Die Malec-Chroniken
von -Magnus-Bane-
Kurzbeschreibung
Das Leben beginnt interessant zu werden. Nicht nur, das mit Clary Fray ein wahrer Sturm ins New Yorker Institut einzieht, für Alec Lightwood geht es noch um etwas ganz anderes. Zum ersten Mal in seinem Leben hat er das Gefühl, das auch sein Privatleben nicht mehr zu kurz kommen muss, denn alles fügt sich so gut und sein neuer Schwarm scheint bei weitem nicht nur ein Schwarm zu sein. Aber das Leben eines Schattenjägers ist gefährlich und eine Liebe zu einem Unterweltler kommt einem Affront gleich. Sein Leben beginnt, unbeschreiblich zu werden, sowohl in der einen Richtung, als auch in der anderen. Doch der junge Schattenjäger will nicht aufgeben. Er will alles… alles, was ihn so glücklich macht… selbst wenn er es noch nicht schafft, dazu zu stehen. Und vor allem… will er trotz dem neuen Auftauchen des Kreises und der Bedrohung durch Valentin Morgenstern nicht aufgeben, was er gefunden hat. Und er will es beschützen…. Wenn es sein muss, bis in den Tod….
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Alexander "Alec" Gideon Lightwood
Magnus Bane
01.04.2017
23.09.2022
77
178.147
79
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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07.06.2017
2.461
Magnus folgte dem Mann langsam und schlenderte scheinbar gelangweilt über den Gehweg. Er hatte sich jetzt bereits zwei Mal umgesehen und ihn ganz offensichtlich nicht wahr genommen oder es war ihm schlichtweg egal, das er verfolgt wurde. Der Hexenmeister schüttelte den Kopf. Es war tatsächlich so. Dieser Mann ging immer um den Block. Er ging niemals schneller oder langsamer, machte niemals eine Pause und sah sich nie öfter als drei Mal um. Sein Blick glitt zu dem kleinen Café auf der anderen Straßenseite. Dort saß ein Ehepaar, dem eine Bedienung gerade Kaffee nachschenkte. Zum vermutlich vierten Mal. Auch, wenn Magnus Großzügigkeit durchaus guthiess war das doch ein wenig übertrieben. Sein Blick glitt weiter über die Straße. Wenn er sich nicht schwer irrte, kam als nächstes ein Taxi. Er wartete. Kaum nach einer Minute fuhr der gelbe Wagen an ihm vorbei und verschwand wie schon zuvor geradewegs hinter der dritten Ecke. Da stimmte etwas überhaupt nicht. Es war auch viel zu wenig los. Für einen Nachmittag waren kaum genug Menschen unterwegs, um eine U-Bahn zu füllen? Er seufzte leise und wollte eben die Straße überqueren, als sein Handy klingelte. Erstaunt sah er auf Isabelles Namen, der groß auf dem Display stand und nahm ab.
„Magnus….. Magnus…. du musst SOFORT kommen!“
Ihre Stimme jagte Magnus einen kalten Schauer über den Rücken. Isabelle hatte sich noch niemals so traurig und mutlos angehört, wie es jetzt der Fall war. Mit einem Mal bekam er Angst. Es gab eigentlich nur einen Grund, weshalb sie ihn anrufen sollte und das in diesem desolaten Zustand.
„Was ist passiert. Ist etwas mit Alec?“
Am anderen Ende herrschte ein so betretene Stille, das ihm augenblicklich mehrere Szenarien durch den Kopf schossen. Ohne das Handy vom Ohr zu nehmen, erschuf er vor sich ein Portal und verschwand darin, nur um dann doch aufzulegen und die Treppen vor dem Institut hinaufzueilen. Er durchquerte die Eingangshalle mit ein paar schnellen Schritten und verstaute das Handy in seiner Jackentasche, als er auch schon Isabelle sah, die auf ihn zukam.
„Wo ist er? Ich kann ihm helfen!“
Isabelle musterte den Hexenmeister traurig und schüttelte leicht den Kopf.
„Du….. kannst ihm nicht mehr helfen, Magnus. Er……. Alec ist tot.“
Magnus erstarrte mitten in der Bewegung. Ein Gefühl, als wenn alles Leben in ihm sofort in einen absoluten Stillstand geraten wäre, durchzog seinen gesamten Körper. Er bekam keine Luft…….
