Kapitel 72

Magnus lehnte sich gegen den Schattenjäger, spürte seinen Arm, der sich sogleich um ihn legte und ihn an sich zog. Er musste zugeben, das er längst nicht so gefasst gewesen war, wie er den anderen erschienen haben mochte. Er hatte wirklich vor allem anderen gehofft, das Catarina vielleicht das Heilen hätte beeinflussen können, oder zumindest gewusst hätte, wo er Ersatz bekommen konnte. Sein Hexenmal zu verlieren wäre nicht der schlechteste Preis für sein Leben gewesen. Er hatte sich erst mit Alec Lightwoods wunderbaren Worten wirklich ganz an sie gewöhnt, ihnen beinahe sogar etwas Schönes abgewonnen. Dem Schattenjäger war es egal. Er mochte den wilden Ausdruck der Katzenaugen, ihr Blick, der so anders war wie der aller anderen. Und er mochte ungleich mehr, wenn dieser Blick nur ihm galt. Das es jetzt ausgerechnet Niles war, der seine vorschnellen Handlungen wieder bereinigte schien wohl Schicksal zu sein.
"Du weißt es schon länger, das ist ja nett. Weißt du zufällig auch, warum sie hinter mir her sind?"
Niles leises Lachen klang nicht falsch, auch wenn Magnus immer wieder auf der Hut war. Niles Green war ein besonderer Hexenmeister. Auf ihn traf wie auf keinen anderen Neutralität zu. Er war auf keiner Seite, außer seiner eigenen und seine bemerkenswerte Macht machte ihm diese Position sicher. Magnus war schon früher beeindruckt gewesen von der Menge an Magie, die dieser Hexenmeister zur Verfügung hatte. Ihm schien auch der stärkte Bann nur ein müdes Lächeln abzugewinnen. Das sie eine Zeit lang ihren Weg geteilt hatten war zum größten Teil seiner Bewunderung geschuldet gewesen. Erst, als er bemerkt hatte, das dieses Gefühl zwischen ihnen nichts mit Liebe zu tun hatte, hatte er ihn als möglichen Partner ausgeklammert. Aber er wusste auch, das Niles nicht der Typ zum Aufgeben war. Zumindest hatte er Grundsätze und die schätzte Magnus sehr.
"Ich habe zwar immer Mal wieder Streit heraufbeschworen, aber ich hab sicherlich nicht ein ganzes Batallion Hexen animiert, eine Jagd auf meine Augen zu inszenieren....."
"Nein, ich befürchte, dieses Spiel hat ein anderer gestartet. Wer das genau ist, müsste ich aber raten. Ich weiß nur, das diese Frauen alle einen Todesfluch tragen, dem sie erliegen, wenn sie in deine Nähe kommen. Dann rettet sie nur noch dein Tod und der Beweis der Augen für dein wirkliches Ableben. Du solltest den Grund dafür aber nicht in der nahen Vergangenheit suchen, denke ich. Ein etwaiger Grund müsste ziemlich weit zurückliegen und er muss schwerwiegend sein. Ich denke, einer der hohen Fürsten trachtet nach Vergeltung oder er macht einfach zum Zeitvertreib eine interaktive Jagd. Dein kleiner Schattenjäger muss ein wenig aufmerksamer werden. In der französischen Pension habe ich eine der Damen getroffen und ... in der Leichenhalle in Deutschland eine andere. Sie war ziemlich nah daran, ihren Preis zu erhalten durch euer.... kleines Theaterspiel. Du warst ein wenig spät dran, Lightwood. Wenn du dich weiterhin darauf verlässt, das ich mich zur Hälfte um die Sicherheit deines Freundes kümmere, verlange ich vielleicht auch die Hälfte seiner Zuneigung..."
"Das ist kein Spaß, Niles!"
Magnus spürte deutlich wie sich Alecs Körper neben ihm anspannte. Er reagierte sofort auf Niles Provokation und zog den Hexenmeister in seinem Arm noch ein wenig näher zu sich.
