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No Mercy

von Ala5ka
Kurzbeschreibung
CrossoverDrama, Suspense / P16 / Gen
Adam Jensen OC (Own Character)
14.04.2017
15.10.2017
7
39.956
3
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4 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
 
14.04.2017 3.954
 
UPDATE 2022: Die versprochene Korrektur ist immer noch nicht da :D ich finde einfach nicht die richtige Zeit dazu. Mein Studium ist so gut wie beendet, vielleicht dann später :) Bleibt gesund!

Kurze Anmerkung:

Ja, das hier ist ein Crossover und ich weiß auch, dass es ein extra Topic dafür gibt, deswegen habe ich mit einem Moderator darüber geschrieben und der meinte, es wäre völlig in Ordnung diese Geschichte hier reinzustellen, da in diesem Bereich sowieso wenig los ist ( :( ). :D So, das war alles :)

Viel Spaß beim Lesen!

Menschlichkeit


Es war drei Uhr am Morgen, als Adam Jensen sich auf dem Heimweg machte. Er hatte nicht gedacht, dass der Papierkram, den er immer vor sich herschob, so viel Aufwand bedeutete, doch die Mühe lohnte sich: Endlich konnte er sich auf das Wesentliche konzentrieren und das waren die Vorbereitungen seines nächsten Außeneinsatzes.

So lief der Augmentierte müde den Seitenweg entlang und konnte es kaum erwarten, nach der wohlverdienten Dusche ins Bett zu gehen. Viel Zeit für Schlaf blieb ihm trotzdem nicht. Der Tag würde heute früh beginnen. Zwei Stunden, um genau zu sein, aber seine Augmentierungen ermöglichten ihn den Ausgleich, steigerten die Leistungsbereitschaft um einige Prozente, selbst wenn der menschliche Körper zu solchen Ausnahmen kaum fähig war. Außerdem würde ihm noch genug Zeit bleiben, seinen Schlaf nachzuholen.

Um sich ein wenig zu entspannen, ließ er schon fast automatisch die metallische Hand in seine Manteltasche gleiten, griff nach der Schachtel, die sich darin befand und zog sie heraus. Mühelos klopfte er eine Zigarette aus der Pappverpackung und seine Hand verschwand ein weiteres Mal in der Tasche, um nach dem Feuerzeug zu greifen.

Nachdem die Kippe angezündet war, inhalierte Adam den Rauch kurz und stieß im nächsten Moment den giftigen Qualm in die Luft zurück. Der Nebel löste sich nur langsam auf und als er wieder an der Zigarette zog und die Ruhe der leeren Straßen genoss, vernahm er von sehr weit weg ein leises Flehen. Da der Augmentierte die Straßen Prags gut kannte und wusste, dass diese die Heimat für viele Obdachlose bot, stufte er auch dieses Geräusch als solches ein. Aber desto öfter er an seiner Zigarette zog und in diese Richtung lief, desto mehr erkannte er, dass sich aus dem Wimmern Worte formten. Adam beschloss nach dem Rechten zu sehen und fand sich am Fuße einer dunkle Gasse wieder. Das Flehen kam von dort und der Agent konnte seine Neugierde nicht bündeln und lauschte.

„Halt bitte die Augen offen. Bitte! Ich muss wissen, dass du wach bist. Du musst überleben, komm schon, lass die verdammten Augen offen... ich bitte dich.“ Nach und nach verlor eine männliche Stimme an Kraft. “Sie sind hinter uns her...wir müssen weiter...“

Adam fuhr aus Reflex seine Klinge aus, ließ dabei die ausgerauchte Zigarette fallen und blickte sich um. Sie wurden verfolgt?

“Du...bist genauso...verletzt...“. Eine weibliche Stimme kam dazu, die auch noch deutlich jünger klang.

Adam schritt langsam in geduckter Haltung in die Gasse und analysierte mithilfe seiner Smart Vision die Umgebung. Etwas weiter von ihm entfernt saßen zwei Personen aufrecht auf dem Boden. Die rechte Person beugte sich über die andere und redete sanft auf diese ein. Die Forderung, die Augen offen zu halten, verstummte und als Adam nah genug an ihnen dran war, wurde er von dem Mann bemerkt, der aufschreckte. Sofort packte er mit seiner blutigen Hand eine Waffe, die neben ihn auf dem Boden lag und hielt sie zitternd in seine Richtung. Das wenige Licht, welches durch die Hauptstraße in die Gasse drang, warf Adams Schatten an die Wand, die sich fast schon bedrohlich, über diese Personen erhob und desto näher er kam, desto größer baute sich diese dunkle Kreatur auf.  