„Beim Erzengel, setz dich hin!“
Ein Hand ergriff seinen Arm und führte ihn zu einem Stuhl, drückte ihn darauf und er sah abwesend auf die Steinplatten des Bodens vor sich. Tot…. Alec war tot…… Quälend langsam, fast unmerklich löste sich der Schock aus seinen Adern und er sah langsam auf…………… direkt in Maryse Lightwoods Gesicht. Auf den ersten Blick wirkte sie kalkweiß. Ihre Augen hatten dunkle Schatten, durch die fahle Haut schienen sich ihre Adern im kalten Neonlicht abzuzeichnen. Selbst ihre Lippen, die er niemals ungeschminkt gesehen hatte, wirkten farblos. Außerdem schien sie in den vergangenen Stunden um mindestens dreißig Jahre gealtert zu sein. Sie kam langsam auf ihn zu und sah ihn an. Magnus erhob sich zitternd aus dem Stuhl, auf dem er saß und begegnete Maryse trauriger Miene mit einem Blick, der seine Gefühle wahrscheinlich weitaus deutlicher verriet, als es ihm lieb war. Dann geschah etwas seltsames. Die Schattenjägerin trat noch einen Schritt vor und schloss ihn in die Arme. Er konnte ihr Zittern spüren, ihr unterdrücktes Schluchzen fühlen. Zögernd erwiderte er die Umarmung und schloss die Augen, während ihm selbst stumme Tränen über die Wangen liefen. Erst einen langen Moment später öffnete er die Augen wieder und sah Isabelle an, die nur danebenstand und sie mit unbewegtem Gesicht ansah.
„Wo ist er?“ Magnus Stimme klang brüchig und er strich sacht über Maryse Rücken. „Kann…. ich ihn sehen?“
Isabelle nickte sofort. Maryse löste sich aus Magnus Armen und schniefte leise. Sie mied seinen Blick und blieb neben ihm, während sie sich auf den Weg zum hinteren Teil der Kathedrale machten. Als Isabelle die Türe zu Alecs Zimmer aufzog, runzelte Magnus die Stirn. Das Zimmer wirkte stockdunkel. Die schweren Vorhänge waren vor die Fenster gezogen worden und der Innenraum wurde nur erhellt durch zwei riesige Kerzenleuchter, deren Kerzenlicht den Raum im Halbdunkel liegen ließ. Als sie das Zimmer betraten, stand Simon sofort von seinem Sessel auf und Magnus sah irrtiert zu Raphael hin, der ebenfalls anwesend war. Sie hatten ihn nicht aufgebahrt? Magnus näherte sich langsam dem Bett und sank auf die Bettkante hinunter. Selbst im Licht der Kerzen wirkte Alecs Gesicht noch blasser als sonst. Über seinen dunklen Kleidern sah das fast weiße Gesicht unwirklich aus.
„Was ist passiert?“
„Sie haben ihn reingelegt! Als wir ihn gefunden haben, konnten wir schon nichts anderes mehr tun als die beiden Vampire erledigen, die ihn erwischt haben.“
Magnus Blick glitt über das Halbdunkel neben dem Bett. Er hatte den Schattenjäger nicht bemerkt, der unweit des Bettes in einer dunklen Ecke auf dem Boden saß, mit dem Rücken gegen den Schrank gelehnt, die Beine angezogen. Auch Jace Gesicht wirkte blass und krank unter den blonden Haaren.
„Wir wussten nur, das es sich um zwei Vampire handelt. Wir haben mit einem Paar gerechnet, weil sie Kinder und Jugendliche angegriffen haben. Aber nicht….. nicht mit…. einer Mutter und einer Tochter!“
Magnus Mund war trocken. Er schluckte schwer. Sein Blick glitt wieder von Jace zu Alec zurück.
„Habt ihr sie dem Rat übergeben?“
„Nein! Ich hab sie getötet!“
Der Unterton in Jace Stimme jagte einen kalten Schauer über Magnus Nacken. Seine Hand griff nach den blassen Fingern, die neben ihm lagen. Er schauderte. Alecs Haut fühlte sich kalt an. Sämtliche Wärme schien daraus verschwunden zu sein. Der Hexenmeister sah wieder hinauf in Alecs Gesicht. So unnatürlich ruhig….. Sacht glitten seine Finger streichelnd über die Wange des Schattenjägers.
„Magnus...“
„Mutter, nein. Nicht jetzt!“
„Wenn nicht jetzt, wann dann? Wir haben nicht so viel Zeit!“
„Zeit wofür?“
Magnus sah zu Maryse, die jetzt vor dem Bett stand und nervös mit ihren Händen spielte, den Blick fest auf Alec gerichtet.
„Simon…. Simon ist doch auch… er selbst geblieben. Zumindest….. das meiste von ihm.“
Simon räusperte sich leicht.
„Was es nicht wirklich einfacher macht, Mrs. Lightwood!“
Magnus sah von einem zum anderen, dann blieb sein Blick auf Isabelle haften, die langsam nickte.