"Wem.. Magnus seine Zuneigung schenkt, das entscheidet er ganz alleine."
Alecs Worte klangen nicht ganz so sicher wie er sie gerne gehört hätte und Magnus verzog leicht das Gesicht. Er schlang einen Arm um Alecs Bauch und seufzte leise.
"Mach dir keine Gedanken um Alecs Fähigkeiten. Er kann zwar nicht überall zur selben Zeit sein, aber er beschützt mich schon eine ganze Zeit lang außergewöhnlich gut. Er braucht deine Hilfe sicherlich nicht."
"Aber [i]du[/i] ganz offensichtlich!"
Magnus schnaubte leise. Also wusste Niles auch nicht mehr als sie. Den Todesfluch kannten sie, aber immer noch war nicht auszumachen, woher er kommen konnte.
"Ich glaube, diese Hexen arbeiten für einen Preis. Und nur die, die so stark ist, dich zu überwinden, bekommt ihn. Du bist ein ausgesprochen starker Hexenmeister und für viele ist das ein Maßtab, den es zu erreichen gilt. Dein Vater hat nicht nur Freunde. Und es ist weithin bekannt, das er einen Faible für dich hat, nachdem du schon so.... alt geworden bist, ohne auf der Strecke zu bleiben. Deine Fähigkeiten beeindrucken sicher nicht nur ihn. Als halbmenschlicher Hexer stärker zu sein als die meisten Dämonen ist ein Ziel, das nicht viele erreichen."
Niles füllte einen Teller und hielt ihn Alec hin. Amüsiert sah er wie der Schattenjäger zögerte.
"Es sind alles Dinge die er mag, die er köstlich findet. Wenn du nicht willst, kann ich sie ihm auch geben... Stück für Stück..."
Alec griff sofort nach dem Teller und löste den Blick von Niles herausforderndem Grinsen. Vorsichtig drückte er den Teller in Magnus Hand.
"Ich bin sicher, er kommt zurecht. Das geht doch so, oder?"
Magnus nickte sofort und griff nach dem Teller. Etwas zu essen war eine wirklich gute Idee. Er fühlte sich immer noch nicht ganz wiederhergestellt, aber das hätte Catarinas Kraft auch zu sehr belastet. Er nahm ein Stück der kleinen Canapees und aß andächtig. Dann war also ein Kopfgeld auf seinen Kopf ausgesetzt. Diesem Prinz der Hölle musste es also nicht nur um seinen Tod gehen sondern tatsächlich auch um die Jagd als solche. Sonst hätte er ihn doch selbst ungehindert töten können. Trotzdem konnte der Hexenmeister sich nicht vorstellen, wem er eine solche Reaktion.... nach so langer Zeit... zutraute. Normalerweise sorgte ein unbestimmtes Gesetz dafür, die Kinder der anderen Fürsten nicht zu behelligen, besonders dann nicht, wenn sie sich von der Hölle abgrenzten und sich wie er gegen eine Zusammenarbeit mit dem eigenen Vater stellten.
"Ich habe wirklich keine Ahnung, wer das sein kann. Der letzte Dämonenfürst, den ich beschworen habe..... nein, der hat mehr als den gewünschten Preis dafür erhalten, also kann das ganz bestimmt nicht sein. Vielleicht hast du recht und es handelt sich wirklich nur um.... ein Spiel!"
Niles nickte langsam und sah das Paar ernst an. Er aß eine kurze Weile schweigend, dann kniff er die Brauen zusammen.
"Es handelt sich dabei nur um Hexen, oder? Ihr habt es noch nicht ein einziges Mal mit einem Hexer zu tun gehabt?"
Alec schüttelte den Kopf.
