No Mercy
von Ala5ka
Kurzbeschreibung
Ein letztes Mal kehrte die Stille ein. Würde er nicht mitgehen, dann würde die Freiheit der Menschheit sterben, was er niemals zulassen konnte. Er musste ihr helfen. Er wusste es und Liriel selbst war sich dessen bewusst, dass sie seine Hilfe benötigte. Deswegen war sie noch hier. Allein konnte die Assassine nicht viel gegen diese Templer ausrichten. Und somit war Adam vielleicht ihre einzige Hoffnung.
CrossoverDrama, Suspense / P16 / Gen
Adam Jensen
OC (Own Character)
14.04.2017
15.10.2017
7
39.965
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12.06.2017
7.273
Leap of Faith
Die Straßen Prags waren genauso düster wie die Gesichter der Passanten, die jeden Blickkontakt mieden, während sie eilig durch die Straßen hasteten – Angst davor, angehalten zu werden und auf die Unzufriedenheit der Polizisten zu stoßen.
„Ich erinnere mich noch sehr genau daran, als meine Eltern und ich hier mal Urlaub gemacht haben. 2014 war das... dieser Ort war so lebendig und sie blühte besonders in der Nacht auf. Jetzt habe ich nur noch eine graue und triste Stadt vor mir.“ Johnson hatte die riesige Kapuze über ihr Gesicht gelegt und hielt den Kopf meist unten. Adam hingegen richtete sein Augenmerk auf die vielen Sicherheitsleute und Kameras, die ihre Schritte ganz genau verfolgten. Es war kaum zu übersehen, dass der Agent augmentiert war und deshalb wuchs das Misstrauen ihm gegenüber von Sekunde zur Sekunde, dabei spielte es keine Rolle, ob er sich nun auffällig verhielt oder nicht. Er war ein augmentierter Mensch, das reichte.
„Wie alt waren Sie zu diesem Zeitpunkt?“, wollte Adam kurz wissen, nachdem er sich zu einem Polizisten gedreht hatte, der mit seinem Schlagstock spielte, um diesen einen gleichgültigen Blick zuzuwerfen.
„18“, antwortete Liriel genauso knapp wie er und seufzte dann, um diese knappe Antwort sanft abzurunden. „Damals war alles so viel einfacher.“ Lächelnd schüttelte sie mit dem Kopf. „Man lernt erst dann etwas zu schätzen, wenn es weg ist.“
„Früher oder später lernen wir aus Allem.“, sagte Adam schnell, packte die Frau plötzlich am Arm und zog sie in eine kleine Gasse. „Wenn wir unbemerkt zum südlichen Teil von Prag wollen, dann sollten wir den Untergrund nutzen. Dort ziehen wir weniger Aufmerksamkeit auf uns und kommen schneller an den Polizisten vorbei.“
Liriel nickte ohne jedes Zögern und der Augmentierte ging in die Hocke, um den runden Gullydeckel anzuheben, der sich ebenfalls in dieser Gasse befand. Dank seiner Augmentierungen war das Gewicht des Deckels kaum ein Problem und als die muffige Luft ihnen entgegenkam, hielt sich die Frau die Hand vor Mund und Nase.
„Glauben Sie mir, man gewöhnt sich schneller an diesen Geruch, als man denkt“, sagte Adam grinsend und sah zu Liriel hoch. „Ich hoffe Sie haben keine Angst vor Ratten.“
„Vor diesen Nagern ganz sicher nicht. Da habe ich ganz andere Ängste“, entgegnete sie unberührt und unter ihrer Hand klang ihre Stimme gedämpft.
„Nun denn, Ladies first und passen Sie auf. Da unten ist es ziemlich rutschig.“
„Und dunkel...“ Johnson warf einen kurzen Blick in den vermeintlichen Abgrund und seufzte, doch ihre Augen zeigten eine gewisse Sicherheit. Anscheinend machte sie das nicht zum ersten Mal und ganz sicher nicht zum letzten. „Dann lassen Sie uns keine weitere Zeit verlieren.“
Adam behielt Recht. Es dauerte nicht lange, da gewöhnte sich Liriel an die verdorbene Luft hier unten.
Während die beiden durch die engen Gänge liefen, fiel Adam auf, dass die Frau neben ihn über etwas grübelte. Auf der Unterlippe kauend, hielt sie stets den Blick nach unten gerichtet.
„Was beschäftigt Sie?“, wollte Adam dann wissen. Eigentlich war er nicht allzu gesprächig, doch hatte er das Gefühl, dass sie lieber aussprechen sollte, was ihr in Moment durch den Kopf schwirrte.
„Die Tatsache, wie diese Stadt langsam vor die Hunde geht. Es ist schrecklich, dass auch hier Menschen leben müssen.“ Liriel schüttelte mit dem Kopf. „Abgesehen davon, dass die Luft hier nicht nur vom Abwasser so stinkt.“
„Ist es in London nicht so schlimm wie hier?“, erkundigte sich Adam ruhig und suchte mit seinen Augen ihre, doch verdeckte die Kapuze wie immer ihr Gesicht.
„Oh doch, die Diskriminierungen sind weltweit überall gleich, ich spreche nur die Tatsache aus. Irgendwann erheben sich die Unterdrückten und dann haben wir einen weiteren „Zwischenfall“.“
„Würden Sie es unterstützen oder zu verhindern versuchen?“ Die Frage kam wie aus einer Pistole geschossen und auch wenn der Augmentierte ihre Augen nicht sehen konnte, schienen diese seine zu durchbohren.
Liriel drehte ihren Kopf leicht in seine Richtung und ihre Lippen zuckten kurz als sie ein Lächeln zu unterdrücken versuchte. „Ich würde es verhindern. Es gibt gewaltfreie Methoden. Wir Assassinen suchen den Frieden, nicht den Krieg und es sind genug Unschuldige gestorben, Mr Jensen. Ich kann kein Blutmassaker unterstützen, wenn dieses verhindert werden kann.“
„Warum tragen Sie dann Waffen an ihren Armen, wenn Ihre Worte, denen eines Pazifisten gleichen?“
„Manchmal ist es unerlässlich.“
„Es ist niemals unerlässlich.“
Nun hob Liriel endgültig ihren Kopf, um Adams Blick zu erwidern, der immer noch auf ihr haftete. „Meine Klinge würde keinesfalls das Fleisch eines Unschuldigen schneiden, Adam und das ist einer der Regeln, an die wir uns streng halten. Halte die Klinge fern vom Fleisch Unschuldiger.“
„Und wie lauten die anderen Regeln?“, wollte Adam wieder wissen.