„Wir haben ein leeres Glas neben ihm am Boden gefunden. Ein Glas, das mal mit Blut gefüllt war. Das Blut eines Vampires.“
Magnus spürte, wie ihm eiskalt wurde. Das war es also, was Maryse meinte. Er sah die Frau einen langen Moment an. Wie kam es, das gerade sie darauf drängte……. Die ältere Schattenjägern schluckte hart und sah ihn jetzt geradeheraus an.
„Ich habe es dem Rat gemeldet. Es kommt…. nur sehr sehr selten vor, das ein Schattenjäger den Vampiren zum Opfer fällt. Aber….. aber ich habe die Erlaubnis bekommen….. ihn zu begraben!“
Magnus presste die Zähne fest aufeinander. Sie hatte sich bereits die Erlaubnis geholt, ihren Sohn zu begraben? Er sah zu Alec hin. Ein Vampir….. Er schüttelte den Kopf und stand ruckartig auf. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum. Seine Gedanken überschlugen sich förmlich. Alec… ein Vampir. Gerade Alec, der den Kindern der Nacht nichts, aber auch gar nichts abgewinnen konnte. Würde er sich dran gewöhnen können, von Blut zu leben? Würde er es überhaupt wollen? Hatte sich da niemand Gedanken drüber gemacht? Wie konnte Maryse das nur so einfach entscheiden? Nur, weil es der letzte Ausweg war?………………...
„Magnus…..“ Eine Hand auf seinem Arm holte ihn aus seinen Gedanken. Er sah Clarys roten Schopf, die sich ein Stück Tuch auf die Armbeuge presste. Das Mitgefühl in ihren Augen war kaum zu ertragen. „Es tut mir so leid...“
Magnus nickte und atmete tief durch.
„Es ist alles vorbereitet…. falls du dich entscheiden solltest, Alecs Verwandlung zuzulassen. Simon und Raphael können ihm helfen. Engelsblut steht ebenfalls genügend bereit. Du… musst es nur sagen.“
„Ich? Falls ICH mich entscheiden sollte? Maryse hat doch offensichtlich schon alles vorbereitet. Und ganz offensichtlich ohne auch nur einen einzigen Moment zu zögern.“
„Aber sie überlässt DIR die Entscheidung. Zumindest hat sie das gesagt.“
„Mir…..“ Magnus verspürte ein Gefühl, als wenn sämtliches Blut in seinem Körper einfach durch seine Schuhsohlen aus ihm herausfloß und nichts als gähnende Leere hinterließ. Er lehnte sich an die Wand und musterte die junge Schattenjägerin stumm, die sich neben ihn lehnte und einfach an seiner Seite blieb. Erst lange Minuten später löste der Hexenmeister sich wieder von der Wand und betrat das Zimmer erneut, zusammen mit Clary, die sofort zu Jace eilte. Er zögerte, doch dann wandte er sich Simon zu.
„Simon… bereust du es?“
Der Tageslichtler war zusammengezuckt. Er hatte diese Frage erwartet, aber er hatte gehofft, das er sie nicht beantworten musste. Er seufzte leise und sah auf seine Hände.
„Ich habe es akzeptiert. Ich habe es bereut, schon viele Male. Aber ich bin auch froh, das ich nicht tot bin. Froh, das ich meine Freunde immer noch unterstützen kann. Das meine Familie nicht um mich trauern muss. Ich werde dir nicht sagen, tu es, du tust ihm einen Gefallen, denn das ist nicht wahr. Außer vielleicht der Tatsache, das er die Ewigkeit an deiner Seite erleben darf. Wenn du dich entscheidest, ihn zurückzuholen, dann hoffe darauf, das genau DAS alle anderen Nachteile in den Schatten stellt!“
Magnus nickte langsam, dann ging er zum Bett und sank auf die leere Bettseite hinunter. Für einen Moment musterte er Alec, dann sah er Maryse an.
„Kann ich bitte ein bisschen mit ihm alleine sein?“
Langsam nickte die Schattenjägerin. Alle außer Magnus verließen den Raum und der Hexenmeister betrachtete seinen Lebensgefährten. Stunden… er hatte nur Stunden für eine Entscheidung. Er dachte nicht mehr an den Mann mit dem Hund, die Bedienung, die pausenlos Kaffee verschenkt hatte oder das Taxi, das genau zum erwarteten Zeitpunkt aufgetaucht war. Alles, woran er noch denken konnte, war Alec….. und seine allerletzte Chance, zu überleben....
