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[TKKG] Alarm auf dem Reiterhof!

von Gonda
Kurzbeschreibung
OneshotKrimi / P12 / Gen
27.07.2017
27.07.2017
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Gaby saß an diesem Donnerstagabend allein zu Hause, als auf einmal das Haustelefon der Glockners klingelte.
Sie erhob sich von ihrem Schreibtisch, wunderte sich noch, dass aufgrund des Berufes ihres Vaters fast niemand die Nummer kannte, ging zum Telefon und hob ab.
»Hier bei Glockner?« meldete sie sich. »Gaby Glockner am Apparat?«
»Gaby?« scholl es aus dem Telefon. Sie erkannte die weibliche Stimme schnell wieder. »Ich bin's, Kati Schulze. Du erinnerst dich an mich? Der Fall mit dem Doppelgänger auf der Rennbahn? Und Schnuller und so?«
»Kati? Aber natürlich! Ist doch noch gar nicht so lange her!«
»Stimmt. Habt ihr gerade einen Fall in Arbeit?« fragte Kati direkt.
»Momentan nicht, weshalb?«
»Dann hätte ich einen für euch. Du weißt ja, dass wir damals, nachdem Heino Schnuller entlarvt wurde, die Möglichkeit bekamen den ›Fasanenhof‹ zu kaufen.«
»Ich erinnere mich.«
»Wir haben das Ding jetzt richtig groß aufgebaut.Wir haben inzwischen einen der größten Reiterhöfe im Landkreis. Und eine dazugehörige Rennbahn gibt es auch.«
Gaby staunte nicht schlecht.
»Jetzt kriegen wir nur gerade ein paar Probleme. Deshalb wende ich mich an euch.«
»Was ist passiert?«
»Irgendjemand manipuliert auf der Rennbahn Pferderennen. Einige Pferde, die vorher als Favoriten hoch gehandelt wurden, machen auf einmal schlapp. Das kam jetzt schon mehrfach vor.«
Gaby dachte an den letzten Fall zurück. Das hier war entschieden schlimmer.
»Es kommt noch besser. Ein paar davon sind nämlich von uns. Und der Täter manipuliert nicht nur draußen auf der Rennbahn, sondern auch bei uns. Mit Azuro beispielsweise stimmt Verschiedenes überhaupt nicht. Ein Hannoveraner-Hengst. Den haben wir, seit wir den Hof gekauft haben, und auf einmal tritt Azuro aus. Das hat er noch nie getan. Er wird immer aggressiver, mit dem kannst du bald gar nichts mehr anstellen. Und ausgerechnet er sollte eigentlich bald zu den Favoriten bei den Rennen gehören.«
»Das klingt recht verheißungsvoll«, fand Gaby. »Ich denke, wir werden den Fall übernehmen.«
»Sehr gut. Wir hatten doch damals auch 'nen Ausritt geplant, aber mir fehlte die Zeit dafür.«
»Mir auch. In der Zeit hatten wir andere Fälle zu lösen.«
»Was die Jungs wohl dazu sagen werden?«
Gaby lachte. »Die frage ich gar nicht erst.«
Kati lachte auch. »Okay. Wann könntet ihr kommen?«
»Morgen, nach der Schule. Wir könnten ja übers Wochenende bleiben. Sollten wir den Fall nicht bis Sonntag lösen, müssen wir uns dann was einfallen lassen. Das kriegen wir schon hin.«
»Okay, dann bis morgen.«
Nachdem Kati aufgelegt hatte, rief Gaby sofort Tim und Karl an, um sich für den nächsten Tag zu verabreden.

Am nächsten Morgen hatte Kati wider Erwarten zwei Freistunden, da in ihrer Schule eine Doppelstunde Englisch aufiel.
Sie begab sich ohne Umschweife nach Hause. Kurzerhand entschloss sie sich zu einem spontanen Ausritt. In Rekordzeit hatte sie sich in Schale geschmissen, ihre Isländer-Stute ›Queen of the East‹ gesattelt und sich in die tiefste Walachei begeben.
Zwei Stunden später kehrte sie zurück. Bald würde es Mittagessen geben, also beeilte sie sich etwas. Ab in den Stall, Fütterung, Ansprache. Fertig.
Gerade wollte sie aus dem Stall heraustreten, da fiel ihr Blick auf die ein Stück entfernte, unterhalb des Hangs gelegene Pferdekoppel.
Dort lungerte jemand am Zaun herum.
Kati versuchte zu erkennen, um wen es sich bei der schwarzgekleideten Gestalt mit schwarzer Mütze handelte, doch das war aus der Entfernung nicht machbar.
Kati beschloss nachzusehen und ging den Hang hinunter. Gleich war sie bei der Gestalt.
Die Gestalt blickte auf und erschrak sich. Dann drehte sie sich um und suchte das Weite.
Kati wollte der Gestalt schon hinterherrennen, doch das war mit Reitstiefeln nicht zu machen.
Weg war der Typ.
Was er hier wohl gewollt hatte? Ob er mit den Vorkommnissen um den Reiterhof zu tun hatte? Fest stand jedenfalls, dass er Kati kannte und überrascht war, sie hier jetzt anzutreffen, wo sie doch eigentlich nicht hätte hier sein sollen.

Am darauffolgenden Mittag traf sich die TKKG-Bande nach der Schule im ADLERNEST. Gaby hatte Tim noch gestern Abend angerufen, sodass zumindest er startklar war. Auch Karl war informiert und reisefertig.
»Klößchen, was dauert da schon wieder so lange?« wollte Tim wissen, der seinem Budenkameraden zusah, wie dieser umständlich seine Sachen verstaute.
»Ich muss doch meine Schokolade verstauen«, gab Klößchen zurück.
»Wieviele Tafeln hast du vor mitzunehmen?«
»Genau zwölf.«
»Willst du ausgerechnet dieses Wochenende platzen, Willi?« erkundigte sich Gaby.
»Dass er nicht schon geplatzt ist, wundert einen ja«, merkte Karl an.
»Ihr habt ja keine Ahnung. Wer weiß, ob es dort vielleicht nirgendwo eine Gelegenheit zum Einkaufen gibt. Und unter vier Tafeln am Tag sind eben kritisch.«
»Kritisch ist ein richtiger Ausdruck. Aber in anderer Hinsicht.«
»Willi, du hättest dort bestimmt einkaufen können«, sagte Gaby. »Auch auf dem platten Land gibt es Geschäfte. Ist ja auch egal. Bist du so weit?«
Der Schoko-Fan schnürte seinen Rucksack zu. »Komme ja schon.«
»Wir kommen mit der S-Bahn in den Ort, da gibt es eine Station«, bemerkte Gaby. »Von dort aus müssen wir uns abholen lassen.«
»Eigentlich komisch …« Karl kam ins Sinnieren. »Ich meine, jeder Bahnhof hat ein paar Häuser neben und vor sich stehen, aber ich kenne keinen einzigen Menschen, der wirklich direkt neben oder gegenüber einem Bahnhof wohnt.«
»Du hast Sorgen.« Klößchen setzte seinen Rucksack auf. »Was mache ich, wenn meine Schokolade schmilzt? Im der beheizten S-Bahn zum Beispiel?«
»Willi. Solange ich dich kenne, hast du fast immer und überall deine Schokolade dabeigehabt. Manchmal ist sie geschmolzen, meistens nicht. Du willst mir doch jetzt nicht erzählen, dass du dir auf einmal darüber Gedanken machst«, sagte Tim.
»Hast recht. Ich nehm' sie einfach mit, auf gut Glück.«
Sie verließen das ADLERNEST und begaben sich in Richtung Hauptbahnhof.