„Diskretion und bringe die Bruderschaft nicht in Gefahr.“
„Diskretion? Ist das der Grund wieso Sie die Kapuze immer tragen und den Blick auf den Boden gerichtet halten? Das ist ein auffälliges Verhalten, wenn Sie mich fragen.“
Liriel lachte leise auf. „Die Kapuze ist lediglich ein „Markenzeichen“ und mit Diskretion ist eigentlich nur gemeint, dass ich mich nicht meiner Taten präsentieren soll.“
„Wäre bei einem heimlichen Attentat auch leichtsinnig.“, sagte Adam und richtete seinen Blick wieder nach vorne.
„Würde jedenfalls das Wort heimlich entkräften.“, fügte Johnson grinsend hinzu und legte einen Arm um ihren Körper. „Was ist eigentlich mit Ihnen? Was machen Sie so?“
„Oh...ich...“. Erst zögerte Adam, dann entgegnete er abweisend und schulterzuckend: „Ich bin oft im Ausland und...“
„Auf Einsätzen?“
Jensen zog eine Augenbraue hoch, als er Liriel mit einem bedachten Blick musterte.
„Ach kommen Sie schon. Glauben Sie ernsthaft, mir sind in der Gasse Ihre Klingen entgangen? Also ein Manager sind Sie wohl bestimmt nicht. Sonst würden Sie einen Anzug tragen.“
„Anzug? Wirklich?“
Ein Grinsen machte sich in Liriels Gesicht breit. „Was? Ich finde, ein Anzug würde Ihnen bestimmt stehen.“ Dann winkte sie in der gleichen Sekunde ab und legte den Kopf schief. „Spaß beiseite. Sie würden keine Klingen besitzen, wenn Sie diese nicht einzusetzen wüssten. Ich vermute, mit Schusswaffen sind Sie auch wohlvertraut. Also? Wir Assassinen sind eigentlich auch eine geheime Organisation und doch erzähle ich Ihnen davon. Ich meine... haben Sie schon mal was von uns gehört?“
„Von den Assassinen habe ich noch nie was gehört.“, erwiderte Adam trocken.
„Gut so. Unser Ruf ist nämlich beschissen.“ Seufzend blieb sie stehen und drehte sich in Adams Richtung, um direkt vor ihm zu stehen. „Ich sollte Ihnen zwar nicht so viel erzählen, aber ich glaube, jetzt macht es sowieso keinen Unterschied mehr. Ich führe Sie ja direkt in unser Hauptquartier. Sagt Ihnen Tyrants was?“
Ein stechender Schmerz bohrte sich für eine Sekunde durch Adams Herz und als er ebenfalls anhielt, verschränkte er seine Arme und seine Augen spiegelten eine noch stärkere Kälte wider, als sie es bereits taten. Er schwieg, aber seine harte Miene zeigte die Antwort.
„Man warf uns vor, mit dieser Söldnertruppe zu sympathisieren. Oder sind wir etwas genauer... die Templer warfen uns vor, mit diesen Söldnern zu kooperieren, weswegen wir das Ansehen bei vielen anderen Organisationen verloren. Aber seien Sie beruhigt. Die Tyrants und die Assassinen verfolgten niemals gemeinsame Ziele, aber wir besaßen zu wenig Einfluss, um das Gegenteil zu beweisen.“
„Ich glaube Ihnen.“
„Ach ja?“
„Ja. Die Tyrants arbeiteten nicht mit anderen. Sie blieben innerhalb der Gruppe, suchten hin und wieder ein paar neue Mitglieder, wenn jemand mal stirbt“, erklärte Adam schulterzuckend.
„Sie scheinen sich da gut auszukennen.“ Auch wenn Adam ihre Augen nun mied, suchte Liriel sie. „Und Ihrer Miene nach zu beurteilen, hatten Sie schlechte Erfahrungen mit denen. Ich weiß, dass die echt üblen Leute dort haben, eiskalte Killer, skrupellos und sauber, aber in welcher Beziehung stehen Sie zu ihnen?“
„In keiner mehr und darauf beruht das jetzt.“ Die Tyrants waren dafür verantwortlich, dass Adam der Mann wurde, der er nun war. Augmentiert und scheinbar eiskalt gegenüber seinen Mitmenschen. Auch hatten sie Adams privates Leben damit komplett auf dem Kopf gestellt und ihm das Wichtigste genommen, was er einst hatte: Die Liebe - Megan. Aber das war schon so lange her und er hatte seitdem nichts mehr von einer neuen Aufstellung dieser Söldnergruppe gehört, nachdem er jedes frühere Mitglied einzeln ausgeschalten hatte. Und das war gut, denn das Wenigste was er jetzt gebrauchen könnte, wäre eine tollwütige Gruppe von kaltblütigen Söldnern, die bereit waren weiteren Chaos anzurichten. Und jetzt, wo er mit einer Assassine unterwegs war um einen mystisches Artefakt zu suchen, das anscheinend mächtiger war, als alles andere was die Menschheit kannte, am geringsten.
Verständnisvoll wandte sich die Frau von ihm ab und lief weiter. „Ich wünschte, ich hätte einen Grund mich zu beeilen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir dort noch irgendwas finden, ist recht...gering. Ich habe das Tagebuch zwar versteckt, bevor Richard und ich aufgebrochen sind, aber na ja, Templer sind halt Templer... um das zu finden, was die suchen, würden die jede Wand einreißen. Hoffen wir auf das Beste.“
Der Agent ließ sie einige Schritte vorausgehen und fragte sich, ob ihre nicht vorhandene Sturheit, die sie schon ein zweites Mal an den Tag legte, eine gute, oder eine schlechte Eigenschaft war. Oder war sie einfach nur feinfühlig genug, nichts weiter zu hinterfragen? Er wusste, dass dieses Thema irgendwann mal wieder auftauchen wird, aber bis dahin würde sie schon selbst sehen, was er war.
Den restlichen Weg bis zur Oberfläche schwiegen Adam und Liriel fast nur. Hin und wieder hatte Johnson ihre beiden Klingen kontrolliert, sie ausgefahren und wieder eingezogen, ein paar Mal in die Luft gestochen und dann geseufzt. Der Agent beobachtete sie still, zog eine Augenbraue hoch, als sie mit der rechten Klinge schräg das Nichts durchschnitt und dann in dieser Position kurz verharrte. Würde jemand regungslos vor ihr stehen, hätte sie ihm womöglich die Halsschlagader durchschnitten.
Wärmt sie sich auf?, dachte Adam und schmunzelte kurz, als Liriel ihren Blick zu ihm wandte und ihn in dieser Stellung erwartungsvoll anblinzelte. Jetzt, als sie ihn so ansah, fiel ihm erst auf, wie klein Liriel tatsächlich war. Adam war locker zwei Köpfe größer als sie und in der Hinsicht hätte sie in einem Kampf mit ihm, oder mit anderen Personen seiner Größe, mit Nachteilen zu rechnen, auch wenn man die Augmentierungen wegließe. Doch zweifelte er ihr Training nicht an. Sicherlich wusste sie, wie sie diese „Lücken“ schließen konnte, denn immer noch hatte sie mit ihrer Größe die Flinkheit auf ihrer Seite...oder irgendwas anderes in Petto.