„Was wollen Sie? Verschwinden Sie!“, krächzte der Mann mit der Waffe, dabei bemerkte Adam, dass er am Ende seiner Kräfte war. Seine Stimme klang tonlos und die Worte schienen nach jeder Silbe zu brechen. Außerdem hielt er die Waffe mehr zu Boden gerichtet als auf ihn. Sollte er schießen, würde er Adams Bein treffen – wenn überhaupt.

Augenblicklich ließ der Augmentierte seine Klinge verschwinden und hob die Hände vor seinem Körper, um zu signalisieren, dass keine Gefahr von ihm ausging.

Ein tiefes Seufzen kam als Reaktion und die Waffe senkte sich zurück zu Boden. Mit einem weiten Seufzen wendete sich der Mann wieder der Frau zu und drückte beide Hände gegen ihren Körper. „Durchhalten.“

"Wer ist das?“, fragte die weibliche Stimme.

Adam erkannte erst jetzt die riesige Pfütze aus Blut, die sich auf dem Boden breit gemachte hatte und sofort verschwanden die Gläser seines Visiers und er ging in die Hocke. Es war schwer für Adam einzuschätzen, ob das viele Blut von den beiden stammte. Ob der ältere Mann ebenfalls verletzt war, ließ sich in der Dunkelheit nicht erkennen, jedoch bemerkte er Blut an den Händen der weiblichen Unbekannten, die sie fest gegen ihren Bauch drückte.  „Wurde sie angeschossen?“, fragte der Agent schließlich, seine Stimme bemüht ruhig. „Ich rufe einen Notarzt.“ Er hatte schon zwei Finger an seine rechte Schläfe gelegt, um das HUD zu aktivieren und einen Anruf zu starten, doch der ältere Mann riss einen Arm hoch und hielt diese in Adams Richtung. „Nicht! Dort suchen sie zuerst!“

Adam bemerkte das Flehen in seiner Stimme und ließ beide Finger wieder sinken. „Wer?“, wollte er wissen und wagte noch einen kleinen Schritt nach vorne, um die beiden Gestalten besser zu begutachten und während er beide abwechselnd musterte, fiel ihm auf, dass weder die junge Frau noch der Mann sichtbaren Augmentierungen besaßen. Adam sah ein weiteres Mal genauer hin und erkannte jeweils an beiden Armen der Personen einen Armschutz.

Nun hob der Augmentierte seinen Blick, um der Frau ins Gesicht sehen zu können, doch verwehrte eine riesige Kapuze ihm dies. Ihr Mund war leicht geöffnet und nur schwer schaffte sie es an Luft zu kommen. Sie lebte – noch.

„Wurde sie angeschossen?“, versuchte es Adam nochmal, als er keine Antwort auf seine Frage bekam, doch der Mann ignorierte diesen Versuch und presste erneut die Hände gegen den Körper der Frau.

„Wenn Sie nichts unternehmen oder wenn Sie mich nichts unternehmen lassen, dann stirbt sie!“, sagte Adam und richtete sich wieder auf. „Sie verblutet!“, betonte er nochmal.

Ohne darauf zu achten, dass der Mann erneut nach der Waffe tastete, schritt Adam auf die beiden Personen zu, ging neben der verletzten Frau auf die Knie und schob die Hände des Mannes zur Seite. Die Wunde, die sich ihm nun offenbarte, war schlimm - sehr sogar. Zwei Kugeln schienen in ihrem Körper zu stecken und Unmengen an Blut quoll aus der Verletzung. „Scheiße...“, murmelte der Augmentierte und sah vorwurfsvoll zu dem Mann rüber. „Wenn Sie wollen, dass sie überlebt, dann sollten wir den Notarzt anrufen. Jetzt! Sofort! Die Kugeln müssen chirurgisch entfernt und die Wunden zugenäht werden!“