Nachdem sie die Bahnfahrt, die Klößchens Schokolade überlebt hatte, hinter sich gebracht und an der Endstation der S-Bahn ausgestiegen waren, erblickten sie Kati Schulze sofort. Sie kam auf die TKKG-Bande zu.
»Da seid ihr ja!«
Es gab eine kurze Begrüßung. Dann verließen sie den Bahnhof in Richtung des nächstgelegenen Parkplatzes.
»Freut mich, dass ihr so schnell kommen konntet«, sagte Kati. »Mein Vater war begeistert von euch. Ich hab ihm gesagt, dass ihr kommt, und er freut sich so sehr wie ich.«
»Das wiederum freut uns«, merkte Klößchen an.
»Kommt. Mein Vater fährt uns.«
Ludger Schulze, Katis Vater und Besitzer des Reiterhofes ›Fasanenhof‹, holte seine Tochter und die TKKG-Bande im Auto ab. Sie quetschten sich alle zusammen in den hofeigenen Suzuki Vitara, einen bestimmt zwanzig Jahre alten schwarzen Jeep. Es war eng, doch der Weg war nicht besonders weit. Bereits fünf Minuten später stiegen sie aus.
»Danke, dass ihr kommen konntet«, bedankte sich Herr Schulze im Voraus. »Ladet eure Sachen schon mal aus, ich will das Auto gleich in die Garage fahren.«
»Wo schlafen wir?« wollte Tim wissen.
»Da macht euch mal keine Gedanken. Wir haben alles vorbereitet.«
»Herr Schulze. Wissen Ihre Angestellten eigentlich, dass wir da sind?« kam Karl umgehend zur Sache.
»Sie wissen, dass ihr da seid, aber nicht, wer ihr seid. Ich habe an alles gedacht.«
Sie stellten ihre Sachen in den Flur. Anschließend sollte Kati die TKKG-Bande herumführen und ihnen zeigen, was sich seit dem Doppelgänger-Fall so alles verändert hatte. Kati übernahm das umgehend und erzählte währenddessen, was ihr heute Morgen widerfahren war.
Im Großen und Ganzen stand noch alles dort, wo es mal gewesen war. Die TKKG-Freunde erkannten alles auf den ersten Blick wieder. Immer noch die gleiche Pferdekoppel, die so groß war, dass man nicht sehen konnte, wo sie aufhörte.
Kurz genossen sie den Ausblick auf die Landschaft, dann gingen sie hinüber zum Pferdestall.
»Wir haben nach der Übernahme des Hofes neues Personal eingestellt«, erklärte Kati. »Zwei Stallburschen haben wir. Mal sehen, ob sie irgendwo sind.«
Sie betraten den Stall.
Tatsächlich stand dort ein junger Mann Anfang zwanzig. Er war dabei, die Box auszumisten, auf deren Tür in großen schwarzen Schreibschriftbuchstaben auf silbernem Grunde der Name AZURO prangte.
Der junge Mann drehte sich zu ihnen um. »Nanu, schon wieder Besuch?«
»Ja, ich hab meine Freunde eingeladen«, erwiderte Kati. »Sie werden übers Wochenende hierbleiben.«
»Ah ja.«
»Leute, das ist Benno Koopmann, unser dienstältester Stallbursche.«
Benno, der bis gerade eben noch eine Schnute gezogen hatte, musste lachen. »Naja, dienstältester. Ich bin mal gerade drei Tage länger dabei als Berti.«
»Aber immerhin länger. Ist Azuro auf der Koppel?«
»Ist er«, antwortete Benno. »Es war ein ganz schöner Kraftakt ihn dorthin zu bewegen. Wenn es so weitergeht, zerlegt er uns nochmal den Laden.«
»Damit rechne ich mittlerweile jeden Tag.«
»So, ich muss weitermachen.«
»Alles klar. Bis später.«
Kati und die TKKG-Bande verließen den Pferdestall. »Meine Güte«, entfuhr es Karl, »das ist ja mal ein ganz komischer Vertreter. Käme er als Verdächtiger infrage, Kati?«
»Kann ich nicht genau sagen«, meinte Kati. »Er ist manchmal etwas seltsam, aber gut, damit muss man leben. Wundern würde mich hier aber inzwischen nichts mehr.«
In diesem Moment kam ein etwa 18jähriger Junge auf sie zu. Er wirkte ebenfalls etwas erstaunt über die Anwesenheit der TKKG-Bande.
»Kati, wen hast du denn da mitgebracht?« wollte er wissen.
»Hallo, Berti. Das sind meine Freunde. Sie bleiben hier übers Wochenende. Tim, Karl, Klößchen und Gaby.«
»So, so.«
Kati wandte sich an TKKG. »Das ist unser zweiter Stallbursche, Robert Wepper, Berti genannt.«
»Kati, weißt du, wo wir die Mistforke hingetan haben?« erkundigte sich Berti jetzt.
»Die hat Benno«, antwortete Kati. »Er mistet den Stall aus.«
»Ist er damit bald durch?«
»Er ist gerade bei Azuro.«
»Azuro? Und wo ist der jetzt?«
»Der steht auf der Koppel.«
»Wunderbar. Genau da muss ich geich hin. Das kann ja heiter werden. Ich geh mal Benno fragen, ob der durch ist.« Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stapfte er davon.
»Der ist ja noch komischer«, fand Gaby.
»Ja, aus dem wird man nicht so ganz schlau. Benno ist eigentlich ganz korrekt, aber momentan nicht in bester Laune.«
»Hat das einen Grund?«
»Keine Ahnung, er redet jedenfalls nicht drüber.«
»Lauter undurchsichtige Gesellen hier«, stellte Tim nüchtern fest. »Die zu überprüfen, das kann lange dauern.«
»Wir haben noch alles hingekriegt«, erwiderte Karl. »Das hier schaffen wir auch.«