„Ich wünschte Richard wäre hier.“, sagte sie plötzlich und verschränkte die Arme. „Nichts für Ungut.“
Adam verstand, was sie damit meinte. Richard musste eine große Bedeutung für sie gehabt haben und wer hatte denn nicht gerne die Personen bei sich, die einem nahe standen?
Dieser Gedanke ließ Adam mit gerunzelter Stirn aufschauen. Wer stand ihm nahe?
Wenn er mal nicht auf der Arbeit war, war ihm die Einsamkeit tatsächlich ein stetiger Begleiter, den er mit Alkohol und fernsehen zu vertreiben versuchte. Ob es klappte? Und wie es klappte. Schon so gut, dass er eigentlich nicht mehr daran denken musste. Es hatte sich nun mal so eingewogen und er hatte es auch nicht weiter verübelt. Man gewöhnte sich viel zu schnell daran und das war ein Fluch und Segen zugleich.
„Ich kann's verstehen.“, antwortete Adam schließlich und blieb neben einer alten und mit der Zeit verrosteten Leiter stehen. „Da ist unser Ticket nach oben.“
Liriel kam neben ihm zum Stehen und hob ihren Blick . „Wir sind auf der Südseite?“
„Nach meinen Kenntnissen schon. Gehen wir hoch und finden es auf eigene Faust heraus.“ Doch Adam war sich zu 100, wenn nicht 200 Prozent sicher, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.
So kletterte er schnell die Leiter hinauf, legte beide Hände auf den Gullydeckel, drückte ihn hoch und schob ihn zur Seite. Kurz steckte er den Kopf hinaus und fand sich in einer verlassenen Gasse wieder. Er blickte sich um und sah dann wieder zu Johnson runter. „Die Luft ist rein.“
Schnell folgte Liriel ihm hoch und als sie endlich den stinkenden Untergrund hinter sich ließen, atmete die Frau tief durch und legte ihre Hände auf ihren Hüften. „Ich mag eher die Höhen als die Tiefen.“, bemerkte sie und Adam blickte zu ihr zurück.
„Die mögen wir alle lieber.“
„Nein... ich meinte das anders. Wir Assassinen bewegen uns lieber auf den Dächern weiter. Das ist wesentlich übersichtlicher.“
„Und wesentlich auffälliger, wenn man auf den Dächern herumturnt.“ Adam stellte sich an eine Wand und spähte auf die Straße. Als ein riesiger grauer Transporter an ihm vorbeifuhr, ging er zurück. „Wo genau müssen wir jetzt eigentlich hin?“
Schweigend stellte sich Liriel neben ihn an die Wand und warf ebenfalls einen kurzen Blick auf die Straße. „Oh verdammt.“, murmelte sie und lehnte ihren Kopf zurück. „Templer-Schergen.“
„Templer-Schergen?“
„Die...Mitläufer. Die, die denken sie sind wichtig, doch ihr Leben ist bedeutungslos und ersetzbar.“, erklärte Liriel schnell und lächelte. „Ihre Ausrüstung ist recht...mau. Die meisten von denen besitzen nicht mal eine Schusswaffe und wenn doch...dann bin ich recht immun gegen Kugeln.“
Adam musterte die Frau mit hochgezogenen Augenbrauen von oben bis unten. „Was meinen Sie damit?“
„Die dürfen mich nicht umbringen, sonst ist derjenige, der mir die Kugel in den Kopf jagt, der Nächste, dem das gleiche Schicksal widerfahren würde. In mir steckt ja das, was die wollen. Tote Erinnerungen bringen denen nichts.“
Stumm nickte der Agent und richtete seinen Blick wieder auf die Straße. „Ich nehme an, die zwei Männer, die das Gebäude auf der anderen Straßenseite bewachen, ist das Gebäude, in das wir rein wollen?“
„Genau.“
Adam konnte hören, wie die Frau neben ihm tief Luft holte.
„Okay... Ich weiß, dass das hier eigentlich eine Angelegenheit zwischen Assassinen und Templer ist, Adam, aber ich könnte trotzdem Ihre Hilfe gebrauchen...oder eher: Ich brauche eine Lebensversicherung. Wie Sie ja wissen, bin ich nicht wirklich in Topform...und...nun ja, Sie wissen ja, worauf ich hinauswill.“
Sie hatte recht. Es war eigentlich eine Angelegenheit zwischen Assassinen und Templern und er hatte in diesem Konflikt nichts zu suchen. Bis Dato hatte ihn diese Streitigkeiten zwischen diesen beiden Parteien auch nicht weiter gestört - oder eher: Er hatte davon nichts mitbekommen. Und jetzt? Jetzt fühlte er sich irgendwie mittendrin. Nicht nur, weil er Liriel gerettet und vor dem Tod bewahrt hatte, sondern auch, weil es hier um die Zukunft der Menschheit geht – sollte man den Worten der Assassine glauben – und er konnte weder Liriel noch die Menschheit hängen lassen. Also gab es nur eine Antwort für ihn.
„Ich helfe Ihnen. Was soll ich tun?“
Ein dankbares Lächeln zierte ihr Gesicht. „Zuerst sollten wir in das Gebäude kommen...dafür müssen wir aber die zwei Wachen ausschalten. Ich schlage vor, wir teilen uns die, da sie sich sowieso gleich trennen. Sie nehmen die rechte und ich übernehme den linken. Schaffen Sie das?“
Und wie er das schaffte.
Mit einem Nicken bestätigte er das und Liriel blickte in den Himmel. „Gut dass es regnet und düster ist. An einem hellen Tag hätten wir ein paar Probleme. Nutzen wir also das Wetter zu unserem Vorteil. Wir treffen uns drinnen.“
Die Assassine legte ihre Hand auf seine Schulter, nickte und sprintete dann nach vorne, um die nächste Deckung zu erreichen.
Adam blickte ihr kurz nach, ehe er sich dann auf die Zielperson konzentrierte und seine Bewegungen analysierte. Er nahm immer die gleiche Route: Ein paar Schritte links vom Haus weg, dann lief er in den Hinterhof, jedoch stets den Blick aufmerksam hin und her schweifen und kam dann zurück. Da er den Hinterhof nicht ganz betrat, vermutete Adam, dass sich hinter dem Haus noch zwei, oder mehrere Templer-Schergen befanden. Er musste als leise sein.
Als er seinen Blick zurück auf Liriel richten wollte, bemerkte er, dass sie bereits verschwunden war und als er sich umschaute, war sie auch nicht aufzufinden.
Sie ist schnell...
