Start in ein neues Leben
von Silka
Kurzbeschreibung
Alex beginnt weit ab ihrer Heimat ein neues Leben. Schnell lernt sie neue Leute kennen, die ihre Freunde werden wollen. Durch Hartnäckigkeit erreichen sie ihr Ziel und Alex lernt das auch sie vertrauen kann. Und das es Dinge gibt die sie eigentlich für unmöglich gehalten hat. Doch wird sich ihr Schicksal wiederholen? Wird sie glücklich werden? Begleitet Sie auf ihrem Weg und erlebt mit ihr Höhen und Tiefen. (Pairing Alex & Hunter; Tori & Blake )
GeschichteFantasy, Liebesgeschichte / P18 / Gen
Blake
Dustin Brooks / Yellow Wind Ranger
Hunter Bradley / Crimson Thunder Ranger
OC (Own Character)
Shane Clarke / Red Wind Ranger
Tori Hanson / Blue Wind Ranger
31.03.2017
25.05.2018
60
213.232
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Dieses Kapitel
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24.11.2017
4.583
Hunter reagiert wirklich schnell, das muss man ihm lassen. Mitten in dem Tumult des herabstürzenden Schwertes, mit dem zusammen auch die beiden Kerzen herunterfallen und das Sofa in Brand stecken, hebt er mich, ein hysterisch schreiendes Bündel bloßliegender Nerven, hoch und bringt mich auf schnellstem Wege in sein Zimmer. Die anderen folgen uns. Dort legt er mich auf sein Bett, flößt mir ein Glas Wasser ein und streicht über meinen Arm, bis das krampfhafte Schlucken endlich nachlässt. Alle sehen mich besorgt an, lassen mich aber wortlos um meine Haltung ringen, bis ich schließlich tief Luft hole und mich aufsetzte.
„Geht´s wieder?“, fragt er mich und ich kann die Besorgnis in seinen blauen Augen sehen. „Ja, es ist in Ordnung“ „Du hast wieder eine Vision gehabt?“ „Ja, in Vollfarbe und vertont. Es war der Höhepunkt des Entsetzens“ „Das haben wir gesehen. Hat es was mit deiner Margaret zu tun?“
„Mit ihrem Tod, ja“ „Willst du es uns erzählen? Oder ist es zu furchtbar für dich?“ Ich schweige und lasse die Szene noch mal an meinem inneren Auge vorbei ziehen. Bei vollem Bewusstsein, ohne selbst daran teilzuhaben mit allen Gefühlen der Todesangst, ist es zwar immer noch grauenvoll, aber schon erträglicher.
„Ich erzähle es euch. Aber lacht mich bitte nicht aus“ „Ganz bestimmt nicht. Alex, wir haben gesehen wie es dir ging“ Vorsichtig legt Tori ihre Hand auf meine und ich merke wie ich ruhiger werde „Danke“
Also fange ich an zu berichten.
„Und dann lag plötzlich das Schwert vor mir. Ich konnte nicht anders. Es tut mir leid wegen dem Schreikrampf. Oh man, was sollen bloß die anderen von mir denken? Die halten mich doch für völlig abgedreht“ „Sicher nicht. Die haben doch selbst geschrien als ob man sie abschlachten würde, nur weil dieses blöde Schwert von der Wand gescheppert kam. Daran ist übrigens dein kleiner Freund schuld“ „Mein kleiner Freund?“ Fragend sehe ich in die Runde und weiß nicht wen sie damit meinen. „Der Geisterkater. Er schwebte, wenn ich das richtig gesehen habe, als kleines Nebelwölkchen über dem Kaminsims und stupste das Mordwerkzeug von der Wand“ „Ihr habt ihn gesehen? Ehrlich?“
„Vielleicht hast du uns die Augen dafür geöffnet. Oder er wird immer materieller, je länger du hier bist. Warte ab. Du schaffst es noch ihn zu einem leibhaftigen Tiger zu machen“ Es ist wirklich süß von Hunter, wie er eine lockere Note in das Geschehen bringt und mich damit ablenkt. Und es geht mir wirklich schon besser. Alles, was ich gerade gesehen habe, ist vor zweihundertfünfzig Jahren geschehen. Es war einem Mädchen passiert, das auf irgendeine Weise mit mir in Verbindung steht. Vielleicht war die Vision auch nur so stark, weil ich die Silberdistel trage.