„Sie dürfen uns so nicht finden…“ Nach diesen Worten hustete der Mann und spuckte anschließend einen Batzen Blut zu Boden. Das war für Adam nun eindeutig, dass auch er verletzt war. Und während der Alte nach Luft schnappte, fügte er murmelnd hinzu: „Sie durften nie wissen, dass sie hier ist!“

„Sie haben gesagt, dass sie verfolgt werden. Also wissen die bereits, dass Sie hier sind. Reden Sie Klartext! Uns läuft die Zeit davon. Ihnen und ihr jedenfalls.“

„Ich lenke sie ab...“

„Wie bitte?“

Adam spürte plötzlich einen leichten Druck auf seinem Arm. Der Mann hatte diesen gepackt und zog den Augmentierten über der Frau zu sich.

„Meine Überlebenschancen reduzieren sich sowieso auf ein Minimum und mein Leben hat für diese Welt keine weitere Bedeutung. Aber sie muss leben. Versprechen Sie mir, dass Sie sie retten werden.“

„Nein...“, hauchte die Frau und stöhnte auf, als sie versuchte aufzustehen. „Du hast noch eine Bedeutung für mich. Ich lasse dich hier nicht allein sterben...“

„Du weißt, dass das nicht geht.“, erwiderte der Mann und wandte sich dann wieder Adam zu. „Ich bitte Sie. Tun Sie mir diesen Gefallen und retten Sie sie. Ich werde Ihnen genug Zeit verschaffen können, sodass Sie sie in Sicherheit bringen können.“

Für einen kurzen Moment fühlte sich Jensen hin und her gerissen, doch dann atmete er tief durch und riss seinen Arm zurück. „Ich habe nicht einmal eine Ahnung, wer Sie beide sind. Sie erzählen nicht viel. Wer sind die Verfolger? Wer hat Sie beide angeschossen?“

„Wie wichtig ist Ihnen Gerechtigkeit?“

Diese Frage kam aus dem Nichts und dennoch wusste Jensen, dass sie relevant war. Jeder sollte sich einmal im Leben mit dieser Frage beschäftigen.

Unbewusst ballte Adam seine rechte Hand und dachte darüber nach. Wie wichtig war ihm die Gerechtigkeit? Sehr wichtig. Wäre dem nicht so gewesen, hätte der Augmentierte viele Dinge in der Vergangenheit nicht getan und jetzt, nachdem „Zwischenfall“, herrschte die Ungerechtigkeit ohne Grenzen. Er selbst war augmentiert. Er wusste genau, was „Ungerechtigkeit“ bedeutete. Die Gesellschaft war gespalten. Es gab die Menschen und die Augmentierten und Adam konnte beobachten, wie man die Augen der Kinder zuhielt, wenn er vorbeilief. Die Sicherheitsleute auf den Straßen hatten sich gleich verdoppelt und niemand kam ohne Papiere oder Ausweis auch nur einen Schritt weiter. Das Verhältnis zwischen den Nicht-Augmentierten und den Augmentierten war angespannt. Man traute niemanden mehr über den Weg, der Implantate im Kopf oder verbesserte Körperteile hatte. Die Augs waren nach dem Zwischenfall nicht mehr als eine Unterschicht, zu der niemand gehören wollte.

„Wenn Ihnen die Gerechtigkeit am Herzen liegt, dann helfen Sie ihr.“ Die sterbende Stimme des Mannes riss Adam aus seinen Gedanken und er senkte seinen Blick auf die verletzte Frau hinab. Für gewöhnlich würde er erst darüber nachdenken, denn hier schien es ein großes Risiko zu geben, doch nun fehlte jede Zeit dazu. So setzte er sich aufrecht auf seine Knie und fuhr die Gläser seines Visiers wieder aus, um die Augen zu verdecken. „Also gut, ich helfe Ihnen, aber was soll ich tun, wenn ich kein Krankenhaus aufsuchen darf?“, fragte Adam Jensen und griff der Frau unter die Arme, um sie auf ihre Füße zu heben, während er selbst aufstand.