Als es leise an der Türe klopfte, fuhr der Hexenmeister zusammen. Isabelle erschien, brachte ein Tablett mit Teegeschirr herein und stellte es auf den Tisch. Sie schwieg, bis sie ihre Arbeit erledigt hatte, dann brachte sie ihm eine Tasse zum Bett und sank auf die Bettkante.
„Ich weiß… es ist keine leichte Entscheidung. Und vermutlich sind wir alle selbstsüchtig, ihm das zumuten zu wollen. Es ist bereits dunkel geworden, Magnus. Wenn du es willst, sind alle Vorbereitungen erledigt.“
„Alle?“
Isabelle nickte.
„Schaufeln sind bereits in Simons Van. Simon und Raphael sind dabei und nehmen ihn in Empfang, wenn er erwacht. Wir haben auch Blutkonserven für das erste Mal und die Reihe Konserven mit Engelsblut, mit denen er das Pensum für den Frischling sogar noch übersteigt. Wir alle haben… wir alle haben etwas dafür getan. Mum, vor allem Jace, Clary, ich… sogar Jocelyn. Er wird nicht an die Dunkelheit gebunden sein.“
„Aber er wird an Blut gebunden sein. Isabelle, du kennst deinen Bruder von allen am besten. Würde er das wollen?“
Isabelle sah den Hexenmeister lange an, bevor sie sich wieder erhob.
„Er würde alles tun, um die Ewigkeit an deiner Seite verbringen zu dürfen. Um dich niemals zu verlieren oder…. alleine zu lassen. Das ist das Einzige, was ich sicher weiß!“
Magnus senkte den Kopf. Er atmete tief durch. Dann nickte er langsam.
„Wann… wann kann es losgehen?“
„Sofort. Es kann sofort losgehen!“
Isabelle rauschte aus dem Raum und ließ Magnus alleine bei Alec zurück. Der Hexenmeister beugte sich vor und hauchte einen sanften Kuss auf die kalten Lippen.
„Ich hoffe…… das du es mir irgendwann vergeben kannst….“
Als Alec und Simon das Zimmer wieder betraten und eine Trage zwischen sich hineinschoben, spürte Magnus seine Nervosität wachsen. Was würde Alec sagen…. Was würde er denken….? Er zögerte, doch dann hob er den Schattenjäger vorsichtig vom Bett und legte ihn auf die Trage. Maryse schien nicht minder nervös zu sein und ließ sich von Isabelle immer wieder sagen, das wirklich alles vorbereitet war.
„Er wird doch nicht…. Ich meine… Er wird doch nicht weglaufen?“
„Das werden wir schon zu verhindern wissen.“
Simon hielt die Türen auf. Dann verließen sie das Institut und fuhren zum nahegelegen Friedhof. Jace griff sofort nach einer der Schaufeln, Isabelle ebenfalls. Magnus zögerte, doch dann nahm auch er sich eine und begann mit den anderen, das Loch auszuheben. Maryse Schluchzen zehrte an seinen Nerven und als er sich zum widerholten Mal mit dem Ärmel seiner Jacke über die Stirn wischte, hielt jemand seine Hand fest. Raphael war zu ihnen ins Loch gekommen und entwand ihm die Schaufel. Er bedeutete ihm, nach oben zu gehen und hieb das Schaufelblatt in die feuchte Erde. Sie arbeiteten stumm. Schweigend standen sie eine Zeit lang später vor dem frischen Grab und Magnus wandte sich ab. Hoffentlich hatten sie jetzt keinen Fehler gemacht. Die Erde zwischen ihnen begann sich zu bewegen. Immer heftiger drangen die Erschütterungen zu ihnen hinauf, dann brachen Hände durch die Erde und zogen den Körper mit einer Kraft aus dem Grab, die ihresgleichen suchte. Magnus hatte die Luft angehalten und starrte auf den Mann, den er mehr liebte als alles andere und von dem Dreck und Erde herabrieselte. Im nächsten Moment fuhren sie erschrocken zurück. Jace und Simon reagierten sofort und bekamen ihn gerade noch zu fassen, bevor er auf Isabelle losgehen konnte. Magnus schluckte hart. Für einen kurzen Moment wirkten die Augen rasend und wild auf ihn. Augen, die ihm sonst immer voller Gefühl, voller Ruhe entgegen gesehen hatten. Maryse erschrockener Aufschrei hallte durch die Nacht. Er gebärdete sich wie verrückt, dann hatte ihm Raphael eine der Blutkonserven zwischen die blitzenden Zähne geschoben. Blut ergoss sich über Alecs Gesicht, tropfte auf das dunkle T-Shirt hinunter. Isabelle hatte ihre Mutter in die Arme geschlossen, die entsetzt auf ihren Sohn starrte und wie zur Säule erstarrt schien. Ihre Augen glitten zu Magnus, dann sah sie ihn panisch an.
