Ich liebe jemanden, den du nicht liebst
von Zioone
Kurzbeschreibung
Ren öffnete seine Augen und befand sich wieder in der Wirklichkeit. In der harten Realität. Es war dunkel. Nur ein blinkender Schein beleuchtete im Intervall das Zimmer kurzzeitig. Es war sein klingeln-des Smartphone auf dem Couchtisch, welches diesen leicht nervigen Ton von sich gab, vibrierte und blinkte als würde es gleich krepieren.
GeschichteLiebesgeschichte / P18 / Gen
Kyoko Mogami
Ren Tsuruga
09.07.2017
31.07.2018
6
32.837
3
31.07.2018
5.734
Kyoko hielt frustriert eine Tageszeitung in der Hand und las den großen Zeitungsaufhänger des Tages: Ist der beliebte Starschauspieler Ren Tsuruga vergeben? Am liebsten hätte sie dieses Pamphlet zerrissen und ihn bis auf ihre einzelne Moleküle-Teile zerlegt! Den Verlag am besten gleich mit! Aber das schien ihr nach kurzer Überlegung doch ein unmögliches Unterfangen zu sein.
Seufzend richtete sie ihren Blick nach draußen. Es war ein herrlicher Sonntagnachmittag. Ein Tag nach der großen Party vom LME-Präsidenten. Ein bisschen zu helles und sonniges Wetter, wenn es nach Kyoko ginge. Die ganze Feier war eine Katastrophe gewesen und nicht mal das Wetter war auf ihrer Seite und lachte sie aus! Es stimmte sie nur noch deprimierter, als sie ohnehin war. Bis eben hatte sie noch gehofft, dass das Fehlen des Topstars gar nicht aufgefallen war. Aber da hatte sie wohl die Rechnung ohne die Klatschpresse gemacht gehabt: Es war aufgefallen. Und wie! Als gebe es nichts mehr Wichtigeres in Japan! Es war alles zum Verzweifeln. Ihre Gefühle sortieren, war nun eine unmögliche Aufgabe. Woran konnte sie noch glauben? Und wie konnte das nur geschehen?
Der Tag hatte so gut angefangen. Frühs wurden die Gäste vom Hotel mit Bussen zurückgebracht. Zum Mittag hatte Kyoko einen Anruf von Sawara-san bekommen. Der wollte noch etwas mit ihr besprechen wegen ihrem übermorgen stattfindendem Interview, daher war sie Richtung LME-Hauptgebäude unterwegs. Doch dann sah sie die ganzen Zeitungen mit ihr und Ren und blieb unverhofft stehen. Platz um sich Gedanken über Ren und sie zu machen war da keine! Bis jetzt. Denn überall an den Ständen an denen Zeitungen verkauft wurden, war entweder nur ein Bild von Tsuruga-san oder Kyoko zu sehen. Wahlweise auch eines der wenigen Fotos, auf denen beide zu sehen sind. Wieso war das so aus dem Ruder gelaufen?
Kyoko schlug die passende Seite des Zeitungsartikels auf, eine ihrer Geister sagte, dass sie wissen sollte, was für ein Mist die Presse schreibt. Darunter befand sich ein Bild, auf welchem Ren und sie zu der Dark Moon Feier zu sehen waren. Frustriert fing sie an, den ersten Teil des Artikels zu lesen:
Insider berichten, dass Tsuruga-san und Kyoko-san sich schon während der Dreharbeiten von Dark Moon sehr nahe waren.
Natürlich ein nicht namentlich genannter „Insider“. Das war sicher einer dieser Tratschweiber, die jeden netten Blick von Tsuruga-san als Bettgeschichte verkaufen möchte! Pah, wir waren aber schon Bekannte vor den Dreharbeiten von Dark Moon. Was für Aasgeier.
Tsuruga-san selbst äußerte sich bisher dazu noch nicht. Auf Anfrage an seine Agentur LME hieß es bis jetzt nur ›Kein Kommentar‹. Ist dies ein versteckter Hinweis? Alle anderen Gerüchte dieser Art mit Frauen wurden sonst immer von seiner Agentur vehement abgestritten. Oder hat Tsuruga-san die Abteilung ›Love-Me‹ in der Kyoko-san ist, zu wörtlich genommen? […] Wenn er wirklich mit der Newcomerin Kyoko-san intim wurde, wäre dies, da sie noch minderjährig ist, sexuelle Nötigung […]
Kyoko konnte es kaum glauben, was sie da las. Sie war mehr angewidert von dem was auf dem Text vor ihr stand. Jetzt machten die sich auch noch lustig über Tsuruga-san und unterstelltem ihm doch allen Ernstes ein Verbrecher zu sein! Zu allem Überfluss auch noch wegen ihr! Das konnte doch alles nicht wahr sein. Wieso musste sie nur mit auf sein Zimmer gehen?
Nervös und verzweifelt las sie den Text weiter:
[…] Oder ist dies ein geschickter PR-Coup für die Dark Moon DVD-Verkäufe welche demnächst in den Handel kommen? Wer würde nicht gerne eine Liebesszene zwischen Mio und Kazuki sehen?
Waaaaaaaaas? Das kann doch alles nicht denen ihr Ernst sein!?
Entmutigt schaute sie wie hypnotisiert auf die Zeitschrift, erst spät merkte sie, dass ihr Smartphone vibrierte. Dies tat es allerdings schon den ganzen Tag. Mit keiner großen Erwartung schaute sie auf das Display, doch zu ihrer Überraschung war es ihre Freundin Moko-san. Wenigstens etwas Positives an diesem Tag!
„Na Berühmtheit, du bist gerade in jeder Zeitung!“
„Danke, aber das ist zurzeit nicht zu übersehen.“ Schnell stellte sich eine Ernüchterung bei Kyoko ein. Sie hatte gehofft, dass ihre Freundin sie wenigstens auf positive Gedanken bringen könnte.
„Alles was ich hören will, ist, dass er nichts getan hat, was du nicht wolltest.“
Kyoko schüttelte den Kopf, auch wenn es Kanae nicht sehen konnte, da die beiden telefonierten. „Nein, das hat er nicht.“ Das kurzhaarige Mädchen legte die zuvor gegriffene Zeitung zurück in den Auswahlstapel und verließ das Geschäft zügig.
„Die machen sich lustig über ihn! Sollen die sich über mich lustig machen aber nicht über ihn!“ Mittlerweile war sie doch ganz froh, dass Kanae angerufen hatte, so konnte sie wenigstens ein bisschen Frust loswerden.
„Sieh’ es mal positiv. Wenn er die Frauen wechseln würde wie seine Unterwäsche, wäre das kaum so ein großes Thema.“
Yashiro musste sich an diesem Tag besonders anstrengen, um mit Rens schnellen Schritten mitzuhalten. Nachdem es am vorherigen Abend zu keinem weiteren Gespräch zwischen den beiden erwachsenen Männern gab, entstand diesmal eine seltsame Stimmung. „Heute haben wir zum Glück nur einen Fotoshooting Termin. Nach der Party gestern muss es ja auch mal ein entspannter Arbeitstag sein.“
„Ja.“
Ren war heute sehr wortkarg, aber das war auch bei dem Medienrummel zurzeit nicht anders zu erwarten. Yashiro hätte ihn gerne gefragt, was wirklich vorgefallen war. War nur die Fantasie von ihm und dem Boss durchgebrannt oder gab es wirklich Fortschritte bei ihm und Kyoko. Allerdings verströmte Ren heute alles andere als gute Laune! Dies machte sich auch bei anderen Leuten bemerkbar, denn bis jetzt traute sich noch niemand, Ren auf die Gerüchte anzusprechen.
Was sollte Yashiro nur tun? Irgendwie musste er doch Ren darauf ansprechen!
„Hast du Hunger? Soll ich dir …“
„Nein.“, unterbrach Ren seinen Manager abrupt. Auf Yashiros Fragerei hatte er jetzt absolut keine Lust! Es war alles sowieso schon verrückt genug! Hatte er sich das gestern nur im Hotelzimmer eingebildet? Wenn nein, warum hatte er das Gefühl, dass er genauso weit mit Mogami-san war wie am Anfang?
Eine unheimliche Stille trat zwischen den beiden hervor, die Ren, so gedanklich versunken er war, gar nicht mitbekam. Erst als er einen kurzen Gedanken bei seiner Arbeit war, nahm Ren auch wieder seinen grübelnden Manager klar und deutlich wahr. Ihm wurde nun bewusst, dass er um ein Gespräch mit seinem guten Freund nicht Drumherum kam.
„Na frag schon.“
Yashiro musste sich verhört haben! Hat Ren ihm wirklich gerade angeboten, wegen des Vorabends fragen zustellen? Das musste ein Traum sein! Er war so begeistert und voller Vorfreude, dass er in seinen blinkenden und funkelnden Fan-Modus wechselte und gute Laune versprühte: „Darf ich wirklich?“
„Nein.“
„EH!?“, seine Vorfreude nahm ein jähes Ende.
„Aber bevor du noch weiter darüber nachdenkst und deine Fantasie sich sonst was zusammen spinnt, sage ich dir gleich, dass alles im Rahmen des Gesetztes war.“
„Hä?“ ›Im Rahmen des Gesetztes?‹ Was war das denn für eine bescheuerte Formulierung?
„Maaann, Ich habe nichts getan, was sie nicht wollte! Stehen denn heute alle auf der Leitung?!“
Yashiro blickte verwirrt zu seinem Schützling. Daran hatte er auch nie gezweifelt! Sollte er sich jetzt doch langsam Sorgen machen? Was zum Teufel ist da nur passiert!!!
Wenig später nach ihrem Gespräch mit Kanae, trat Kyoko in das kaum besetzte Büro von Sawara-san herein. Kein Wunder, es war schließlich Sonntag. Trotzdem arbeitete einige, hauptsächlich um den fehlenden Tag von der Feier nachzuholen. Kaum war Kyoko bei Sawara im Büro, erfasste sie ein bedrückendes Gefühl. Alle starrten Sie, so weit wie möglich, unauffällig an. Oder bildetet sie sich, dass alles nur ein? Sie wollte am liebsten wieder umdrehen.
Was sie sich auf keinen Fall einbildete, war, dass Sawara-san sie mit ernster Miene eindringlich musterte. Er war bemüht, einen neutralen Ton anzuschlagen. Dafür war Kyoko ihm auch dankbar.
„Seit dem Presserummel laufen hier die Anfragen für dich im Stundentakt herein. Sehr viele verschiedene Charakter, die du spielen könntest. Bestimmt ist auch etwas dabei, was du gerne spielen würdest.“
Sawara wühlte in einem Stapel mit vielen Zetteln, die so aussahen, als hätte er die erst vor kurzem ausgedruckt. „Hier z.B. ein armes Mädchen, welches sich unsterblich in den Protagonisten verliebt. Aber leider bekommt sie ihn am Ende nicht.“
Kyoko schüttelte ihren Kopf. „Danke, aber lehnen Sie bitte die Rollen ab.“
Verdutzt schaute er Kyoko an. Er dachte, sie würde sich über die ganzen Angebote freuen. Aber vielleicht war der Presserummel doch etwas zu viel für sie so plötzlich. „Denk bitte noch mal genauer darüber nach, das ist DIE Chance.“
In sehr monotonem Ton antwortet Kyoko, dass was er hören wollte. Sie würde es sich noch mal überlegen. Doch ihre jetzige Situation wollte sie unter keinen Umständen dafür benutzten, um an sehr gute Rollen ranzukommen. Nicht so lange sie nicht wenigstens mit Ren gesprochen hat.
Ihr zuständiger Sachbearbeiter seufzte tief, was für eine blöde Situation. „Ist denn für das Interview am Dienstag alles klar?“
Sie nickte aufgeregt.
„Ok, du musst dich bei der Zeitung an der Rezeption bei Tanaka-san melden.“
Wieder nickte sie nur. Die Anspannung war ihr anzusehen und entging auch Sawara-san nicht. Wieso musste jetzt auch zu diesem Trubel noch das Interview sein? Sollte sie es absagen?
Der Talentsucher kramte noch immer in seinen Unterlagen, schien etwas in seiner Unordnung zu suchen. Als er ein Blatt in der Hand hielt, nahm seine Körperhaltung eine lockere Art an.
„Und wegen der Gerüchteküche musst du dir keine Sorgen machen. Bei so etwas ist es am einfachsten, wenn man ehrlich ist und die Wirklichkeit erzählt. Anschließend ein paar Einzelheiten weglässt und gut ist.“ Mit scharfen Blick musterte Kyoko. „Was habt ihr zwei denn im Zimmer gemacht? Dann fällt uns bestimmt etwas ein, was du im Interview erzählen kannst.“ Er verfügte nicht über die nötige Fantasie, um sich auszumalen, dass die beiden wirklich intim miteinander waren. Ren und Mogami-kun? Nein, das Bild gab seine Vorstellungskraft nicht her. Sawara sah sie mit großen erwartungsvollen Augen an, in der Hoffnung er würde gleich eine interessante Story zu hören bekommen.
Scheiße, die Frage hätte sie kommen sehen müssen! Was konnte sie da nur erklären? Plötzlich wurde Kyoko bewusst, dass es im Büro totenstill war. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die anderen Mitarbeiter hörten mit ihrer Arbeit auf, um Kyokos Antwort nicht zu verpassen. Alle Blicke waren daher nun auf sie gerichtet.
„Äh“, brachte Kyoko als Einziges heraus. Die Wahrheit sagen? Niemals! Am besten noch in allen Einzelheiten? Pff, das hatte doch niemanden zu interessieren! Was konnte sie in diesem Fall nur machen?
Leichte Panik überkam sie. Die plötzliche aufkommende Stille im Zimmer machte die Situation kein Stück besser. Am liebsten wäre es ihr gewesen auf der Stelle im Boden zu versinken oder sich geräuschlos aufzulösen.
Ein Telefonklingeln unterbrach sie in ihren Gedankengängen. Zum Leidwesen des angehenden Stars ging der entsprechende Assistent nicht ran. Womit das Schellen, des unbekannten Anrufers, das Einzige zu diesem Zeitpunkt war, was erklang.
Inzwischen waren einige Sekunden vergangen und Sawaras Mimik änderte sich in einen spürbar besorgten Gesichtsausdruck. Er hatte eine wild herumfuchtelnde Kyoko erwartet, die den Gerüchten endlich ein Schlussstrich zieht. Was tat sie stattdessen? Sie überlegte, was sie antwortet! Waren die Klatschgeschichten etwa wahr? Sawara rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her. Das wäre schlechtes Timing für ihr Interview übermorgen.
Kyoko derweil war klar, dass sie dem Gerede ein Ende bereiten musste! „Er…“, fing ihr Satz unsicher an. Sie machte eine kurze Pause, um anschließend zu überdenken, wie genau sie sich denn jetzt hier herausredet. „…hat mir nur bei ›etwas‹ geholfen.“, beendete sie ihr Gerede langsam.
Das Telefon klingelte unaufhaltsam weiter.
Das zierliche Mädchen holte tief Luft und fuhr in ungewöhnlicher Geschwindigkeit fort: „Ach, wieso denken die Leute immer nur an das eine, wenn Mann und Frau alleine an irgendeinem Ort sind? Es geht doch keinem etwas an.“ Sie redete sich weiter in Rage, „Es ist jedenfalls nicht so wie alle glauben. Zudem möchte ich es einfach niemanden schildern. Wo ist das Problem? Haben Stars keinerlei Privatsphäre?“ Sie verschränkte ihre Arme und spielte gekonnt die Beleidigte. Etwas Besseres fiel ihr aktuell auf die Schnelle nicht ein. Sie war trotzdem schon fast ein bisschen Stolz auf ihr eben gespieltes. Da hat sie ja noch mal gut die Kurve hinbekommen! Dies wäre so ein Moment, bei dem man sich selbstbewusst und triumphierend auf die eigenen Schultern klopfen würde. Sie hielt ihren Auftritt für überzeugend. Komplett gelogen war es ja auch nicht.
Endlich erbarmte sich der Mann, mit dem klingelten Telefon, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Damit kehrte langsam die gewohnte Lautstärke des Büros zurück.
Sawara hingegen war skeptisch geblieben. Geholfen‹? Bei was? Beim Orgasmus bekommen? Hätte er jetzt gerne gefragt, verkniff sich aber lieber die Frage. „Äh, doch sicher, klar.“ Doch im Gegensatz zu Kyoko kaufte er ihr die Story nicht ab. Er kannte Ren gut genug, um zu wissen, dass auch er nur ein Mann war. Der erfahrene Talentmanager konnte sich das Ganze immer noch nicht vorstellen oder anders gesagt, er wollte es auch nicht. Besonders wenn er bedachte, dass Ren sie die erste Zeit überhaupt nicht leiden konnte. Nach etwas längerer Überlegungszeit kam er allerdings zu dem Ergebnis, dass sie Recht hatte. Es ging wirklich keinem, außer den beiden, etwas an. „Prinzipiell ist mir das auch egal und du hast da natürlich Recht, es geht niemanden etwas an. Nur du wirst dir zu dem Interview diese Frage gefallen lassen müssen. Bis dahin solltest du dir selbst irgendwas überlegen, wie du darauf reagierst. Oder du fragst Ren.“ …ob er dir wieder ›hilft‹ bei was auch immer…, hing er belustigt in seinen Gedanken an. Das Mädchen war immer für eine Überraschung gut. Dass sie eines Tages für so ein Gerücht herhalten würde, wäre ihm zu ihrer Anfangszeit bei LME nicht im verrücktesten Albtraum eingefallen. Doch langsam fing er an, diesem Gerede Glauben zu schenken.
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, merkte sie wie Getuschel im Büro, aus dem sie gerade kam, anfing. Gott was hatte sie da nur getan? Und warum straften sie alle zusätzlich, indem die Leute Kyoko seltsam anschauten?
Am frühen Abend war Kyoko bei Kuu Hizuri, wenigstens etwas Positivem an dem Tag und etwas worauf es sich lohnte zu freuen. Sie war gerade dabei, Reis für Kuu vorbereiten, als sie in ihrem endlosen Zweifel versank. Ob sie ihn zu den Problemen fragen konnte? Er wusste bestimmt Rat. Konnte sie ihn aber mit so etwas belasten? Außerdem schien er zum Thema noch nicht im Bilde zu sein und sie müsste ihm erst alles erklären. Er hatte vorhin, als Kyoko in seine Suite gekommen war, sie überhaupt nicht ausgefragt.
„Was schaust du so deprimiert? Solltest du nicht glücklich über die Aufmerksamkeit sein?“ Erschrocken drehte Kyoko sich um. Sie hatte Kuu gar nicht bemerkt. Wie lange stand er schon da? Instinktiv ohne über ihr Geschwätz zu denken, redete sie los: „Ich…ich habe übermorgen ein Interview.“
„Und? Gute Gelegenheit um bekannter zu werden und mit den Gerüchten aufzuräumen.“
Oh verdammt! Er wusste doch Bescheid. „Woher…?“
„Woher ich das weiß?“
Schüchtern und wie von selbst nickte sie nur. Doch die Antwort kannte sie bereits. Hören wollte Kyoko dies allerdings überhaupt nicht. Doch die Entgegnung musste unweigerlich kommen.
„Scheint ja gerade kein anderes Thema in Japan zu geben. Ihr stehlt mir zurzeit ein bisschen die Show!!!“, stellte Kuu nüchtern und leicht beleidigt fest.
„Ähh, aber … aber ich wollte diesen Trubel nicht und wie ich darauf reagieren soll weiß ich auch nicht! Und und …“
„Das ist ganz normal. Auch ich weiß bei einigen Themen nicht wie ich auf etwas antworten soll.“
Sie schaut fragend in seine Richtung. Ein so berühmter Star, wie er es ist, soll nicht wissen, wie man mit so einer Situation umgehen sollte? Er musste scherzen und sie auf den Arm nehmen wollen.
Auf ihr planloses Gesicht konnte er sie nur anlächeln. „In diesem Geschäft geht es um viel Aufmerksamkeit.“ Kuu steuerte auf den großen Tisch in der Küche zu und führte weiter aus: „Sehr viel Aufmerksamkeit und dem perfekten PR. Man muss das Umfeld zu seiner Bühne deklarieren. Denn als Schauspieler musst du das Talent haben verschiedene Charakteren darzustellen, aber zusätzlich die Fähigkeit besitzen, die Massenmedien für dich attraktiv zu gestalten.“
„Das wollte ich aber nicht! Nicht so! Außerdem scheinen die Medien mehr auf mich fokussiert zu sein als auf Tsuruga-san, obwohl doch er der Star ist und nicht ich! Das verstehe ich nicht!“ Ihr ganzer Körper war aufgeregt.
„Klar, als Star kann man sich wenigstens ein bisschen den Luxus mit der Presse erlauben, dass man es sich aussuchen kann, wem man ein Interview geben möchte. Indirekt können Sternchen damit also auch steuern, was gefragt werden darf. Unbequeme Fragen werden vorher ausgeschlossen. Wer sich nicht dran hält, bekommt bei der nächsten Anfrage halt einfach keine Interviews mehr. So einfach ist das an der Stelle.“
Kyokos Mentor setzte sich an den Tisch und wies sie mit einer Handbewegung an, dass sie ihm in der Essecke Gesellschaft leisten sollte. „Tsuruga-san ist einer der Gefragtesten, wenn nicht sogar zur Zeit DER gefragteste Schauspieler ganz Japans, da überlegen die Verlage sich dreimal ob sie ihn sauer machen und mit Fragerei nerven wollen.“
„Aber es gibt doch auch negative Schlagzeilen bei großen Stars!“
„Klar, anders würde das bei erwiesenen Tatsachen aussehen. Prominente sind keine Helden und auch nur Menschen. Auch sie können Fehler begehen. Da hilft dann auch der Startitel nichts."
Kuus Mine wurde ernst und in seinen Augen spiegelten sich tiefe Trauer wider. „So wie bei dem dunkelsten Kapitel in meinem Leben.“
Sein Blick war nach unten in die scheinbar unendliche Leere gerichtet. „Weißt du, als mein Sohn in einen schrecklichen Unfall verwickelt war, hat uns die Presse regelrecht auseinandergenommen. Man warf meiner Frau und mir vor, wenn wir für ihn öfters da gewesen wären, wäre dies alles nicht passiert. Ständig musste ich in der Zeitung lesen, was wir doch für schreckliche Eltern waren.“ Der erfahrende Schauspieler schluckte kurz, erst dann setzte er seinen Satz fort. „Ich habe noch heute Angst vor einer Frage in diese Richtung, weil ich nicht weiß, was ich dann erwidern soll.“
Seine Stimmung wurde wieder heller und sein stechender Blick fing Kyokos Augenkontakt auf. Er wollte sichergehen, dass die Botschaft bei ihr ankam. „Aber ich denke, dass macht einen Teil unseres Berufes auch aus. So schmerzhaft die Frage ist, man muss lächelnd mit erhobenen Haupt antworten. Und wenn du alle Zuschauer überzeugt hast, dass dich die Problematik nicht aus dem Konzept gebracht hat, dann bist du eine professionelle Schauspielerin. Dies ist die Königsdisziplin bei Stars und denen die es noch werden wollen. Denn bei einem Interview gibt es genau nur eine einzige Aufnahme.“
Kyoko bemühte sich zulächeln, doch es fiel ihr schwer. So schwer war es doch sonst nicht? Sie hatte Too-san an etwas Schreckliches erinnert. Das wollte sie nicht! Unbewusst schaute sie weg. In seine Augen konnte sie ihm nicht mehr sehen.
In diesem Moment kam ihr der Name von Kuus Sohn in den Sinn »Koun«. Unterdessen vermochte Kyoko, noch weniger Kuu ins Gesicht zuschauen. Sie fühlte sich hilflos, einen für sie wichtigen Menschen mit Trauer erfüllen zulassen.
Kuu bemerkte, dass das Gespräch sich in eine völlig andere Richtung entwickelte, in die er gehofft hatte. Wieso musste er auch so theatralisch ausholen? Seine zukünftige Schwiegertochter war weiterhin am Boden zerstört. Vielleicht konnte er mit einem Themawechsel die Situation auflockern. „Ganz gleich was ihr getan habt, aber bereust du es denn?“
Erschrocken von dem plötzlichen Wechsel schaute sie wieder auf Kuu und antwortete ihm pflichtbewusst: „Nein.“
„Also dann, warum so deprimiert?“
„Die Leute haben mich heute alle seltsam angestarrt, ich weiß nicht, ob ich damit wirklich einen guten Start in der Branche mache.“
Herzhaft fing Kuu an zulachen. Geschichten scheinen sich zu wiederholen.
„Soll ich dir erzählen, wie hier in Japan meine Frau aufgenommen wurde, als bekannt wurde, dass ich eine Amerikanerin heirate?“
„Wie?“„Ich sage es mal so: Ich war damals echt froh, dass sie kein japanisch versteht, so viel Hassnachrichten, welche an sie gerichtet waren und wie viel Eifersucht dabei war. Ich habe aber meine Entscheidung meine Frau zu heiraten, keine Sekunde lang bereut.“, Kuu stoppte seine Ausführung für einen kurzen Moment und überlegte. „Wobei, wenn sie mal wieder zur Dramaqueen wird, dann vielleicht. Dies kann sie nämlich hervorragend spielen!“
Kyoko musste ungewollt lächeln, er musste sich gut mit seiner Frau verstehen und sie über alles lieben.
„Sie muss eine wunderbare Frau sein.“
„Ja, das ist sie.“
In der Zwischenzeit entstand eine bedrückte Stille, die Kyoko nur ungern zu ordnen wusste. Sie hatte das Gefühl, ihrem Too-san könnte sie alles anvertrauen. „Aber, aber … ich glaube Tsuruga-san bereut es, denn er stand bestimmt nur unter Alkoholeinfluss!!“
„Hat er so einen betrunkenen Eindruck erweckt?“
„Ehh, nein. Eigentlich nicht.“
„Er war angetrunken, ja, aber in diesem Zustand hat man normalerweise noch alle Gehirnzellen beisammen.“
Mist! Das war nicht das, was sie hören wollte.
„Liebst du ihn denn?“
Nur ein schüchternes „ja“ kam ihr über die Lippen.
„Dann brauchst du dir keine Sorgen machen, was er sagen könnte. Er machte nicht den Eindruck, dass er mit jeder ins Bett geht. Du wirst schon etwas besonders für ihn sein. Die Einzigen die das klären können bist du und er. Gehe lieber zu ihm als hier zu sein.“ „Danke“
„Ist die denn nun total bescheuert dieses Flittchen!?“ Klirrende Geräusche sprangen durch den Raum, in dem sich der Musikstar Fuwa aufhielt. Sein Glastisch, an dem er bis vor ein paar Minuten saß und die Zeitung entspannt las, erlitt seine komplett aufgestaute Wut.
Erzürnt nahm er die Bentobox in die Hand, welche nun auf dem Boden lag und schmetterte sie mit ganzer Kraft an die nächstgelegene Wand. „Schlampe.“
Sho war wütend!
Rasend!
Wenn er könnte, würde er explodieren. Hier und jetzt! Mit aller Zerstörungskraft, die in ihm emporsteigt.
„Ist die doch mit dem Typen ins Bett gegangen!!!“
„Sho beruhige dich erst mal wieder.“ Versuchte ihn seine Managerin, erfolglos zu beschwichtigen.
„ICH BIN RUHIG!!!“
„Du weißt doch gar nicht, ob etwas zwischen den beiden gelaufen ist. Vielleicht übertreibt die Presse auch gerade mal wieder maßlos. Die beiden waren zusammen auf einem Zimmer? Das doch alles was die an Informationen haben. Da kann man eine Menge herein interpretieren. Du weißt doch selber, wie das läuft und wie viele Geschichten dir schon mit Frauen angedichtete wurden.“
Das stimmte! Verdammt! Daran hatte Shotaro noch gar nicht gedacht. Klar, wer würde so ein Mauerblümchen auch flachlegen wollen! Das er da aber auch nicht selber darauf gekommen ist!
Eine Stunde später stand Kyoko vor Rens Haustür. Sie brauchte eine gefühlte Ewigkeit um sich durch den Verkehr zu drängeln. Das großzügige Angebot von ihrem Too-san, sie mit einem Chauffeur bis zu ihm bringen zu lassen, hatte sie ausgeschlagen. Das bereute sie bereits kurze Zeit später. Denn so hatte sie viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Kam aber sowieso zu keinem Ergebnis. Kyoko traute sich nicht, zu klingeln. Was würde er ihr sagen? Dass sie das lieber vergessen sollte? Dass es nur ein Scherz von ihm war? Auch wenn Kuu sie versucht hat zu ermutigen, doch so richtig glauben wollte sie das Ganze immer noch nicht. Aber sie musste das jetzt endlich klären!
Zu ihrer Enttäuschung musste sie feststellen, dass Tsuruga-san nicht da war. Oder vielleicht war es auch besser? Beunruhigt griff Kyoko ihr Handy und wählte seine Nummer. Doch nur der Anrufbeantworter sprach mit ihr. Den Tränen nahe brach sie die automatische Antwort ab. So wollte sie nicht mit ihm reden.
Bestimmt war er auch da, machte nur nicht auf, sondern ignorierte sie jetzt. Ja bestimmt! Kyoko seufzte tief. Nein! So etwas würde er nicht machen. Voller Hoffnung schrieb sie ihm eine Nachricht, dass sie mit ihm reden muss. Nun gab es kein Zurück mehr. Doch egal was er zu sagen hat, heute wollte sie es definitiv nicht mehr hören.
Müde kam Kyoko am Montag am Set von »Box R« an. Sie konnte kein Auge schließen. Zu viele Gedanken schwirrten gerade um sie herum. Im Stundentakt schaute sie auf ihr Smartphone, in der Hoffnung, Tsuruga-san würde ihr antworten oder sogar anrufen. Nun war es früh am morgen und eine Antwort von ihm hatte sie immer noch nicht.
Böse Blicke musste sie über sich ergehen lassen. Sie ahnte wieso. Nur einer war an diesem Tag froh sie zu sehen. Der Regisseur kam freudestrahlend auf Kyoko zu und verkündete die blendenden Einschaltquoten von »Box R« vom Vortag. Für Kyoko nur ein schwacher Trost, aber wenigstens einer freute sich über ihre Misere.
Düstere Energie lag in der Luft. Die Mordlust der eifersüchtigen Frauen ausweichend, kam die angehende Schauspielerin nur schleppend voran. Als sie in der Umkleide ankam, begrüßte sie Chiori, das Love-Me-Mitglied Nr. 3 herzlich.
„Sag mal, lief da wirklich was zwischen dir und ihm?“
Nicht mal Zeit zum Verschnaufen bliebt ihr in der Umkleide! Das war wirklich zum Haare raufen.
„Nein. Das sind nur Gerüchte.“
Vom Gesprächsthema angelockt, standen zwei weiteren Frauen in der Tür zur Umkleidekabine. Sie wollten nichts verpassen und fragten noch mal nach:
„Ist Tsuruga-san jetzt vergeben?“
Wut kochte in Kyoko hoch. So langsam fing die Fragerei wirklich an zu nerven!
„Nein! Natürlich nicht. Wir sind uns nur im Flur begegnen und sind ins Gespräch gekommen, weswegen ich ihn auf sein Zimmer begleitet habe. Er wollte nämlich duschen! Was ist daran bloß falsch?“
Das zierliche Mädchen hoffte damit, endlich die Zweifel ausgeräumt zu haben. Musste aber feststellen, dass die anderen Mädchen sie aus einer Mischung von Ehrfurcht, Staunen und Neid anschauten.
„Ihr wart zusammen duschen?!“, fragte eine neugierige perplex.
„Nein!!!!!“, quietschte Kyoko.
„Echt nicht? Das ist wirklich schade.“
„Wieso schade? Ich habe den Frauenmob hinter mir her!“
Amüsiert prustete Chiori los und kicherte lautstark, sie fand Kyokos genervten Antworten zu komisch.
„Viele wäre gerne in deiner Situation. Du bist jetzt durch Tsuruga-san bekannter als so manch andere. Da kommt schnell Neid auf.“
„Danke, aber auf den Stress könnte ich wirklich verzichten!“
Sie wollte das Thema abbrechen nur wie? Es sollte nicht weiterausarten.
Eine der anderen Frauen unterbrach Kyoko in ihren Gedanken und schwelgte unüberhörbar in ihrem Hirngespinst: „Aber wirklich schade, dass nichts lief. Tsuruga-san soll echt gut beim Küssen sein!“
Das stimmt! Der Kuss von ihm erzeugte Lust auf mehr und machte abhängig. Der bloße Gedanke daran, erzeugte eine Gänsehaut.
Doch die Tatsache, dass sie die Leute anlügte gefiel ihr nicht. Nur die Wahrheit sagen, das wollte sie auch nicht.
„Und sein bestes Stück soll auch nicht zu verachten sein.“
„Aha“, versuchte Kyoko, sich die aufkommenden Gedanken von der Nacht mit Ren zu verdrängen. Doch egal wie sehr sie es versuchte, ihr Herz fing wieder wild an zu klopfen.
Erst als ein anderes Mädchen vom Set in die Umkleidekabine gestürmt kam, wurde Kyoko wieder bewusst, dass sie nicht alleine war.
„Hey Kyoko-chan, cool dass du mit Tsuruga-san zusammen bist. Ich habe jetzt total viele Aufträge bekommen, durch die Aufmerksamkeit von »Box R«!!“
„Ich bin nicht mit ihm zusammen ...“
So schnell wie sie aufgetaucht war, so schnell verschwand sie auch wieder. Entgeisterte schaute Kyoko zu Chiori, „Aber… aber sie hat das gesagt, als sei es erwiesene Tatsache!“
„Ich würde mal behaupten: So entstehen Gerüchte.“
Schweigend saß Kyoko alleine auf Rens gemütlichen Sofa. Alleine. Der große Star war in der Küche verschwunden und bereitete ihr einen heißen Tee zu.
Sie fühlte sich alles andere als wohl. Als er auf ihre Nachricht antwortete, hatte sie mit mehr Reaktion von ihm gerechnet. Doch die Antwort, mit der er im Laufe des Tages geantwortet hatte, war knapp und nur mit einer Uhrzeit versehen. Auch nachdem sie seine Wohnung betrat, konnte das Mädchen seine Stimmung nur schwer deuten. Weden positiv noch negativ. Es schien, als versuchte er, ihr besonders neutral gegenüberzutreten. Dieses Verhalten hemmte Kyokos Tatendrang mit ihm, über diese besondere Situation zusprechen.
„Also Mogami-san, du wolltest mit mir etwas Wichtiges besprechen?“
Kyoko erschrak. Erfolgreich hatte er es wieder geschafft, sie aus den Gedanken zu reißen. Sofort waren ihre mühsam zurechtgelegten Antworten wie wegeblassen.
„Jaa! Ich… ich ...“
Natürlich war ihm klar, worum es ging. Doch auch ihm fiel es schwer damit umzugehen, war dies auch kein alltäglicher Umstand für ihn. Gelassen stellte der junge Mann Kyoko ihr den heißen Tee auf den Tisch, vor dem sie saß. Gerne würde er irgendetwas Sinnvolles sagen. Doch er kam zu keinem Ergebnis, wie er das Thema gekonnt anfangen könnte. Er war schon überrascht, dass Kyoko das Gespräch suchte. Darauf war er nicht gefasst. Hoffentlich bemerkt sie nicht, wie aufgeregt er war und wie laut sein Herz pochte! Das wäre das Letzte, was er wollte. Einfach ruhig bleiben! Sich nichts anmerken lassen. Dann hat es sicher auch Mogami-san einfacher.
Kyoko dagegen wurde immer unruhiger. Seine gelassene Art verärgerte sie mehr. War sie für ihn nichts weiter als ein Spiel? War er deswegen so gefasst? Was verdammt noch mal, hat sie sich nur dabei gedacht, dass er mehr in ihr sehen könnte? Und was zum Teufel tat sie hier? Kyoko bliebt die Luft zum Atmen weg.
Wie aus heiterem Himmel ergriff Ren das Wort: „Ich habe alles ernst gemeint, was ich gesagt habe, an dem Abend. In der Presse habe ich mich nicht geäußert, weil ich nicht wusste, wie du das siehst. Doch egal wie du darüber denkst: Ich werde mich nach dir richten.“
Das zierliche Mädchen sah wie in Trance auf den, vor ihr stehenden Couchtisch nach unten. Das konnte sie nicht glauben. Das alles wäre wie ein wahrgewordener Märchentraum.
Da hatte Ren mit einer anderen Reaktion von ihr gerechnet. Warum sagte sie nichts? War das zu schnulzig? Wollte sie das nicht hören? War das zu forsch? Verdammt! Er würde sie so gerne jetzt küssen! Das war so fest in seinem bereitgelegten Plan verankert. Doch nun war er sich nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre. Sie hat das sicher nur falsch verstanden: „Egal was, wir müssen uns nur auf eine Variante einigen.“
Noch immer antwortete Kyoko nicht. Das sie nicht reagierte verunsicherte Ren mehr und mehr.
„Ich ... ich möchte ... ich möchte Sie nicht als Sprungbrett für meine Karriere benutzten! Meine Gefühle für Sie haben nichts in der Presse verloren.“ Erst jetzt konnte sie ihre Stimme und Gedanken wiederfinden. Sie öffentlich mit Ren? Niemals! Karriere und Privates strickt voneinander trennen, ist die Devise!
„Ich möchte es aus eigener Kraft nach oben schaffen!“
„Deinen Wunsch kann ich verstehen. Ich werde mich auch daran halten nichts der Presse zu sagen.“
Das Geständnis von Kyoko ließ auch Rens Herz etwas zur Beruhigung kommen. Mit seinem herzlichsten Lächeln schaute er zu Kyoko.
„Ich habe wirklich die Wahrheit im Hotelzimmer gesagt, ich liebe dich.“
Seine Worte erreichten ungefiltert ihr kaltes Herz. Sie hatte es lange versucht vor Gefühlen für ihn zu beschützten. Nur jetzt gab es kein Zurück mehr. Tränen suchten die Freiheit aus ihren Augen.
Verdammt warum immer in den ungelegensten Momenten, so nah am Wasser war sie doch sonst nicht. Mit ihrem Arm wischte sie vereinzelnde Tränen weg.
Ren verstand ihre Reaktion nicht. Hatte er etwas Falsches gesagt? Vorsichtig fragte er nach: „Habe ich was Falsches gesagt?“
Kyoko blieben die Worte im Hals stecken. Sie konnte nur ihren Kopf schütteln.
Nur ein wasserreiches „ichhh…. au..ch…“ kam aus ihr heraus.
Der große Schauspieler war erleichtert, beugt sich zu ihr runter und wischte ihr eine Träne weg. Danach küsste er sie. Ihr Lippen schmeckten salzig. Doch es war ein wunderbares Gefühl.
Ein ähnliches Erlebnis wie im Hotelzimmer wollte er nur nicht noch mal riskieren. Das würde Kyoko wohl noch überfordern.
Schweren Herzens setzte er sich neben Kyoko auf die Couch. Es war nun ruhig in der großen Wohnstube des Schauspielers. Er musste das Thema wechseln! Nur wohin?
„Ich dachte, du bist jetzt jeden Abend eigentlich bei Hizuri-san?“
„Ja, er ermutigte mich, zu Ihnen zu gehen.“
„Warum schaust du dann so traurig?“
„Ich habe gestern Kuu-san, an eine schreckliche Sache mit seinem Sohn erinnern. Das wollte ich nicht. Ich habe gar nichts darauf geantwortet. Ich war nur mit mir beschäftigt.“
Überfordert mit der Situation, war Ren nicht im Stande etwas zusagen.
„Er muss seinen Sohn sehr lieben. Er heißt auch Koun. Ich glaube, Sie haben mit Too-sans Sohn einiges gemeinsam.“
So langsam nahmen Kyokos Gedankengänge keine gute Wendung ein.
„Ach ja?“
„Ja, beide großherziger Mensch.“
Langsam kullerten vereinzelt Tränen über Kyokos Wangen.
„Aber ich liebe Sie.“ Mit ihrem Arm wischte sie ihre einzelnen Tränen weg. Hoffentlich bekam er es nicht mit. Auch wenn sie keine große Hoffnung sah.
Freudestrahlend hüpfte Kyoko in das Gasthaus ihrer Unterkunft. Dort erwartete die Herrin des Hauses, Okami-san sie bereits. Von Ihr erfuhr sie, dass Shotaro ihr auflauerte und sich bereits im Haus eingenistet hatte. Es war spät und er hatte wieder nichts Besseres zutun als Kyoko auf die Nerven zu gehen.
Ihre Stimmung kippte von dem einen positiven Extremen zum anderen negativen Extrem. Wie schaffte der Typ es nur, mit seiner bloßen Anwesenheit für miese Stimmung zu sorgen?
Erbost stapfte sie mit schweren Schritten in den Empfangsraum. Dort wurde sie sofort von Shotaro angegiftet: „Wo bleibst du denn solange?“
„Was geht dich das was an?“, Kyoko verschränkte genervt ihre Arme. Dabei merkte sie nicht, wie rot ihre Wangen anliefen, weil sie dadurch automatisch an Ren erinnert wurde.
„Also sind die Gerüchte wahr und hast dich endlich flachlegen lassen? Glückwunsch dazu!!!“
„Nein! Die Leute denken sich immer nur einen Mist aus.“
„Ach ja? Du warst also nicht bei ihm? Wo warst du dann?“
„Noch mal, das geht dich nichts an!“ Langsam ging der Typ zu weit! Was bildete er sich ein! Er sollte so schnell wie möglich gehen.
„Wir sind Sandkastenfreunde, klar geht mich das was an. Außerdem wollte ich sehen, wie er mit dir langweiligen Frau spielt und ob er wirklich so gut ist, wie die Gerüchte immer sagen.“
Sein Geschwafel über Ren machte Kyoko rasend!
„Sollen sich die Leute über mich lustig machen aber nicht über Tsuruga-san!“
„Was? Also warst du doch bei ihm!!!“
„Nein!“
„Wo warst du dann?“
„Lass mich endlich in Ruhe, ich habe heute viel zu gute Laune um dir etwas zu sagen. Außerdem noch mal: Was geht es dich an, was ich mit ihm gemacht habe?“
Sho verringerte die Distanz zu Kyoko immer weiter. Bis er direkt vor ihr stand. Verunsichert versuchte die Schauspielerin Entfernung gut zumachen. Der Sänger beugte sein Kopf in Richtung Kyokos und flüsterte ihr ins Ohr: „Du riechst nach Männerparfum.“
Außer sich vor Wut scheuerte sie ihm eine.
„Ich bereue nichts!!!“
Was? Also waren die Gerüchte doch wahr? Das kann nicht sein! Dieser Scheißkerl!! Dieser Scheißkerl! Dieser SCHEIßßKERRRRRRRRRRRL! Von so einem Muttersöhnchen lässt er sie sich nicht wegnehmen. Das wird er noch bereuen, dass er sie angefasst hat!
Seufzend richtete sie ihren Blick nach draußen. Es war ein herrlicher Sonntagnachmittag. Ein Tag nach der großen Party vom LME-Präsidenten. Ein bisschen zu helles und sonniges Wetter, wenn es nach Kyoko ginge. Die ganze Feier war eine Katastrophe gewesen und nicht mal das Wetter war auf ihrer Seite und lachte sie aus! Es stimmte sie nur noch deprimierter, als sie ohnehin war. Bis eben hatte sie noch gehofft, dass das Fehlen des Topstars gar nicht aufgefallen war. Aber da hatte sie wohl die Rechnung ohne die Klatschpresse gemacht gehabt: Es war aufgefallen. Und wie! Als gebe es nichts mehr Wichtigeres in Japan! Es war alles zum Verzweifeln. Ihre Gefühle sortieren, war nun eine unmögliche Aufgabe. Woran konnte sie noch glauben? Und wie konnte das nur geschehen?
Der Tag hatte so gut angefangen. Frühs wurden die Gäste vom Hotel mit Bussen zurückgebracht. Zum Mittag hatte Kyoko einen Anruf von Sawara-san bekommen. Der wollte noch etwas mit ihr besprechen wegen ihrem übermorgen stattfindendem Interview, daher war sie Richtung LME-Hauptgebäude unterwegs. Doch dann sah sie die ganzen Zeitungen mit ihr und Ren und blieb unverhofft stehen. Platz um sich Gedanken über Ren und sie zu machen war da keine! Bis jetzt. Denn überall an den Ständen an denen Zeitungen verkauft wurden, war entweder nur ein Bild von Tsuruga-san oder Kyoko zu sehen. Wahlweise auch eines der wenigen Fotos, auf denen beide zu sehen sind. Wieso war das so aus dem Ruder gelaufen?
Kyoko schlug die passende Seite des Zeitungsartikels auf, eine ihrer Geister sagte, dass sie wissen sollte, was für ein Mist die Presse schreibt. Darunter befand sich ein Bild, auf welchem Ren und sie zu der Dark Moon Feier zu sehen waren. Frustriert fing sie an, den ersten Teil des Artikels zu lesen:
Insider berichten, dass Tsuruga-san und Kyoko-san sich schon während der Dreharbeiten von Dark Moon sehr nahe waren.
Natürlich ein nicht namentlich genannter „Insider“. Das war sicher einer dieser Tratschweiber, die jeden netten Blick von Tsuruga-san als Bettgeschichte verkaufen möchte! Pah, wir waren aber schon Bekannte vor den Dreharbeiten von Dark Moon. Was für Aasgeier.
Tsuruga-san selbst äußerte sich bisher dazu noch nicht. Auf Anfrage an seine Agentur LME hieß es bis jetzt nur ›Kein Kommentar‹. Ist dies ein versteckter Hinweis? Alle anderen Gerüchte dieser Art mit Frauen wurden sonst immer von seiner Agentur vehement abgestritten. Oder hat Tsuruga-san die Abteilung ›Love-Me‹ in der Kyoko-san ist, zu wörtlich genommen? […] Wenn er wirklich mit der Newcomerin Kyoko-san intim wurde, wäre dies, da sie noch minderjährig ist, sexuelle Nötigung […]
Kyoko konnte es kaum glauben, was sie da las. Sie war mehr angewidert von dem was auf dem Text vor ihr stand. Jetzt machten die sich auch noch lustig über Tsuruga-san und unterstelltem ihm doch allen Ernstes ein Verbrecher zu sein! Zu allem Überfluss auch noch wegen ihr! Das konnte doch alles nicht wahr sein. Wieso musste sie nur mit auf sein Zimmer gehen?
Nervös und verzweifelt las sie den Text weiter:
[…] Oder ist dies ein geschickter PR-Coup für die Dark Moon DVD-Verkäufe welche demnächst in den Handel kommen? Wer würde nicht gerne eine Liebesszene zwischen Mio und Kazuki sehen?
Waaaaaaaaas? Das kann doch alles nicht denen ihr Ernst sein!?
Entmutigt schaute sie wie hypnotisiert auf die Zeitschrift, erst spät merkte sie, dass ihr Smartphone vibrierte. Dies tat es allerdings schon den ganzen Tag. Mit keiner großen Erwartung schaute sie auf das Display, doch zu ihrer Überraschung war es ihre Freundin Moko-san. Wenigstens etwas Positives an diesem Tag!
„Na Berühmtheit, du bist gerade in jeder Zeitung!“
„Danke, aber das ist zurzeit nicht zu übersehen.“ Schnell stellte sich eine Ernüchterung bei Kyoko ein. Sie hatte gehofft, dass ihre Freundin sie wenigstens auf positive Gedanken bringen könnte.
„Alles was ich hören will, ist, dass er nichts getan hat, was du nicht wolltest.“
Kyoko schüttelte den Kopf, auch wenn es Kanae nicht sehen konnte, da die beiden telefonierten. „Nein, das hat er nicht.“ Das kurzhaarige Mädchen legte die zuvor gegriffene Zeitung zurück in den Auswahlstapel und verließ das Geschäft zügig.
„Die machen sich lustig über ihn! Sollen die sich über mich lustig machen aber nicht über ihn!“ Mittlerweile war sie doch ganz froh, dass Kanae angerufen hatte, so konnte sie wenigstens ein bisschen Frust loswerden.
„Sieh’ es mal positiv. Wenn er die Frauen wechseln würde wie seine Unterwäsche, wäre das kaum so ein großes Thema.“
Yashiro musste sich an diesem Tag besonders anstrengen, um mit Rens schnellen Schritten mitzuhalten. Nachdem es am vorherigen Abend zu keinem weiteren Gespräch zwischen den beiden erwachsenen Männern gab, entstand diesmal eine seltsame Stimmung. „Heute haben wir zum Glück nur einen Fotoshooting Termin. Nach der Party gestern muss es ja auch mal ein entspannter Arbeitstag sein.“
„Ja.“
Ren war heute sehr wortkarg, aber das war auch bei dem Medienrummel zurzeit nicht anders zu erwarten. Yashiro hätte ihn gerne gefragt, was wirklich vorgefallen war. War nur die Fantasie von ihm und dem Boss durchgebrannt oder gab es wirklich Fortschritte bei ihm und Kyoko. Allerdings verströmte Ren heute alles andere als gute Laune! Dies machte sich auch bei anderen Leuten bemerkbar, denn bis jetzt traute sich noch niemand, Ren auf die Gerüchte anzusprechen.
Was sollte Yashiro nur tun? Irgendwie musste er doch Ren darauf ansprechen!
„Hast du Hunger? Soll ich dir …“
„Nein.“, unterbrach Ren seinen Manager abrupt. Auf Yashiros Fragerei hatte er jetzt absolut keine Lust! Es war alles sowieso schon verrückt genug! Hatte er sich das gestern nur im Hotelzimmer eingebildet? Wenn nein, warum hatte er das Gefühl, dass er genauso weit mit Mogami-san war wie am Anfang?
Eine unheimliche Stille trat zwischen den beiden hervor, die Ren, so gedanklich versunken er war, gar nicht mitbekam. Erst als er einen kurzen Gedanken bei seiner Arbeit war, nahm Ren auch wieder seinen grübelnden Manager klar und deutlich wahr. Ihm wurde nun bewusst, dass er um ein Gespräch mit seinem guten Freund nicht Drumherum kam.
„Na frag schon.“
Yashiro musste sich verhört haben! Hat Ren ihm wirklich gerade angeboten, wegen des Vorabends fragen zustellen? Das musste ein Traum sein! Er war so begeistert und voller Vorfreude, dass er in seinen blinkenden und funkelnden Fan-Modus wechselte und gute Laune versprühte: „Darf ich wirklich?“
„Nein.“
„EH!?“, seine Vorfreude nahm ein jähes Ende.
„Aber bevor du noch weiter darüber nachdenkst und deine Fantasie sich sonst was zusammen spinnt, sage ich dir gleich, dass alles im Rahmen des Gesetztes war.“
„Hä?“ ›Im Rahmen des Gesetztes?‹ Was war das denn für eine bescheuerte Formulierung?
„Maaann, Ich habe nichts getan, was sie nicht wollte! Stehen denn heute alle auf der Leitung?!“
Yashiro blickte verwirrt zu seinem Schützling. Daran hatte er auch nie gezweifelt! Sollte er sich jetzt doch langsam Sorgen machen? Was zum Teufel ist da nur passiert!!!
Wenig später nach ihrem Gespräch mit Kanae, trat Kyoko in das kaum besetzte Büro von Sawara-san herein. Kein Wunder, es war schließlich Sonntag. Trotzdem arbeitete einige, hauptsächlich um den fehlenden Tag von der Feier nachzuholen. Kaum war Kyoko bei Sawara im Büro, erfasste sie ein bedrückendes Gefühl. Alle starrten Sie, so weit wie möglich, unauffällig an. Oder bildetet sie sich, dass alles nur ein? Sie wollte am liebsten wieder umdrehen.
Was sie sich auf keinen Fall einbildete, war, dass Sawara-san sie mit ernster Miene eindringlich musterte. Er war bemüht, einen neutralen Ton anzuschlagen. Dafür war Kyoko ihm auch dankbar.
„Seit dem Presserummel laufen hier die Anfragen für dich im Stundentakt herein. Sehr viele verschiedene Charakter, die du spielen könntest. Bestimmt ist auch etwas dabei, was du gerne spielen würdest.“
Sawara wühlte in einem Stapel mit vielen Zetteln, die so aussahen, als hätte er die erst vor kurzem ausgedruckt. „Hier z.B. ein armes Mädchen, welches sich unsterblich in den Protagonisten verliebt. Aber leider bekommt sie ihn am Ende nicht.“
Kyoko schüttelte ihren Kopf. „Danke, aber lehnen Sie bitte die Rollen ab.“
Verdutzt schaute er Kyoko an. Er dachte, sie würde sich über die ganzen Angebote freuen. Aber vielleicht war der Presserummel doch etwas zu viel für sie so plötzlich. „Denk bitte noch mal genauer darüber nach, das ist DIE Chance.“
In sehr monotonem Ton antwortet Kyoko, dass was er hören wollte. Sie würde es sich noch mal überlegen. Doch ihre jetzige Situation wollte sie unter keinen Umständen dafür benutzten, um an sehr gute Rollen ranzukommen. Nicht so lange sie nicht wenigstens mit Ren gesprochen hat.