Der ältere Mann lächelte und atmete hörbar erleichtert aus. „Ihnen fällt sicher was ein, denn Sie machen den Eindruck, als wüssten Sie genau, wie Sie als Nächstes vorgehen werden...“ Wieder hustete er und dieses Mal klang es schlimmer als bei ersten Mal. Auch lief Blut aus seinen Mundwinkeln. „Darf ich Ihren Namen erfahren?“

Es klang wie eine letzte Bitte, die Adam ihn nicht ausschlagen konnte, so antwortete er nach kurzem Zögern mit „Adam Jensen“ und beobachtete, wie der Sterbende die Waffe ergriff und sie mit seiner Hand auf seinen Oberkörper legte.

„Ich danke Ihnen, Adam Jensen.“

„Richard! Bitte nicht... Ich kann dich hier nicht...“ Sie brach ab. Adam war sowieso überrascht, dass sie Worte fassen konnte und wunderte sich über den plötzlichen Satzabbruch kaum. Die Frau hing quasi nur an seiner Schulter und bemühte sich darum, gerade stehen zu können – was sie jedoch nicht schaffte. So hatte Adam ihren linken Arm um seine Schulter und seinen rechten um ihren Körper gelegt. So stützte er sie.

„Schon gut. Wir wussten beide, dass unsere Reise Verluste mit sich bringen wird. Ich habe meine Aufgabe so gut wie es ging erledigt. Jetzt bist du dran, enttäusche den Orden nicht...“ Und er fügte dann noch leise hinzu. „...Ich weiß, dass du es auch nicht wirst...“

Die Frau begann leise zu schluchzen, war aber einsichtig genug, sich nicht weiter gegen ihren Retter zu wehren, denn als Adam einen kleinen Schritt nach vorne machte, setzte sie ihren rechten Fuß vor dem linken und war bereits mitzugehen.

Drei Schritte waren es genau, die sie schaffte, bevor sie in sich zusammenbrach. Und dass sie nicht auf den Asphalt aufschlug, da sie ebenfalls aus Adams Griff entglitt, ging der Augmentierte sofort in die Hocke und fing den erschlaffenden Körper auf.

„Nicht...“, flüsterte er und drückte die Frau an sich. Er konnte sich vorstellen welchen Schmerz sie gerade durchhielt – da sprach er aus Erfahrung – aber er wusste auch, dass sie sich etwas zusammenreißen musste. Die Verfolger, die der ältere Mann erwähnt hatte, konnten jeden Moment aufkreuzen und Adam wusste nicht, wie viele es waren und ob er sich überhaupt diesen stellen konnte und wollte. Also ließ er keine weitere Zeit verschwenden und hob die Frau auf seine Arme, um sie so zu seinem Apartment zu tragen.

Zügig verließ er die Gasse und ohne einmal zurückzuschauen, lief er die Hauptstraße entlang, bis er endlich sein Wohngebiet erreichte. Mit Bedacht hatte er darauf geachtet den Polizisten auszuweichen. Die wären auf eine Erklärung bestimmt gespannt gewesen, wieso er eine sterbende Frau durch die Gegend trug - Adam nicht.

Als er endlich den Innenhof betrat, die steinigen Treppen nach oben eilte und vor seiner Haustüre stand, atmete er zum ersten Mal tief durch. Seit er die Frau auf seinen Armen trug, verfolgte ihn die Anspannung und auch die Angst. Angst davor, dass diese Person es nicht schaffen würde und ihren Verletzungen erlag. Sie war schwach und immer wieder musste Adam kontrollieren, dass sie noch am Leben war, denn ihr Atem ging flach und langsam glaubte Jensen auch, dass die Luft nicht einmal die Lungen erreichte. Und das war schlecht. Auf Dauer sehr schlecht sogar.

Ein kurzer Scan und dann öffnete sich die Tür von allein. Adam stieß die Tür mit einem Fuß auf und betrat dann seine Wohnung. Ein kalter Luftzug erfasste ihn zur Begrüßung und als er den kurzen Flur, der zu seinem Wohnzimmer führte, folgte, bemerkte er, dass er das riesige Panoramafenster offen gelassen hatte.

Mit leisen Schritten lief er zu seiner Couch, die in der Mitte des Raumes stand und legte die verletzte Person darauf. „Ganz ruhig...das haben wir gleich.“, redete der Augmentierte auf die Frau ein, während er zu dem Fenster hastete, um es zu schließen. Nachdem das erledigt war, warf er noch einen schnellen Blick auf die Frau, seufzte leise und legte dann zwei Finger an seine Schläfe, um nun wirklich einen Anruf zu starten.