Während ich über die Brosche streiche, fällt mir auf das Hunter mich schon die ganze Zeit so komisch ansieht. Fragend sehe ich ihm in die Augen. „Was ist? Bin ich in den letzten Stunden ergraut? Wundern würde es mich nicht“ „Nein. Aber da ist ein neuer Zug in deinem Gesicht. Nicht älter, viel mehr weiser. Dieser Urlaub stellt schon komische Sachen mit uns an“ Zustimmend nicken die anderen. „Ich denke Alex sollte jetzt lieber etwas schlafen. Das war sicher anstrengend für sie“
Tori hat recht. Ich fühle mich völlig erledigt. „So jetzt reicht es aber. Alex soll sich ausruhen“ Damit jagt Tori alle, bis auf Hunter, aus dem Zimmer. Kopfschüttelnd sehe ich Ihnen nach. Fragend sehe ich zu Hunter. „Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?“ Überrascht sieht er mich an, lächelt dann aber. „Natürlich Süße“ Schnell ziehe ich Pullover und Jeans aus und kuschele ich mich unter die Decke. „Danke das ich hier schlafen darf“ „Dafür nicht“ Als er aufstehen will sehe ich ihn überrascht an. Was hat er denn jetzt vor? „Was hast du vor?“ „Ich penne auf dem Sofa“ Ich rücke ein Stück zur Seite und deute ihm an das er sich zu mir legen soll. Überrascht sieht er mich mit großen Augen an. „Wenn ich schon dein Zimmer in Beschlag nehme, kannst du auch bei mir bleiben. Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst. Mich würde es nicht stören“ Nach einem kurzen Zögern, kommt Hunter langsam zu mir und setzt sich neben mich. Ein weiteres Gähnen kann ich nicht unterdrücken. „Schlaf ruhig. Ich passe auf dich auf“ Lächelnd kuschele ich mich an Hunter und schlafe dann auch recht schnell ein, da ich mich absolut Sicher und Geborgen fühle. Nur am Rand bemerke ich noch wie er seine Arme um mich legt.
Als ich aufwache, fühle ich mich deutlich besser als noch am Abend. Vorsichtig setzte ich mich auf und sehe Hunter am Fenster stehen. „Guten Morgen“ Lächelnd dreht er sich zu mir. „Guten Morgen. Wie geht es dir?“ „Viel besser. Danke“ Kurz darauf verschwinde ich in mein Zimmer um erst mal zu duschen. Und damit verschwindet auch der letzte Rest Müdigkeit und ich fühle mich wie neugeboren. Ich öffne das Fenster und betrachte die schroffen Berge, die schattigen Täler, den grün leuchtenden Loch Naw, die silbergraue Mauer des Schlosses, die Eibenhecke und die verschwenderisch blühenden Rosen davor. Das bringt mir die Erinnerung zurück. Dort unten, unter den Ranken der blutroten Rosen, liegt das Grab von Margaret. Und zu ihr zieht es mich. Margaret, die mutig ihre Liebe erklärt hat, mutig bis in den Tod hinein. Mit ihr bin ich verbunden, sie war gestern ein Teil von mir.
Als ich vor dem Rosenbusch stehe, entdecke ich, das Arthur weitere Steine freigelegt hat. Einfache Feldsteine, die Schrift unbeholfen eingeritzt. Aber nicht nur Margaret, auch Rory und Flora MacIain ruhen hier. Und >Her Cat<. Ihre Katze.
Mir laufen die Tränen über die Wangen als ich das lese. Jemand hatte Margarets Katze mit ihr begraben und es sogar auf dem Stein vermerkt. Armer MacTiger. Armer, unschuldiger Kater. Ein unschuldiges Opfer in dem wahnsinnigen Blutrausch des betrunkenen Mörders. Kein Wunder, das er ruhelos im Schloss umgeht.
