Roter Schmetterling
von Hyouka
Kurzbeschreibung
Das Zwillingspärchen Kisaki und Marika Nosaki besuchen gemeinsam das erste Jahr der Rakuzan Oberschule und sind recht normale Teenager. Kisaki scheint insgeheim in Akashi verliebt zu sein, hat aber nicht vor diesem ihre Gefühle zu gestehen. Ihre Schwester dagegen ist wesentlich offener mit ihren Gefühlen und äußert auch völlig offen, dass sie Interesse an Akashi und seinen zwei Persönlichkeiten hat. Nach dem sie gemeinsam das Finale vom Winter Cup angesehen haben, scheint Marika auf einmal völlig verändert und auf merkwürdige Art besessen. Was genau ist passiert?
GeschichteDrama, Mystery / P16 / Het
Akashi Seijūro
Mibuchi Reo
OC (Own Character)
14.05.2017
07.10.2018
25
74.769
10
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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13.04.2018
3.031
„Ich werde sterben, das ist Fakt. Daran wird niemand etwas ändern können.“
Kisaki war für einen Moment kurz davon überzeugt, dass sie noch träumte und am Schlafen war. Es konnte nur ein Alptraum sein, in dem sie gefangen war. Nur war es keiner, dies war die Realität. Nun erschienen Kisaki ein paar Dinge etwas logischer, aber das machte es nicht einfacher. Wenn sie sich merkwürdig oder krank gefühlt hatte, ohne einen richtigen Grund zu sehen war es in Wirklichkeit wohl immer wegen Marika gewesen. Sie hatte unterbewusst gespürt, wenn es ihr schlechter gegangen war. Doch was konnte sie für ihre Schwester noch groß tun? Für Marika schien das eine Sache zu sein, mit der sie sich abgefunden hatte. Nur, wie konnte sie sich einfach mit so etwas abfinden?
„… warum hast du mir nichts gesagt? Es sind seit dem doch schon vier Monate vergangen und erfahre das alles erst jetzt. Warum ...“, fing Kisaki nun mit enttäuschter Stimme zu fragen, in der aber auch viel Traurigkeit steckte.
„Warum? Weil es eh nichts gebracht hätte, es dir direkt zu sagen. Du kannst mir damit auch nicht helfen. Niemand kann mir mehr wirklich helfen und das habe ich akzeptiert. Ich will auch kein Mitleid von dir oder unseren Eltern. Diese Krankheit habe nur ich und nicht du. Deshalb wirst du auch nicht verstehen können, wie sie sich anfühlt. Und das verlange ich auch gar nicht. Lebe einfach weiter dein Leben und beachte mich am besten gar nicht. Hättest du es noch viel eher erfahren, würde es dir nur noch schwerer fallen, loszulassen.“
Marika gab sich so stark, aber ihre Schwester konnte das nicht. Ihnen blieb kaum noch Zeit und sie tat so, als würde sie einfach für immer fort gehen und nie wieder kommen. Aber sie würde in nicht mal zwei Monaten nicht mehr da sein, wenn es haargenau eintraf.
„Du bist so blöd. Dabei machst du es damit doch nur viel schlimmer.“, sprach Kisaki nun mit zittriger Stimme und Marika lachte auf.
„Es ist nur so schlimm, wie du es dir selbst machst. Aber ich bin erstmal weg, bis später.“, meinte sie schließlich nur und ließ Kisaki und ihre Eltern allein zurück.
Kisaki starrte die Wand vor sich an und wusste nicht so richtig, was sie tun sollte. Ihr war nach Weinen zumute, aber sie war auch unglaublich wütend auf das Verhalten ihrer Schwester. Nun ergriffen auch die Eltern der Zwillinge das Wort und versuchten nun mit der Jüngeren der beiden zu reden.
„Es tut mir leid, Kisaki. Wir wollten dich damit nicht hintergehen, aber sie hat uns nun mal darum gebeten. Ich denke, sie hat es eigentlich gut damit gemeint und konnte es nicht zeigen. Sie wollte wahrscheinlich, dass du weiter ein normales Leben führen kannst trotz ihrer Krankheit.“, erklärte ihre Mutter und Kisaki nickte stumm.
„Dafür hat sie aber verhältnisweise viel Ärger gemacht. Nur macht es nach wie vor keinen Sinn, warum sie solchen Druck auf mich ausgeübt hat, wegen Akashi und Mibuchi. Ich verstehe es einfach nicht.“, sprach Kisaki verzweifelt und nun kam auch ihr Vater zu Wort.
„Der Arzt meinte, Marika wehrt sich sehr stark gegen diese Krankheit. Sie will es nach wie vor nicht akzeptieren, obwohl sie unglaubliche Schmerzen haben muss. Mit den Schmerzmitteln kann sie zwar halbwegs einen noch normalen Alltag haben, aber sie können nicht alles lindern. Sie überspielt sehr vieles, denke ich mal. Deswegen haben wir uns entschieden, dass es nicht mehr so weitergehen kann. Für dich und für sie ist es das Beste, wenn sie in absehbarer Zeit in einer Klinik so weit weiterbehandelt wird, wie es geht. Das wird dann spätestens Ende Juni sein. Ich hoffe, du kannst es nachvollziehen. Wir wollen für euch beide nur das Beste.“
Ja, es war nachvollziehbar. Für ihre Eltern musste es noch umso einiges schwieriger sein und Kisaki hätte sich auch niemals etwas dagegen gesagt. Von ihren Mitschülern wusste es bisher niemand, ob es die Lehrer wussten war ihr unklar. Die darauffolgenden Tage fühlten sich für Kisaki nur leer und einsam an. Sie mied die meisten Leute und wenn sie jemand fragte wie es ihr ging, gab sie keine richtige Antwort. Usagi und Arisa zum Beispiel glaubten ihr kein Wort, aber richtige Antworten bekamen sie aus ihr nicht heraus. Deshalb warteten sie einfach darauf, dass Kisaki vielleicht von allein auf sie zukommen würde. So sicher konnten sie sich dabei nicht sein und deshalb ließen sie ihr einfach etwas Abstand und Ruhe. Nach etwa drei Tagen traute sich Kisaki zumindest wieder in die Bibliothek, aber das machte alles nicht unbedingt viel besser.