Adam ging in die Hocke und blickte sich noch ein letztes Mal nach Polizisten um, ehe er dann geduckt auf einen parkenden Transporter zulief und dort kurz in der Deckung blieb, um zu warten, dass sich der Templer zurück auf den Weg zum Hinterhof machte und als der Mann sich drehte und losschritt, sprintete Adam los, packte ihn, legte seinen Arm um seinen Hals und die Handfläche auf seinen Mund und einen möglichen Schrei zu dämpfen und drückte zu. Krächzend und panisch wandte er sich, schnappte scharf nach Luft und ließ einen erstickten Schrei los, doch er schaffte es nicht, sich von Adam zu lösen und desto mehr Sekunden vergingen, desto schwächer wurden seine Versuche. Die Hände, die verzweifelt versuchten Adams Arm von seinen Hals zu ziehen, glitten weg und hingen kraftlos nach unten. Er war bewusstlos.
Der Arm lockerte sich und der Agent bettete den Templer vorsichtig zu Boden. „Es ist nichts persönliches“, scherze Adam und zog den regungsloses Körper in ein Gebüsch, um ihn zu verstecken. So schnell würde ihn niemand finden, aber sie sollten sich dennoch beeilen.
„Bewusstlos bringt er uns nicht viel.“
Erneut ließ die weibliche Stimme, die er mittlerweile ganz gut kannte, ihn hochfahren.
„Irgendwann wacht er auf und schlägt Alarm.“
„Sind Assassinen nicht schnell und sauber?“, fragte Adam sarkastisch und stellte sich aufrecht hin. Da er direkt vor Liriel stand, musste sie ihren Kopf etwas mehr heben, um ihm in die Augen zu sehen...oder eher auf die goldenen Gläser, die für gewöhnlich seine Augen verdeckten. „Ich glaube die Zeit reicht vollkommen aus.“
Die Frau dachte kurz nach und dann zog sich ein schiefes Lächeln auf ihren Lippen. Es klang fast schon spielerisch, das, was sie als nächstes sagte: „Herausforderung angenommen. Lass uns schleunigst anfangen.“ Ohne darauf zu warten, was Adam sagen wollte, packte sie, ohne groß darüber nachzudenken seinen Arm und zog ihn mit sich durch die Tür. „Das Quartier ist direkt unter uns.“
Der Raum, in dem sie sich befanden, war klein und schien seit etlichen Jahren verlassen zu sein. Einige Regale standen verwahrlost herum, einer von ihnen etwas schräg an seinen Nächsten gelehnt. Die Spinnenweben, die wie Lianen von der Decke hingen, waren schon so weiß, dass sie wie Seide aussahen.
„Nett. Hier hat lange niemand mehr aufgeräumt“, kommentierte der Augmentierte, als er sich etwas genauer umsah. Der Tresen, der links neben der Tür stand, wies darauf hin, dass das hier einst ein Geschäft gewesen sein musste.
„Das hier war mal ein wundervoller Bücherladen.“, erklärte Liriel im nächsten Moment und strich mit ihrem Finger vorsichtig über den Ladentisch. Den Staub, den sie dabei aufsammelte, betrachtete sie kurz und seufzte anschließend. „Der hat aber dicht gemacht, als die Leute bei dem Zwischenfall hier alles verwüstet haben. Der Mann, der die Leitung hatte, war ein guter Freund der Assassinen, also überließ er uns den Keller und zog mit seiner Familie weg.“
„Und im Keller sind Templer.“
„Den Stimmen nach zu urteilen, ja.“
Liriel hob ihre beiden Arme und ließ die Klingen ausfahren. „Ich nehme an, die werden uns nicht freiwillig das Tagebuch geben. Könnte also blutig werden.“
Adam fragte sich, warum sie mit so einer Leichtigkeit über Mord redete. War sie schon so abgehärtet, dass das für sie nur eine weitere Aufgabe war, die es zu erledigen galt? Adam selbst war nicht der Pazifist, denn manchmal mussten Menschen sterben, um den Frieden zu gewährleisten...aber er ging nicht so leicht an die Sache ran, wie sie es tat. Natürlich ließ er sich die Konzentration nicht von einer Moralfrage nehmen, aber trotzdem stellte er sich des Öfteren die Frage, ob diese Menschen wirklich sterben mussten. Oder hatte er diesen Gedanken nur, weil dieser Krieg eigentlich nicht seiner war?
„Ich glaube nicht, dass Sie in der Lage sind zu kämpfen, Ms Johnson.“, merkte er also nur an.
Liriel ignorierte seine Bemerkung und lief um den Tresen herum, zur Hintertür. „Ich habe gesehen, wie Sie den Templer ausgeschaltet haben. Stellen Sie sich einfach vor, wir sind im Einsatz.“
Adams Miene veränderte sich schlagartig und er verschränkte die Arme, während er die Frau mit einer hochgezogenen Braue musterte. „Ich bin aber nicht im Einsatz.“
„Ich aber. Im Übrigen haben wir das ja schon besprochen. Ich muss mich auf Sie verlassen können.“ Bevor sie den schmutzigen goldenen Knauf der Tür drehte, blickte sie nochmal zu ihm zurück und lächelte. „Ich weiß, dass ich nicht ganz imstande bin zu kämpfen, deshalb sind Sie ja da, vergessen?“
„Nein.“, antwortete der Agent schroff und folgte ihr mit langsamen Schritten zur Tür. Er hatte versprochen auf sie aufzupassen und er würde sich daranhalten. Loyalität wurde bei ihm groß geschrieben...und Versprechen brechen? Das definitiv nicht. „Schauen wir zu, dass wir das Tagebuch holen.“
Die Holztreppen ächzte wortwörtlich unangenehm laut unter ihren Schuhen auf und jedes Mal, als sich das knarrende Geräusch bemerkbar machte, zuckte Liriel ein wenig zusammen. „Früher ist mir das gar nicht mal so aufgefallen wie jetzt. Die Stufen schreien uns ja schon quasi an.“, flüsterte sie und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und als sie von der letzten Stufe ging, hockte sie sich sofort hin und wartete kurz. Adam tat es ihr gleich und lauschte. Wenn er sich nicht irrte, konnte er vier verschiedene Stimmen aus dem Nebenraum vernehmen und so richtete er seinen Blick fragend auf die weibliche Person neben ihm und sie nickte. „Wir haben keine andere Wahl, als sie auszuschalten, Adam.“, sagte sie und hielt immer noch ihre Stimme im Flüsterton. „Es gibt zwar einen zweiten Weg hier raus, aber ich glaube kaum, dass sie den gefunden haben...oder noch nicht, sonst wären ihre Stimmen nicht so nah und wenn die raus wollen, kommen die an uns vorbei.“
„Was ist, wenn die nur hier stehen und aufpassen, während die anderen beim anderen Ausgang sind?“
„Tja dann...“ Liriel schlich zu der nächsten Tür hin, ohne ihren Satz zu beenden und machte sie leise auf. Sie knarrte nicht einmal und als sie einen Spalt weit offen stand, huschte die Assassine geräuschlos hindurch.