Bald gab es Abendessen, worauf sich insbesondere Klößchen freute. Dementsprechend übernahm er auch sogleich die Obergewalt über die Schinkenbrote.
»Schmatz' nicht so, Willi«, tadelte ihn Gaby.
»Sorry«, sagte Klößchen mit vollem Mund.
»Und, habt ihr alles gesehen?« erkundigte sich Herr Schulze.
Tim nickte. »Haben wir. Ihre Stallburschen kennen wir auch schon.«
»Ja, sie haben eine etwas seltsame Art teilweise. Ganz besonders Berti. Aber ich musste nach der Übernahme schnell jemanden auftreiben, der das auf die Schnelle übernehmen kann. Da kamen sie mir beide gerade recht.«
»Verstehen wir.«
»Wir haben beim letzten Mal ja schon festgestellt, dass es hier sehr schön ist«, bemerkte Gaby zwischen zwei Bissen.
»Ja, nur gehörte uns der Hof da ja noch nicht«, merkte Kati an.
In diesem Moment klingelte es an der Haustür.
»Nanu?« wunderte sich Katis Vater. »Wer kann das denn sein? Besuch erwarten wir jedenfalls keinen.« Er stand auf, verließ den Raum, öffnete die Haustür und kehrte wenig später mit einem Mann zurück.
»… wie Sie feststellen können, werter Herr, essen wir gerade«, sagte er zu diesem.
»Ich will Sie auch nicht lange stören, Herr Schulze«, erwiderte er. »Ich habe nur ein Angebot für Sie.« Er wandte sich an Kati und TKKG. »Hallo, Kinder. Mein Name ist Friedemann Böhm, ich bin auf der Suche nach einem Reiterhof, den ich aufkaufen kann. Ich halte diesen hier für den richtigen. Ich weiß, Herr Schulze hat ihn gerade erst gekauft, aber ich habe ein Angebot vorzulegen, das er nicht ablehnen kann.«
»Kann ich sehr wohl«, wandte Katis Vater ein.
»Sie kennen mein Angebot doch noch gar nicht. Sie hätten für Jahre ausgesorgt. Ich biete Ihnen 800.000 Euro für den Hof.«
TKKG und Kati staunten Bauklötze.
»So viel ist der Hof doch gar nicht wert«, meinte Herr Schulze.
»Wenn ich ihn aufgekauft habe, schon.«
»Daraus wird nichts, Herr Böhm. Wir wollen den Hof behalten, so, wie er ist. Es war ein wahnsinniger Glücksgriff, und den lassen wir nicht mehr los.«
»Wie steht es um Ihre Finanzen?«
»Uns geht es bestens. Wir haben das Haus verkauft, in dem wir vorher gewohnt haben. Wir haben das Geld aus der Lebensversicherung meiner verstorbenen Ehefrau. Und wir haben einen zusätzlichen Bankkredit aufgenommen. Die letzte Sorge, die wir haben, sind unsere Finanzen, Herr Böhm. Schlagen Sie sich das aus dem Kopf.«
Böhm seufzte. »Nun denn. Wenn Sie nicht wollen … ich hatte gehofft, wir könnten uns einig werden. Aber wenn Sie nicht mitspielen … tja. Einen schönen Abend noch. Bemühen Sie sich nicht, Herr Schulze, ich finde den Weg allein.«
Böhm machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Esszimmer. Kurz darauf fiel die Haustür hörbar zu.

Herr Schulze erledigte seinen Rundgang, um die Pferde im Stall zu füttern. Die TKKG-Freunde verstauten ihre Klamotten in den Zimmern, in denen sie in den nächsten zwei Tagen nächtigen würden; die Jungs in den Gästezimmern, Gaby in Katis Zimmer. Dort trafen sie sich anschließend, um Kriegsrat abzuhalten.
»Mann, hast du was an Broten gegessen, Willi«, fand Gaby.
»Ich hatte Hunger. Dafür kann ich nichts. Ich habe für heute noch zwei Tafeln Schokolade über, was mach' ich jetzt damit?«
»Bewahr' sie dir für heute Nacht auf«, meinte Tim.
»Was auch immer. Dieser Böhm ist jedenfalls ein komischer Kauz«, fand Karl. »Davon laufen hier zwar anscheinend viele herum, aber der Typ ist garantiert ein falscher Fuffziger.«
»Also haben wir Benno, Berti und Böhm«, zählte Tim auf. »Kati, gibt es hier sonst noch irgendwelche komischen Gestalten, von denen wir wissen sollten?«
»So gesehen eine ganze Menge.« Kati musste lachen, wurde aber sofort wieder ernst. »Einmal im Monat kommt dann noch der Tierarzt vorbei, Dr. Ewald Liebknecht. Einer der komischsten Leute, denen ich je begegnet bin. Leider auch der beste Tierarzt hier in der Gegend.«
»Und wer kommt hier sonst regelmäßig vorbei?« fragte Klößchen. »Einmal im Monat ist doch etwas selten. Wir wär's mit kürzeren Zeitabständen? Wie sieht's aus mit Reitern, die regelmäßig aufkreuzen? So Leute mit Pferdeverstand eben.«
»Naja«, begann Kati, »die Reiter kommen und gehen. Drei Mädels in unserem Alter sind dreimal die Woche da; Miriam Pauling, Birgit von Krainburg und Linda Morgenthau. Sie gehen auch den Stallburschen zur Hand.«
»Und könnte man die zum Kreis der Verdächtigen zählen?« fragte Tim.
»Ich für meinen Teil denke, sie sind über jeden Zweifel erhaben.«
»Ich wäre mal für eine systematische Vorgehensweise«, schaltete sich Gaby ein. »Wer könnte ein Interesse daran haben, euch zu schaden? Hätten beispielsweise die Stallburschen einen guten Grund dafür?«
»Ich wüsste keinen«, meinte Kati. »Wir haben ihnen schließlich Arbeit gegeben, und sie wirkten immer sehr zufrieden.«
»Hm, die schon mal nicht. Die drei Mädchen da also auch nicht? Habt ihr nie Ärger mit denen gehabt?«
»Nicht, dass ich wüsste. Sie haben sich einmal beschwert, dass sie vor lauter Arbeit nicht mehr zum Reiten kamen. Außerdem hätte ihnen der Pferdekot, den sie auf den Komposthaufen bringen sollten, eindeutig zu sehr gestunken.«
Karl lachte. »Pferdemädchen und ihre Sorgen.«
Tim überlegte weiter. »Die fallen also auch raus. Dann blieben noch Dr. Liebknecht und dieser Friedemann Böhm. Hätte ein hier arbeitender Tierarzt einen Grund für solche Manipulationen?«
»Ich denke, nicht.«
»Dann bliebe also nur noch Böhm. Er will den Hof kaufen. Ihm könnte daran liegen, dass es schlecht läuft. Also wird sich morgen als erstes um den gekümmert.«