„Saki-chan?“
Die sechszehnjährige sah auf und erkannte Mibuchi vor sich. Eigentlich wollte sie direkt auf gut gelaunt umschalten und so tun, als wäre nichts. Doch es gelang ihr nicht, gerade bei ihrem leeren Blick war es unmöglich noch ein aufgesetztes Lächeln vorzutäuschen.
„Oh, Reo-nee … ich hab dich gar nicht bemerkt, tut mir leid.“, sprach sie in sehr ruhigem Tonfall und nun sah er wie von ihr erwartet besorgt drein.
Irgendwie fühlte sie sich deswegen schlecht, aber es gab in dieser Situation nichts, was er für sie tun konnte. Mibuchi ahnte auch schon ein wenig, was passiert war. Nur wahrscheinlich nicht in dem Ausmaß, wie es eigentlich passiert war.
„Ist irgendwas passiert? Du warst gestern auch schon nicht hier, deshalb hab ich mir Sorgen gemacht. Selbst Sei-chan hat schon nach dir gefragt, weil er dich kaum mehr gesehen hat.“, meinte er und nun wunderte sich Kisaki schon ein wenig.
„Er hat nach mir gefragt? Aber es stimmt, wir haben seit dem ich bei ihm war nicht wirklich viel miteinander gesprochen. Mittlerweile ist schon wieder eine Woche vergangen. Ich sollte besser mit ihm reden und es so schnell beenden wie möglich. Im Moment … ist es einfach das Beste.“, sprach sie mit teils traurigen Unterton in der Stimme und senkte dabei leicht den Kopf.
„Du meinst so wie damals, als du dich von mir fern halten wolltest? Überleg es dir besser noch einmal, Saki-chan. Sei-chan wäre sicher genauso verletzt, wie du es jetzt bist. Ich kann mir nur vage vorstellen was passiert ist, aber mach es nicht.“, riet Mibuchi ihr und sie biss sich auf die Unterlippe.
„Ich weiß aber nicht, was ich tun soll … er kann nichts dafür, deshalb … will ich ihn da nicht reinziehen. Das ist eine Sache zwischen mir und Marika. Einen anderen Weg als diesen gibt es nicht.“, sagte sie daraufhin nur und war völlig verzweifelt. Das Buch vor sich hatte sie mittlerweile zugemacht. Es würde ihr bei diesem Problem auch nicht helfen. Mittlerweile hatte Mibuchi seine Hand auf ihre Schulter gelegt und versuchte sie zu beruhigen.
„Beruhig dich, Saki-chan. Ich weiß, dass es für dich im Moment wirklich so aussieht als gäbe es keine andere Lösung. Nur …“, aber Kisaki hörte Mibuchi gar nicht richtig zu. Sie ging ein bisschen von ihm weg und schrie dann fast aus Verzweiflung, was sie zu sagen hatte.
„Nein, du weißt gar nichts! Du und Akashi könnt doch froh sein. Ihr seid beide Einzelkinder und habt mit so etwas nie Probleme gehabt. Das was bis jetzt war, kann man damit nicht vergleichen … es ist nichts, was irgendjemand besser machen könnte.“
Mibuchi stand schließlich nur da und wusste, dass sie teilweise auch Recht hatte. Aber bevor er etwas sagen konnte, kam Akashi zu ihnen. Seine Laune war schlecht einzuschätzen, aber er hatte wohl ein wenig mitbekommen, worum es ging.
„Was ist passiert?“, fragte er erst mal nur fordernd und Kisaki sah zu ihm.
Natürlich wusste sie, wie einschüchternd er sein konnte. Aber das war ihr in diesem Moment egal.
„Es ist nichts. Das ist keine Sache, in die ich dich oder Reo-nee reinziehen möchte. Deshalb tu mir den Gefallen und lass uns nicht mehr miteinander reden. Es ist wirklich besser so.“
Bei diesen Worten hatte sie Akashi nicht mal in die Augen gesehen, aber er hätte ohnehin genauso geantwortet wie er es in diesem Moment tat.
„Abgelehnt. Das versuchst du doch nur, weil du nicht mehr weiter weißt. Ich weiß was los ist und Mibuchi weiß es auch. Er hat es von deiner Mutter erfahren und Marika hat es mir an diesem Tag selbst gesagt. Ich wusste es die ganze Zeit, aber es war mir egal. Deswegen werde ich nicht aufhören mit dir zu reden. Immerhin haben wir erst vor kurzem damit angefangen.“
Kisaki sah nun geschockt drein und als erstes zu Mibuchi.
„Was? Du wusstest es?“, fragte sie und er nickte schließlich.