Adam zögerte erst, folgte ihr aber dann geduckt und setzte sich neben sie, hinter ein paar Kartons in Deckung.
„...und wenn wir die ganze Bude hier auseinandernehmen müssen, dann tun wir das auch.“, zischte jemand mit einer tiefen rauen Stimme. „Das Tagebuch ist hier irgendwo. Reißt die Wände ein, wenn es sein muss und hört auf rumzuheulen, dass ihr das Buch nirgends finden könnt. Es muss hier sein.“
„Oh verdammt“, murmelte Liriel und spähte durch eine Lücke, um die Situation verfolgen zu können.
„Was ist?“, wollte Adam wissen und bemühte sich leise, aber verständnisvoll zu reden.
„Louis Bennett. Das „B“ steht für „böse“ und das meine ich genau so, wie ich es sage. Bennett ist verdammt skrupellos und gehört zur inneren Mitte. Also zu denen, die den Orden leiten. Ich hasse diesen Typen“, erklärte Liriel schnell und warf einen prüfenden Blick in Adams Richtung. „Er kann ziemlich schnell ungemütlich werden. Wir sollten ihn nicht unterschätzen.“
Wenn Adam etwas wirklich nie tat, dann war es jemanden zu „unterschätzen“. So ein leichtsinniger Fehler würde ihm nicht unterlaufen und so nickte er und fuhr seine rechte Klinge aus. „Hat er irgendwelche Augs?“, wollte er wissen.
Wären die Umstände anders, hätte Liriel wohl möglich laut losgelacht, aber da die Lage es dementsprechend nicht zuließ, verzog sie ihre Lippen nur zu einem kalten Lächeln. „Lieber würde er sterben, als jenen anzugehören, die sich die „Augementierten“ nennen. Glauben Sie mir, der Typ hat einen Hass auf alles, was wie eine Art Prothese aussieht...insbesondere ihre Träger.“
Gut, dann kann er uns wenigstens nicht durch die Wärmesignatur sehen...
„Na dann werden wir wahrscheinlich keine besten Freunde mehr“, flüsterte Adam und grinste schief.
„Sie arbeiten mit mir. Assassinen hasst er wahrscheinlich genauso sehr.“
„Na unsere Beziehung klingt ja vielversprechend.“
„Das können Sie laut sagen.“
„Nah, lieber nicht.“
Vorsichtig spähte nun auch der Agent durch die Lücke, um den Mann in Augenschein zu nehmen und einzuschätzen, wo seine Schwachstellen sein könnten. Louis Bennett sah zu Adams Erstaunen recht...normal aus. Er hatte kurzgeschnittene braune Haare, einen gepflegten Drei-Tage-Bart, schmale braune Augen und ein eingeübtes leichtes Lächeln auf den Lippen. Er war nicht größer und älter als Adam selbst und trug genau wie er einen schwarzen langen Mantel. An seinen Händen waren Lederhandschuhe, die immer wieder knirschten, wenn er seine Hände zu Fäusten ballte. Und er trug ein Schwert auf dem Rücken, welches merkwürdig golden schimmerte, wenn das Licht sanft über dessen Klinge streichelte.
„Ein Schwert? Wirklich? Ist das nicht irgendwie aus der Mode?“, fragte Adam leise.
Liriel biss sich jedoch besorgt auf die Lippen und schwieg bei seiner rhetorischen Frage.
„Nun gut...wie wollen wir vorgehen?“, fragte er wieder und zog aus seinem Mantel eine schallgedämpfte Waffe, die er kurz überprüfte und dann zu Boden senkte.
„Sehen Sie diesen Tisch dahinten?“ Liriel deutete auf das kleine Möbelstück, das in der Mitte des Raumes stand. „Dort sind meine Waffen... ich brauche die, denn nur mit diesen beiden Klingen komme ich nicht weit. Also wird das Schritt eins sein: Meine Ausrüstung holen. Sie bleiben hier und machen erst gar nichts. Wenn wir vermeiden können, dass sie Sie sehen, dann tun wir das. Greifen Sie ein, wenn es unerlässlich ist, okay?“
„Soll das heißen, ich bleibe hier sitzen und Sie kämpfen gegen diese vier Personen?“ Adam wiegte seinen Kopf leicht zur Seite und als die Frau stumm nickte, ließ er beide Sonnenbrillengläser verschwinden, um Liriel mit einem besorgten Ausdruck zu mustern. „Ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee wäre, Ms Johnson.“
„Vertrauen Sie mir?“
Ja, das tat er, aber irgendwie wollte er es nicht aussprechen, weswegen er nur seufzte und nochmal durch die Lücke sah.
„Hey! Ich glaube, ich habe was!“, rief einer der Templer-Schergen und Louis hob neugierig seinen Blick von einem Buch. „Schieß' los.“
Der Mann klopfte gegen eine freie Wand und es hallte hinter ihr weiter. „Hinter der Wand ist ein Raum oder ein Gang.“, sagte er und grinste breit.
„Mist“, zischte Liriel und fuhr die Klinge aus, welche sie auch aus der Halterung nahm. Dann wollte sie aufstehen, doch Adam legte seine Hand auf ihre Schulter und hielt sie unten.
„Das ist der geheime Fluchtweg dieses Quartiers. Er führt durch einen kleinen Raum, wo sich auch das Tagebuch befindet, weiter in einen Untergrund. Dort gibt es eine Wegspaltung, hoch zum Dach und zurück auf die Straße... Die Assassinen waren sehr vorausschauend. Sie wussten zwar nicht, wie es passiert, aber das es passiert, also haben sie Fluchtwege in der ganzen Stadt verteilt...und das hier ist einer von ihnen...ausgerechnet der wichtigste.“
Kurz fixierte der Augmentierte ihre Augen, ließ dann wieder ab von ihr und blickte zurück zu den Templer, die inzwischen herausgefunden hatten, wie sich die geheimnisvolle Türe ihnen offenbarte. Ein sanfter Druck gegen einen Ziegelstein und die Wand spaltete sich einen Meter auseinander.
„Das ist so klischeehaft“, scherzte ein anderer Templer und verschränkte seine Arme, während er jedoch mit Begeisterung in den Augen auf die Tür blickte.
Louis beachtete ihn gar nicht, ließ das Buch, das er gerade noch gelesen hatte, achtlos zu Boden fallen und trat auf die Tür zu. „Na wer sagt's denn?“ Der Triumph war deutlich in seiner Stimme zu hören und er wandte sich dann an seine Begleiter. „Ihr bleibt hier und passt auf, während ich mir das hier mal genauer anschaue.“
„Aye!“, rief einer und salutierte gespielt, wofür er einen wütenden Blick von Bennett erntete.