„Weint ihr um Margaret und ihren Clan?“ „Ja Arthur. Gestern Nacht habe ich erlebt was ihr geschehen ist. Sie hatten recht – das Grauen begegnet einem auf den Wanderungen“
Arthur steht mit der Heckenschere in der Hand neben mir. „Aber ihr habt es überwunden, sehe ich. Eure Augen leuchten und Eure Wangen sind rosig unter den Tränen“ „Ja, ich habe es – mit ein bisschen Hilfe – überwunden“ „Hilfe von fünf jungen Leuten, denke ich?“ In dem Moment kommen die anderen zu uns, die uns kurz begrüßen. „Und einem kleinen Katzengespenst, das im entscheidenden Moment das Schwert von der Wand gefetzt hat. Das Breitschwert des MacLeod. Und wissen Sie was – es ist geborsten. Ich verstehe das nicht ganz, es ist doch nur von der Wand gefallen. Ein Breitschwert sollte schon etwas mehr aushalten, oder nicht?“
„Größere Gewalten mögen da im Spiel gewesen sein, als nur die Schwerkraft, Kind“ Ernst sieht Arthur mich an. „Großes Unrecht ist geschehen. Doch seit ihr hergekommen seid, sind die alten Kräfte stärker geworden. Ihr habt die Verbindung hergestellt. So mögen durch Euch die Spuren des furchtbaren Unrechts aus der Welt geschaffen werden“ Zweifelnd sehe ich Ihn an. „Durch mich? Ich bin ein solches Nichts, Arthur. Ich hab nur manchmal ein paar seltsame Träume und Visionen. Das ist kein Potenzial, um altes Unrecht zu tilgen“ „Nicht das Unrecht selbst Alexandra. Das bleibt bestehen. Aber seine sichtbaren und unsichtbaren Spuren“ Ich verstehe seine Worte nicht. Dann fällt mein Blick allerdings auf die drei Steine. „Sie sind hier begraben worden. Die Opfer dieses schändlichen Mordes. Vermutlich ohne kirchlichen Segen, ohne Feierlichkeit“ „Alex glaubst du man sollte sie auf dem Friedhof beisetzten? Hinter dem Hotel ist doch einer, der zu dem alten Drumnadruid Castle gehört, hast du erzählt“ Ich denke über Tori´s Worte nach und im ersten Moment klingen sie sehr vernünftig.
Fragend sehe ich zu Arthur. „Wenn ihr denkt das es das richtige für Margaret und ihre Eltern ist, so tut es. Ich werde mit dem Pfarrer darüber sprechen, wenn ihr wollt“
Arthur klingt etwas eigenartig, auch wenn er seine Hilfe anbietet. Und ich zweifle an der Richtigkeit dieses Vorhabens. Ich knie mich nieder und fahre die Form der einfachen Silberdistel nach, die eine mitfühlende Seele neben Margarets Namen geritzt hat.
„Nein Tori. Hier liegen sie seit zweihundertfünfzig Jahren. Was ist ihnen damit geholfen, wenn ihre zu Staub gewordenen Gebeine noch einmal in ihrer Ruhe gestört werden? Sie liegen hier unter den wundervollen Rosen. Kein Grab könnte schöner sein. Und sie sind zusammen. Vater und Mutter, Tochter und ihr geliebter Kater. Arthur, hier sollen sie bleiben. Aber ich will einen Gedenkstein setzten lassen, damit alle, die in dieses Schloss kommen, erfahren das sie hier ruhen. Einen ganz schlichten Stein. Mit einer Silberdistel als Zierde“ „Folgt mir Kind“
Verwundert sehe ich Arthur in Richtung seines Hauses gehen und beeile mich ihm zu folgen. Auch die anderen fünf folgen uns. Arthur geht nicht zum Eingang, sondern verschwindet um die Ecke. Auf einem Polster aus zierlichem Wollgras steht ein weißer Stein, der mit silbernen Quarzadern durchzogen ist. Er ist etwa kniehoch und oben schräg abgeflacht. Einfach perfekt.
„Wundervoll Arthur, genau so muss der Stein aussehen. Bitte kann ich Ihnen den abkaufen?“ „Alexandra, Kind, seid nicht dumm. Diesen Stein könnt ihr nicht kaufen. Wir wollen gemeinsam überlegen, wie ich ihn bearbeiten soll“ „Aber….“ „Doch Alexandra. Denn auch ich habe etwas an Margaret wieder gut zumachen. Hört die Geschichte meiner Vorfahren“
Wir setzten uns ins Gras und lassen uns von Arthurs blumiger, altmodischer Sprache, berichten.