„TU DOCH ETWAS! WER SONST, WENN NICHT DU?!“
„Er kann nichts tun! Nicht, solange der Frischling noch im Blutrausch steckt. Er würde das Risiko eingehen, für Nichts und wieder nichts getötet zu werden! Und Alec wird die Unsterblichkeit in der Gewissheit verbringen, das er selbst ihn umgebracht hat!“
Raphaels ruhige, sachliche Stimme wirkte ebenso unangebracht wie das schlürfende Geräusch, das der neugeborene Vampir verursachte. Er warf Alec noch eine Blutkonserve zu und sah dann zu Simon.
„Bringen wir ihn nach Hause. Habt ihr das Blut eingepackt?“
„Ist im Van!“ Jace hatte trotz seiner Runen und Simons Hilfe Mühe, seinen ehemaligen Parabatei im Zaum zu halten. Erst, als die zweite Konserve leer war, schien er ruhiger zu werden. Sein Blick huschte über die Gruppe wieder und wieder über die Gruppe, dann blieb er an Magnus haften. Der Hexenmeister erstarrte und erwiderte den Blick mit einer Mischung aus Trauer und Unsicherheit. Alec wusste es… er wusste ganz genau, was geschehen war. Er wusste ganz genau, was sie ihm angetan hatten…. Was ER ihm angetan hatte…...
„Magnus….. Magnus…. du musst SOFORT kommen!“
Ihre Stimme jagte Magnus einen kalten Schauer über den Rücken. Isabelle hatte sich noch niemals so traurig und mutlos angehört, wie es jetzt der Fall war. Mit einem Mal bekam er Angst. Es gab eigentlich nur einen Grund, weshalb sie ihn anrufen sollte und das in diesem desolaten Zustand.
„Was ist passiert. Ist etwas mit Alec?“
Am anderen Ende herrschte ein so betretene Stille, das ihm augenblicklich mehrere Szenarien durch den Kopf schossen. Ohne das Handy vom Ohr zu nehmen, erschuf er vor sich ein Portal und verschwand darin, nur um dann doch aufzulegen und die Treppen vor dem Institut hinaufzueilen. Er durchquerte die Eingangshalle mit ein paar schnellen Schritten und verstaute das Handy in seiner Jackentasche, als er auch schon Isabelle sah, die auf ihn zukam.
„Wo ist er? Ich kann ihm helfen!“
Isabelle musterte den Hexenmeister traurig und schüttelte leicht den Kopf.
„Du….. kannst ihm nicht mehr helfen, Magnus. Er……. Alec ist tot.“
Magnus erstarrte mitten in der Bewegung. Ein Gefühl, als wenn alles Leben in ihm sofort in einen absoluten Stillstand geraten wäre, durchzog seinen gesamten Körper. Er bekam keine Luft…….
„Beim Erzengel, setz dich hin!“
Ein Hand ergriff seinen Arm und führte ihn zu einem Stuhl, drückte ihn darauf und er sah abwesend auf die Steinplatten des Bodens vor sich. Tot…. Alec war tot…… Quälend langsam, fast unmerklich löste sich der Schock aus seinen Adern und er sah langsam auf…………… direkt in Maryse Lightwoods Gesicht. Auf den ersten Blick wirkte sie kalkweiß. Ihre Augen hatten dunkle Schatten, durch die fahle Haut schienen sich ihre Adern im kalten Neonlicht abzuzeichnen. Selbst ihre Lippen, die er niemals ungeschminkt gesehen hatte, wirkten farblos. Außerdem schien sie in den vergangenen Stunden um mindestens dreißig Jahre gealtert zu sein. Sie kam langsam auf ihn zu und sah ihn an. Magnus erhob sich zitternd aus dem Stuhl, auf dem er saß und begegnete Maryse trauriger Miene mit einem Blick, der seine Gefühle wahrscheinlich weitaus deutlicher verriet, als es ihm lieb war. Dann geschah etwas seltsames. Die Schattenjägerin trat noch einen Schritt vor und schloss ihn in die Arme. Er konnte ihr Zittern spüren, ihr unterdrücktes Schluchzen fühlen. Zögernd erwiderte er die Umarmung und schloss die Augen, während ihm selbst stumme Tränen über die Wangen liefen. Erst einen langen Moment später öffnete er die Augen wieder und sah Isabelle an, die nur danebenstand und sie mit unbewegtem Gesicht ansah.