Der Templermeister drehte sich dann weg und öffnete die Tür. Vor ihm legte sich ein dunkler Gang offen, den er ohne weiteres Zögern betrat und es dauerte auch nicht lange, bis die Dunkelheit ihn in sich verschlang. Man konnte nur noch die Schritte hören, die von Sekunde zu Sekunde immer leiser wurden, bis sie komplett verstummten.
„Tja und jetzt?“
„Jetzt warten wir...“
Die beiden Templer sahen sich noch um, während der dritte gegen eine Wand lehnte und eine Zigarette anzündete.
„Hey guck mal!“, rief plötzlich einer von ihnen und hob ein Foto auf. „Die beiden Assassinen sehen genauso aus wie die, die wir gefangen haben.“
„Die sehen nicht nur so aus, das sind die auch, du Idiot.“
„Haha...“, raunte der eine und riss das Foto in zwei. „Ich frage mich, wann Louis das Weib auch endlich erschießt. Die redet genau so wenig wie ihr Freund. Wie hieß der nochmal? Luke?“
„Luke ist tot?“ Liriel starrte entsetzt nach vorne und ihr Atem wurde schwerer. „Von uns allen hat er es am wenigsten verdient...“
Adam konnte förmlich den Schmerz spüren, den Liriel empfand. Auch seine Brust wurde schwer und er legte vorsichtig seine Hand tröstend auf ihre Schulter zurück. „Es tut mir leid...“
„Haha und gewinselt hat er wie ein dummer Köter. Erstaunlich, was die Assassinen alles aushalten.“
„Halt die Klappe, du perverses Schwein“, rief der Templer an der Wand und blickte auf, um den anderen Templer-Schergen einen verachtenden Blick zuzuwerfen.
„Er hat lediglich das unausweichliche verzögert. Eine Frage der Zeit, bis die Assassinen-Schlampe auch redet. Man sieht schon in ihren Augen, dass sie zu brechen beginnt.“
„Das reicht!“, schrie Liriel plötzlich und sprang von ihrer Position auf. „Noch ein Wort, ich schwöre bei Gott!“
„Assassine!“
Nun stand die Frau den drein Tempern gegenüber und hielt ihr kleines Messer hoch.
Greifen Sie ein, wenn es unerlässlich ist... Adam holte sich diese Worte zurück und seufzte leise. Er würde hier sitzen und warten... aufmerksam warten...er vertraute ihr...sie wusste was sie tut...hoffte er.
„Ha-ha.“
Dieses ironische Lachen ging Adam langsam auf die Nerven.
„Was willst du machen? Uns piksen?“
Ein anderer Templer schloss sich dem Gelächter seines Kumpanen an, aber der eine, der noch seine Zigarette zu Ende rauchte, bevor er den ausgerauchten Stummel zu Boden warf, blieb konzentriert.
„Wäre ein Anfang.“ Und ehe sich der lachende Templer versah, machte die Assassine eine kurze Handbewegung und der Mann sackte gurgelnd zu Boden, während er verzweifelt seine Hände gegen den aufgeschlitzten Hals drückte und erfolglos nach Luft rang. Das Blut bildete eine riesige Pfütze um ihn herum und binnen Sekunden war er auch schon tot.
Adam staunte nicht schlecht über ihre Schnelligkeit und immer mehr wuchs das Gefühl der Sicherheit in ihm. Sie wusste also tatsächlich was sie tat.
Liriel beachtete den Sterbenden nicht länger und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die beiden anderen, die sofort ihre Waffen zogen. Der eine ein Langschwert und der Raucher eine Pistole, die er zielsicher auf Liriel richtete.
Ein triumphierendes Lächeln zog sich auf die Lippen der Frau und sie ließ ihren Blick kurz durch den Raum schweifen. Kurz wurde ihr Augenmerk auf den Tisch, auf dem ihre Ausrüstung lag, gezogen, dann wechselte sie den Augenkontakt jeweils von einem Templer zu dem anderen hin und her.
„Töte mich und du bist der nächste, der mit ins Jenseits folgt“, zischte die Assassine und der Mann, der die Pistole hielt, grinste.
„Ich werde dich nicht töten, aber es spricht nichts dagegen, dich zu verletzen.“ Und mit einem Male hielt er den Lauf seiner Waffe auf Liriels Beine gerichtet, schoss und verfehlte. Die Frau war zur Seite gewichen und das Projektil schlug neben ihr auf dem Boden ein. „Sollte es dir gelingen“, spuckte Liriel noch aus, bevor sie einen großen Sprung nach hinten machte, um dem diagonalen Oberhau zu entweichen, der als nächsten Angriff folgte. Der Templer mit dem Schwert, drehte seine Klinge noch im Flug und versuchte den gleichen Hau nur von der anderen Schulter aus, doch auch dieser traf nicht und Liriel bewegte sich, während sie der Klinge entkam, in Richtung des Tisches.
Sie braucht ihre Waffen, um ordentlich mitkämpfen zu können... sollte ich...? Adam ballte seine Hände und blieb da, wo er war.
Erneut fiel ein Schuss, doch auch dieser verfehlte sein Ziel nur knapp und Liriel ließ sich zu Boden fallen, rollte sich geschickt nach vorne ab und als sie wieder geradestand, hatte sie den Tisch neben sich. Schnell packte sie das Langschwert, das sich darauf befand und hob es in den Ochs, als der nächste Oberhau auf sie herab donnerte. Die gegnerische Klinge prallte auf ihre und Adam konnte erkennen, dass die Frau ein paar Probleme damit hatte, das Gewicht auszugleichen. Der Mann, der sein Schwert gegen ihres drückte, war um einiges größer und stämmiger als sie, aber irgendwie sah es nicht wirklich so aus, als ob er deswegen die Oberhand gewann. Er unterschätzte die Assassine und das sah man ihm deutlich an.
Es gab keinen anderen Ausweg für Liriel, als dagegenzuhalten - das war jedenfalls das, was Adam dachte – doch die Frau tat es nicht. Im Gegenteil, sie grinste auf einmal und hob die das Schwert noch etwas weiter höher, schnappte plötzlich mit dem Griff links von ihm weg, und schlug den Knauf hart gegen seine Schläfe. Total perplex, taumelte der Templer zurück und versuchte sich wieder zu fassen, doch der Schlag war so stark gewesen, dass er einen Moment brauchte – diesen Moment, den sich Liriel für den Schützen nahm. Also ließ sie das Langschwert fallen.
Noch ehe dieser erneut die Waffe auf sie richtete, stürmte Liriel auf ihn zu, packte den Lauf und riss ihn hoch, sodass die Kugel in die Decke einschlug und etwas Putz von der Wand zu Boden rieseln ließ.