Am nächsten Morgen machten sich die TKKG-Freunde und Kati mit dem Bus auf in das nahegelegene Dorf, wo Friedemann Böhm wohnte. Er hatte sein Haus am östlichen Rande der Ortschaft, in Richtung des ›Fasanenhofes‹, von der Ortsmitte aus zu Fuß erreichbar.
Sie postierten sich auf einer Sitzgelegenheit gegenüber dem Hause.
»Meint ihr, wir sollten mal klingeln?« fragte Karl.
»Ich weiß nicht, was das bringen soll«, gab Tim zurück. »Er kennt uns.«
»Nicht nötig! Seht mal!«
Friedemann Böhm trat aus dem Hause. Er warf einen Müllsack in die Mülltonne, die vor dem Grundstück stand.
Sogleich erblickte er die fünf Jugendlichen und kam auf sie zu. Unfreundlicher als gewollt fragte er sie: »Was macht ihr denn hier? Ausgerechnet hier?«
»Was sollten wir hier schon tun«, sagte Tim, »Die Bank ist ja wohl für alle da, oder nicht? Wir warten auf den Bus. Der kommt erst in einer halben Stunde.«
»Nun denn«, sagte Böhm. »Was ich gerne wüsste, ist, ob der ›Fasanenhof‹ wirklich nicht zum Verkauf steht.«
»Sie haben meinen Vater doch gehört«, erwiderte Kati.
»Deinen Vater?« Böhm stutzte. »Ach, dann bist du Kati Schulze? Weshalb lässt dein Vater nicht mit sich verhandeln?«
»Er wollte den Hof ums Verrecken haben. Und ich auch. Wir hatten Glück, dass der alte Besitzer verhindert war. Jetzt ist und bleibt es unser Hof.«
»Schade«, murmelte Böhm. »Wo ich ihn doch so gern hätte …«
»Es bleibt dabei«, beharrte Kati.
»Werter Herr Böhm«, schaltete sich Tim wieder ein, »was wissen Sie eigentlich von den Vorgängen, die derzeit um den Reiterhof und die Rennbahn vonstattengehen?«
»Davon spricht die ganze Umgebung. Warum?«
»Ach, nur so. Könnte ja sein, Sie hätten sich dafür interessiert. Wo es doch für Sie sehr praktisch wäre, wenn Herr Schulze aufgrund der Vorkommnisse in Schwierigkeiten käme, oder?«
Böhm stotterte. »Du … du meinst doch wohl nicht … also … also nein. So etwas würde ich niemals tun.«
Tim ließ nicht locker. »Können Sie beweisen, dass Sie damit nichts zu tun haben? Von den Leuten, die mit dem Hof in irgendeiner Weise in Kontakt stehen, sind Sie nämlich der Einzige mit einem Tatmotiv, Herr Böhm. Äh, uns kann es egal sein. Aber über kurz oder lang könnte sich die Polizei dafür interessieren. Es wäre besser, wenn Sie einen Beweis Ihrer Unschuld hätten.«
Böhm stieg die Zornesröte ins Gesicht. »Unverschämter Bengel!«
»Also?« forderte ihn Tim heraus.
»Ich war in den letzten paar Wochen nicht in der Gegend. Ich hatte keine einzige Gelegenheit mich auch nur in Sichtweite der Rennbahn aufzuhalten.«
»Ich hoffe, Sie können Beweise dafür aufbringen, sobald sie verlangt werden. Und das wird sehr bald der Fall sein. Also suchen Sie sie besser schon mal zusammen.«
Böhm wurde wieder böse. »Lümmel! Du solltest eins hinter die Löffel bekommen!«
»Ich warte. Aber ich warne Sie. Ich beherrsche diverse Kampfsportarten.«
Böhm machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, zum Teufel mit euch!« Er drehte sich um und marschierte wieder in Richtung seines Hauses.
»Mann, Tim«, sagte Kati, »das war echt 'ne Ansage.«

Die TKKG-Bande und Kati begaben sich zurück auf den ›Fasanenhof‹. Dort angekommen, fanden sie Katis Vater vor, der sich mit einem anderen Mann unterhielt.
»Die Sache wird immer mysteriöser«, sagte Herr Schulze gerade. »Wer macht das alles und wieso?«
»Ich weiß es auch nicht. Du hast vollkommen recht, Ludger, es ist seltsam, und dem muss bald ein Ende bereitet werden.«
Katis Vater erblickte soeben seine Tochter und die TKKG-Freunde, welche jetzt das Esszimmer betraten.
»Hi, Papa«, grüßte Kati, »hallo, Henry.«
»Da seid ihr ja wieder.«
»Hallöchen«, grüßte auch der Mann bei Schulze. »Du hast Freunde mitgebracht. Ludger hat mir schon davon erzählt. Kinder, ich bin Henry Vollert, ich bin der Verwalter hier. Ich kenne Katis Vater seit der Schulzeit. Du bist Tim, richtig? Du führst den Laden an. Ich habe erfahren, wie ihr letztes Mal den Fall um Heino Schnuller und seinen Versicherungsbetrug gelöst habt. Und jetzt wollt ihr wieder ran, ja?«
»Ganz recht«, antwortete Tim. »Ich bin Tim, das sind Karl, Willi und Gaby.«
»Mögen Sie Schokolade?« erkundigte sich Klößchen prompt.
Tim lachte. »Mensch, Willi. Sie müssen wissen, Herr Vollert, unser Freund ist etwas fleißig mit der Nahrungsaufnahme.«
Vollert lachte ebenfalls. »Das sieht man ihm so gar nicht an.«
»Seid ihr weitergekommen?« fragte jetzt Herr Schulze.
»Wie man's nimmt«, gab Karl zurück. »Wir waren bei diesem Friedemann Böhm. Er hat uns leider bemerkt. Tim hat ihn direkt interviewt.«
Tim übernahm das Wort. »Ja, Böhm sagt, er sei während der letzten Wochen, als es mit den Manipulationen auf der Rennbahn losging, nicht in der Gegend gewesen. Mit Beweisen konnte er uns bislang noch nicht dienen.«
Vollert wollte wissen, wer dieser Böhm sei. Katis Vater klärte ihn kurz auf.
»Ach so. Und was hat er geboten für deinen und Katis Lebenstraum?«
»Achthundert Riesen. Wirklich ein seltsamer Mensch.«
Vollert wandte sich an die TKKG-Bande. »Und ihr seid auch der Überzeugung, dass mit dem was nicht stimmt?«
»Absolut«, sagte Tim. »Er ist unser Hauptverdächtiger. Er ist momentan der Einzige, den wir finden können, mit einem Tatmotiv.«
»Hoffentlich löst ihr diesen Fall bald«, sagte Vollert. »Es hat ja beim letzten Mal auch geklappt, nicht wahr.«
»Das stimmt. Wobei uns wirklich langsam die Anhaltspunkte ausgehen.«
»Ich wünsche euch noch viel Erfolg. Ich muss jetzt leider weiter. War nett mit euch zu plaudern. Ludger, halt' die Ohren steif! Bis dann.« Henry Vollert erhob sich von seinem Stuhl und verließ umgehend den Raum.
Herr Schulze stand ebenfalls auf und ging in Richtung Tür. »Tja, dann, äh, noch viel Erfolg euch. Ich habe zu tun. Bis später.«
Weg war er.
»Er hat es auf einmal eilig …«, bemerkte Gaby. »Seltsam.«

Auf dem Reiterhof war jetzt etwas mehr los – wie es sich für einen der größten Reiterhöfe in der Gegend gehörte.
Miriam Pauling, eine der regelmäßigen Reiterinnen auf dem ›Fasanenhof‹, hatte soeben einen Mordsdurst. Sie ging zum Pferdestall. Sie wusste, dass in der hintersten Ecke eine Box leerstand, was sich Berti und Benno zunutze machten. Dort hatten sie eine Kiste mit Vorräten hingestellt, für den Notfall.
Miriam betrat die Box, welche laut Schild mal ein gewisser VIVALDI bewohnt hatte, und machte sich daran, sich auf die Schnelle zu bedienen.
Sie öffnete die Holzkiste, die zwischen dem Stroh stand.
Da hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie konnte sich nicht mehr umdrehen.
Plötzlich wurde sie von hinten gepackt. Miriam unterdrückte einen Schrei.
»Miriam Pauling! Was machst du hier, zur Hölle?!«
Miriam konnte sich jetzt umdrehen. Berti stand vor ihr.
»Berti! Ich wollte nur …«
Berti zerrte sie am Arm aus der Box hinaus und nach draußen. Dann schubste er sie leicht, aber merklich.
»Verdammt nochmal! Wer hat dir erlaubt an unsere Vorräte zu gehen?!«
»Benno sagt, das ginge okay.«
»So, so! Benno sagt das! Und was der sagt, ist Gesetz, oder was?! Jetzt hör' mal zu, unverschämte Göre! Kann sein, dass du dir bei Benno alles erlauben kannst. Aber bei mir kommst du mit dieser Tour nicht durch!«
»Was für eine Tour? Ich habe mich doch bloß bei euren Vorräten bedient?«
»Eben, es sind unsere Vorräte!«
»Aber …«
»Kein Aber! Wie gesagt. Kann sein, dass du dabeigehen darfst, wenn Benno die Aufsicht hat. Aber Benno ist heute nicht da, und solange ich hier die Aufsicht führe, bestimme ich, und nur ich allein, wer sich hier wo bedienen darf! Ist das klar?!«
»Ist klar. Kann ich jetzt weitermachen?«
»Beweg dich. Am besten in den Pferdestall. Der sieht aus wie ein Saustall.«
»Pack ein paar Schweine rein, dann ist es einer«, wagte Miriam einen Witz.
»Komm mir nicht mit solchen Sprüchen, verstanden?« herrschte Berti sie an.
»Jawohl, Herr General.« Miriam hatte das Problem, dass sie manchmal ein lockeres Mundwerk hatte – selbst wenn ihr Gegenüber drohte, ihr den Kopf abzureißen.
Berti ließ Miriam stehen und ging.

Die TKKG-Bande und Kati hatten die letzten Takte dieses Gesprächs mit angehört und sahen jetzt, wie Berti von dannen stapfte.
Kati erklärte den TKKG-Freunden kurz, dass das Mädchen die angesprochene, regelmäßig erscheinende Miriam Pauling war, und winkte diese zu sich.
»Was gibt’s?« wollte Miriam wissen.
»Was ist denn mit Berti los?« wollte Kati wissen.
»Keine Ahnung. Ich habe noch nie erlebt, dass er sich so aufführt, auch wenn er chronisch schlechtgelaunt ist.«
»Deshalb frage ich.«
»Stimmt denn was nicht?«
»Da sind wir uns nicht sicher«, übernahm Tim das Wort.
Miriam registrierte jetzt erst, dass Kati nicht allein war, und blickte in die Runde. »Sag mal, Kati, ist das die Bande, von der du erzählt hast? Irgendwas mit KGB oder so?«
Karl musste lachen. »Fast richtig. TKKG.«
»Und ihr ermittelt, was hier alles nicht stimmt?«
»Genau das«, bestätigte Tim.
»Da habt ihr aber eine Menge zu tun.«
»Was ist denn eben passiert?«
In knappen Worten erzählte Miriam, was eben in Vivaldis Box vorgefallen war. »… ja, und dann fing er an richtig herumzubrüllen. Daraus ergab sich das, was ihr wahrscheinlich gerade mit angehört habt.«
»Was hat denn Berti mit dieser Kiste?« erkundigte sich jetzt Karl.
»Weiß ich auch nicht. Von Benno aus durften wir jedenfalls immer dabeigehen.«
»Wir hatten ja«, fing Tim an, »schon seit unserer Ankunft den Verdacht, dass insbesondere mit Berti irgendwas nicht stimmt. Ob er jetzt genau mit diesen Sachen zu tun hat, kann ich natürlich nicht sagen, aber irgendwas ist da verkehrt. Und wir finden das am besten selber raus, wenn wir einfach mal gucken, was so in der Kiste drin ist.«
» Wenn ich da nochmal reingehe, dreht er mir den Hals um«, wandte Miriam ein.
»Wenn er das versucht, kriegt er eins auf die Zwölf«, versicherte Tim. »Es könnte in deinem Interesse sein zu wissen, was sich in der Kiste befindet. Einen solchen Aufstand macht Berti nicht einfach so.«
»Okay. Ich kann ja Schmiere stehen und so tun, als würde sich saubermachen. Wobei, das kann ich auch wirklich, ich muss es ja eh noch machen.«
Sie gingen wieder in den Pferdestall, zur Box, die dank der Ermittlungen der TKKG-Bande im letzten Falle leer stand. Ein anderer Hofbesitzer hatte Vivaldi hinterher gekauft.
Klößchen fiel auf, dass das Stroh plattgetreten war; zu platt, als dass es nur von der Vorratskiste, von Miriam, von Benno oder von Berti kommen könnte.
Tim öffnete die Holzkiste.
Stilles Wasser, Cola, ein bisschen was zum Naschen …
Tim wühlte weiter darin herum.
Und tatsächlich: Er fand eine Flasche, die er noch nie gesehen hatte, mit einer seltsam aussehenden Flüssigkeit. Karl, Klößchen, Gaby und Kati kannten das ebenfalls nicht.
»Miriam? Kommst du mal bitte?«
Miriam legte die Arbeit nieder schaute sich kurz um und betrat die Box. »Habt ihr was gefunden?« fragte sie.
»Allerdings.« Tim hielt die seltsame Flüssigkeit hoch. »So was schon mal gesehen?«
Miriam nahm die Flasche und betrachtete sie genauer. »Ja, doch«, sagte sie nach kurzem Überlegen, »das Zeug kenne ich. Eine Art Beruhigungsmittel für Pferde.«

