit später hielt Sadić vor den Werkstoren der Metallverarbeitungsbetrieben der Millionenstadt. Tim wollte gerade aussteigen, da sahen sie, wie das Tor geöffnet wurde und ein Mann heraustrat.
»Das ist Jan«, sagte Tim.
Sadić nahm den Gang heraus und zog die Handbremse an. Dann stiegen sie alle aus.
»Jan!« rief Tim.
Vanstraaten bemerkte Tim und ging auf ihn zu. »Tim! Freut mich, dich hier zu sehen. Äh, wieso fährst du in einem Polizeiauto vor, wenn ich fragen darf?«
»Das ist der Punkt. Wir ermitteln im Falle der derzeitigen Vorgänge um die Metalldiebstähle und die Anschläge auf die Bundesbahn.«
»Aha, deshalb hast du dich so dafür interessiert.«
»«Wir suchen Ihren Bruder Rikkert Vanstraaten«, übernahm Sadić das Wort. »Wir brauchen ihn ganz dringend.«
»Wir haben ihn mit einem Kerl gesehen, den wir verdächtigen«, sagte Klößchen geradeheraus.
»Verdächtigen? Rikkert? Unmöglich.«
»Spricht Ihr Bruder zufällig ein wenig Serbisch, Herr Vanstraaten?« fragte Sadić.
»Naja, er war, als er achtzehn war, von der niederländischen Armee aus in Jugoslawien stationiert«, sagte Vanstraaten. »Da hat er ein wenig gelernt.«
»Könnte er den Akzent nachahmen?«
»Theoretisch. Er hat ihn ja oft genug gehört.«
»Herr Vanstraaten! Wo ist Ihr Bruder jetzt?«
Jan seufzte. »Also schön. Ich weiß von seinen Machenschaften. Ich weiß auch, dass er sich mit Typen wie Dario Fichna und Moritz Scherbel abgibt. Sie sind seine Handlanger. Sie haben aber nichts gemacht, sich nur den Plan ausgedacht, alles geht auf Rikkerts Kappe. Scherbel hat beim Metallraub das Opfer gespielt.«
»Und wo ist Rikkert?« fragte Sadić. Er verlor zunehmend die Geduld. »Sie wissen es doch! Also. Ist er zufällig gerade dabei, an der Bahnstrecke Richtung Stuttgart die Gleise rauszuruppen?«
»Ja, ist er. Sie sollten sich beeilen, wenn Sie ihn stoppen wollen.«
»Also, bei allem Respekt, Herr Vanstraaten. Sie sind mir echt ein Hanswurst. Kommt, Kollegen. Wir müssen uns beeilen.«

Mit Blaulicht und Einsatzhorn raste Sadić über die Bundesstraße in Richtung Westen, wo einige gut zu erreichende Stellen waren, die der Fernverkehrszug passieren musste.An einer besonders geeigneten Stelle hielt Sadić an und sprang aus dem Wagen. Unterwegs hatte er Verstärkung angefordert, die schon auf dem Wege war.
»Sehen Sie ihn, Herr Oberinspektor?« fragte Tim.
Sadić sah sich kurz um – und entdeckte Rikkert. »Bleibt hier«, sagte er und rannte los, auf Rikkert zu, der eine Flex in der Hand hatte. Schnell nahm ihm Sadić diese ab.
»Es ist echt Rikkert«, sagte Klößchen. »Der sich im Straßencafé mit Scherbel getroffen hat. Und der zur Tarnung mit serbischem Akzent gesprochen hat. Vielleicht, damit man ihn nicht als Holländer identifiziert.«
Die Verstärkung rollte an. Auch Gabys Vater war dabei. »Das hätte ich ja nicht gedacht«, sagte er zum Gruße. »Dass ihr doch noch den Fall löst.«
» Das war aber auch wirklich in allerletzter Sekunde«, warf Sadić ein. »Wären wir fünf Minuten später gekommen, wäre es zu spät gewesen – und der Fernverkehrszug wäre entgleist.«
In diesem Moment schoss der Fernverkehrszug an ihnen vorbei.
Mit Ausnahme der gewohnten Verspätungen würde wohl von jetzt an wieder alles seinen geregelten Gang gehen. Gabys Vater lobte die TKKG-Bande über alle Maßen hinaus.
Tim war froh, dass wieder Schule war.
»Was ist daran bitte gut?« wollte Klößchen wissen.
»Du kannst es dir vielleicht nicht vorstellen, Willi, aber ich kann keine Züge mehr sehen.«


– ENDE –
Review schreiben
 
 
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast