Scherbenmeer
von Queen Red
Kurzbeschreibung
Red wird mit einem sehr schmerzlichen Teil ihrer Vergangenheit konfrontiert. Eine Frau, für die sie alles, wirklich alles getan hätte, wird nach Litchfield gebracht. Sie öffnet sich Piper, die ihr loyal zur Seite steht. Doch es ist nicht so, wie Red denkt....
GeschichteSchmerz/Trost, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Alex Vause
Galina "Red" Reznikov
OC (Own Character)
Piper Chapman
24.06.2017
01.08.2018
5
9.911
4
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27.06.2017
2.213
Es vergingen ein paar Tage. Tash hatte sich eingelebt und arbeitete auf der Krankenstation des Gefängnisses.
Red und sie gingen sich aus dem Weg, so gut es ging. Piper und Alex erwiesen sich als wunderbare Stützen für die Red. Auch ihre Arbeit, vielmehr mittlerweile ein ehrliches Hobby, lenkte sie ab. Gemeinsam mit Norma hatte sie einen größeren Kräutergarten angelegt.
Und trotzdem war sie gerade in ihren Gedanken versunken. Sie saß auf einem großen Eimer und starrte vor sich hin.
Was hatte Tash dazu bewogen, sie zu verlassen? Sie waren doch so glücklich gewesen! Sie hatten Pläne gehabt. Ein Leben in Frankreich hatten sie sich ausgemalt. Ein kleines Häuschen mit Garten. Jeweils ein eigenes Zimmer für Reds Söhne, vielleicht ein kleines Restaurant…..
Zwei Hände wedelten vor ihrem Gesicht.
„Erschrick mich doch nicht so, Norma“, sagte Red und griff sich an den Kopf.
Ihre beste Freundin schnappte sich ihren Stift und ihren Notizblock und schrieb.
„Wo warst du gerade? Du hast mich überhaupt nicht bemerkt.“
„Ich habe an meine Söhne gedacht. Sie fehlen mir gerade sehr“.
„Du lügst“, lautete die schriftliche Antwort.
Erwischt. Red sah ihre Freundin erschrocken an.
„Ich..ich werde es dir irgendwann erzählen, Norma. Irgendwann. Aber ich kann es jetzt gerade nicht.. Verstehst du das“?
Norma nickte.
„Ich bin für dich da, ich werde immer an deiner Seite sein. Wann immer du mich brauchst“.
Red war ehrleichtert. Zumindest war Norma nicht sauer auf sie.
Am Abend klebte Red den Zettel gut sichtbar an die Wand neben ihrem Bett.
Ihr Rücken schmerzte erbarmungslos, als sie sich auf den Weg ins Bad machte. Warmes Wasser half, die Schmerzen wenigstens ein bisschen zu lindern.
In der Dusche fiel ihr prompt ihr Duschgel herunter.
„Fuck…Mist…“ fluchte sie leise.
„Red“?
Verfickte Scheiße. Auch das noch.
„Ja. Es ist alles in Ordnung“.
Red hörte, das sich ihre Ex-Freundin näherte und schloss gequält die Augen.
„Wirklich“?
„Ja, und jetzt verschwinde“!
Tash ging. Sie murmelte noch etwas auf russisch, aber Red hatte sie nicht verstanden.
Es dauerte nicht lange und Daya kam herein.
Was zum Teufel machte eine der Latinas in ihrem Bad?
„Hey. Kann ich hier duschen? Mir ist dieses Rudelduschen bei uns echt gerade zuviel“.
Na wenigstens fragte sie. Red nickte ihr zu.
„Alles okay mit dem Baby“?
„Ja, es ist alles so wie es sein sollte. Und bei dir? Du stehst da wie angeklebt.“
„Mir ist mein Duschgel runtergefallen. Und wegen meinem gottverdammten Scheißrücken komm ich nicht dran“.
„;Mensch, sag das doch gleich!“
Daya zog den Vorhang etwas zurück, bückte sich und angelte sich Reds Duschgel.
„Du bist schwanger“.
Daya lachte.
„Ja, schwanger und nicht krank. Und so groß ist der Bauch ja noch nicht. Ist wirklich alles okay bei dir? Oder soll ich vielleicht Alex und Piper holen? Sie helfen dir bestimmt“.
„Meine Mädchen tun wirklich genug für mich.“
„Na gut, wenn du meinst. Zur Not bin ich ja auch noch da“
Die junge Frau stellte sich in die Dusche neben Red und genoss das warme Wasser.