Er spricht von Duncan Dougal, der einst auf der fernen Insel der Äußeren Hebriden lebte und elf Töchter besaß. Er war so arm, das er jedem ledigen Mann eine von ihnen mitgab, woher er auch kann, wohin er auch ging. Eine davon, so erzählt man sich noch heute, zog zusammen mit einem schwarz gelockten, ungestümen jungen Mann an den Loch Naw. Sie blieb den Leuten im Gedächtnis, weil sie silberhelle graue Augen hatte. Ihr Name war Branwen und das Haus in das sie ziehen sollte, nannte sich, Blair Rath Castel.
„Darum habt Ihr euch hier niedergelassen?“ Ich verfalle auch schon in die altertümliche Anrede, aber es scheint mir passend.
„Ja, darum habe ich mich hier niedergelassen. Ich habe verstaubte Aufzeichnungen entziffert und den alten Leuten gelauscht. Ich habe ihre Balladen und Geschichten aufgeschrieben. Branwen Dougal war es die Kenneth MacLeod nach Blair Rath Castel gefolgt war und ihm einen Sohn, Alasdair, gebar“ „Alasdair, Margarets Liebster?“ „Ja. Margarets Liebster“
Wie seltsam alles zusammenhängt.
„Ja, ein Stein wie dieser mit ihrer aller Namen, der Distel und….“ „Bitte auch den Namen von MacTiger. Das Mädchen und der Kater haben sehr aneinander gehangen“ „Natürlich, Kind. Große Liebe muss man immer würdigen“ Ich bin froh das er mich versteht. Ich würde es schrecklich finden wenn MacTiger nicht erwähnt werden würde.
„Arthur, ich weiß inzwischen wer das kleine rothaarige Mädchen war, das ich im Steinkreis gesehen habe. Das was Margarets kleine Schwester Mary. Komisch, sie liegt hier nicht begraben. Ob sie entkommen ist?“
„Wer weiß, Kind“
Da Arthur sich an die Arbeit machen will, verabschieden wir uns von ihm. „Wie geht es dir heute Alex?“ „Danke gut“ „Du hast keine sehr einfache Gabe Alex. Aber vielleicht hast du es jetzt überwunden, nach dem du das schreckliche Ende des Mädchens erlebt hast“ „Schon möglich Blake. Zumindest passiert mir nichts mehr, wenn ich das Grab sehe oder die Brosche anfasse“ „Alex wir wollen noch was erledigen, da wir übermorgen zurück fahren. Danach könne wir vielleicht noch mal etwas spazieren gehen, wenn du Lust hast?“ „Ok. Ich warte auf euch. Ich hab noch was zu erledigen“ „Wir werden so gegen vier Uhr wieder da sein“ Und damit verschwinden sie. Ich gehe runter zum See und genieße noch einmal die Ruhe und den Anblick. Ich denke noch einmal über die letzte Zeit nach, was alles geschehen ist. Wie sich mein Leben gewandelt hat. Und währen ich so in Gedanken bin, zieht die Zeit an mir vorbei und der Nebel zieht langsam auf. Damit ich auch heile wieder im Hotel ankomme, beschließe ich zurück zu gehen und in meinem Zimmer zu warten. Dabei denke ich daran, was Dustin mit vorhin noch erzählt hat. Wir hatten schon vor ein paar Tagen über das Falschgeld gesprochen das in Edinburgh aufgetaucht war und Shane und Hunter hatten nichts besseres zu tun als Detektiv zu spielen. Als verdächtigen haben sie MacDuffnet im Visier.
Als ich wieder auf die Uhr sehe ist es schon halb fünf. Na was soll’s. Die fünf können auf sich aufpassen. Also schnappe ich mir wieder mein Buch und lese weiter. Trotzdem bleibt eine gewisse Unruhe. Und das hat bei mir meist nichts Gutes zu bedeuten. Also stehe ich um viertel nach fünf auf und klopfe an Hunter´s Tür. Niemand öffnet. Also gehe ich an die Rezeption und frage nach den fünf. „Die sind um halb fünf zurück gekommen“ Komisch. Wenn sie hier sind müssen sie mich gehört habe. Ich gehe zurück auf mein Zimmer und warte. Während ich aus dem Fenster sehe, dringt ein Nebelwölkchen durch die Scheibe und bleibt als Katzengestalt auf der Fensterbank sitzen. „Hallo MacTiger. Hast du dich von deinem gestrigen Auftritt erholt?“ MacTiger sieht mich mit seinen rot leuchtenden Augen an. Er reagiert aber nicht auf meine Frage, sondern schwebt zu dem Kaminsims und lässt seine Pfote über dem Ornament der Silberdistel baumeln. „Willst du die Brosche sehen Kater?“ Ich strecke die Hand aus um ihn zu kraulen, doch er schüttelt heftig den Kopf und saust zurück zum Fenster.