„Ich habe damals mit deiner Mutter gesprochen. Sie hat mich darum gebeten, es dir nicht zu erzählen. Sie wollte, dass du trotz den Dingen die deine Schwester getan hat so lange normal leben kannst, wie möglich. Aber ich hätte es dir auch nicht sagen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Es von mir zu erfahren, hätte dir noch viel mehr weh getan.“
Eigentlich wollte Kisaki darauf antworten, aber Akashi machte ihr einen Strich durch die Rechnung.
„Bevor du fragst, ich habe dir aus einem anderen Grund nichts gesagt. Deine Schwester kam damals nach dem Finale des Winter Cups auf mich zu und hat einfach so darauf los geredet. Ich hatte keinen Bezug zu ihr und kannte sie eigentlich gar nicht, aber im Grunde hat es mich auch nicht interessiert. Wenn eine fremde Person einem die Liebe gesteht, fühlt sich das einfach nach nichts an. Und was die Sache mit ihrer Krankheit angeht, habe ich es nicht ernst genommen. Ihr ganzes Auftreten sah eher danach aus, als hätte sie sich das alles nur ausgedacht. Um ehrlich zu sein, konnte ich sie noch nie wirklich leiden. Aber das hat nichts mit dir zu tun. Wenn du bei irgendwas Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid. Aber ich lehne es ab, dass du einfach den Kontakt zu mir abbrechen willst. So einfach wirst du mich nicht los.“
Viel begriff Kisaki in diesem Moment nicht, aber sie rannte weg. Sie wollte es nicht wahrhaben und ihre Ruhe. Zumindest für ein paar Minuten, auch wenn sie ihre Schwester hinter der Tür der Bibliothek gesehen hatte. Was zur Hölle sie da gemacht hatte, wusste sie auch nicht. Aber das war ihr in diesem Moment auch relativ egal.
Marika betrat den Raum und ging hinüber zu Mibuchi und Akashi. Sie bekam mehr oder weniger eine gemischte Reaktion ihres Auftritts zu spüren. Auf der einen Seite war dieser besorgte Mibuchi, der Marika in diesem Moment wirklich nichts böses entgegen bringen konnte. Aber Akashi wirkte nicht nur gereizt. Er sah so aus, als würde er Marika jeden Moment umbringen.
„Da komme ich nur kurz vorbei und sehe meine Schwester weinend davon rennen. Ich schätze, das muss mit euch zu tun haben. Dabei dachte ich, ihr seid die beiden die meinen Platz eingenommen habt und meine kleine Schwester glücklich machen könnt. Wie enttäuschend.“, sprach sie lachend, aber das ließ sich Akashi nicht gefallen.
„Ruhe, wer hat dich nach deiner Meinung gefragt, nutzloses Stück Dreck. Du bist diejenige, die für diese Situation verantwortlich ist. Mir ist gleich, was mit dir passieren wird. Auch wenn du wie Kisaki aussiehst, hast du rein nichts von ihr. Verschwinde dorthin, wo du hergekommen bist.“, fauchte er und Marika konnte nur herzlichst darüber lachen.
„Du bist witzig, dass muss ich schon sagen. Mir machst du mit so etwas keine Angst. Meinetwegen könntest du mich jetzt auf der Stelle umbringen, es würde keinen Unterschied machen. Dann bliebe mir einiges erspart, aber das wirst du mir nicht gönnen. So mal es alles nur noch schlimmer machen würde. Ihr könnt nichts tun und das wisst ihr auch.“, sagte Marika gehässig und strich dabei über ein paar Bücherregale, nahm die Hand wieder runter und pustete den Staub auf ihren Händen sanft durch die Gegend.
„Du ekelst mich an. Selbst wenn ich könnte, würde ich es ganz sicher nicht für dich tun.“, antwortete Akashi nur darauf und Marika sah ihn nun mit irrem Blick an.
„Ich wusste, dass du so etwas sagen würdest. Ich habe wirklich nichts anderes von dir erwartet. Nur, für wen würdest du es dann machen? Wenn es etwas ändern würde, für wen würdest du es dann tun? Aus deinem Hass mir gegenüber heraus oder für meine Schwester?“
Für einen Moment war Akashi wirklich kurz davor, Marika eine zu verpassen. Aber Mibuchi hielt ihn davon ab und hielt ihn an der Schulter fest. Selbst wenn er wirklich gewollt hätte, wäre das kein Problem gewesen. Er hätte sich davon gelöst und wäre trotzdem auf Marika losgegangen.
„Wieso fragst du mich Dinge, bei denen du die Antwort eh schon kennst?“, fragte Akashi nun Marika zuckte grinsend die Schultern.
„Keine Ahnung, reine Neugier schätze ich mal. Ich habe aber auch keine Antwort erwartet, möchte ich meinen.“
„Warum?“, kam es von einmal hinter Akashi, der zwar noch etwas sagen wollte doch Mibuchi hatte sich diese Gelegenheit geschnappt.
„Oh, du? Hätte nicht erwartet, dass du überhaupt noch was zu sagen hast.“, lachte Marika gehässig, doch Mibuchi fragte sie trotzdem.
„Ich kann nachvollziehen, warum deine Eltern nicht wollten, dass Kisaki etwas erfährt. Das hat mir deine Mutter ausführlich genug erklärt. Aber warum hast du deiner Schwester mit diesem Wissen so viele unangenehme Dinge angetan? Ich weiß, dass du eventuell noch wesentlich schlimmere Dinge vorgehabt hast und sie wegen deinem Zustand wahrscheinlich einfach nicht durchziehen kannst. Nur, wieso? Ist das deine verdrehte Art und Weise ihr zu zeigen wie gern du sie hast, dass du ihr noch etwas hinterlassen willst?“
Für einen Moment wirkte Marika überrascht, doch dann lachte sie wieder.