„Adam? Was um alles in der Welt fällt Ihnen ein, mich um halb vier am Morgen anzurufen?“ Die Stimme, die durch seinen Kopf drang, war eine Stimme, die Adam ungern hören wollte, aber den Umständen entsprechend gab es keinen Weg drum herum.

„Erinnern Sie sich an den Gefallen, den Sie mir noch schulden?“, fragte Jensen und blickte aus dem Fenster. Das Licht der Werbereklamen fiel durch sie und erfüllte den Raum mit spärlicher Helligkeit.

Ein leises Grummeln war zu hören, dann seufzte die Person auf der anderen Seite der Leitung. „Was wollen Sie, Jensen?“

„Ich habe hier eine Person auf meiner Couch liegen. Sie hat zwei Kugeln im Oberkörper stecken und außerdem hat sie ziemlich viel Blut verloren. Eine Bluttransfusion wäre gar nicht mal so schlecht.“

Adam konnte hören, wie der Mann aus dem Bett aufsprang und wahrscheinlich zu seinem Kleiderschrank stolperte. „Halten Sie sie am Leben, Jensen. Ich bin so schnell es geht da.“

Jacob Nowicki gehörte zu einer der besten Ärzte auf dem Schwarzmarkt. Er verstand seine Arbeit wie kein anderer und genau aus diesem Grund pflegte er eine enge Beziehung mit ihm. Es war zwar keine Freundschaft, aber beide hatten gegenseitigen Nutzen voneinander und das reichte. Seine Professionalität brachte ihn jedoch nicht weiter. Jacob war augmentiert, weswegen man seiner Arbeit nicht traute. Aber Adam tat es und das reichte.

Jacob stand nicht mal zehn Minuten später vor Adams Haustüre und stürmte auch schon gleich herein, als der Augmentierte diese öffnete.

„Wo ist sie?“ Ohne auf Adams Antwort zu warten, warf er den riesigen braunen Koffer, den er mit sich schleppte, auf den Boden und beugte sich über die Frau, um sie zu begutachten.

„Nicht gut...gar nicht gut...“, murmelte er und begann damit, die Kleider von der Unbekannten vom Körper zu streifen. „Wie ist das passiert?“, wollte er dann wissen, packte seinen Koffer und begann damit, den Inhalt auf einen Wohnzimmertisch zu verteilen.

„Eigentlich weiß ich das nicht genau, da ich...“ Adam konnte seinen Satz nicht beenden, da der Arzt abwinkte. „Desto weniger ich weiß, desto besser. Die Kugeln scheinen keine wichtigen Organe getroffen zu haben... Glück gehabt.“ Er musste es mit den Implantaten in seinem Kopf gesehen haben. So ein Röntgenblick war schon praktisch.

Jensen wusste nicht genau, ob man da von Glück reden konnte, schwieg jedoch und beobachtete Jacob dabei, wie er die mobile Krankenstation aufbaute.

„Sie haben das hier alles unter Kontrolle?“, versicherte sich Adam nochmal und gab sich mit dem leichten Nicken des Mannes zufrieden. „Nun, wenn Sie etwas brauchen, Sie finden mich im Schlafzimmer.“

„'n Schluck Whisky wäre nicht schlecht.“, sagte er, doch Adam seufzte nur kopfschüttelnd und verließ den Raum.

Adams Gesicht ruhte in seinen Händen, während er auf der Kante des Bettes saß und darauf wartete, dass der Arzt endlich mit Ergebnissen wiederkam. Er vertraute darauf, dass Jacob seine Arbeit gewissenhaft machte, weswegen die Anspannung in ihm ausblieb.

„Sie ist stabil. Auch die Blutwerte habe ich wieder ausgeglichen. Sie kommt durch. Kein Grund zur Sorge mehr.“

Jacob stand nach einer geschlagenen Stunde an der Türschwelle und trocknete seine kybernetischen Hände mit einem Handtuch ab, das er wahrscheinlich aus Adams Badezimmerschrank genommen hatte.