Auch Red kam jetzt voran Langsam zwar, aber es klappte.
Als Daya ging, sagte sie „Meine Mama sagt, Chili hilft bei Rückenschmerzen. Wenn du was brauchst, sag es einfach. Dann bring ich dir was“.
„Das ist wirklich sehr nett von dir, Daya. Aber ich bin versorgt.“
Tatsächlich hatte die Dusche etwas geholfen.
„Hey, die Post war da. Ich hab deinen Brief für dich angenommen. Keine Sorge, ich hab nicht reingeguckt“, begrüßte Piper sie und reichte ihr den Brief.
„Danke“. Red setzte sich auf ihr Bett und las den Brief. Dabei war ein Foto eines Säuglings.
„Ich bin Oma, Piper. Jetzt werde ich wirklich alt“.
Nicht ohne stolz zeigte sie Piper das Foto ihrer Enkelin. Sie hieß Valeska. So hatte ihre Mutter geheißen.
Red weinte schon wieder. Aber diesmal vor Freude.
Am nächsten Morgen ging sie alleine ins Gewächshaus. Norma war es ganz und gar nicht gut gegangen. Argwöhnisch hatte Red Tash dabei beobachtet, wie sie Norma in ihrer Bucht erstversorgt und schließlich mit auf die Krankenstation genommen hatte.
Die Arbeit tat ihr gut. Sie musste lächeln als sie zwischen dem Koriander und dem Basilikum ein kleines Päckchen mit Chilipulver fand.
Nach ihrer Mittagspause ging sie wieder zurück in die Bucht. Ihr Sohn hatte seinen Besuch angekündigt. Mit der neu geborenen Enkelin. Nicht so schön war ein Streit mit Nicky gewesen. Die Russin ahnte, das die junge Frau wieder Drogen konsumierte.
Sie bemerkte gar nicht, wie es langsam dunkel wurde. Und mit der Dunkelheit näherte sich das Unheil.
Tash hatte gerade ihre Arbeit für heute beendet und beschloss, bei Red im Gewächshaus vorbei zu gehen. Sie wollte sich endlich erklären!
Sie verließ die Krankenstation und machte sich auf den Weg nach draußen. Trotz der Dunkelheit brannte im Gewächshaus kein Licht. Merkwürdig. Und plötzlich beschlich sie ein ungutes Gefühl. Ihr Magen schnürte sich zu. Irgendetwas stimmte nicht.
Sie begann zu rennen. Ihr Herz schlug bis zum Hals
Atemlos riss sie die Tür zum Gewächshaus auf und knipste das Licht an.
„Oh Gott“!
Red lag wimmernd am Boden.
Sie rannte zu ihr, ließ sich neben sie fallen.
„Red, kannst du mich hören“?
Red nickte mühsam und schrie gequält auf, als Tash ihren Rücken berührte.
„Wer war das? Wer hat dir das angetan“?
„Nicky….es war Nicky….“
„Ich bring diesen abgefuckten Junkie um“!
„Hilf mir…bitte“
„Natürlich helfe ich dir. Ich komm gleich wieder. Ich muss Hilfe holen.“
„Tash bitte bleib….“
„Ich bin gleich wieder da, ich verspreche es dir! Ich hole nur Hilfe“.
Sie strich Red eine Haarsträhne aus dem Gesicht und machte sich ein erstes Bild von den Verletzungen.
„Tash…“
„Ja…..“
„Du weißt nicht, wer es war…“
„Das kannst du nicht von mir verlangen“!
„Bitte….wenn dir nur ansatzweiseleid tut, was du mir angetan hast…dann tu was ich dir sage“.
„Fuck! Ich bin gleich wieder da. Versprochen! Ich lass dich nie wieder hängen Red, nie wieder“!
Tash eilte davon. Es dauerte nicht lange und Red hörte die Sirene heulen, die ein Sonderfall bedeutete.
„3 gebrochene Rippen, diverse Prellungen an Rücken, Knie, Oberschenkel und Schienbein, eine Gehirnerschütterung…wer immer das auch wer, er hat mächtig zugelangt.“
Tash warf einen Blick auf die Röntgenbilder.
„Scheiße…“ sagte sie leise.
„Und sie wissen wirklich nicht, wer das war“? fragte der Arzt sie.
„Nein. Keine Ahnung, ich habe sie so gefunden.“
„Wie auch immer. Wir werden eine Nachtschicht einlegen müssen. Norma wäre allein zurecht gekommen. Aber eine Frau mit solchen Verletzungen….“
„Gehen Sie nach Hause, Doc. Ich bleibe hier.“
Der Doc sah seine neue Krankenschwester an.
„Nun gut. Im Notfall lassen Sie mich rufen.“
„Na klar“.
Tash richtete sich gerade ihr Nachtlager, als ihr einfiel, das sie gar nichts bei sich hatte. Sie betätigte die Rufanlage, die sie mit dem Hafthaus verband.
„Benett, hallo“?
„Tash Kalinowski. Ich habe ein kleines Problem. Ich bleibe heute Nacht ja auf der Krankenstation und ich hab hier gar nichts.“
„Ich lasse Ihnen ein paar Sachen für die Nacht bringen. Brauchen Sie sonst noch was“?
„Was zu essen wäre nicht schlecht. Völlig egal was, Hauptsache was zu essen“.
„Gut. Es wird gleich jemand kommen“.
„Vielen Dank“.
Es dauerte vielleicht zehn Minuten, dann stand Alex in Begleitung von Benett im Raum.
„Heilige Scheiße“, sagte Alex leise, als sie die schlafende Red sah.
„Danke für die Sachen“.
„Bitte. Kümmer dich gut um sie, ja“?
„Das verspreche ich dir, so wahr ich hier stehe“.
„Gut. Alles andere würde dir auch Probleme machen“.
Alex‘ Stimme hatte etwas bedrohliches.
Die junge Frau ging auf Red zu und küsste sie auf die Stirn.
„Im Moment ist sie vollgepumpt mit Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Morgen wird es ihr vielleicht schon etwas besser gehen“, sagte Tash leise.
„Wenn ich den finde, der ihr das angetan hat…..“
„Vause, es ist Zeit zu gehen“. Benett hatte sich zu Wort gemeldet.
Alex küsste Red noch einmal auf die Stirn. Ganz sanft und vorsichtig, als hätte sie Angst, Red zusätzlich zu verletzen.
Dann nickte sie Tash zu und sie verschwanden.
In der Nacht merkte Tash instinktiv, das Red wach war. Sie schälte sich aus ihrem Bett und ging zu Reds Bett hinüber.
„Ich mach jetzt das Nachtlicht an. Erschrick nicht“.
Sie schaltete das Licht an.
Red liefen Tränen übers Gesicht.
„Ich geb dir ein Schmerzmittel. Moment. Der Doc hat mir ne ganze Menge bereit gelegt.“
Red hielt sie fest, was sie eine Menge Kraft kostete
„Soll ich vielleicht woanders schlafen? Es liegt an mir, oder“?
Red schüttelte mit dem Kopf.
„Es ist das Herz, das gerade leidet, oder? Das Herz und die Seele“.
Red nickte.
„Ich verstehe. Magst du vielleicht was essen? Alex und Benett haben uns eine Menge vorbeigebracht.“
„Nein.“
„Soll ich einfach hier sitzen bleiben“? Ob wohl sie es gerne getan hätte – Tash wagte es nicht, Red zu berühren. Es zerriss ihr das Herz, sie weinen zu sehen.
„Diese verdammten Drogen. Nicky war total drauf, als sie mir das angetan hat“.
Tash schluckte.
„Es tut ihr bestimmt schon leid“, erwiderte Tash, um etwas gesagt zu sagen.
„Sie wäre bestimmt schon hier gewesen, wenn es ihr leid tun würde“.
In Sturzbächen liefen der sonst so kühlen Russin über die Wangen.
Tash näherte sich ihr vorsichtig.
Sie nahm Reds linke Hand und strich sanft darüber.
„Ich habe nicht gut genug auf sie aufgepasst. Es ging ihr schlecht und ich habe es nicht gesehen“, schluchzte Red und griff sich schmerzerfüllt an die Rippen.
„Komm her.“
Kraftlos sank Red in die Arme ihrer Ex-Freundin.
„Alles wird gut“, flüsterte sie und streichelte ihr die Haare, den Rücken. Es fühlte sich wie früher an.
Am nächsten Morgen fand der Doc Tash schlafend an Reds Bett vor. Auch Red schlief noch. Tashs Kopf lag auf Brusthöhe, sie hielt Reds Hand.