„Was? Das ist ja mal super lächerlich. Nein, es hat nichts damit zu tun. Letzten Endes sind wir Menschen trotz unserer Bindungen ganz allein mit unseren Problemen und Dingen, die uns bewegen. Jeder wurde als einzelner Mensch geboren und wird auch irgendwann so sterben und daran kann niemand etwas ändern. Aber genug davon, ich bin weg.“
Marika verschwand aus dem Raum und ließ die beiden allein dort stehen. Mibuchi hatte erst vorgeschlagen noch einmal nach Kisaki zu suchen, doch Akashi hielt das für eine dumme Idee. Sie wollten ihr zumindest ein bisschen Ruhe geben, auch wenn das wahrscheinlich auch nicht viele Punkte brachte.
Über den Rest der Woche ging Kisaki allein nach Hause und trainierte nach dem Training noch ein wenig Würfe auf einem Sportplatz. Aber umso länger sie das tat, umso weniger Sinn machte es noch. Marika würde nicht mehr da sein, wenn sie zum Interhigh fuhren. Aber das war nicht alles, was Kisaki nun schmerzhaft bewusst wurde. Die Sonne war mittlerweile am untergehen und sie hielt durch, solange es noch ging. Der Sportplatz war menschenleer und nur ein paar Leute kamen noch daran vorbei, wenn sie gerade auf dem Weg von der Schule nach Hause waren. Nicht nur den Interhigh würde Marika verpassen. Wenn ihre Diagnose wirklich im Januar gestellt worden war, blieben ihr nicht mal mehr ganz zwei Monate. Im Juli würde es vorbei sein und dieser Zeitpunkt würde immer schneller auf sie zukommen.
Der vierte August würde auch ein Tag werden, den sie nicht mehr erleben würde. Es war der Geburtstag der beiden, an dem sie eigentlich gemeinsam siebzehn geworden wären. So würde nur Kisaki ein Jahr älter werden, aber nicht ihre Schwester. Natürlich kannte Kisaki ihre Schwester - wahrscheinlich würde sie irgendwas dummes versuchen um weiter zu überleben. Selbst wenn sie bisher so getan hatte, als hätte sie sich mit der Situation abgefunden. In Wirklichkeit wollte auch Marika weiterleben, aber sie konnte einfach nicht. Wäre Kisaki diejenige mit der Krankheit gewesen, hätte sie nicht einen Funken Lebenswillen gehabt. Aber Marika hatte aus ihr unerklärlichen Gründen noch ein paar Funken Hoffnung für ihr Leben, das bald enden würde.
„Hast du nicht langsam genug Trübsal geblasen?“, fragte auf einmal jemand aus der Ferne und Kisaki ließ vor Schreck den Ball fallen. Sie sah sich um und erkannte erst dann, wer mit ihr geredet hatte. Doch eigentlich wollte sie nicht antworteten. Nicht, nach dem was passiert war. Wieso war Akashi überhaupt hier und dann auch noch allein?
„Ich kann nun mal auch nicht aus meiner Haut … ich versuche es zu verdrängen, aber es kommt immer wieder. Ich kann an einfach nichts anderes mehr denken. Wir sind Geschwister, haben so viele gemeinsame Erinnerungen die nicht einfach so verschwinden. So wie es aussieht, werden wir nicht einmal unseren Geburtstag im August feiern können. Das ist so … deprimierend ...“
Kisaki liefen in diesem Moment die Tränen über ihr Gesicht, die sie die ganze Zeit aufhalten und verbergen konnte. Es nützte nichts, immerhin wäre es früher oder später sowieso passiert.
„Ich weiß sehr wohl wie es ist, eine geliebte Person zu verlieren. Aber ich kann auch nicht einfach zusehen, wie du wegen ihr mit niemandem mehr reden willst.“
Natürlich wusste Kisaki das, deswegen sagte sie auch nichts dazu. Sie blieb nur auf ihrer Stelle stehen und wusste nicht, was sie machen sollte.
„Es hat auch damals bei Reo-nee nicht funktioniert und das sehe ich nun auch ein. Aber allein diese Sache ist nicht das einzige, was mich bedrückt. Ich wollte es schon so lange aufgeben, aber ich habe es einfach nicht geschafft. Obwohl ich weiß, dass es eh keinen Sinn hat. Ich sollte einfach nach Hause gehen … und dort bleiben.“, meinte sie und beschloss, ein weiteres Mal zu gehen.
Doch Akashi hielt sie fest und wartete auf ihre Reaktion. Ihre Augen waren nach wie vor mit Tränen gefüllt und liefen ihr über die Wangen.
„Nein, ich lasse nicht los. Du bleibst so lange hier, bis du dich beruhigt hast. Jetzt nach Hause zu gehen, wird dir nichts bringen.“
Ja, Akashi hatte Recht. Aber Kisaki konnte trotzdem nicht. Sie versuchte sich loszureißen, aber es funktionierte nicht. Stattdessen platzte ihr das heraus, was sie eigentlich nicht sagen wollte. Allein die Vorstellung war ihr unglaublich peinlich, aber es platzte dann schließlich doch raus.
„Ich … bin genauso dumm wie sie. Ich habe mich damals in dich verliebt, als du mich auf der Treppe aufgefangen hast und dann hat das eine zum anderen geführt. Ich wollte es einfach vergessen und verdrängen, aber es hat einfach nicht geklappt. Jemand wie ich hat so jemanden wie dich nicht verdient, habe ich gedacht. Und das ist auch immer noch so, aber … ich liebe dich trotzdem immer noch.“
Vor Schreck zuckte sie zusammen und konnte sich dann doch losreißen, fiel dann aber auf den Hintern unter sich. Na, da hatte sie sich noch was ordentliches eingebrockt.
Kisaki war für einen Moment kurz davon überzeugt, dass sie noch träumte und am Schlafen war. Es konnte nur ein Alptraum sein, in dem sie gefangen war. Nur war es keiner, dies war die Realität. Nun erschienen Kisaki ein paar Dinge etwas logischer, aber das machte es nicht einfacher. Wenn sie sich merkwürdig oder krank gefühlt hatte, ohne einen richtigen Grund zu sehen war es in Wirklichkeit wohl immer wegen Marika gewesen. Sie hatte unterbewusst gespürt, wenn es ihr schlechter gegangen war. Doch was konnte sie für ihre Schwester noch groß tun? Für Marika schien das eine Sache zu sein, mit der sie sich abgefunden hatte. Nur, wie konnte sie sich einfach mit so etwas abfinden?
„… warum hast du mir nichts gesagt? Es sind seit dem doch schon vier Monate vergangen und erfahre das alles erst jetzt. Warum ...“, fing Kisaki nun mit enttäuschter Stimme zu fragen, in der aber auch viel Traurigkeit steckte.
„Warum? Weil es eh nichts gebracht hätte, es dir direkt zu sagen. Du kannst mir damit auch nicht helfen. Niemand kann mir mehr wirklich helfen und das habe ich akzeptiert. Ich will auch kein Mitleid von dir oder unseren Eltern. Diese Krankheit habe nur ich und nicht du. Deshalb wirst du auch nicht verstehen können, wie sie sich anfühlt. Und das verlange ich auch gar nicht. Lebe einfach weiter dein Leben und beachte mich am besten gar nicht. Hättest du es noch viel eher erfahren, würde es dir nur noch schwerer fallen, loszulassen.“
Marika gab sich so stark, aber ihre Schwester konnte das nicht. Ihnen blieb kaum noch Zeit und sie tat so, als würde sie einfach für immer fort gehen und nie wieder kommen. Aber sie würde in nicht mal zwei Monaten nicht mehr da sein, wenn es haargenau eintraf.
„Du bist so blöd. Dabei machst du es damit doch nur viel schlimmer.“, sprach Kisaki nun mit zittriger Stimme und Marika lachte auf.
„Es ist nur so schlimm, wie du es dir selbst machst. Aber ich bin erstmal weg, bis später.“, meinte sie schließlich nur und ließ Kisaki und ihre Eltern allein zurück.
Kisaki starrte die Wand vor sich an und wusste nicht so richtig, was sie tun sollte. Ihr war nach Weinen zumute, aber sie war auch unglaublich wütend auf das Verhalten ihrer Schwester. Nun ergriffen auch die Eltern der Zwillinge das Wort und versuchten nun mit der Jüngeren der beiden zu reden.
„Es tut mir leid, Kisaki. Wir wollten dich damit nicht hintergehen, aber sie hat uns nun mal darum gebeten. Ich denke, sie hat es eigentlich gut damit gemeint und konnte es nicht zeigen. Sie wollte wahrscheinlich, dass du weiter ein normales Leben führen kannst trotz ihrer Krankheit.“, erklärte ihre Mutter und Kisaki nickte stumm.
„Dafür hat sie aber verhältnisweise viel Ärger gemacht. Nur macht es nach wie vor keinen Sinn, warum sie solchen Druck auf mich ausgeübt hat, wegen Akashi und Mibuchi. Ich verstehe es einfach nicht.“, sprach Kisaki verzweifelt und nun kam auch ihr Vater zu Wort.
„Der Arzt meinte, Marika wehrt sich sehr stark gegen diese Krankheit. Sie will es nach wie vor nicht akzeptieren, obwohl sie unglaubliche Schmerzen haben muss. Mit den Schmerzmitteln kann sie zwar halbwegs einen noch normalen Alltag haben, aber sie können nicht alles lindern. Sie überspielt sehr vieles, denke ich mal. Deswegen haben wir uns entschieden, dass es nicht mehr so weitergehen kann. Für dich und für sie ist es das Beste, wenn sie in absehbarer Zeit in einer Klinik so weit weiterbehandelt wird, wie es geht. Das wird dann spätestens Ende Juni sein. Ich hoffe, du kannst es nachvollziehen. Wir wollen für euch beide nur das Beste.“
Ja, es war nachvollziehbar. Für ihre Eltern musste es noch umso einiges schwieriger sein und Kisaki hätte sich auch niemals etwas dagegen gesagt. Von ihren Mitschülern wusste es bisher niemand, ob es die Lehrer wussten war ihr unklar. Die darauffolgenden Tage fühlten sich für Kisaki nur leer und einsam an. Sie mied die meisten Leute und wenn sie jemand fragte wie es ihr ging, gab sie keine richtige Antwort. Usagi und Arisa zum Beispiel glaubten ihr kein Wort, aber richtige Antworten bekamen sie aus ihr nicht heraus. Deshalb warteten sie einfach darauf, dass Kisaki vielleicht von allein auf sie zukommen würde. So sicher konnten sie sich dabei nicht sein und deshalb ließen sie ihr einfach etwas Abstand und Ruhe. Nach etwa drei Tagen traute sich Kisaki zumindest wieder in die Bibliothek, aber das machte alles nicht unbedingt viel besser.