Kurze Zeit später fand in Katis Zimmer die nächste Lagebesprechung statt. Tim hatte der Unauffälligkeit halber die Flasche wieder in die Kiste gelegt.
»Die Flasche ist ein wichtiger Anhaltspunkt«, sagte Gaby. »Dieses Mittel muss der Täter den Pferden verabreicht haben, um sie zu beruhigen. Das erklärt, wieso die Pferde jedes Mal beim Pferderennen auf halbem Wege schlappmachen.«
»Es ist ein Indiz, aber kein Beweis«, wandte Karl ein. »Man müsste den Pferdestall überwachen. Aber uns kennt ja jeder. Und falls Berti der Täter ist, pfeift er ohnehin jeden zusammen, der sich der Kiste auch nur nähert.«
»Richtig«, stimmte ihm Kati zu, »aber jetzt gibt es immerhin einen neuen Hauptverdächtigen, nämlich Berti. Benno lässt jeden einfach an die Kiste heran. Vermutlich hat er gar keine Ahnung, was es damit auf sich hat.«
»Jedenfalls richtet er großen Schaden an«, sagte Klößchen. »Wäre das nicht eigentlich bald mal ein Fall für die Polizei?«
»Eigentlich ja, aber es fehlen uns die Beweise«, erwiderte Gaby. »Außerdem wissen wir gerade nicht, an wen wir uns wenden sollen.«
»Den Dorfsheriff könnte ihr jedenfalls vergessen«, sagte Kati. »Der fährt hier nur herum, würde aber lieber angeln gehen.«
»Dann bleibt uns nicht viel. Mein Papi hat alle Hände voll zu tun auf dem derzeitigen Gipfeltreffen der ranghöchsten Polizeibeamten Europas. Wespe hat sich schon wieder verkrümelt. Ettel ist ebenfalls beschäftigt. Sadić ist auf Verwandtenbesuch in Serbien. Wo ist hier überhaupt die nächste Polizeidienststelle?«
»Die nächste Dienststelle ist in Bad Finkenstein«, antwortete Kati.
»So weit?« Klößchen überlegte. »Bad Finkenstein ist mindestens dreißig Kilometer von hier entfernt. Und dort ist die Polizei zu beschäftigt. Ihr wisst ja, die müssen dauernd irgendwelche Aliens jagen.«
»Das nicht«, sagte Tim lachend, »aber es stimmt, dass da momentan die Hölle los ist. Eine Serie von Einbrüchen, auch am helllichten Tage. Die haben genug zu tun.«
»Also müssen wir wieder mal alles selber in die Hand nehmen.« Klößchen seufzte. »Als Detektiv hat man auch echt keine Ruhe.«
»Heute Nachmittag findet ein Pferderennen auf der Rennbahn statt«, sagte Kati. »Aber ich würde ja viel lieber endlich mal ausreiten.«
Karl putzte seine Nickelbrille. »Ich sag ja, Pferdemädchen und ihre Sorgen …«
»Kein Problem«, sagte Tim. »Ihr beide könnt ja ausreiten. Karl, Willi und ich sehen uns das Rennen an. Vielleicht kriegen wir was raus.«
Dem Plan wurde allgemein zugestimmt.

Eine Stunde später saßen Karl, Klößchen, Herr Schulze und Tim auf einem Logenplatz der Pferderennbahn. Auch Azuro nahm an diesem Rennen teil. Es war nicht einfach gewesen, ihn dorthin zu bewegen, aber es war letztendlich gelungen.
»Pizarro liegt vorne!« scholl es aus dem Lautsprecher. »Als zweites Woad Raider! Und auf ihn folgt direkt Azuro! Er war ja immer als Favorit gehandelt, doch in letzter Zeit machte er ja öfter schlapp, wie Sie wissen! Es bleibt also wieder einmal spannend!«
Bis jetzt war alles normal, worüber sich die Anwesenden ehrlich wunderten.
»Azuro mogelt sich gekonnt an Woad Raider vorbei! Eine echte Überraschung, dass er so lange durchhält! Das Rennen ist gleich vorbei! Wird Azuro vielleicht doch noch gewinnen?«
»Eigentlich müsste er spätestens jetzt den Geist aufgeben«, meinte Katis Vater.
»Tut er aber nicht!« Tim war jetzt etwas aufgeregt. »Sehen Sie mal! Ich glaube, er schafft es!«
»Azuro ist jetzt an Pizarro dran!« rief auch der Ansager in die gespannte Menge hinein. »Noch vierzig Meter bis zur Zielgeraden! Wird er es schaffen? Er mogelt sich vorbei, und … jaaa! Er schafft es! Azuro ist Sieger!«
Die Leute applaudierten lautstark.
»Wahnsinn«, entfuhr es Herrn Schulze. »Aber es tut gut. So kann er vielleicht mal als Turnierpferd eingesetzt werden.«
Tim äußerte einen Verdacht. »Ich glaube, das liegt daran, dass unser Hauptverdächtiger dieses Mal keine Gelegenheit hatte das Rennen zu sabotieren. Weil wir ihm auf die Schliche gekommen sind. Und er weiß das.«
»Hauptverdächtiger?« wiederholte Schulze. »Du meinst Böhm?«
»Vielleicht. Aber wahrscheinlicher ist etwas anderes. Wir haben Beruhigungsmittel auf Ihrem Hof gefunden, Herr Schulze. Und uns ist aufgefallen, mit welcher Hingabe Berti darauf achtet, dass niemand auch nur in die Nähe des Verstecks kommt. Mit sehr großer Wahrscheinlich hat er damit zu tun.«
»Jetzt müssen wir nur noch Beweise auftreiben.«, sagte Karl. »Und herausfinden, welches Motiv Berti hat, falls er es war, wovon wir nach dem derzeitigen Stande ausgehen müssen.«
»Das hätte ich nicht gedacht«, sagte Schulze.
In diesem Moment kam ein hochgewachsener Mann Mitte vierzig auf die vier zu und sprach Herrn Schulze an: »Entschuldigen Sie. Sind Sie Herr Ludger Schulze?«
»Ja, der bin ich.«
»Richard Feldmann, Bundeskriminalamt. Wir hatten gestern telefoniert, Sie erinnern sich?«
»Ach ja, Sie sind das.«
»Ich war vielleicht etwas zu ruppig, aber ich muss jeder Spur nachgehen, Sie verstehen.«
Schulze nickte. »Sicher.
Schulze: Das hätte ich nicht gedacht. Auch wenn Sie wirklich etwas ruppig waren.«
»Worum geht es hier?« wollte Tim wissen.
Jetzt erst achtete Feldmann auf die drei Jungen. »Wer seid ihr denn?«
»Ich bin Peter Carsten, das sind Karl Vierstein und Willi Sauerlich. Wir sind Bekannte der Schulzes.«
»Ah ja. Ich hatte Herrn Schulze gestern telefonisch verständigt, dass wir vom BKA den Verdacht haben, dass sich in gesuchter Verbrecher auf dem Reiterhof ›Fasanenhof‹ versteckt oder versteckt gehabten wird. Ihr wisst nicht zufällig etwas davon?«
»Nein«, antwortete Tim verdutzt, »was sollten wir davon wissen? Uns ist nichts aufgefallen. Um wen soll es sich denn handeln?«
»Um einen gewissen Claudio Flammer. Er ist dreiunddreißig Jahre alt und vor zwei Jahren wegen Spionageverdachts angeklagt worden. Kürzlich ist er aus der JVA Sassvest ausgebrochen, die ja nicht weit von hier ist.«
»Wir haben nichts bemerkt, wie gesagt.«
»Es bestehen Verdachtsmomente. Zeugen haben ausgesagt, sie hätten ihn dort in der Nähe herumschleichen sehen.«
Jetzt meldete sich Schulze wieder zu Wort. »Also nein. Davon ist mir nichts bekannt. In Ihrem Anruf klangen sie nur, als hätten Sie mich im Verdacht diesem Flammer Unterschlupf zu gewähren. Was absolut hanebüchen ist.«
Tim, Karl und Klößchen warfen sich Blicke zu. Alle drei hatten verstanden. Das war der Grund, warum Schulze so nervös gewesen war. Er stand unter einem völlig absurden Verdacht, von dem er sich nicht hatte freisprechen können.
»Sie müssen dies entschuldigen. Wir mussten nun einmal jeder Spur nachgehen. Und dass Sie damit nichts zu tun haben, können wir schließlich nicht riechen.«