Er legte seine Hände auf Tashs Schultern, die sofort hochfuhr.
Am liebsten hätte sie vor Schmerz geschrien. Ihre Liegeposition war nicht gerade gesund gewesen.
„Guten Morgen. Wie war die Nacht, Tash“?
„Lang,“ antwortete Tash trocken und streckte sich.
„Hatte sie Schmerzen“?
„Gegen 3 Uhr habe ich ihr eine Ibuprofen 800 gegeben. Getrunken hat sie gut, gegessen gar nichts“.
„Gut. Gehen Sie duschen und dann legen Sie sich hin. Ich brauche sie erst am Nachmittag“.
„Ich will aber bei Red bleiben“.
„Das ist eine Dienstanweisung.“
„Na gut.“
Sie kam gerade pünktlich zum Frühstück. Müde ließ sie sich neben Alex fallen
„Guten Morgen, Super-Nurse. Wie war die Nacht.“
„Sehr lang. Wenig Schlaf. Red schläft noch.“
„Habt ihr geredet“?
„Nicht über uns. Alex, ich würde dir gerne alles erklären. Dir und Piper. Kann man sich hier irgendwo ungestört unterhalten“?
„Wir sind hier im Knast, Schätzchen“.
„Das weiß ich“.
„Bleib mal locker. Um 9 Uhr in der Kapelle“?
„Okay.“
Pünktlich um 9 Uhr erschien sie in der Kapelle. Alex und Piper warteten bereits auf sie.
„Also…wie ihr wisst, habe ich Red damals verlassen. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich heute noch mit ihr zusammen. Vielleicht wären wir eine richtige Regenbogenfamilie. Das Datum unserer Flucht war festgesetzt. Ein paar Tage vorher muss mein Ex-Mann uns auf die Spur gekommen sein. Er bedrohte Red und ihre Söhne mit dem Tod. Ihre einzigste Chance zu überleben wäre, wenn ich das Land sofort verlasse. Er gab mir Geld. 25.000 Dollar. Der hatte Reds Konto leergeräumt.
Scheiße man, ich wollte Red und ihre Jungs doch nur schützen! Ich hab sie doch so geliebt, alle vier!“
Tränen kamen Tash. Alex und Piper waren sofort zur Stelle.
„Als ich in Deutschland angekommen war, stellte ich fest, das ich schwanger bin. 7 Monate später hab ich Galina auf die Welt gebracht“.
„Du hast deine Tochter nach Red benannt“? fragte Piper leise. Sie war hörbar gerührt.
„Red war meine große Liebe. Ach was sag ich, sie ist es immer noch! Ich habe sie nie vergessen. Ich hatte Beziehungen, ja. Aber die haben nie lange gehalten, weil ich mich bei Männern nie richtig wohl gefühlt habe. Und alle Frauen habe ich mit Red verglichen“.
„Das muss ein Riesenschock für dich gewesen sein, als du sie wiedergesehen hast,“ sagte Alex leise. Die beiden Frauen waren sichtbar getroffen von dem, was sie gerade erfahren hatten.
„Na klar. Ich schwöre euch, wenn das alles nicht passiert wäre, dann säßen wir jetzt nicht in diesem Knast. Vielleicht wären wir noch in Deutschland. Vielleicht hätten wir ein Restaurant, so wie Red es sich so sehr gewünscht hat…“
„Oh man…das ist alles ein Riesenhaufen Scheiße….“ Murmelte Alex
„Als ich sie im Gewächshaus gefunden habe…das war der schwärzeste Augenblick meines Lebens. Mein Herz tat so weh….“
„Alles wird gut. Ganz bestimmt“, sagte Piper und strich Tash eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Vielleicht habt ihr ja noch eine Chance“, sagte Alex und lächelte Tash aufmunternd an.
„Das wäre schön“.
Gegen Nachmittag kam Tash wieder auf die Krankenstation.
„Da ist sie ja wieder, meine persönliche Krankenschwester“.
„Wie fühlst du dich, Red“?
„Naja, ich musste vorhin mal niesen. Ich dachte, mein Körper explodiert gleich“.
„Oh je. Kann ich sonst noch was für dich tun“?
„Knntest du mir eine Waschschüssel bringen? Und danach ein bisschen Papier, einen Kugelschreiber und Umschläge. Ich möchte meinen Mädchen Briefe schreiben“.