Ihr zuständiger Sachbearbeiter seufzte tief, was für eine blöde Situation. „Ist denn für das Interview am Dienstag alles klar?“
Sie nickte aufgeregt.
„Ok, du musst dich bei der Zeitung an der Rezeption bei Tanaka-san melden.“
Wieder nickte sie nur. Die Anspannung war ihr anzusehen und entging auch Sawara-san nicht. Wieso musste jetzt auch zu diesem Trubel noch das Interview sein? Sollte sie es absagen?
Der Talentsucher kramte noch immer in seinen Unterlagen, schien etwas in seiner Unordnung zu suchen. Als er ein Blatt in der Hand hielt, nahm seine Körperhaltung eine lockere Art an.
„Und wegen der Gerüchteküche musst du dir keine Sorgen machen. Bei so etwas ist es am einfachsten, wenn man ehrlich ist und die Wirklichkeit erzählt. Anschließend ein paar Einzelheiten weglässt und gut ist.“ Mit scharfen Blick musterte Kyoko. „Was habt ihr zwei denn im Zimmer gemacht? Dann fällt uns bestimmt etwas ein, was du im Interview erzählen kannst.“ Er verfügte nicht über die nötige Fantasie, um sich auszumalen, dass die beiden wirklich intim miteinander waren. Ren und Mogami-kun? Nein, das Bild gab seine Vorstellungskraft nicht her. Sawara sah sie mit großen erwartungsvollen Augen an, in der Hoffnung er würde gleich eine interessante Story zu hören bekommen.
Scheiße, die Frage hätte sie kommen sehen müssen! Was konnte sie da nur erklären? Plötzlich wurde Kyoko bewusst, dass es im Büro totenstill war. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die anderen Mitarbeiter hörten mit ihrer Arbeit auf, um Kyokos Antwort nicht zu verpassen. Alle Blicke waren daher nun auf sie gerichtet.
„Äh“, brachte Kyoko als Einziges heraus. Die Wahrheit sagen? Niemals! Am besten noch in allen Einzelheiten? Pff, das hatte doch niemanden zu interessieren! Was konnte sie in diesem Fall nur machen?
Leichte Panik überkam sie. Die plötzliche aufkommende Stille im Zimmer machte die Situation kein Stück besser. Am liebsten wäre es ihr gewesen auf der Stelle im Boden zu versinken oder sich geräuschlos aufzulösen.
Ein Telefonklingeln unterbrach sie in ihren Gedankengängen. Zum Leidwesen des angehenden Stars ging der entsprechende Assistent nicht ran. Womit das Schellen, des unbekannten Anrufers, das Einzige zu diesem Zeitpunkt war, was erklang.
Inzwischen waren einige Sekunden vergangen und Sawaras Mimik änderte sich in einen spürbar besorgten Gesichtsausdruck. Er hatte eine wild herumfuchtelnde Kyoko erwartet, die den Gerüchten endlich ein Schlussstrich zieht. Was tat sie stattdessen? Sie überlegte, was sie antwortet! Waren die Klatschgeschichten etwa wahr? Sawara rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her. Das wäre schlechtes Timing für ihr Interview übermorgen.
Kyoko derweil war klar, dass sie dem Gerede ein Ende bereiten musste! „Er…“, fing ihr Satz unsicher an. Sie machte eine kurze Pause, um anschließend zu überdenken, wie genau sie sich denn jetzt hier herausredet. „…hat mir nur bei ›etwas‹ geholfen.“, beendete sie ihr Gerede langsam.
Das Telefon klingelte unaufhaltsam weiter.
Das zierliche Mädchen holte tief Luft und fuhr in ungewöhnlicher Geschwindigkeit fort: „Ach, wieso denken die Leute immer nur an das eine, wenn Mann und Frau alleine an irgendeinem Ort sind? Es geht doch keinem etwas an.“ Sie redete sich weiter in Rage, „Es ist jedenfalls nicht so wie alle glauben. Zudem möchte ich es einfach niemanden schildern. Wo ist das Problem? Haben Stars keinerlei Privatsphäre?“ Sie verschränkte ihre Arme und spielte gekonnt die Beleidigte. Etwas Besseres fiel ihr aktuell auf die Schnelle nicht ein. Sie war trotzdem schon fast ein bisschen Stolz auf ihr eben gespieltes. Da hat sie ja noch mal gut die Kurve hinbekommen! Dies wäre so ein Moment, bei dem man sich selbstbewusst und triumphierend auf die eigenen Schultern klopfen würde. Sie hielt ihren Auftritt für überzeugend. Komplett gelogen war es ja auch nicht.
Endlich erbarmte sich der Mann, mit dem klingelten Telefon, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Damit kehrte langsam die gewohnte Lautstärke des Büros zurück.
Sawara hingegen war skeptisch geblieben. Geholfen‹? Bei was? Beim Orgasmus bekommen? Hätte er jetzt gerne gefragt, verkniff sich aber lieber die Frage. „Äh, doch sicher, klar.“ Doch im Gegensatz zu Kyoko kaufte er ihr die Story nicht ab. Er kannte Ren gut genug, um zu wissen, dass auch er nur ein Mann war. Der erfahrene Talentmanager konnte sich das Ganze immer noch nicht vorstellen oder anders gesagt, er wollte es auch nicht. Besonders wenn er bedachte, dass Ren sie die erste Zeit überhaupt nicht leiden konnte. Nach etwas längerer Überlegungszeit kam er allerdings zu dem Ergebnis, dass sie Recht hatte. Es ging wirklich keinem, außer den beiden, etwas an. „Prinzipiell ist mir das auch egal und du hast da natürlich Recht, es geht niemanden etwas an. Nur du wirst dir zu dem Interview diese Frage gefallen lassen müssen. Bis dahin solltest du dir selbst irgendwas überlegen, wie du darauf reagierst. Oder du fragst Ren.“ …ob er dir wieder ›hilft‹ bei was auch immer…, hing er belustigt in seinen Gedanken an. Das Mädchen war immer für eine Überraschung gut. Dass sie eines Tages für so ein Gerücht herhalten würde, wäre ihm zu ihrer Anfangszeit bei LME nicht im verrücktesten Albtraum eingefallen. Doch langsam fing er an, diesem Gerede Glauben zu schenken.
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, merkte sie wie Getuschel im Büro, aus dem sie gerade kam, anfing. Gott was hatte sie da nur getan? Und warum straften sie alle zusätzlich, indem die Leute Kyoko seltsam anschauten?
Am frühen Abend war Kyoko bei Kuu Hizuri, wenigstens etwas Positivem an dem Tag und etwas worauf es sich lohnte zu freuen. Sie war gerade dabei, Reis für Kuu vorbereiten, als sie in ihrem endlosen Zweifel versank. Ob sie ihn zu den Problemen fragen konnte? Er wusste bestimmt Rat. Konnte sie ihn aber mit so etwas belasten? Außerdem schien er zum Thema noch nicht im Bilde zu sein und sie müsste ihm erst alles erklären. Er hatte vorhin, als Kyoko in seine Suite gekommen war, sie überhaupt nicht ausgefragt.
„Was schaust du so deprimiert? Solltest du nicht glücklich über die Aufmerksamkeit sein?“ Erschrocken drehte Kyoko sich um. Sie hatte Kuu gar nicht bemerkt. Wie lange stand er schon da? Instinktiv ohne über ihr Geschwätz zu denken, redete sie los: „Ich…ich habe übermorgen ein Interview.“
„Und? Gute Gelegenheit um bekannter zu werden und mit den Gerüchten aufzuräumen.“
Oh verdammt! Er wusste doch Bescheid. „Woher…?“
„Woher ich das weiß?“
Schüchtern und wie von selbst nickte sie nur. Doch die Antwort kannte sie bereits. Hören wollte Kyoko dies allerdings überhaupt nicht. Doch die Entgegnung musste unweigerlich kommen.
„Scheint ja gerade kein anderes Thema in Japan zu geben. Ihr stehlt mir zurzeit ein bisschen die Show!!!“, stellte Kuu nüchtern und leicht beleidigt fest.
„Ähh, aber … aber ich wollte diesen Trubel nicht und wie ich darauf reagieren soll weiß ich auch nicht! Und und …“
„Das ist ganz normal. Auch ich weiß bei einigen Themen nicht wie ich auf etwas antworten soll.“
Sie schaut fragend in seine Richtung. Ein so berühmter Star, wie er es ist, soll nicht wissen, wie man mit so einer Situation umgehen sollte? Er musste scherzen und sie auf den Arm nehmen wollen.
Auf ihr planloses Gesicht konnte er sie nur anlächeln. „In diesem Geschäft geht es um viel Aufmerksamkeit.“ Kuu steuerte auf den großen Tisch in der Küche zu und führte weiter aus: „Sehr viel Aufmerksamkeit und dem perfekten PR. Man muss das Umfeld zu seiner Bühne deklarieren. Denn als Schauspieler musst du das Talent haben verschiedene Charakteren darzustellen, aber zusätzlich die Fähigkeit besitzen, die Massenmedien für dich attraktiv zu gestalten.“
„Das wollte ich aber nicht! Nicht so! Außerdem scheinen die Medien mehr auf mich fokussiert zu sein als auf Tsuruga-san, obwohl doch er der Star ist und nicht ich! Das verstehe ich nicht!“ Ihr ganzer Körper war aufgeregt.
„Klar, als Star kann man sich wenigstens ein bisschen den Luxus mit der Presse erlauben, dass man es sich aussuchen kann, wem man ein Interview geben möchte. Indirekt können Sternchen damit also auch steuern, was gefragt werden darf. Unbequeme Fragen werden vorher ausgeschlossen. Wer sich nicht dran hält, bekommt bei der nächsten Anfrage halt einfach keine Interviews mehr. So einfach ist das an der Stelle.“
Kyokos Mentor setzte sich an den Tisch und wies sie mit einer Handbewegung an, dass sie ihm in der Essecke Gesellschaft leisten sollte. „Tsuruga-san ist einer der Gefragtesten, wenn nicht sogar zur Zeit DER gefragteste Schauspieler ganz Japans, da überlegen die Verlage sich dreimal ob sie ihn sauer machen und mit Fragerei nerven wollen.“
„Aber es gibt doch auch negative Schlagzeilen bei großen Stars!“
„Klar, anders würde das bei erwiesenen Tatsachen aussehen. Prominente sind keine Helden und auch nur Menschen. Auch sie können Fehler begehen. Da hilft dann auch der Startitel nichts."