Gaby und Kati waren seit fast einer Stunde unterwegs. Gaby hatte sich die zum Reiten nötige Montur von Kati ausleihen können. Sie hatten die Gegend einmal ganz umrundet und waren jetzt auf dem Rückwege.
Da erblickten sie ein Auto, das mitten in dieser verlassen Landschaft am Wegesrande parkte.
»Hey, das ist ja Henrys Wagen«, bemerkte Kati.
»Was macht Henry denn hier draußen?« wunderte sich Gaby.
»Keine Ahnung. Er fährt öfter solche Strecken, um in der Gegend nach dem Rechten zu schauen. So, wie das Auto hier steht, muss er aus Richtung des ›Fasanenhofs‹ gekommen sein.«
»Zu sehen ist er jedenfalls nirgends.«
»Dann macht er wahrscheinlich Pinkelpause oder so.«
Gaby schaute ins Innere das Wagens. Da fiel ihr etwas auf …
»Kati?«
»Ja?«
»Die Flasche, die da auf dem Rücksitz liegt – ist das nicht dieses Beruhigungsmittel, das wir im Pferdestall gefunden haben?«
»Bist du dir da sicher?« Kati stieg ab und ging zum Wagen, um genauer hinzusehen. »Tatsache. Er hat es dabei. Aber … nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Mein Vater und er, sie kennen sich seit dreißig Jahren.«
»Das heißt nicht, dass er es nicht gewesen sein kann.«
»Das glaube ich jetzt nicht. Wir sollten den Jungs Bescheid geben. Dafür müssen wir allerdings zurück. Handys haben hier kein Netz.«
»Dann sollten wir uns beeilen.«
»Es ist ja nicht mehr weit.«

Währenddessen standen Karl, Klößchen, Tim und Herr Schulze auf dem Parkplatz vor der Rennbahn. Herr Schulze wollte soeben in seinen Wagen einsteigen, da bemerkte Tim eine dunkle Gestalt.
»Seht ihr den da?«
»Klar.«
»Sieht er nicht so aus wie der Herumlungerer, den Kati uns beschrieben hat? Den sie gestern auf dem Hof gesehen hat?«
Klößchen sah sich den Typ sich genauer an. »Schwarzgekleidet, schwarze Mütze. Könnte glatt hinkommen.«
Tim ging auf die Gestalt zu.
Der Dunkle bemerkte Tim sofort. Er sah auch Klößchen, Karl und vermutlich auch Herrn Schulze, der in seinen Wagen einstieg.
Sofort nahm er Reißaus.
»Hinterher!« rief Tim seinen Freunden zu.
Alle drei liefen los. Sie folgten der Gestalt über den gesamten, nicht gerade kleinen Parkplatz, bis hin zum Eingang der Katakomben.
Dort sollte er nicht mehr herauskommen.
Klößchen war völlig außer Atem.
Die dunkle Gestalt lief quer durch die Katakomben, bis zum Ausgang auf die Rennbahn. Doch das Gitter war bereits geschlossen. Er saß in der Falle.
Schon waren Tim, Karl und Willi da.
»Haut ab!« rief ihnen die Gestalt zu.
»Wer bist du?« wollte Tim wissen. »Nimmt die Mütze ab!«
Die Gestalt musste wohl ober übel gehorchen. Den männlichen drei Vierteln der TKKG-Bande fiel fast die Kinnlade herunter.
Es war Benno.

Gaby und Kati erreichten den ›Fasanenhof‹ und brachten umgehend ihre Pferde in die dafür vorgesehenen Boxen im Pferdestall.
Gabys Pferd schnaubte.
»›Black Ferry‹ scheint mit mir ja ausgesprochen zufrieden zu sein«, bemerkte Gaby.
»Ach, das macht ›Queen of the East‹ auch. Und das war doch gar nicht so schlecht. Du reitest nicht sehr oft, wie?«
»Leider nein.« Gaby lachte. »In unserem Stall zu Hause steht nur Papis BMW. Hat nun mal ein paar PS mehr.«
Kati lachte mit. »Ja, aber dafür reagiert er nicht auf ›hü‹ und ›hott‹.«
»Braucht die schwarze Fee noch was zu fressen?« erkundigte sich Gaby.
Kati warf einen kurzen Blick in den Futtertrog. »Nein, das reicht erst mal.«
Plötzlich vernahmen sie Schritte.
»Hm? Ist da jemand?« Gaby drehte sich um in die Richtung, aus der die Schritte kamen.
Auf einmal stand ein fremder Mann die der Tür. Er hatte einen Revolver. »Hände hoch!«
Gaby und Kati erstarrten. Dann hoben Sie langsam die Hände.
»Wer sind Sie?« fragte Gaby halbherzig.
»Das kann euch egal sein! Los, mitkommen!«
»Was haben Sie mit uns vor?«
»Keine Bange, nicht viel. Los! Bewegt euch! Wird's bald!«
Hilflos gingen Gaby und Kati voraus. Sie gingen ein Stück, bis zum Wegesrand, wo ein Wagen parkte.
»Setzt euch da rein!« befahl der Mann.
Gaby und Kati gehorchten.
Als sie beide wenig später auf der Rückbank saßen, beeilte sich der Mann, vorne einzusteigen und loszufahren. Er gab Vollgas. Als die Landstraße kam, bog er links ab.
Der Mann fuhr recht schnell, verschätzte sich aber schon kurze Zeit später mit einer Kurve, bremste scharf und stand mitten im Tümpel.
Er versuchte Gas zu geben. Doch es gelang nicht. Der Wagen saß fest.
»Verflucht!« schrie er. Dann drehte er sich nach Gaby und Kati um. »Steigt aus! Ich denke, wir laufen noch ein Stück!«