Nanu? Was hat er denn? „Du willst mir etwas mitteilen?“ Heftiges kratzen am Ohr. „Wegen gestern vielleicht?“ Kopfschütteln. Zurück zur Distel. „MacTiger was ist los? Ist es weil ich wegen Tori und den Jungs nervös bin?“ Ohrenkratzen. Na gut einen Versuch ist es wert. „Weißt du, wo sie sind?“ Ohrenkratzen. Langsam bekomme ich Angst. Wenn der Geist deswegen schon zu mir kommt, um mir etwas über ihre Unternehmungen mitzuteilen, muss es wichtig sein. „Sind sie in Gefahr?“ Kopfschütteln, Ohrenkratzen. „Nein, ja?“ Verdammt, warum haben wir uns nicht auf mehr Wörter verständigt. Ich überlege was er mir sagen will. „Noch nicht, aber bald?“ Erleichtertes Ohrenkratzen. „Wo sind sie?“ MacTiger schwebt wieder zum Fenster und verschwindet zur Hälfte durch die Scheibe. Es sieht unmöglich aus, aber das kann nur eins bedeuten. Sie sind da draußen. Im Nebel. Etwa im Moor? Was immer sie dazu gebracht hat, sie müssen doch wissen, wie gefährlich das ist. „MacTiger das geht nicht. Es muss sie jemand finden und zurück bringen“ Ohrenkratzen. „Ich werde Arthur suchen” Wieder Ohrenkratzen. Hastig ziehe ich mir Schuhe an und ziehe meine Jacke über, wobei ich ganz vergesse das ich die Brosche noch trage. Dann laufe ich nach unten, MacTiger als Nebelwölkchen in Gesichtshöhe vor mir her.
In der Halle ist niemand, auch an der Rezeption nicht. Allerdings habe ich keine Zeit, jemanden zu suchen um zu hinterlassen was ich vorhabe. Als ich die Tür öffne, schlägt mir die Feuchtigkeit wie ein nasses Tuch ins Gesicht. Das Nebelwölkchen MacTiger löst sich darin auf. Das einzige das ich noch von ihm sehe, sind die beiden roten Augen. Schnell laufe ich zu Arthurs Hütte, doch niemand öffnet auf mein Klopfen. Da Arthur seine Tür nicht verschließt, öffne ich sie, sehe aber nur Silver in einem Sessel. Was mache ich denn jetzt? Mir ist unheimlich in den weißen Schwaden. Der Nebel wirkt milchig und alle Geräusche scheinen unwirklich. Nah oder fern kann ich nicht unterscheiden.
„MacTiger? MacTiger wo bist du? Ich kann dich nicht mehr sehen“ Die roten Augen tauchen nahe vor meiner Nase auf. „MacTiger kannst du in diesem Nebel etwas erkennen?“ Ob sich der Nebel am Ohr kratzt oder nicht, ich kann es nicht unterscheiden. „MacTiger so geht das nicht. Ich kann nur deine Augen sehen. Wenn du >ja< meinst, dann musst du mit einem Auge zwinkern, bei >nein< mit beiden. Geht das?“ Ein Auge verschwindet. Großartig, ein Fortschritt. Ich wiederhole meine letzte Frage und MacTiger gibt mir zu verstehen das er den Nebel durchdringen kann. Wie ein Geist das auch immer macht.
„Hilf mir die fünf zu finden MacTiger. Bitte“ Ein Auge verschwindet. „Gut dann gib die Richtung an. Aber denk daran, ich kann nicht schweben. Ich muss auf festem Wege bleiben, um nicht im Moor zu versinken“ Ein Auge verschwindet, dann setzt sich der kleine, hilfsbereite Geist in Bewegung. Ich folge den beiden Lichtpunkten, die in regelmäßigen Abständen vor mir auftauchen. Die erste Wegstrecke ist mir vertraut. Wir gehen abwärts zum See. Hier sind noch keine Probleme mit dem Moor zu erwarten, so das wir zügig voran kommen. Doch dann erreichen wir die Gabelung, wo es zu dem Bootsanleger auf der einen und zur Ruine auf der anderen Seite geht. MacTiger schlägt die Richtung zur Ruine ein und bestätigt damit meine schlimmste Vermutung. Was um alles in der Welt hat die fünf dazu gebracht ins Moor zu gehen?