„Saki-chan?“
Die sechszehnjährige sah auf und erkannte Mibuchi vor sich. Eigentlich wollte sie direkt auf gut gelaunt umschalten und so tun, als wäre nichts. Doch es gelang ihr nicht, gerade bei ihrem leeren Blick war es unmöglich noch ein aufgesetztes Lächeln vorzutäuschen.
„Oh, Reo-nee … ich hab dich gar nicht bemerkt, tut mir leid.“, sprach sie in sehr ruhigem Tonfall und nun sah er wie von ihr erwartet besorgt drein.
Irgendwie fühlte sie sich deswegen schlecht, aber es gab in dieser Situation nichts, was er für sie tun konnte. Mibuchi ahnte auch schon ein wenig, was passiert war. Nur wahrscheinlich nicht in dem Ausmaß, wie es eigentlich passiert war.
„Ist irgendwas passiert? Du warst gestern auch schon nicht hier, deshalb hab ich mir Sorgen gemacht. Selbst Sei-chan hat schon nach dir gefragt, weil er dich kaum mehr gesehen hat.“, meinte er und nun wunderte sich Kisaki schon ein wenig.
„Er hat nach mir gefragt? Aber es stimmt, wir haben seit dem ich bei ihm war nicht wirklich viel miteinander gesprochen. Mittlerweile ist schon wieder eine Woche vergangen. Ich sollte besser mit ihm reden und es so schnell beenden wie möglich. Im Moment … ist es einfach das Beste.“, sprach sie mit teils traurigen Unterton in der Stimme und senkte dabei leicht den Kopf.
„Du meinst so wie damals, als du dich von mir fern halten wolltest? Überleg es dir besser noch einmal, Saki-chan. Sei-chan wäre sicher genauso verletzt, wie du es jetzt bist. Ich kann mir nur vage vorstellen was passiert ist, aber mach es nicht.“, riet Mibuchi ihr und sie biss sich auf die Unterlippe.
„Ich weiß aber nicht, was ich tun soll … er kann nichts dafür, deshalb … will ich ihn da nicht reinziehen. Das ist eine Sache zwischen mir und Marika. Einen anderen Weg als diesen gibt es nicht.“, sagte sie daraufhin nur und war völlig verzweifelt. Das Buch vor sich hatte sie mittlerweile zugemacht. Es würde ihr bei diesem Problem auch nicht helfen. Mittlerweile hatte Mibuchi seine Hand auf ihre Schulter gelegt und versuchte sie zu beruhigen.
„Beruhig dich, Saki-chan. Ich weiß, dass es für dich im Moment wirklich so aussieht als gäbe es keine andere Lösung. Nur …“, aber Kisaki hörte Mibuchi gar nicht richtig zu. Sie ging ein bisschen von ihm weg und schrie dann fast aus Verzweiflung, was sie zu sagen hatte.
„Nein, du weißt gar nichts! Du und Akashi könnt doch froh sein. Ihr seid beide Einzelkinder und habt mit so etwas nie Probleme gehabt. Das was bis jetzt war, kann man damit nicht vergleichen … es ist nichts, was irgendjemand besser machen könnte.“
Mibuchi stand schließlich nur da und wusste, dass sie teilweise auch Recht hatte. Aber bevor er etwas sagen konnte, kam Akashi zu ihnen. Seine Laune war schlecht einzuschätzen, aber er hatte wohl ein wenig mitbekommen, worum es ging.
„Was ist passiert?“, fragte er erst mal nur fordernd und Kisaki sah zu ihm.
Natürlich wusste sie, wie einschüchternd er sein konnte. Aber das war ihr in diesem Moment egal.
„Es ist nichts. Das ist keine Sache, in die ich dich oder Reo-nee reinziehen möchte. Deshalb tu mir den Gefallen und lass uns nicht mehr miteinander reden. Es ist wirklich besser so.“
Bei diesen Worten hatte sie Akashi nicht mal in die Augen gesehen, aber er hätte ohnehin genauso geantwortet wie er es in diesem Moment tat.
„Abgelehnt. Das versuchst du doch nur, weil du nicht mehr weiter weißt. Ich weiß was los ist und Mibuchi weiß es auch. Er hat es von deiner Mutter erfahren und Marika hat es mir an diesem Tag selbst gesagt. Ich wusste es die ganze Zeit, aber es war mir egal. Deswegen werde ich nicht aufhören mit dir zu reden. Immerhin haben wir erst vor kurzem damit angefangen.“
Kisaki sah nun geschockt drein und als erstes zu Mibuchi.
„Was? Du wusstest es?“, fragte sie und er nickte schließlich.
„Ich habe damals mit deiner Mutter gesprochen. Sie hat mich darum gebeten, es dir nicht zu erzählen. Sie wollte, dass du trotz den Dingen die deine Schwester getan hat so lange normal leben kannst, wie möglich. Aber ich hätte es dir auch nicht sagen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Es von mir zu erfahren, hätte dir noch viel mehr weh getan.“
Eigentlich wollte Kisaki darauf antworten, aber Akashi machte ihr einen Strich durch die Rechnung.