„Klar. Ich helf dir beim waschen.“
„Du kannst nicht mal richtig sitzen. Überwinde deinen Stolz, Red.“
„Also gut“.
Sie blieb wieder über Nacht auf der Krankenstation.
Sie lagen in ihren Betten und starrten an die Decke. Sie spürten, das die jeweils andere wach war. Der Raum war voll von unausgesprochenen Dingen.
Red und sie gingen sich aus dem Weg, so gut es ging. Piper und Alex erwiesen sich als wunderbare Stützen für die Red. Auch ihre Arbeit, vielmehr mittlerweile ein ehrliches Hobby, lenkte sie ab. Gemeinsam mit Norma hatte sie einen größeren Kräutergarten angelegt.
Und trotzdem war sie gerade in ihren Gedanken versunken. Sie saß auf einem großen Eimer und starrte vor sich hin.
Was hatte Tash dazu bewogen, sie zu verlassen? Sie waren doch so glücklich gewesen! Sie hatten Pläne gehabt. Ein Leben in Frankreich hatten sie sich ausgemalt. Ein kleines Häuschen mit Garten. Jeweils ein eigenes Zimmer für Reds Söhne, vielleicht ein kleines Restaurant…..
Zwei Hände wedelten vor ihrem Gesicht.
„Erschrick mich doch nicht so, Norma“, sagte Red und griff sich an den Kopf.
Ihre beste Freundin schnappte sich ihren Stift und ihren Notizblock und schrieb.
„Wo warst du gerade? Du hast mich überhaupt nicht bemerkt.“
„Ich habe an meine Söhne gedacht. Sie fehlen mir gerade sehr“.
„Du lügst“, lautete die schriftliche Antwort.
Erwischt. Red sah ihre Freundin erschrocken an.
„Ich..ich werde es dir irgendwann erzählen, Norma. Irgendwann. Aber ich kann es jetzt gerade nicht.. Verstehst du das“?
Norma nickte.
„Ich bin für dich da, ich werde immer an deiner Seite sein. Wann immer du mich brauchst“.
Red war ehrleichtert. Zumindest war Norma nicht sauer auf sie.
Am Abend klebte Red den Zettel gut sichtbar an die Wand neben ihrem Bett.
Ihr Rücken schmerzte erbarmungslos, als sie sich auf den Weg ins Bad machte. Warmes Wasser half, die Schmerzen wenigstens ein bisschen zu lindern.
In der Dusche fiel ihr prompt ihr Duschgel herunter.
„Fuck…Mist…“ fluchte sie leise.
„Red“?
Verfickte Scheiße. Auch das noch.
„Ja. Es ist alles in Ordnung“.
Red hörte, das sich ihre Ex-Freundin näherte und schloss gequält die Augen.
„Wirklich“?
„Ja, und jetzt verschwinde“!
Tash ging. Sie murmelte noch etwas auf russisch, aber Red hatte sie nicht verstanden.
Es dauerte nicht lange und Daya kam herein.
Was zum Teufel machte eine der Latinas in ihrem Bad?
„Hey. Kann ich hier duschen? Mir ist dieses Rudelduschen bei uns echt gerade zuviel“.
Na wenigstens fragte sie. Red nickte ihr zu.
„Alles okay mit dem Baby“?
„Ja, es ist alles so wie es sein sollte. Und bei dir? Du stehst da wie angeklebt.“
„Mir ist mein Duschgel runtergefallen. Und wegen meinem gottverdammten Scheißrücken komm ich nicht dran“.
„;Mensch, sag das doch gleich!“
Daya zog den Vorhang etwas zurück, bückte sich und angelte sich Reds Duschgel.
„Du bist schwanger“.
Daya lachte.
„Ja, schwanger und nicht krank. Und so groß ist der Bauch ja noch nicht. Ist wirklich alles okay bei dir? Oder soll ich vielleicht Alex und Piper holen? Sie helfen dir bestimmt“.
„Meine Mädchen tun wirklich genug für mich.“
„Na gut, wenn du meinst. Zur Not bin ich ja auch noch da“
Die junge Frau stellte sich in die Dusche neben Red und genoss das warme Wasser.
Auch Red kam jetzt voran Langsam zwar, aber es klappte.
Als Daya ging, sagte sie „Meine Mama sagt, Chili hilft bei Rückenschmerzen. Wenn du was brauchst, sag es einfach. Dann bring ich dir was“.