„Wo ist er?“ Magnus Stimme klang brüchig und er strich sacht über Maryse Rücken. „Kann…. ich ihn sehen?“
Isabelle nickte sofort. Maryse löste sich aus Magnus Armen und schniefte leise. Sie mied seinen Blick und blieb neben ihm, während sie sich auf den Weg zum hinteren Teil der Kathedrale machten. Als Isabelle die Türe zu Alecs Zimmer aufzog, runzelte Magnus die Stirn. Das Zimmer wirkte stockdunkel. Die schweren Vorhänge waren vor die Fenster gezogen worden und der Innenraum wurde nur erhellt durch zwei riesige Kerzenleuchter, deren Kerzenlicht den Raum im Halbdunkel liegen ließ. Als sie das Zimmer betraten, stand Simon sofort von seinem Sessel auf und Magnus sah irrtiert zu Raphael hin, der ebenfalls anwesend war. Sie hatten ihn nicht aufgebahrt? Magnus näherte sich langsam dem Bett und sank auf die Bettkante hinunter. Selbst im Licht der Kerzen wirkte Alecs Gesicht noch blasser als sonst. Über seinen dunklen Kleidern sah das fast weiße Gesicht unwirklich aus.
„Was ist passiert?“
„Sie haben ihn reingelegt! Als wir ihn gefunden haben, konnten wir schon nichts anderes mehr tun als die beiden Vampire erledigen, die ihn erwischt haben.“
Magnus Blick glitt über das Halbdunkel neben dem Bett. Er hatte den Schattenjäger nicht bemerkt, der unweit des Bettes in einer dunklen Ecke auf dem Boden saß, mit dem Rücken gegen den Schrank gelehnt, die Beine angezogen. Auch Jace Gesicht wirkte blass und krank unter den blonden Haaren.
„Wir wussten nur, das es sich um zwei Vampire handelt. Wir haben mit einem Paar gerechnet, weil sie Kinder und Jugendliche angegriffen haben. Aber nicht….. nicht mit…. einer Mutter und einer Tochter!“
Magnus Mund war trocken. Er schluckte schwer. Sein Blick glitt wieder von Jace zu Alec zurück.
„Habt ihr sie dem Rat übergeben?“
„Nein! Ich hab sie getötet!“
Der Unterton in Jace Stimme jagte einen kalten Schauer über Magnus Nacken. Seine Hand griff nach den blassen Fingern, die neben ihm lagen. Er schauderte. Alecs Haut fühlte sich kalt an. Sämtliche Wärme schien daraus verschwunden zu sein. Der Hexenmeister sah wieder hinauf in Alecs Gesicht. So unnatürlich ruhig….. Sacht glitten seine Finger streichelnd über die Wange des Schattenjägers.
„Magnus...“
„Mutter, nein. Nicht jetzt!“
„Wenn nicht jetzt, wann dann? Wir haben nicht so viel Zeit!“
„Zeit wofür?“
Magnus sah zu Maryse, die jetzt vor dem Bett stand und nervös mit ihren Händen spielte, den Blick fest auf Alec gerichtet.
„Simon…. Simon ist doch auch… er selbst geblieben. Zumindest….. das meiste von ihm.“
Simon räusperte sich leicht.
„Was es nicht wirklich einfacher macht, Mrs. Lightwood!“
Magnus sah von einem zum anderen, dann blieb sein Blick auf Isabelle haften, die langsam nickte.
„Wir haben ein leeres Glas neben ihm am Boden gefunden. Ein Glas, das mal mit Blut gefüllt war. Das Blut eines Vampires.“
Magnus spürte, wie ihm eiskalt wurde. Das war es also, was Maryse meinte. Er sah die Frau einen langen Moment an. Wie kam es, das gerade sie darauf drängte……. Die ältere Schattenjägern schluckte hart und sah ihn jetzt geradeheraus an.
„Ich habe es dem Rat gemeldet. Es kommt…. nur sehr sehr selten vor, das ein Schattenjäger den Vampiren zum Opfer fällt. Aber….. aber ich habe die Erlaubnis bekommen….. ihn zu begraben!“
Magnus presste die Zähne fest aufeinander. Sie hatte sich bereits die Erlaubnis geholt, ihren Sohn zu begraben? Er sah zu Alec hin. Ein Vampir….. Er schüttelte den Kopf und stand ruckartig auf. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum. Seine Gedanken überschlugen sich förmlich. Alec… ein Vampir. Gerade Alec, der den Kindern der Nacht nichts, aber auch gar nichts abgewinnen konnte. Würde er sich dran gewöhnen können, von Blut zu leben? Würde er es überhaupt wollen? Hatte sich da niemand Gedanken drüber gemacht? Wie konnte Maryse das nur so einfach entscheiden? Nur, weil es der letzte Ausweg war?………………...