„Bevor du fragst, ich habe dir aus einem anderen Grund nichts gesagt. Deine Schwester kam damals nach dem Finale des Winter Cups auf mich zu und hat einfach so darauf los geredet. Ich hatte keinen Bezug zu ihr und kannte sie eigentlich gar nicht, aber im Grunde hat es mich auch nicht interessiert. Wenn eine fremde Person einem die Liebe gesteht, fühlt sich das einfach nach nichts an. Und was die Sache mit ihrer Krankheit angeht, habe ich es nicht ernst genommen. Ihr ganzes Auftreten sah eher danach aus, als hätte sie sich das alles nur ausgedacht. Um ehrlich zu sein, konnte ich sie noch nie wirklich leiden. Aber das hat nichts mit dir zu tun. Wenn du bei irgendwas Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid. Aber ich lehne es ab, dass du einfach den Kontakt zu mir abbrechen willst. So einfach wirst du mich nicht los.“
Viel begriff Kisaki in diesem Moment nicht, aber sie rannte weg. Sie wollte es nicht wahrhaben und ihre Ruhe. Zumindest für ein paar Minuten, auch wenn sie ihre Schwester hinter der Tür der Bibliothek gesehen hatte. Was zur Hölle sie da gemacht hatte, wusste sie auch nicht. Aber das war ihr in diesem Moment auch relativ egal.
Marika betrat den Raum und ging hinüber zu Mibuchi und Akashi. Sie bekam mehr oder weniger eine gemischte Reaktion ihres Auftritts zu spüren. Auf der einen Seite war dieser besorgte Mibuchi, der Marika in diesem Moment wirklich nichts böses entgegen bringen konnte. Aber Akashi wirkte nicht nur gereizt. Er sah so aus, als würde er Marika jeden Moment umbringen.
„Da komme ich nur kurz vorbei und sehe meine Schwester weinend davon rennen. Ich schätze, das muss mit euch zu tun haben. Dabei dachte ich, ihr seid die beiden die meinen Platz eingenommen habt und meine kleine Schwester glücklich machen könnt. Wie enttäuschend.“, sprach sie lachend, aber das ließ sich Akashi nicht gefallen.
„Ruhe, wer hat dich nach deiner Meinung gefragt, nutzloses Stück Dreck. Du bist diejenige, die für diese Situation verantwortlich ist. Mir ist gleich, was mit dir passieren wird. Auch wenn du wie Kisaki aussiehst, hast du rein nichts von ihr. Verschwinde dorthin, wo du hergekommen bist.“, fauchte er und Marika konnte nur herzlichst darüber lachen.
„Du bist witzig, dass muss ich schon sagen. Mir machst du mit so etwas keine Angst. Meinetwegen könntest du mich jetzt auf der Stelle umbringen, es würde keinen Unterschied machen. Dann bliebe mir einiges erspart, aber das wirst du mir nicht gönnen. So mal es alles nur noch schlimmer machen würde. Ihr könnt nichts tun und das wisst ihr auch.“, sagte Marika gehässig und strich dabei über ein paar Bücherregale, nahm die Hand wieder runter und pustete den Staub auf ihren Händen sanft durch die Gegend.
„Du ekelst mich an. Selbst wenn ich könnte, würde ich es ganz sicher nicht für dich tun.“, antwortete Akashi nur darauf und Marika sah ihn nun mit irrem Blick an.
„Ich wusste, dass du so etwas sagen würdest. Ich habe wirklich nichts anderes von dir erwartet. Nur, für wen würdest du es dann machen? Wenn es etwas ändern würde, für wen würdest du es dann tun? Aus deinem Hass mir gegenüber heraus oder für meine Schwester?“
Für einen Moment war Akashi wirklich kurz davor, Marika eine zu verpassen. Aber Mibuchi hielt ihn davon ab und hielt ihn an der Schulter fest. Selbst wenn er wirklich gewollt hätte, wäre das kein Problem gewesen. Er hätte sich davon gelöst und wäre trotzdem auf Marika losgegangen.
„Wieso fragst du mich Dinge, bei denen du die Antwort eh schon kennst?“, fragte Akashi nun Marika zuckte grinsend die Schultern.
„Keine Ahnung, reine Neugier schätze ich mal. Ich habe aber auch keine Antwort erwartet, möchte ich meinen.“
„Warum?“, kam es von einmal hinter Akashi, der zwar noch etwas sagen wollte doch Mibuchi hatte sich diese Gelegenheit geschnappt.
„Oh, du? Hätte nicht erwartet, dass du überhaupt noch was zu sagen hast.“, lachte Marika gehässig, doch Mibuchi fragte sie trotzdem.
„Ich kann nachvollziehen, warum deine Eltern nicht wollten, dass Kisaki etwas erfährt. Das hat mir deine Mutter ausführlich genug erklärt. Aber warum hast du deiner Schwester mit diesem Wissen so viele unangenehme Dinge angetan? Ich weiß, dass du eventuell noch wesentlich schlimmere Dinge vorgehabt hast und sie wegen deinem Zustand wahrscheinlich einfach nicht durchziehen kannst. Nur, wieso? Ist das deine verdrehte Art und Weise ihr zu zeigen wie gern du sie hast, dass du ihr noch etwas hinterlassen willst?“
Für einen Moment wirkte Marika überrascht, doch dann lachte sie wieder.