Herr Schulze lenkte seinen Wagen durch die Nebenstraßen der kleinen Ortschaft, während Klößchen vorne saß. Tim, Karl und Benno hatten auf dem Rücksitz Platz genommen. Benno saß in der Mitte.
»Also, Benno«, wandte sich Tim an den Jungen, den sie soeben dingfest gemacht hatten. »Was sollten diese Manipulationen auf der Rennbahn? Und woher hast du das Beruhigungsmittel?«
»Ich sage gar nichts ohne meinen Anwalt«, gab Benno trotzig zurück.
»Wer ist dein Auftraggeber? Du hast bestimmt einen. Allein ziehst du so ein Ding nicht durch. Das sieht dir nicht ähnlich. Berti sähe es ähnlich. Willst du den mit reinziehen? Oder ist er etwa dein Komplice?«
»Nein, Berti weiß von nichts.«
»Du hast aber bestimmt einen. Von allein kommst du auf so etwas nicht.«
»Es war ein anonymer Auftraggeber. Hat immer angerufen.«
»Friedemann Böhm?«
»Nein, nicht der Böhm.«
»Also weißt du, wer es war.«
»Keine Ahnung, ich hab' die Stimme nicht erkannt. Aber Böhm war's nicht.«
»Du lügst! Du kennst den Kerl!«
»Ich will meinen Anwalt sprechen.«
»So, so. Feige bist du also auch noch. Genau deshalb kaufe ich dir den Müll nicht ab. Jede Wette, du hast überhaupt keinen Anwalt.«
»Doch, ich habe einen. Und der boxt mich da raus.«
»Aha, du hast mit der Sache also schon mal zu tun. Dessen können wir uns also schon mal sicher sein.«
»Also gut.« Benno seufzte. »Es war Henry Vollert.«
»Henry?« wiederholte Katis Vater. »Aber das kann doch nicht sein. Den kenne ich seit ewigen Zeiten.«
»Er wollte den Hof für sich haben. Und er hat mir für meine Aktionen ein großartiges Taschengeld gezahlt.«
Plötzlich ging Schulze in die Eisen. Die Reifen quietschten.
Am Straßenrand sahen sie Gaby und Kati. Ein Mann, den sie nicht kannten, war bei ihnen. Er war bewaffnet.
»Was machen wir denn jetzt?!«
Auf einmal heulten Polizeisirenen auf. Überall. Von hinten kam ein schwarzer Van mit Blaulicht und einigen Polizeiautos im Schlepptau an. Auch von vorne kamen Polizeiautos.
»Mann, sind das viele!« Klößchen staunte nicht schlecht. »Das sieht man hier auf dem platten Land gar nicht.«
Schulze, Tim, Karl, Klößchen und Benno stiegen aus. Die Polizisten ebenfalls.
Aus dem dunklen Van heraus sprang ein ihnen wohlbekannter Beamter.
»Feldmann, Bundeskriminalamt! Geben Sie auf, Flammer! Sie können doch nichts mehr retten!«
»Hauen Sie ab!« rief Flammer. »Ich warne Sie!«
»Flammer! Dadurch machen Sie alles nur noch schlimmer!«
»Nichts mache ich schlimmer! Sie ziehen jetzt Ihre Leute ab! Schulze! Wenn Sie Ihre Tochter lebend wiedersehen wollen, geben Sie mir Ihren Wagen!«
Schulze entfernte sich von seinem Auto. »Nehmen Sie ihn!«
»Na also! Ihr beide!« Er deutete mit seinem Revolver auf Kati und Gaby. »Rein da!«
Doch er machte die Rechnung ohne Tim, der zufällig direkt neben ihm stand. Kurzerhand holte Tim mit dem rechten Bein aus und verpasste Flammer einen kräftigen Tritt in die Nierengegend. Flammer krümmte sich vor Schmerzen über diese volle Breitseite.
Feldmanns Kollegen – Beamte aus Bad Finkenstein, die doch Zeit gefunden hatten – nahmen Flammer umgehend fest.

Kurze Zeit später trafen die Polizisten auf dem ›Fasanenhof‹ ein. Ein Beamter ging mit der TKKG-Bande, Kati und ihrem Vater in das geräumige Esszimmer, wo sie Henry Vollert vorfanden.
»Hallo, Ludger«, grüßte Vollert. »Und? Habt ihr schon einen Täter ermittelt, Kinder?
»Spiel' nicht den Unschuldsengel«, sagte Katis Vater. »Wir haben Bennos Geständnis.«
»Wie bitte?«
»Tun Sie nicht so, Herr Vollert«, sagte Tim.
Vollert seufzte. »Also schön. Ich kann es ja sowieso nicht mehr abstreiten. Kati, Gaby, ich habe euch gesehen, als ihr die Flasche gefunden habt. Ja, Ludger, ich bin für die Sabotage verantwortlich, die hier auf dem Hof und auf der Rennbahn geschehen sind. Ich hatte damals, als du den Hof gekauft hast, von allem erfahren und wollte den Hof auch haben. Ich wollte der Sache solange schaden, bis du den Hof abgetreten hättest. Ich hätte Friedemann Böhm den Hof nämlich für viel mehr Geld abgekauft.«
»Aber woher hattest du soviel Geld?« wollte Herr Schulze wissen.
»Die Sabotage hatte den Nebeneffekt, dass ich immer auf gegnerische Pferde gewettet habe, und zwar hohe Summen. Von Pferdewetten hatte ich aber vorher schon genug Ahnung. Ich wäre auch so drangekommen. Aber hier bot es sich an. Ich wusste ja, welche Pferde gewinnen würden. Benno habe ich für seine Mithilfe entlohnt.«
»Nur Benno? Berti nicht?« vergewisserte sich Kati.
»Nein, der hat damit nichts zu tun.«
»Welchen Anteil hat Böhm an der Sabotage?« fragte Tim.
»Keinen. Er wusste nicht mal, dass es mich gibt. Er wollte den Hof von sich aus kaufen, für ein Schweinemoos. Und ich hätte ihm später mindestens eine Million angeboten.«
»Aber von diesem Flammer wussten Sie nichts?« fragte Gaby
Vollert runzelte dir Stirn. »Wer ist Flammer?«
»Okay, Sie wissen nichts. Er hat sich nämlich hier auf dem Hof versteckt.«
»Das ist der Grund, warum Azuro so aggressiv wurde«, sagte Karl. »Er hat sich im Pferdestall eingenistet und kam nicht mit allen Pferden klar.«
»Das erklärt auch, warum in Vivaldis alter Box, die ja jetzt leer steht, das Stroh so plattgetreten ist«, schlussfolgerte Klößchen.
»Ich bin zutiefst enttäuscht von dir, Henry. Nach dreißig Jahren so eine Sauerei zu veranstalten … also nein, das geht mir nicht in den Kopf. Sie können ihn abführen, Herr Polizeimeister.«
Der Polizeibeamte führte Vollert unverzüglich ab.
Als beide durch die Tür waren, sagte Kati: »Wenigstens ist der Fall gelöst. Und ohne euer Aufkreuzen wäre es wahrscheinlich ungelöst geblieben, bis wir den ›Fasanenhof‹ nicht mehr hätten halten können.«
»Dann hätte Vollert gehabt, was er wollte«, bestätigte Karl.
»Ich könnte jetzt eine Tafel Schokoladen vertragen«, bemerkte Klößchen.
»Ich was ganz anderes«, sagte Kati. »Und jetzt stöhnt nicht schon wieder, Jungs. Gaby, wie sieht's aus? Noch ein Ausritt?«


– ENDE –


_______________
nach einem Klappentext von OCS, www.tkkg-bande.de
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