„Danke“, antwortete Jensen trocken und hob seinen Blick.

„Ich nehme an wir sind quitt?“, fragte Jacob.

„Ja.“

Seufzend wandte sich der Arzt von dem Augmentierten ab, hielt jedoch inne und drehte sich auf seinen Absatz wieder in Adams Richtung. „Ich mache mir Sorgen um Sie.“, sagte er und betrat nun das Schlafzimmer. „Wer ist eigentlich diese Frau?“

„Ich weiß es nicht.“

„Genau das ist das Problem. Sie schleppen eine schwer verletzte Frau in Ihre Wohnung, die sie wahrscheinlich auf der Straße aufgegabelt haben, ohne zu wissen, wer sie eigentlich ist. Das kann Konsequenzen mit sich bringen.“

„Nichts womit ich nicht fertig werden kann...“, entgegnete Adam genauso trocken wie vorhin.

„Sie überschätzen sich, Jensen.“ Nun stand Nowicki direkt vor ihm und sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Ich habe mir auch die Freiheit genommen und ihre Taschen durchsucht. Nichts. Gar nichts. Keine Papiere, kein Ausweis nur zwei Klingen, die in so einem komischen Armschutz versteckt waren. Nur so am Rande: Die Klingen weisen Blutspuren auf. Sie kann gefährlich sein."

"Durchsuchen Sie immer die Taschen Ihrer Patienten?"

„Nur wenn ich für meine Arbeit nicht bezahlt werde.“

Adams Miene verfinsterte sich „Ich danke Ihnen wirklich für Ihre Hilfe, Nowicki, aber ich glaube, ab hier übernehme ich wieder.“ Er stand mit einem Ruck auf und erwiderte Jacobs Blick. „Ich werde Ihre Worte zu Herzen nehme.", log er abschließend.

Der Arzt schnaubte kurz lachend auf und zuckte dann unschuldig mit der Schulter. „Ich warne Sie nur. Es ist nämlich nicht normal, dass unschuldige Menschen angeschossen werden, selbst in der jetzigen Zeit...und schon gar nicht um diese Uhrzeit.“

Adam legte eine Hand auf die Schulter des Mannes und schob ihn aus dem Schlafzimmer, vorbei an seinem Badezimmer und Wohnzimmer, wo die Frau lag und kam mit ihm dann vor seiner Haustüre zum Stehen. „Ich wünsche Ihnen eine gute Restnacht und nochmal Danke für Ihre Hilfe.“, sagte er und lächelte gespielt freundlich.

„Ich habe Sie gewarnt und sollte irgendwas sein, rufen Sie mich bitte auf der Stelle an. Machen Sie es gut.“ Und somit verließ Jacob Adams Wohnung.

Der Morgen zog sich in die Ewigkeit und als Adam kurz davor war einzuschlafen, nachdem er geduscht und sich dann wieder auf das Bett gesetzt hatte, hörte er ein Rumpeln aus dem Wohnzimmer. Seine Augen öffneten sich schlagartig, sodass er erst ein paar Sekunden benommen auf die geöffnete Tür starrte.

Während er sich fasste, hoffte er, dass das Geräusch nicht von der Person stammte, die im Wohnzimmer lag. Sie musste liegen bleiben und ruhen und nicht in seiner Wohnung herumgeistern.

So schwang er die Beine über die Kante seines Bettes und stand mit einem Gähnen auf. Die Müdigkeit brannte in seinen Augen und er hatte eigentlich gehofft, ihr endlich nachgeben zu können, doch der Gedanke, dass eine fremde Person in seiner Wohnung ihr Unwesen trieb, ließ ihn nicht die wohlverdiente Ruhe. Und da war er selbst schuld dran.

Als er einen kurzen Blick auf die digitale Uhr warf, die an der Wand neben dem Badezimmer hing, las er die Zeit 05:43 Uhr ab. Normalerweise würde er in circa eine Stunde aufstehen und zur Arbeit gehen, aber das konnte er nun auch vergessen, denn wach war er bereits, aber niemals bereit für seinen Job.