„Was? Das ist ja mal super lächerlich. Nein, es hat nichts damit zu tun. Letzten Endes sind wir Menschen trotz unserer Bindungen ganz allein mit unseren Problemen und Dingen, die uns bewegen. Jeder wurde als einzelner Mensch geboren und wird auch irgendwann so sterben und daran kann niemand etwas ändern. Aber genug davon, ich bin weg.“
Marika verschwand aus dem Raum und ließ die beiden allein dort stehen. Mibuchi hatte erst vorgeschlagen noch einmal nach Kisaki zu suchen, doch Akashi hielt das für eine dumme Idee. Sie wollten ihr zumindest ein bisschen Ruhe geben, auch wenn das wahrscheinlich auch nicht viele Punkte brachte.
Über den Rest der Woche ging Kisaki allein nach Hause und trainierte nach dem Training noch ein wenig Würfe auf einem Sportplatz. Aber umso länger sie das tat, umso weniger Sinn machte es noch. Marika würde nicht mehr da sein, wenn sie zum Interhigh fuhren. Aber das war nicht alles, was Kisaki nun schmerzhaft bewusst wurde. Die Sonne war mittlerweile am untergehen und sie hielt durch, solange es noch ging. Der Sportplatz war menschenleer und nur ein paar Leute kamen noch daran vorbei, wenn sie gerade auf dem Weg von der Schule nach Hause waren. Nicht nur den Interhigh würde Marika verpassen. Wenn ihre Diagnose wirklich im Januar gestellt worden war, blieben ihr nicht mal mehr ganz zwei Monate. Im Juli würde es vorbei sein und dieser Zeitpunkt würde immer schneller auf sie zukommen.
Der vierte August würde auch ein Tag werden, den sie nicht mehr erleben würde. Es war der Geburtstag der beiden, an dem sie eigentlich gemeinsam siebzehn geworden wären. So würde nur Kisaki ein Jahr älter werden, aber nicht ihre Schwester. Natürlich kannte Kisaki ihre Schwester - wahrscheinlich würde sie irgendwas dummes versuchen um weiter zu überleben. Selbst wenn sie bisher so getan hatte, als hätte sie sich mit der Situation abgefunden. In Wirklichkeit wollte auch Marika weiterleben, aber sie konnte einfach nicht. Wäre Kisaki diejenige mit der Krankheit gewesen, hätte sie nicht einen Funken Lebenswillen gehabt. Aber Marika hatte aus ihr unerklärlichen Gründen noch ein paar Funken Hoffnung für ihr Leben, das bald enden würde.
„Hast du nicht langsam genug Trübsal geblasen?“, fragte auf einmal jemand aus der Ferne und Kisaki ließ vor Schreck den Ball fallen. Sie sah sich um und erkannte erst dann, wer mit ihr geredet hatte. Doch eigentlich wollte sie nicht antworteten. Nicht, nach dem was passiert war. Wieso war Akashi überhaupt hier und dann auch noch allein?
„Ich kann nun mal auch nicht aus meiner Haut … ich versuche es zu verdrängen, aber es kommt immer wieder. Ich kann an einfach nichts anderes mehr denken. Wir sind Geschwister, haben so viele gemeinsame Erinnerungen die nicht einfach so verschwinden. So wie es aussieht, werden wir nicht einmal unseren Geburtstag im August feiern können. Das ist so … deprimierend ...“
Kisaki liefen in diesem Moment die Tränen über ihr Gesicht, die sie die ganze Zeit aufhalten und verbergen konnte. Es nützte nichts, immerhin wäre es früher oder später sowieso passiert.
„Ich weiß sehr wohl wie es ist, eine geliebte Person zu verlieren. Aber ich kann auch nicht einfach zusehen, wie du wegen ihr mit niemandem mehr reden willst.“
Natürlich wusste Kisaki das, deswegen sagte sie auch nichts dazu. Sie blieb nur auf ihrer Stelle stehen und wusste nicht, was sie machen sollte.
„Es hat auch damals bei Reo-nee nicht funktioniert und das sehe ich nun auch ein. Aber allein diese Sache ist nicht das einzige, was mich bedrückt. Ich wollte es schon so lange aufgeben, aber ich habe es einfach nicht geschafft. Obwohl ich weiß, dass es eh keinen Sinn hat. Ich sollte einfach nach Hause gehen … und dort bleiben.“, meinte sie und beschloss, ein weiteres Mal zu gehen.
Doch Akashi hielt sie fest und wartete auf ihre Reaktion. Ihre Augen waren nach wie vor mit Tränen gefüllt und liefen ihr über die Wangen.
„Nein, ich lasse nicht los. Du bleibst so lange hier, bis du dich beruhigt hast. Jetzt nach Hause zu gehen, wird dir nichts bringen.“
Ja, Akashi hatte Recht. Aber Kisaki konnte trotzdem nicht. Sie versuchte sich loszureißen, aber es funktionierte nicht. Stattdessen platzte ihr das heraus, was sie eigentlich nicht sagen wollte. Allein die Vorstellung war ihr unglaublich peinlich, aber es platzte dann schließlich doch raus.
„Ich … bin genauso dumm wie sie. Ich habe mich damals in dich verliebt, als du mich auf der Treppe aufgefangen hast und dann hat das eine zum anderen geführt. Ich wollte es einfach vergessen und verdrängen, aber es hat einfach nicht geklappt. Jemand wie ich hat so jemanden wie dich nicht verdient, habe ich gedacht. Und das ist auch immer noch so, aber … ich liebe dich trotzdem immer noch.“
Vor Schreck zuckte sie zusammen und konnte sich dann doch losreißen, fiel dann aber auf den Hintern unter sich. Na, da hatte sie sich noch was ordentliches eingebrockt.