„Das ist wirklich sehr nett von dir, Daya. Aber ich bin versorgt.“
Tatsächlich hatte die Dusche etwas geholfen.
„Hey, die Post war da. Ich hab deinen Brief für dich angenommen. Keine Sorge, ich hab nicht reingeguckt“, begrüßte Piper sie und reichte ihr den Brief.
„Danke“. Red setzte sich auf ihr Bett und las den Brief. Dabei war ein Foto eines Säuglings.
„Ich bin Oma, Piper. Jetzt werde ich wirklich alt“.
Nicht ohne stolz zeigte sie Piper das Foto ihrer Enkelin. Sie hieß Valeska. So hatte ihre Mutter geheißen.
Red weinte schon wieder. Aber diesmal vor Freude.
Am nächsten Morgen ging sie alleine ins Gewächshaus. Norma war es ganz und gar nicht gut gegangen. Argwöhnisch hatte Red Tash dabei beobachtet, wie sie Norma in ihrer Bucht erstversorgt und schließlich mit auf die Krankenstation genommen hatte.
Die Arbeit tat ihr gut. Sie musste lächeln als sie zwischen dem Koriander und dem Basilikum ein kleines Päckchen mit Chilipulver fand.
Nach ihrer Mittagspause ging sie wieder zurück in die Bucht. Ihr Sohn hatte seinen Besuch angekündigt. Mit der neu geborenen Enkelin. Nicht so schön war ein Streit mit Nicky gewesen. Die Russin ahnte, das die junge Frau wieder Drogen konsumierte.
Sie bemerkte gar nicht, wie es langsam dunkel wurde. Und mit der Dunkelheit näherte sich das Unheil.
Tash hatte gerade ihre Arbeit für heute beendet und beschloss, bei Red im Gewächshaus vorbei zu gehen. Sie wollte sich endlich erklären!
Sie verließ die Krankenstation und machte sich auf den Weg nach draußen. Trotz der Dunkelheit brannte im Gewächshaus kein Licht. Merkwürdig. Und plötzlich beschlich sie ein ungutes Gefühl. Ihr Magen schnürte sich zu. Irgendetwas stimmte nicht.
Sie begann zu rennen. Ihr Herz schlug bis zum Hals
Atemlos riss sie die Tür zum Gewächshaus auf und knipste das Licht an.
„Oh Gott“!
Red lag wimmernd am Boden.
Sie rannte zu ihr, ließ sich neben sie fallen.
„Red, kannst du mich hören“?
Red nickte mühsam und schrie gequält auf, als Tash ihren Rücken berührte.
„Wer war das? Wer hat dir das angetan“?
„Nicky….es war Nicky….“
„Ich bring diesen abgefuckten Junkie um“!
„Hilf mir…bitte“
„Natürlich helfe ich dir. Ich komm gleich wieder. Ich muss Hilfe holen.“
„Tash bitte bleib….“
„Ich bin gleich wieder da, ich verspreche es dir! Ich hole nur Hilfe“.
Sie strich Red eine Haarsträhne aus dem Gesicht und machte sich ein erstes Bild von den Verletzungen.
„Tash…“
„Ja…..“
„Du weißt nicht, wer es war…“
„Das kannst du nicht von mir verlangen“!
„Bitte….wenn dir nur ansatzweiseleid tut, was du mir angetan hast…dann tu was ich dir sage“.
„Fuck! Ich bin gleich wieder da. Versprochen! Ich lass dich nie wieder hängen Red, nie wieder“!
Tash eilte davon. Es dauerte nicht lange und Red hörte die Sirene heulen, die ein Sonderfall bedeutete.
„3 gebrochene Rippen, diverse Prellungen an Rücken, Knie, Oberschenkel und Schienbein, eine Gehirnerschütterung…wer immer das auch wer, er hat mächtig zugelangt.“
Tash warf einen Blick auf die Röntgenbilder.
„Scheiße…“ sagte sie leise.
„Und sie wissen wirklich nicht, wer das war“? fragte der Arzt sie.
„Nein. Keine Ahnung, ich habe sie so gefunden.“
„Wie auch immer. Wir werden eine Nachtschicht einlegen müssen. Norma wäre allein zurecht gekommen. Aber eine Frau mit solchen Verletzungen….“
„Gehen Sie nach Hause, Doc. Ich bleibe hier.“
Der Doc sah seine neue Krankenschwester an.