Kurz harrten die beiden in dieser Position aus, bis die Assassine beschloss, ihr kleines Messer in Einsatz zu bringen. So drückte sie den Raucher von sich, holte mit der Klinge aus, um diese in seine Brust zu stechen, doch ihr Gegner wehrte es ab, indem er seinen Arm hob und die Klinge auffing.
„Ich frage mich immer, warum bei Kämpfen so oft der Mittelweg ignoriert wird“, fragte Liriel ihn und ein grausames Lächeln zog sich erneut auf ihren Lippen. Und während der Mann bemüht das Messer von seinem Leib drückte, ließ sie es aus ihrer Hand gleiten, packte den Griff der Klinge mit der anderen freien Hand und rammte es dem Templer direkt in die längst gezielte Stelle: sein Herz.
Die Pupillen des Mannes weiteten sich und er versuchte noch irgendwas zu stammeln, doch kein verständliches Wort entwich seinen Lippen – nur Blut. Es war vorbei mit ihm und auch mit dem Moment... und als sie das Messer wieder aus der Brust des Mannes riss und dabei eine blutrote Fahne mit sich zog, drehte sie die Waffe noch mit einer kurzen Handbewegung, während sie es zurückbewegte und rammte es direkt in den Hals des Gegners, der hinter ihr stand.
Liriel sah nicht hin. Sie drehte sich von den beiden Sterbenden weg, lief auf den Tisch zu und sammelte die restlichen Waffen ein - so, als würde sie die Töne des Todes nicht hören.
„Es war nur so einfach, weil die mich nicht töten dürfen.“, sagte sie an Adam gewandt und legte sich die Waffengurte an. Eins um ihre Hüfte und eins um ihren rechten Oberschenkel. Das Langschwert, das sie wieder vom Boden hob, schnallte sie sich auf ihren Rücken fest und bevor sie das lange Messer ebenfalls in die Scheide steckte, betrachtete sie kurz die verzierte Klinge. „Bitte denken Sie jetzt nicht, dass mir das Töten leichtfällt. Tut es nämlich nicht.“
Als sie sich zu dem Mann umdrehte, stand Adam bereits aufrecht und einige Meter von ihr entfernt da. „Töten fällt keinem anständigen Menschen leicht, Ms Johnson. Wenn Sie denken, dass ich Sie für einen kaltblütigen Killer halte, dann liegen Sie falsch. Das tue ich nicht.“
„Danke, Adam.“ Die Frau lächelte warm und wollte das Messer in die Scheide stecken, doch als sie sich umdrehte, um die Pistole von Tisch zu nehmen, stand plötzlich Louis Bennett direkt vor ihr, mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen, das Schwert gezogen und schon in der Ausführung eines Unterhaues. Die Assassine konnte nur in der letzten Sekunde reagieren und hielt das lange Messer vor ihrem Körper, um die Klinge gerade noch aufzufangen. Sie schaffte es, doch als die Klingen aufeinanderprallten, begann Bennetts Schwert golden aufzublitzen und ein goldener Schleier legte sich um die Schneide. Der Nebel sickerte in die dazu entstehenden Fugen – die nun deutlich auf der Klinge wie Gravierungen aussahen – und für einen kurzen Moment schien die Zeit stehen zu bleiben.
Louis´ Grinsen wurde immer breiter und diese goldene Spannung, die zwischen Liriels und sein Schwert entstand, war so enorm, dass es die Assassine ein paar Meter zurückwarf.
Sie stieß hart gegen eine Wand und sackte stöhnend und fluchend zu Boden.
Sofort richtete Adam seine Schallgedämpfte Waffe auf den Mann, legte den Finger auf den Abzug und drückte ab.
Es war fast ironisch, wie Louis sein Schwert hob und die Kugel einfach auf der Klinge abprallen ließ. Das Projektil hatte nicht einmal ein Hauch von Chance gehabt, sein Ziel zu treffen.
Die beiden goldenen Gläser verdeckte Adams erstaunte Augen. Er konnte selbst nicht ganz begreifen, was gerade passiert war. Einem Augmentierten wäre das sicherlich irgendwie möglich gewesen...aber er war nicht augmentiert. Er hatte nur ein Schwert. Mehr nicht.
„Adam...“ Liriels Stimme riss ihn aus der Starre des Erstaunens und er realisierte erst jetzt, dass sie noch auf dem Boden lag. Jensen eilte zu der Assassine hin, um ihr aufzuhelfen.
„Vergessen Sie es. Solange er den Splitter mit sich trägt, ist er unverwundbar“, sagte Liriel und bedankte sich anschließend mit einem Nicken.
„Splitter?“, fragte Adam, doch Bennetts Lachen schnitt Liriel die Worte ab.
„Ah... ich sehe, Sie sind kein Assassine und wir kennen uns ja auch noch nicht. Mr Bennett, sehr erfreut.“ Der Templermeister hielt Adam die Hand entgegen und sein Grinsen wurde immer breiter, sodass sein Gesicht einer Fratze glich.
Das Einzige was Adam ihm entgegenwarf, war ein harter Blick.
Schulterzuckend legte Bennett die Hand zurück auf die Parierstange und hielt mit der anderen seufzend ein Buch im Lederumschlag hoch. „Ich vermute, Sie beide sind deswegen hier.“
„LOUIS! Ich schwöre bei Gott...“
„Aaaaaah, Sie erinnern sich an meinen Namen, wie schön.“ Bennetts gespielte Freude ließ Liriel noch mehr aufkochen. Ihre Anspannung wuchs, sodass Adam spürte, wie ihre Muskeln zu zittern begannen.
„Wie könnte ich Sie nur vergessen, Sie mieser Templer-Bastard“, zischte Liriel zurück.
Louis schüttelte amüsiert seinem Kopf. „Ich frage mich eigentlich die ganze Zeit, wo der eine Typ ist, den Sie ja überall mit sich herumgeschleppt haben...mh... Gott, helfen Sie mir auf die Sprünge... wie hieß er nochmal? Ach ja! Liam! Mh... waren Sie nicht so sehr ineinander verliebt? Was ist mit ihm eigentlich passiert?“
Nichts in Liriels Gesicht bewegte sich, nicht einmal ein kleines Zucken entwich ihren Lippen, um die Emotionen zu verstecken. Nichts. Nur Kälte.
„Sie haben ihn erschossen“, antwortete sie noch trockener, als es die Wüste jemals sein könnte.
Louis schnipste mit seinem Finger und tat so, als ob es ihm wieder einfallen würde. „Ach ja richtig! Mein Fehler.“
Das Mitleid, welches in Adam plötzlich aufkam, ließ ihn schlucken und auch wenn Liriel nur starr in Louis Richtung blickte, wusste er, dass ihr Herz zerbrach. Er kannte das Gefühl. Er kannte es zu gut.