Kuus Mine wurde ernst und in seinen Augen spiegelten sich tiefe Trauer wider. „So wie bei dem dunkelsten Kapitel in meinem Leben.“
Sein Blick war nach unten in die scheinbar unendliche Leere gerichtet. „Weißt du, als mein Sohn in einen schrecklichen Unfall verwickelt war, hat uns die Presse regelrecht auseinandergenommen. Man warf meiner Frau und mir vor, wenn wir für ihn öfters da gewesen wären, wäre dies alles nicht passiert. Ständig musste ich in der Zeitung lesen, was wir doch für schreckliche Eltern waren.“ Der erfahrende Schauspieler schluckte kurz, erst dann setzte er seinen Satz fort. „Ich habe noch heute Angst vor einer Frage in diese Richtung, weil ich nicht weiß, was ich dann erwidern soll.“
Seine Stimmung wurde wieder heller und sein stechender Blick fing Kyokos Augenkontakt auf. Er wollte sichergehen, dass die Botschaft bei ihr ankam. „Aber ich denke, dass macht einen Teil unseres Berufes auch aus. So schmerzhaft die Frage ist, man muss lächelnd mit erhobenen Haupt antworten. Und wenn du alle Zuschauer überzeugt hast, dass dich die Problematik nicht aus dem Konzept gebracht hat, dann bist du eine professionelle Schauspielerin. Dies ist die Königsdisziplin bei Stars und denen die es noch werden wollen. Denn bei einem Interview gibt es genau nur eine einzige Aufnahme.“
Kyoko bemühte sich zulächeln, doch es fiel ihr schwer. So schwer war es doch sonst nicht? Sie hatte Too-san an etwas Schreckliches erinnert. Das wollte sie nicht! Unbewusst schaute sie weg. In seine Augen konnte sie ihm nicht mehr sehen.
In diesem Moment kam ihr der Name von Kuus Sohn in den Sinn »Koun«. Unterdessen vermochte Kyoko, noch weniger Kuu ins Gesicht zuschauen. Sie fühlte sich hilflos, einen für sie wichtigen Menschen mit Trauer erfüllen zulassen.
Kuu bemerkte, dass das Gespräch sich in eine völlig andere Richtung entwickelte, in die er gehofft hatte. Wieso musste er auch so theatralisch ausholen? Seine zukünftige Schwiegertochter war weiterhin am Boden zerstört. Vielleicht konnte er mit einem Themawechsel die Situation auflockern. „Ganz gleich was ihr getan habt, aber bereust du es denn?“
Erschrocken von dem plötzlichen Wechsel schaute sie wieder auf Kuu und antwortete ihm pflichtbewusst: „Nein.“
„Also dann, warum so deprimiert?“
„Die Leute haben mich heute alle seltsam angestarrt, ich weiß nicht, ob ich damit wirklich einen guten Start in der Branche mache.“
Herzhaft fing Kuu an zulachen. Geschichten scheinen sich zu wiederholen.
„Soll ich dir erzählen, wie hier in Japan meine Frau aufgenommen wurde, als bekannt wurde, dass ich eine Amerikanerin heirate?“
„Wie?“„Ich sage es mal so: Ich war damals echt froh, dass sie kein japanisch versteht, so viel Hassnachrichten, welche an sie gerichtet waren und wie viel Eifersucht dabei war. Ich habe aber meine Entscheidung meine Frau zu heiraten, keine Sekunde lang bereut.“, Kuu stoppte seine Ausführung für einen kurzen Moment und überlegte. „Wobei, wenn sie mal wieder zur Dramaqueen wird, dann vielleicht. Dies kann sie nämlich hervorragend spielen!“
Kyoko musste ungewollt lächeln, er musste sich gut mit seiner Frau verstehen und sie über alles lieben.
„Sie muss eine wunderbare Frau sein.“
„Ja, das ist sie.“
In der Zwischenzeit entstand eine bedrückte Stille, die Kyoko nur ungern zu ordnen wusste. Sie hatte das Gefühl, ihrem Too-san könnte sie alles anvertrauen. „Aber, aber … ich glaube Tsuruga-san bereut es, denn er stand bestimmt nur unter Alkoholeinfluss!!“
„Hat er so einen betrunkenen Eindruck erweckt?“
„Ehh, nein. Eigentlich nicht.“
„Er war angetrunken, ja, aber in diesem Zustand hat man normalerweise noch alle Gehirnzellen beisammen.“
Mist! Das war nicht das, was sie hören wollte.
„Liebst du ihn denn?“
Nur ein schüchternes „ja“ kam ihr über die Lippen.
„Dann brauchst du dir keine Sorgen machen, was er sagen könnte. Er machte nicht den Eindruck, dass er mit jeder ins Bett geht. Du wirst schon etwas besonders für ihn sein. Die Einzigen die das klären können bist du und er. Gehe lieber zu ihm als hier zu sein.“ „Danke“
„Ist die denn nun total bescheuert dieses Flittchen!?“ Klirrende Geräusche sprangen durch den Raum, in dem sich der Musikstar Fuwa aufhielt. Sein Glastisch, an dem er bis vor ein paar Minuten saß und die Zeitung entspannt las, erlitt seine komplett aufgestaute Wut.
Erzürnt nahm er die Bentobox in die Hand, welche nun auf dem Boden lag und schmetterte sie mit ganzer Kraft an die nächstgelegene Wand. „Schlampe.“
Sho war wütend!
Rasend!
Wenn er könnte, würde er explodieren. Hier und jetzt! Mit aller Zerstörungskraft, die in ihm emporsteigt.
„Ist die doch mit dem Typen ins Bett gegangen!!!“
„Sho beruhige dich erst mal wieder.“ Versuchte ihn seine Managerin, erfolglos zu beschwichtigen.
„ICH BIN RUHIG!!!“
„Du weißt doch gar nicht, ob etwas zwischen den beiden gelaufen ist. Vielleicht übertreibt die Presse auch gerade mal wieder maßlos. Die beiden waren zusammen auf einem Zimmer? Das doch alles was die an Informationen haben. Da kann man eine Menge herein interpretieren. Du weißt doch selber, wie das läuft und wie viele Geschichten dir schon mit Frauen angedichtete wurden.“
Das stimmte! Verdammt! Daran hatte Shotaro noch gar nicht gedacht. Klar, wer würde so ein Mauerblümchen auch flachlegen wollen! Das er da aber auch nicht selber darauf gekommen ist!
Eine Stunde später stand Kyoko vor Rens Haustür. Sie brauchte eine gefühlte Ewigkeit um sich durch den Verkehr zu drängeln. Das großzügige Angebot von ihrem Too-san, sie mit einem Chauffeur bis zu ihm bringen zu lassen, hatte sie ausgeschlagen. Das bereute sie bereits kurze Zeit später. Denn so hatte sie viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Kam aber sowieso zu keinem Ergebnis. Kyoko traute sich nicht, zu klingeln. Was würde er ihr sagen? Dass sie das lieber vergessen sollte? Dass es nur ein Scherz von ihm war? Auch wenn Kuu sie versucht hat zu ermutigen, doch so richtig glauben wollte sie das Ganze immer noch nicht. Aber sie musste das jetzt endlich klären!
Zu ihrer Enttäuschung musste sie feststellen, dass Tsuruga-san nicht da war. Oder vielleicht war es auch besser? Beunruhigt griff Kyoko ihr Handy und wählte seine Nummer. Doch nur der Anrufbeantworter sprach mit ihr. Den Tränen nahe brach sie die automatische Antwort ab. So wollte sie nicht mit ihm reden.
Bestimmt war er auch da, machte nur nicht auf, sondern ignorierte sie jetzt. Ja bestimmt! Kyoko seufzte tief. Nein! So etwas würde er nicht machen. Voller Hoffnung schrieb sie ihm eine Nachricht, dass sie mit ihm reden muss. Nun gab es kein Zurück mehr. Doch egal was er zu sagen hat, heute wollte sie es definitiv nicht mehr hören.
Müde kam Kyoko am Montag am Set von »Box R« an. Sie konnte kein Auge schließen. Zu viele Gedanken schwirrten gerade um sie herum. Im Stundentakt schaute sie auf ihr Smartphone, in der Hoffnung, Tsuruga-san würde ihr antworten oder sogar anrufen. Nun war es früh am morgen und eine Antwort von ihm hatte sie immer noch nicht.
Böse Blicke musste sie über sich ergehen lassen. Sie ahnte wieso. Nur einer war an diesem Tag froh sie zu sehen. Der Regisseur kam freudestrahlend auf Kyoko zu und verkündete die blendenden Einschaltquoten von »Box R« vom Vortag. Für Kyoko nur ein schwacher Trost, aber wenigstens einer freute sich über ihre Misere.
Düstere Energie lag in der Luft. Die Mordlust der eifersüchtigen Frauen ausweichend, kam die angehende Schauspielerin nur schleppend voran. Als sie in der Umkleide ankam, begrüßte sie Chiori, das Love-Me-Mitglied Nr. 3 herzlich.
„Sag mal, lief da wirklich was zwischen dir und ihm?“
Nicht mal Zeit zum Verschnaufen bliebt ihr in der Umkleide! Das war wirklich zum Haare raufen.
„Nein. Das sind nur Gerüchte.“
Vom Gesprächsthema angelockt, standen zwei weiteren Frauen in der Tür zur Umkleidekabine. Sie wollten nichts verpassen und fragten noch mal nach:
„Ist Tsuruga-san jetzt vergeben?“
Wut kochte in Kyoko hoch. So langsam fing die Fragerei wirklich an zu nerven!
„Nein! Natürlich nicht. Wir sind uns nur im Flur begegnen und sind ins Gespräch gekommen, weswegen ich ihn auf sein Zimmer begleitet habe. Er wollte nämlich duschen! Was ist daran bloß falsch?“
Das zierliche Mädchen hoffte damit, endlich die Zweifel ausgeräumt zu haben. Musste aber feststellen, dass die anderen Mädchen sie aus einer Mischung von Ehrfurcht, Staunen und Neid anschauten.
„Ihr wart zusammen duschen?!“, fragte eine neugierige perplex.
„Nein!!!!!“, quietschte Kyoko.
„Echt nicht? Das ist wirklich schade.“
„Wieso schade? Ich habe den Frauenmob hinter mir her!“
Amüsiert prustete Chiori los und kicherte lautstark, sie fand Kyokos genervten Antworten zu komisch.
„Viele wäre gerne in deiner Situation. Du bist jetzt durch Tsuruga-san bekannter als so manch andere. Da kommt schnell Neid auf.“
„Danke, aber auf den Stress könnte ich wirklich verzichten!“
Sie wollte das Thema abbrechen nur wie? Es sollte nicht weiterausarten.