„Nun gut. Im Notfall lassen Sie mich rufen.“
„Na klar“.
Tash richtete sich gerade ihr Nachtlager, als ihr einfiel, das sie gar nichts bei sich hatte. Sie betätigte die Rufanlage, die sie mit dem Hafthaus verband.
„Benett, hallo“?
„Tash Kalinowski. Ich habe ein kleines Problem. Ich bleibe heute Nacht ja auf der Krankenstation und ich hab hier gar nichts.“
„Ich lasse Ihnen ein paar Sachen für die Nacht bringen. Brauchen Sie sonst noch was“?
„Was zu essen wäre nicht schlecht. Völlig egal was, Hauptsache was zu essen“.
„Gut. Es wird gleich jemand kommen“.
„Vielen Dank“.
Es dauerte vielleicht zehn Minuten, dann stand Alex in Begleitung von Benett im Raum.
„Heilige Scheiße“, sagte Alex leise, als sie die schlafende Red sah.
„Danke für die Sachen“.
„Bitte. Kümmer dich gut um sie, ja“?
„Das verspreche ich dir, so wahr ich hier stehe“.
„Gut. Alles andere würde dir auch Probleme machen“.
Alex‘ Stimme hatte etwas bedrohliches.
Die junge Frau ging auf Red zu und küsste sie auf die Stirn.
„Im Moment ist sie vollgepumpt mit Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Morgen wird es ihr vielleicht schon etwas besser gehen“, sagte Tash leise.
„Wenn ich den finde, der ihr das angetan hat…..“
„Vause, es ist Zeit zu gehen“. Benett hatte sich zu Wort gemeldet.
Alex küsste Red noch einmal auf die Stirn. Ganz sanft und vorsichtig, als hätte sie Angst, Red zusätzlich zu verletzen.
Dann nickte sie Tash zu und sie verschwanden.
In der Nacht merkte Tash instinktiv, das Red wach war. Sie schälte sich aus ihrem Bett und ging zu Reds Bett hinüber.
„Ich mach jetzt das Nachtlicht an. Erschrick nicht“.
Sie schaltete das Licht an.
Red liefen Tränen übers Gesicht.
„Ich geb dir ein Schmerzmittel. Moment. Der Doc hat mir ne ganze Menge bereit gelegt.“
Red hielt sie fest, was sie eine Menge Kraft kostete
„Soll ich vielleicht woanders schlafen? Es liegt an mir, oder“?
Red schüttelte mit dem Kopf.
„Es ist das Herz, das gerade leidet, oder? Das Herz und die Seele“.
Red nickte.
„Ich verstehe. Magst du vielleicht was essen? Alex und Benett haben uns eine Menge vorbeigebracht.“
„Nein.“
„Soll ich einfach hier sitzen bleiben“? Ob wohl sie es gerne getan hätte – Tash wagte es nicht, Red zu berühren. Es zerriss ihr das Herz, sie weinen zu sehen.
„Diese verdammten Drogen. Nicky war total drauf, als sie mir das angetan hat“.
Tash schluckte.
„Es tut ihr bestimmt schon leid“, erwiderte Tash, um etwas gesagt zu sagen.
„Sie wäre bestimmt schon hier gewesen, wenn es ihr leid tun würde“.
In Sturzbächen liefen der sonst so kühlen Russin über die Wangen.
Tash näherte sich ihr vorsichtig.
Sie nahm Reds linke Hand und strich sanft darüber.
„Ich habe nicht gut genug auf sie aufgepasst. Es ging ihr schlecht und ich habe es nicht gesehen“, schluchzte Red und griff sich schmerzerfüllt an die Rippen.
„Komm her.“
Kraftlos sank Red in die Arme ihrer Ex-Freundin.
„Alles wird gut“, flüsterte sie und streichelte ihr die Haare, den Rücken. Es fühlte sich wie früher an.
Am nächsten Morgen fand der Doc Tash schlafend an Reds Bett vor. Auch Red schlief noch. Tashs Kopf lag auf Brusthöhe, sie hielt Reds Hand.
Er legte seine Hände auf Tashs Schultern, die sofort hochfuhr.
Am liebsten hätte sie vor Schmerz geschrien. Ihre Liegeposition war nicht gerade gesund gewesen.
„Guten Morgen. Wie war die Nacht, Tash“?
„Lang,“ antwortete Tash trocken und streckte sich.
„Hatte sie Schmerzen“?