„Sie sind keine, die ruhig sitzen bleiben kann, was?“, fragte Adam, als er an der Türschwelle stand und der Frau dabei zuschaute, wie sie mit zitternden Fingern versuchte die Nadel aus ihrem Arm zu ziehen. „An Ihrer Stelle würde ich das lassen.“

Die Frau fuhr erschrocken hoch und blickte dann über ihre Schulter in Adams Richtung.

„Ich...ich schätze, ich muss Ihnen dafür danken...“, flüsterte sie matt. Sie ließ ihren Arm wieder sinken und seufzte leise. „Nicht oft bekam ich Menschlichkeit wie diese zu spüren...“

Sie war augmentiert, das sah er an ihren Augen, die metallisch glänzten. Anscheinend besaß sie ebenfalls eine Smart Vision wie er – sicher war er sich jedoch nicht. Vielleicht spielte die Müdigkeit ihm auch nur einen Streich.

„In Zeiten wie diese helfe ich wo ich helfen kann“, antwortete ihr Adam und klang damit kühler als beabsichtigt. Er räusperte sich kurz und versuchte es nochmal, aber dieses Mal mit einer wärmeren Stimme. „Wie fühlen Sie sich?“ Er lief um die Couch.

Die Frau zögerte, während sie Adam mit ihren Augen verfolgte. „Das Schmerzmittel ist ziemlich stark. Ich spüre nur einen dumpfen Druck, hier unten...“ Sie deutete mit ihrem Zeigefinger auf ihren Bauchbereich - dort wo die Schusswunde war. „Aber ich glaube, das liegt an den festen Bandagen, die Mr Nowicki angebracht hat. Der Schmerz ist erst Mal vorübergehend weg.“

„Freut mich zu hören, dass es Ihnen besser geht. Da auf der Straße sahen Sie echt...“ Adam brach seinen Satz ab und verkniff sich das Wort, das er eigentlich sagen wollte. „Wollen Sie was trinken?“

„Ein Glas Wasser wäre wirklich gut.“

„Kein Problem.“

Nur eine Treppenstufe trennte die Küche von seinem Wohnzimmer und als er über diese stieg und beim Vorbeigehen ein Scotch-Glas aus dem Schrank holte, fiel ihm seine Reflexion in Glasschrank auf. Er sah müde aus – viel zu müde. Erst hatte er sich bis früh in den Morgen überarbeitet und nun kümmerte er sich um eine Person, dessen Namen er nicht einmal wusste. Wie weit würde das noch gehen?

Mit einem erneuten Seufzen füllte er das Glas mit Leitungswasser und schritt zurück auf die Person auf der Couch zu. Er reichte ihr das Glas, sie nahm es dankbar entgegen.

Ein Schluck reichte aus, um die Laune der Frau ein wenig aufzuhellen und auch ihr Gesicht nahm langsam wieder eine gesündere Farbe an. Die Blässe wich und ein schwaches Gefühl machte sich in Adam breit. Als er kurz darüber nachdachte, was es war, fiel ihm auf, dass sich seine Laune ebenfalls gebessert hatte. Der Frau ging es gut und ihm ebenfalls. Er hatte verhindert, dass sie stirbt – er hatte Menschlichkeit gezeigt.

Als die Frau das Glas von ihren Lippen absetzte, runzelte sie besorgt die Stirn. „Ist Richard...?“

„Wenn Sie den Mann meinen, der bei Ihnen war. Ich fürchte...er hat es nicht geschafft. Tut mir leid.“ Es klang wieder unbeabsichtigt abgehackt, aber Adam wusste mit der Situation nichts anzufangen. Der ältere Mann hatte sich geopfert, um die Sicherheit dieser Frau zu gewährleisten. Welche Bedeutung das hatte würde sich aber wahrscheinlich erst später herausstellen. Adam konnte beobachten, wie die Frau ihre Zähne zusammenbiss und ihre Tränen mit Mühe zurückhielt. Dann lächelte sie traurig und senkte den Kopf. „Richard du Mistkerl...“ Es klang nicht böse – im Gegenteil. "Verdammt...", seufzte sie.

Adam zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme.

„Es tut mir leid, wenn ich Ihnen so viele Umstände bereitet habe.“ Wieder dieses kurze Lächeln. Ihre Augen blickten ihn warm an. „Mein Name ist Liriel Johnson so nebenbei und bevor sie weiter fragen... ich bin eine Assassine.“
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