Eine der anderen Frauen unterbrach Kyoko in ihren Gedanken und schwelgte unüberhörbar in ihrem Hirngespinst: „Aber wirklich schade, dass nichts lief. Tsuruga-san soll echt gut beim Küssen sein!“
Das stimmt! Der Kuss von ihm erzeugte Lust auf mehr und machte abhängig. Der bloße Gedanke daran, erzeugte eine Gänsehaut.
Doch die Tatsache, dass sie die Leute anlügte gefiel ihr nicht. Nur die Wahrheit sagen, das wollte sie auch nicht.
„Und sein bestes Stück soll auch nicht zu verachten sein.“
„Aha“, versuchte Kyoko, sich die aufkommenden Gedanken von der Nacht mit Ren zu verdrängen. Doch egal wie sehr sie es versuchte, ihr Herz fing wieder wild an zu klopfen.
Erst als ein anderes Mädchen vom Set in die Umkleidekabine gestürmt kam, wurde Kyoko wieder bewusst, dass sie nicht alleine war.
„Hey Kyoko-chan, cool dass du mit Tsuruga-san zusammen bist. Ich habe jetzt total viele Aufträge bekommen, durch die Aufmerksamkeit von »Box R«!!“
„Ich bin nicht mit ihm zusammen ...“
So schnell wie sie aufgetaucht war, so schnell verschwand sie auch wieder. Entgeisterte schaute Kyoko zu Chiori, „Aber… aber sie hat das gesagt, als sei es erwiesene Tatsache!“
„Ich würde mal behaupten: So entstehen Gerüchte.“
Schweigend saß Kyoko alleine auf Rens gemütlichen Sofa. Alleine. Der große Star war in der Küche verschwunden und bereitete ihr einen heißen Tee zu.
Sie fühlte sich alles andere als wohl. Als er auf ihre Nachricht antwortete, hatte sie mit mehr Reaktion von ihm gerechnet. Doch die Antwort, mit der er im Laufe des Tages geantwortet hatte, war knapp und nur mit einer Uhrzeit versehen. Auch nachdem sie seine Wohnung betrat, konnte das Mädchen seine Stimmung nur schwer deuten. Weden positiv noch negativ. Es schien, als versuchte er, ihr besonders neutral gegenüberzutreten. Dieses Verhalten hemmte Kyokos Tatendrang mit ihm, über diese besondere Situation zusprechen.
„Also Mogami-san, du wolltest mit mir etwas Wichtiges besprechen?“
Kyoko erschrak. Erfolgreich hatte er es wieder geschafft, sie aus den Gedanken zu reißen. Sofort waren ihre mühsam zurechtgelegten Antworten wie wegeblassen.
„Jaa! Ich… ich ...“
Natürlich war ihm klar, worum es ging. Doch auch ihm fiel es schwer damit umzugehen, war dies auch kein alltäglicher Umstand für ihn. Gelassen stellte der junge Mann Kyoko ihr den heißen Tee auf den Tisch, vor dem sie saß. Gerne würde er irgendetwas Sinnvolles sagen. Doch er kam zu keinem Ergebnis, wie er das Thema gekonnt anfangen könnte. Er war schon überrascht, dass Kyoko das Gespräch suchte. Darauf war er nicht gefasst. Hoffentlich bemerkt sie nicht, wie aufgeregt er war und wie laut sein Herz pochte! Das wäre das Letzte, was er wollte. Einfach ruhig bleiben! Sich nichts anmerken lassen. Dann hat es sicher auch Mogami-san einfacher.
Kyoko dagegen wurde immer unruhiger. Seine gelassene Art verärgerte sie mehr. War sie für ihn nichts weiter als ein Spiel? War er deswegen so gefasst? Was verdammt noch mal, hat sie sich nur dabei gedacht, dass er mehr in ihr sehen könnte? Und was zum Teufel tat sie hier? Kyoko bliebt die Luft zum Atmen weg.
Wie aus heiterem Himmel ergriff Ren das Wort: „Ich habe alles ernst gemeint, was ich gesagt habe, an dem Abend. In der Presse habe ich mich nicht geäußert, weil ich nicht wusste, wie du das siehst. Doch egal wie du darüber denkst: Ich werde mich nach dir richten.“
Das zierliche Mädchen sah wie in Trance auf den, vor ihr stehenden Couchtisch nach unten. Das konnte sie nicht glauben. Das alles wäre wie ein wahrgewordener Märchentraum.
Da hatte Ren mit einer anderen Reaktion von ihr gerechnet. Warum sagte sie nichts? War das zu schnulzig? Wollte sie das nicht hören? War das zu forsch? Verdammt! Er würde sie so gerne jetzt küssen! Das war so fest in seinem bereitgelegten Plan verankert. Doch nun war er sich nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre. Sie hat das sicher nur falsch verstanden: „Egal was, wir müssen uns nur auf eine Variante einigen.“
Noch immer antwortete Kyoko nicht. Das sie nicht reagierte verunsicherte Ren mehr und mehr.
„Ich ... ich möchte ... ich möchte Sie nicht als Sprungbrett für meine Karriere benutzten! Meine Gefühle für Sie haben nichts in der Presse verloren.“ Erst jetzt konnte sie ihre Stimme und Gedanken wiederfinden. Sie öffentlich mit Ren? Niemals! Karriere und Privates strickt voneinander trennen, ist die Devise!
„Ich möchte es aus eigener Kraft nach oben schaffen!“
„Deinen Wunsch kann ich verstehen. Ich werde mich auch daran halten nichts der Presse zu sagen.“
Das Geständnis von Kyoko ließ auch Rens Herz etwas zur Beruhigung kommen. Mit seinem herzlichsten Lächeln schaute er zu Kyoko.
„Ich habe wirklich die Wahrheit im Hotelzimmer gesagt, ich liebe dich.“
Seine Worte erreichten ungefiltert ihr kaltes Herz. Sie hatte es lange versucht vor Gefühlen für ihn zu beschützten. Nur jetzt gab es kein Zurück mehr. Tränen suchten die Freiheit aus ihren Augen.
Verdammt warum immer in den ungelegensten Momenten, so nah am Wasser war sie doch sonst nicht. Mit ihrem Arm wischte sie vereinzelnde Tränen weg.
Ren verstand ihre Reaktion nicht. Hatte er etwas Falsches gesagt? Vorsichtig fragte er nach: „Habe ich was Falsches gesagt?“
Kyoko blieben die Worte im Hals stecken. Sie konnte nur ihren Kopf schütteln.
Nur ein wasserreiches „ichhh…. au..ch…“ kam aus ihr heraus.
Der große Schauspieler war erleichtert, beugt sich zu ihr runter und wischte ihr eine Träne weg. Danach küsste er sie. Ihr Lippen schmeckten salzig. Doch es war ein wunderbares Gefühl.
Ein ähnliches Erlebnis wie im Hotelzimmer wollte er nur nicht noch mal riskieren. Das würde Kyoko wohl noch überfordern.
Schweren Herzens setzte er sich neben Kyoko auf die Couch. Es war nun ruhig in der großen Wohnstube des Schauspielers. Er musste das Thema wechseln! Nur wohin?
„Ich dachte, du bist jetzt jeden Abend eigentlich bei Hizuri-san?“
„Ja, er ermutigte mich, zu Ihnen zu gehen.“
„Warum schaust du dann so traurig?“
„Ich habe gestern Kuu-san, an eine schreckliche Sache mit seinem Sohn erinnern. Das wollte ich nicht. Ich habe gar nichts darauf geantwortet. Ich war nur mit mir beschäftigt.“
Überfordert mit der Situation, war Ren nicht im Stande etwas zusagen.
„Er muss seinen Sohn sehr lieben. Er heißt auch Koun. Ich glaube, Sie haben mit Too-sans Sohn einiges gemeinsam.“
So langsam nahmen Kyokos Gedankengänge keine gute Wendung ein.
„Ach ja?“
„Ja, beide großherziger Mensch.“
Langsam kullerten vereinzelt Tränen über Kyokos Wangen.
„Aber ich liebe Sie.“ Mit ihrem Arm wischte sie ihre einzelnen Tränen weg. Hoffentlich bekam er es nicht mit. Auch wenn sie keine große Hoffnung sah.
Freudestrahlend hüpfte Kyoko in das Gasthaus ihrer Unterkunft. Dort erwartete die Herrin des Hauses, Okami-san sie bereits. Von Ihr erfuhr sie, dass Shotaro ihr auflauerte und sich bereits im Haus eingenistet hatte. Es war spät und er hatte wieder nichts Besseres zutun als Kyoko auf die Nerven zu gehen.
Ihre Stimmung kippte von dem einen positiven Extremen zum anderen negativen Extrem. Wie schaffte der Typ es nur, mit seiner bloßen Anwesenheit für miese Stimmung zu sorgen?
Erbost stapfte sie mit schweren Schritten in den Empfangsraum. Dort wurde sie sofort von Shotaro angegiftet: „Wo bleibst du denn solange?“
„Was geht dich das was an?“, Kyoko verschränkte genervt ihre Arme. Dabei merkte sie nicht, wie rot ihre Wangen anliefen, weil sie dadurch automatisch an Ren erinnert wurde.
„Also sind die Gerüchte wahr und hast dich endlich flachlegen lassen? Glückwunsch dazu!!!“
„Nein! Die Leute denken sich immer nur einen Mist aus.“
„Ach ja? Du warst also nicht bei ihm? Wo warst du dann?“
„Noch mal, das geht dich nichts an!“ Langsam ging der Typ zu weit! Was bildete er sich ein! Er sollte so schnell wie möglich gehen.
„Wir sind Sandkastenfreunde, klar geht mich das was an. Außerdem wollte ich sehen, wie er mit dir langweiligen Frau spielt und ob er wirklich so gut ist, wie die Gerüchte immer sagen.“
Sein Geschwafel über Ren machte Kyoko rasend!
„Sollen sich die Leute über mich lustig machen aber nicht über Tsuruga-san!“
„Was? Also warst du doch bei ihm!!!“
„Nein!“
„Wo warst du dann?“
„Lass mich endlich in Ruhe, ich habe heute viel zu gute Laune um dir etwas zu sagen. Außerdem noch mal: Was geht es dich an, was ich mit ihm gemacht habe?“
Sho verringerte die Distanz zu Kyoko immer weiter. Bis er direkt vor ihr stand. Verunsichert versuchte die Schauspielerin Entfernung gut zumachen. Der Sänger beugte sein Kopf in Richtung Kyokos und flüsterte ihr ins Ohr: „Du riechst nach Männerparfum.“
Außer sich vor Wut scheuerte sie ihm eine.
„Ich bereue nichts!!!“
Was? Also waren die Gerüchte doch wahr? Das kann nicht sein! Dieser Scheißkerl!! Dieser Scheißkerl! Dieser SCHEIßßKERRRRRRRRRRRL! Von so einem Muttersöhnchen lässt er sie sich nicht wegnehmen. Das wird er noch bereuen, dass er sie angefasst hat!