„Magnus…..“ Eine Hand auf seinem Arm holte ihn aus seinen Gedanken. Er sah Clarys roten Schopf, die sich ein Stück Tuch auf die Armbeuge presste. Das Mitgefühl in ihren Augen war kaum zu ertragen. „Es tut mir so leid...“
Magnus nickte und atmete tief durch.
„Es ist alles vorbereitet…. falls du dich entscheiden solltest, Alecs Verwandlung zuzulassen. Simon und Raphael können ihm helfen. Engelsblut steht ebenfalls genügend bereit. Du… musst es nur sagen.“
„Ich? Falls ICH mich entscheiden sollte? Maryse hat doch offensichtlich schon alles vorbereitet. Und ganz offensichtlich ohne auch nur einen einzigen Moment zu zögern.“
„Aber sie überlässt DIR die Entscheidung. Zumindest hat sie das gesagt.“
„Mir…..“ Magnus verspürte ein Gefühl, als wenn sämtliches Blut in seinem Körper einfach durch seine Schuhsohlen aus ihm herausfloß und nichts als gähnende Leere hinterließ. Er lehnte sich an die Wand und musterte die junge Schattenjägerin stumm, die sich neben ihn lehnte und einfach an seiner Seite blieb. Erst lange Minuten später löste der Hexenmeister sich wieder von der Wand und betrat das Zimmer erneut, zusammen mit Clary, die sofort zu Jace eilte. Er zögerte, doch dann wandte er sich Simon zu.
„Simon… bereust du es?“
Der Tageslichtler war zusammengezuckt. Er hatte diese Frage erwartet, aber er hatte gehofft, das er sie nicht beantworten musste. Er seufzte leise und sah auf seine Hände.
„Ich habe es akzeptiert. Ich habe es bereut, schon viele Male. Aber ich bin auch froh, das ich nicht tot bin. Froh, das ich meine Freunde immer noch unterstützen kann. Das meine Familie nicht um mich trauern muss. Ich werde dir nicht sagen, tu es, du tust ihm einen Gefallen, denn das ist nicht wahr. Außer vielleicht der Tatsache, das er die Ewigkeit an deiner Seite erleben darf. Wenn du dich entscheidest, ihn zurückzuholen, dann hoffe darauf, das genau DAS alle anderen Nachteile in den Schatten stellt!“
Magnus nickte langsam, dann ging er zum Bett und sank auf die leere Bettseite hinunter. Für einen Moment musterte er Alec, dann sah er Maryse an.
„Kann ich bitte ein bisschen mit ihm alleine sein?“
Langsam nickte die Schattenjägerin. Alle außer Magnus verließen den Raum und der Hexenmeister betrachtete seinen Lebensgefährten. Stunden… er hatte nur Stunden für eine Entscheidung. Er dachte nicht mehr an den Mann mit dem Hund, die Bedienung, die pausenlos Kaffee verschenkt hatte oder das Taxi, das genau zum erwarteten Zeitpunkt aufgetaucht war. Alles, woran er noch denken konnte, war Alec….. und seine allerletzte Chance, zu überleben....
Als es leise an der Türe klopfte, fuhr der Hexenmeister zusammen. Isabelle erschien, brachte ein Tablett mit Teegeschirr herein und stellte es auf den Tisch. Sie schwieg, bis sie ihre Arbeit erledigt hatte, dann brachte sie ihm eine Tasse zum Bett und sank auf die Bettkante.
„Ich weiß… es ist keine leichte Entscheidung. Und vermutlich sind wir alle selbstsüchtig, ihm das zumuten zu wollen. Es ist bereits dunkel geworden, Magnus. Wenn du es willst, sind alle Vorbereitungen erledigt.“
„Alle?“
Isabelle nickte.
„Schaufeln sind bereits in Simons Van. Simon und Raphael sind dabei und nehmen ihn in Empfang, wenn er erwacht. Wir haben auch Blutkonserven für das erste Mal und die Reihe Konserven mit Engelsblut, mit denen er das Pensum für den Frischling sogar noch übersteigt. Wir alle haben… wir alle haben etwas dafür getan. Mum, vor allem Jace, Clary, ich… sogar Jocelyn. Er wird nicht an die Dunkelheit gebunden sein.“
„Aber er wird an Blut gebunden sein. Isabelle, du kennst deinen Bruder von allen am besten. Würde er das wollen?“
Isabelle sah den Hexenmeister lange an, bevor sie sich wieder erhob.
„Er würde alles tun, um die Ewigkeit an deiner Seite verbringen zu dürfen. Um dich niemals zu verlieren oder…. alleine zu lassen. Das ist das Einzige, was ich sicher weiß!“
Magnus senkte den Kopf. Er atmete tief durch. Dann nickte er langsam.