"Bisher waren es immer nur Hexen. Vielleicht...." Er sah nachdenklich auf den Teller. "Ich sollte mich mal in der Datenbank umsehen, ob es einen Hexenzirkel oder so gibt, der vielleicht irgendeine besondere Opferung plant. Vielleicht brauchen sie seine Augen auch nur für eine Beschwörung. Etwas sehr mächtiges..... wenn sie dafür ein anderes Hexenwesen töten."
Magnus schnaubte leise.
"So.... unüblich ist das nicht, Alexander. Unter den Hexenwesen gibt es eine Art... Gruppenzugehörigkeit nicht so ausgeprägt wie bei den anderen Rassen. Das liegt wohl an unserem angeborenen Misstrauen. Die meisten Hexenwesen sind Einzelgänger oder teilen ein Leben paarweise. Zwar sind die meisten auch nicht wirklich ZU dämonisch veranlagt, aber ein so langes Leben und mehr oder weniger ausgeprägte Hexenkräfte schaffen ein gewissen Mass an.... Selbstsicherheit, das einem Hexenwesen innewohnt."
Catarinas leises Lachen unterstrich seine Worte nur noch.
"Wenn du jetzt von deinem Ego redest, dann kannst du das Wort Selbstsicherheit ruhig durch die passendere Version ersetzen. Aber er hat recht. Besonders gesellig sind wir nicht, wenn wir nicht zufällig dazu genötigt werden. Die Idee mit dem Zirkel ist vielleicht gar nicht so dumm. Es gab auch schon früher immer mal wieder ein paar egomanische Hexenmeister, die ein höheres Ziel oder mehr Macht anstrebten und sich dafür eine eigene Anhängerschaft schufen. Aber was wollen sie dann bitte beschwören? Asmodeus kann es nicht sein. Wenn sie ihn mit deinem Hexenmal rufen, dann kann ihnen nicht mal mehr Luzifer helfen, nicht das er das überhaupt wollen würde. Es muss etwas sein, das nur mit Asmodeus Blut zu erreichen ist und ... vielleicht holen sie sich da Magnus, weil sie zu feige sind sich an den Höllenfürst selbst zu wenden. Immerhin verlangt er für seine Dienste eine ziemlich anständige Taxe."
Niles hob eine Braue.
"Ich habe noch von nichts gehört, das das Blut eines Dämonenfürsten benötigt, um genutzt oder erreicht zu werden."
Magnus hatte innegehalten. Irgendetwas an Catarinas Worten störte ihn. Auch Niles hatte den Hinweis aufgenommen, aber im Gegensatz zu ihm hatte er selbst noch vor wenigen Stunden etwas gesehen, das dieses Blut tatsächlich  brauchte. Er schluckte und schob den Teller in Alecs Richtung, der sofort danach griff und ihn dann besorgt ansah.
"Magnus...? Ist alles in Ordnung?"
Der Hexenmeister nickte leicht und atmete tief durch.
"Die Portas Caeli......... sie... haben eines der Tore gefunden!"
Einen Moment war es vollkommen still, dann ertönte ein leises, aber beeindrucktes Pfeiffen.
„Wer hat eines der Tore gefunden? Diese Hexen?“
Niles schüttelte leicht den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, das gerade diese Frauen so etwas wichtiges hatten auftreiben können wie ein Tor der Macht. Alec musterte erst Magnus, dann sah er zu Niles und von ihm zu Catarina. Er stellte den Teller leise weg.
„Was ist dieses... Portas Caeli?“
Niles Lachen erfüllte einen Moment den Raum, bevor er den Schattenjäger amüsiert betrachtete.
„Und du willst ein Engel-Geborener sein? In kennst nicht die Sage von den Toren zum Himmel?“
Magnus verzog das Gesicht und legte eine Hand beschwichtigend auf Alecs Arm.
„Niles, nicht einmal alle Lilithkinder kennen sie. Alexander ist noch nicht so alt und keiner der alten Shadowhunter, die nach der himmlischen Macht strebten.“