Seufzend wandte sich der Templermeister an Adam: „Sie sollten sich daraus halten, Opti. Das hier ist nicht Ihr Kampf.“
„Wenn es um das Wohl der Menschheit geht, dann ist es sehr wohl mein Kampf!“ Diese Antwort überraschte den Agenten selbst. Er hatte das aus Intuition gesagt. Er hatte das gesagt, weil er Liriels Hände auf seiner Schulter spürte, ihr Gewicht trug und sie stützte. Die Assassine drehte ihren Kopf in Adams Richtung und blinzelte ihn verwundert an.
Das schallende Gelächter von Bennett hallte durch den ganzen Raum wider. „Ist das Ihr Ernst? Das Wohl der Menschheit? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, um was es hier geht? Denken Sie, dass die Assassinen für das Wohl der Menschheit kämpfen? Wenn die nicht wollen, dass der Apfel gefunden wird... warum töten sie Miss Johnson nicht einfach? Dann wird das Geheimnis niemals gelüftet! Der Apfel niemals gefunden. Alles gut, oder? Oh nein...“ Er schüttelte theatralisch den Kopf. „Sie tun es nicht und wissen Sie auch warum?“
„Halten Sie die Klappe!“, fauchte Liriel. „Wir Assassinen trachten nicht nach Macht, wie es die Templer tun! Wir Assassinen kämpfen für die Freiheit! Das was jedem Menschen zusteht!“
„Was die Menschen brauchen ist Ordnung, nicht Freiheit! Sehen Sie nicht, was Freiheit mit ihnen macht? Sie bekämpfen sich selbst! Töten sich gegenseitig! Wegen Geld, Macht, Religion... und jetzt mischen diese... Möchtegern-Götter von Augmentierten mit!“
Liriel ballte ihre Hände so stark zu Fäusten zusammen, dass die weißen Knöcheln hervortraten. „Ach ja? Und die Templer sind natürlich berechtigt diese Entscheidung für alle Menschen zu treffen?“
„Und wie wir dieser Entscheidung berechtigt sind, Assassine!“
„Das ist Größenwahn und Egoismus!“
„So bezeichnen es natürlich die, die keine Sekunde vernünftig darüber nachdenken können.“ Louis hob sein Schwert und hielt den Ort in Adams Richtung. Instinktiv hob der Augmentierte seine kybernetische Hand und ein Lächeln umspielte Louis Lippen. „An Ihrer Stelle würde ich die Klinge nicht anfassen. Außer Sie stehen natürlich auf Schmerzen, Sie Blechdose.“
„Nein, aber ich habe langsam die Nase voll von Ihnen und Ihrem Geplapper.“ Blitzschnell ließ er seine Klinge hervorschnellen und stieß sie in Louis Richtung. Der reagierte natürlich mit einem Gegenschlag, den er als einen Stich nach vorne ausführte, während er die lange Schneide etwas nach unten kippte, doch Adam hatte nur vorgetäuscht, ließ den Templer ins Leere stechen, schlüpfte durch seine Klinge hindurch und trat mit voller Wucht gegen seinen Rücken, sodass Louis nach vorne stolperte. Und während er das tat, ließ er Liriels Hand kein einziges Mal los und zog sie mit. „Sie erwähnten einen Fluchtweg durch diesen Gang, richtig?“
Liriel schnappte sich noch vom Tisch die Waffe beim Vorbeilaufen und nickte. „Ja, wir treffen noch auf einen kleinen Raum, dann rechts zum Dach hoch, links auf die Straße zurück.“
„Louis wird die restlichen Schergen kontaktieren. Ich nehme an, wir gehen auf das Dach?“
Mit Mühe versuchte die Frau mit Adam Schritt zu halten, was sie jedoch kaum schaffte, so stolperte sie hinter ihm her. „Auf's Dach! Dann kann ich Ihnen zeigen, wie es bedeutet, ein Assassine zu sein!“
„Ich glaube nicht, dass -“
Ein Schuss fiel und die Kugel durchschnitt die Luft neben Adams Kopf. „Verdammt.“
„Du Idiot! Ihr sollt die Frau schnappen nicht erschießen!“, schrie Louis hinter ihnen.
„Was ist mit dem Mann?“
„Dem könnt Ihr ruhig eine Kugel durch den Kopf jagen, wenn ihr könnt, aber lasst Liriel unversehrt!“
„Irgendwie habe ich jetzt ein schlechtes Gewissen“, keuchte die Assassine und Adam ignorierte diese Aussage, stürmte durch den besagten Raum und bog dann nach rechts. Ohne groß Rücksicht darauf zu nehmen, dass er die Tür fast aus dem Rahmen zog, riss er sie auf und lief das Treppengelände hinauf. Immer wieder musste er Liriel einen Ruck nach oben geben, damit sie nicht auf den Treppenstufen stecken blieb.
Adam zählte die Stockwerke nicht mit, die er hinaufkletterte, da warf er sich auch schon mit der Schulter voraus, gegen die nächste Tür und erreichten damit mit Liriel die Freiheit.
Immer noch regnete es und der Abend brach an. Es war also relativ dunkel.
Adam ließ die Assassine los und holte tief Luft, wobei er zu husten begann, als zu viel Luft seine trockenen Lungen füllte. Ironie - seine Lungen waren ebenfalls augmentert. „Wie weit können Sie springen? Mit Hilfe meiner Augs, komme ich weit, was ist mit Ihnen?“
Liriel war zum Rand des Daches gelaufen und blickte hinab. „Wir springen da runter.“
„Wie bitte?“ Adam fragte sich, ob der Schlag von vorhin etwas an ihrer Realitätswahrnehmung verzerrt hatte. „Wenn ich schätzen darf, geht’s da mindestens 50 Meter runter. Das überleben wir nicht.“
„Doch. Wir Assassinen nennen es den 'Sprung des Glaubens'.“
„Den WAS?“
„Sprung des Glaubens. Vertrauen Sie mir?“
„Hören Sie bitte auf mich das zu fragen...“
Liriel lächelte schief, auch wenn die Umstände mehr als unpassend dazu waren und stieg auf einen Vorsprung. „Die Zeit tickt. Die Templer werden nicht warten, bis Sie sich entschieden haben. Also?“
Adam folgte ihr auf den Rand des Daches und blickte hinunter. Mehr als Schwärze erkannte er nicht. Auch, als er die Nachtsicht einschaltete. „Wir springen darunter, ohne zu wissen, was da unten ist? Deswegen 'Sprung des Glaubens'?“
Liriel stellte sich aufrecht hin und breitete ihre Arme aus. „Vielleicht... ach ja und lassen Sie sich bitte genau so fallen.“ Dann sprang sie.
„Verflucht!“
Und er folgte Liriel ins Ungewisse.