„Wann… wann kann es losgehen?“
„Sofort. Es kann sofort losgehen!“
Isabelle rauschte aus dem Raum und ließ Magnus alleine bei Alec zurück. Der Hexenmeister beugte sich vor und hauchte einen sanften Kuss auf die kalten Lippen.
„Ich hoffe…… das du es mir irgendwann vergeben kannst….“
Als Alec und Simon das Zimmer wieder betraten und eine Trage zwischen sich hineinschoben, spürte Magnus seine Nervosität wachsen. Was würde Alec sagen…. Was würde er denken….? Er zögerte, doch dann hob er den Schattenjäger vorsichtig vom Bett und legte ihn auf die Trage. Maryse schien nicht minder nervös zu sein und ließ sich von Isabelle immer wieder sagen, das wirklich alles vorbereitet war.
„Er wird doch nicht…. Ich meine… Er wird doch nicht weglaufen?“
„Das werden wir schon zu verhindern wissen.“
Simon hielt die Türen auf. Dann verließen sie das Institut und fuhren zum nahegelegen Friedhof. Jace griff sofort nach einer der Schaufeln, Isabelle ebenfalls. Magnus zögerte, doch dann nahm auch er sich eine und begann mit den anderen, das Loch auszuheben. Maryse Schluchzen zehrte an seinen Nerven und als er sich zum widerholten Mal mit dem Ärmel seiner Jacke über die Stirn wischte, hielt jemand seine Hand fest. Raphael war zu ihnen ins Loch gekommen und entwand ihm die Schaufel. Er bedeutete ihm, nach oben zu gehen und hieb das Schaufelblatt in die feuchte Erde. Sie arbeiteten stumm. Schweigend standen sie eine Zeit lang später vor dem frischen Grab und Magnus wandte sich ab. Hoffentlich hatten sie jetzt keinen Fehler gemacht. Die Erde zwischen ihnen begann sich zu bewegen. Immer heftiger drangen die Erschütterungen zu ihnen hinauf, dann brachen Hände durch die Erde und zogen den Körper mit einer Kraft aus dem Grab, die ihresgleichen suchte. Magnus hatte die Luft angehalten und starrte auf den Mann, den er mehr liebte als alles andere und von dem Dreck und Erde herabrieselte. Im nächsten Moment fuhren sie erschrocken zurück. Jace und Simon reagierten sofort und bekamen ihn gerade noch zu fassen, bevor er auf Isabelle losgehen konnte. Magnus schluckte hart. Für einen kurzen Moment wirkten die Augen rasend und wild auf ihn. Augen, die ihm sonst immer voller Gefühl, voller Ruhe entgegen gesehen hatten. Maryse erschrockener Aufschrei hallte durch die Nacht. Er gebärdete sich wie verrückt, dann hatte ihm Raphael eine der Blutkonserven zwischen die blitzenden Zähne geschoben. Blut ergoss sich über Alecs Gesicht, tropfte auf das dunkle T-Shirt hinunter. Isabelle hatte ihre Mutter in die Arme geschlossen, die entsetzt auf ihren Sohn starrte und wie zur Säule erstarrt schien. Ihre Augen glitten zu Magnus, dann sah sie ihn panisch an.
„TU DOCH ETWAS! WER SONST, WENN NICHT DU?!“
„Er kann nichts tun! Nicht, solange der Frischling noch im Blutrausch steckt. Er würde das Risiko eingehen, für Nichts und wieder nichts getötet zu werden! Und Alec wird die Unsterblichkeit in der Gewissheit verbringen, das er selbst ihn umgebracht hat!“
Raphaels ruhige, sachliche Stimme wirkte ebenso unangebracht wie das schlürfende Geräusch, das der neugeborene Vampir verursachte. Er warf Alec noch eine Blutkonserve zu und sah dann zu Simon.
„Bringen wir ihn nach Hause. Habt ihr das Blut eingepackt?“
„Ist im Van!“ Jace hatte trotz seiner Runen und Simons Hilfe Mühe, seinen ehemaligen Parabatei im Zaum zu halten. Erst, als die zweite Konserve leer war, schien er ruhiger zu werden. Sein Blick huschte über die Gruppe wieder und wieder über die Gruppe, dann blieb er an Magnus haften. Der Hexenmeister erstarrte und erwiderte den Blick mit einer Mischung aus Trauer und Unsicherheit. Alec wusste es… er wusste ganz genau, was geschehen war. Er wusste ganz genau, was sie ihm angetan hatten…. Was ER ihm angetan hatte…...