„Gegen 3 Uhr habe ich ihr eine Ibuprofen 800 gegeben. Getrunken hat sie gut, gegessen gar nichts“.
„Gut. Gehen Sie duschen und dann legen Sie sich hin. Ich brauche sie erst am Nachmittag“.
„Ich will aber bei Red bleiben“.
„Das ist eine Dienstanweisung.“
„Na gut.“
Sie kam gerade pünktlich zum Frühstück. Müde ließ sie sich neben Alex fallen
„Guten Morgen, Super-Nurse. Wie war die Nacht.“
„Sehr lang. Wenig Schlaf. Red schläft noch.“
„Habt ihr geredet“?
„Nicht über uns. Alex, ich würde dir gerne alles erklären. Dir und Piper. Kann man sich hier irgendwo ungestört unterhalten“?
„Wir sind hier im Knast, Schätzchen“.
„Das weiß ich“.
„Bleib mal locker. Um 9 Uhr in der Kapelle“?
„Okay.“
Pünktlich um 9 Uhr erschien sie in der Kapelle. Alex und Piper warteten bereits auf sie.
„Also…wie ihr wisst, habe ich Red damals verlassen. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich heute noch mit ihr zusammen. Vielleicht wären wir eine richtige Regenbogenfamilie. Das Datum unserer Flucht war festgesetzt. Ein paar Tage vorher muss mein Ex-Mann uns auf die Spur gekommen sein. Er bedrohte Red und ihre Söhne mit dem Tod. Ihre einzigste Chance zu überleben wäre, wenn ich das Land sofort verlasse. Er gab mir Geld. 25.000 Dollar. Der hatte Reds Konto leergeräumt.
Scheiße man, ich wollte Red und ihre Jungs doch nur schützen! Ich hab sie doch so geliebt, alle vier!“
Tränen kamen Tash. Alex und Piper waren sofort zur Stelle.
„Als ich in Deutschland angekommen war, stellte ich fest, das ich schwanger bin. 7 Monate später hab ich Galina auf die Welt gebracht“.
„Du hast deine Tochter nach Red benannt“? fragte Piper leise. Sie war hörbar gerührt.
„Red war meine große Liebe. Ach was sag ich, sie ist es immer noch! Ich habe sie nie vergessen. Ich hatte Beziehungen, ja. Aber die haben nie lange gehalten, weil ich mich bei Männern nie richtig wohl gefühlt habe. Und alle Frauen habe ich mit Red verglichen“.
„Das muss ein Riesenschock für dich gewesen sein, als du sie wiedergesehen hast,“ sagte Alex leise. Die beiden Frauen waren sichtbar getroffen von dem, was sie gerade erfahren hatten.
„Na klar. Ich schwöre euch, wenn das alles nicht passiert wäre, dann säßen wir jetzt nicht in diesem Knast. Vielleicht wären wir noch in Deutschland. Vielleicht hätten wir ein Restaurant, so wie Red es sich so sehr gewünscht hat…“
„Oh man…das ist alles ein Riesenhaufen Scheiße….“ Murmelte Alex
„Als ich sie im Gewächshaus gefunden habe…das war der schwärzeste Augenblick meines Lebens. Mein Herz tat so weh….“
„Alles wird gut. Ganz bestimmt“, sagte Piper und strich Tash eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Vielleicht habt ihr ja noch eine Chance“, sagte Alex und lächelte Tash aufmunternd an.
„Das wäre schön“.
Gegen Nachmittag kam Tash wieder auf die Krankenstation.
„Da ist sie ja wieder, meine persönliche Krankenschwester“.
„Wie fühlst du dich, Red“?
„Naja, ich musste vorhin mal niesen. Ich dachte, mein Körper explodiert gleich“.
„Oh je. Kann ich sonst noch was für dich tun“?
„Knntest du mir eine Waschschüssel bringen? Und danach ein bisschen Papier, einen Kugelschreiber und Umschläge. Ich möchte meinen Mädchen Briefe schreiben“.
„Klar. Ich helf dir beim waschen.“
„Du kannst nicht mal richtig sitzen. Überwinde deinen Stolz, Red.“
„Also gut“.
Sie blieb wieder über Nacht auf der Krankenstation.
Sie lagen in ihren Betten und starrten an die Decke. Sie spürten, das die jeweils andere wach war. Der Raum war voll von unausgesprochenen Dingen.