Ein Rabe krächzt aus den Mauerresten und ich zucke zusammen. Es ist unheimlich hier. Ich folge weiter den roten Augen und achte sorgfältig darauf, wohin ich trete. Hin und wieder bleibe ich stehen um zu lauschen. Ich kann die Wellen vom See hören, das Rascheln der Zweige, sonst nichts.
„Tori! Hunter!“ Mehr als ein heiseres Flüstern bekomme ich nicht zustande. Ich räuspere ich mich und will noch einmal rufen, doch heftig blinzelnde Augen belehren mich eines besseren. Klar, wenn sie mich hören sollten, würden sie in meine Richtung gehen und dabei vielleicht vom Weg abkommen. Also setzten wir schweigend unseren Weg fort. Bald haben wir den halben Weg zur Ruine hinter uns. Hier zweigen weitere Wege ab. Wege die direkt ins Moor führen. Neben mir verläuft ein Steinwall, der den befestigten Pfad von der feuchten Wiese trennt. MacTiger bleibt vor mir in der Luft hängen. War da ein Geräusch?
Angestrengt lausche ich. Die feuchte Luft verzerrt die Töne, doch dann höre ich ein schmatzendes, saugendes Geräusch und gleich danach ein ärgerliches, „Verdammt“ „Dustin! Dustin bist du das?“ Irgendwo links von mir kommt die Antwort. „Alex. Bleib wo du bist, hier ist alles matschig. Der Boden scheint sich zu bewegen“ Das ist Tori. „Sind die anderen bei euch?“ „Ja, wir sind alle hier“ Ein Glück. „Ich kommt zu euch“ „Nein, das geht nicht. Man sieht absolut nichts“ „Ich hab MacTiger bei mir. Er kann im Nebel sehen. Er wird mich führen“ „Du bist verrückt. Das ist viel zu gefährlich“ „Ihr seit ganz nah an einem befestigten Weg. Rührt euch nicht von der Stelle“ Sie müssen einen der Seitenwege genommen haben und daneben getreten sein. Man kann zu schnell die Orientierung verlieren. Vor allem wenn man sich ein paar mal umgedreht hat. Ich sehe MacTigers Augen vor mir. Er will mir etwas mitteilen, das weiß ich, aber ich verstehe ihn nicht. Warum kann ich seine Gedanken nicht lesen? „Kater, die Fünf können nicht weit weg sein. Höchstens fünf, sechs Meter. Führe mich zu ihnen MacTiger“ Augenzwinkern. „Nein? Man willst du denn?“ MacTiger drängt sich näher an mich, so als ob er meine Hand an stupsen will.
Erst bin ich mehr als irritiert, doch dann trifft mich die Erkenntnis. Durch meine Berührungen kann er sich irgendwie aufladen. Na gut, einen Versuch ist es wert. Ich streichle den Kater da, wo ich seine Gestalt vermute und siehe da, seine Augen scheinen aufzuglühen.
„Leute, ich schicke euch MacTiger. Ihr müsst ihm folgen“ „Alex wir können ihn doch nicht sehen“ „Vertraut mir. Gleich müssen zwei glühend rote Augen bei eich auftauchen“ Ich folge den Augen noch ein paar Schritte, bis mir der Geist deutet neben einem alten entlaubten Busch stehen zu bleiben.
Als ich die Stimme von Tori wieder höre, ist sie deutlich dichter. „Wir sehen sie wirklich“ „Dann folgt ihnen“ Es raschelt, dann folgt ein unangenehm saugendes Geräusch und ich kann Shane fluchen hören. Dann sehe ich ihre Umrisse neben dem Weg.
Dann berührt allerdings etwas meine Hand und da ich mich so auf die fünf konzentriert habe, erschrecke ich fürchterlich und mache, mit einem leisen Schrei, einen Schritt nach vorne. Dabei rutsche ich aus und sinke mit den Knien in das weiche, morastige Zeug, das sich unter dem niedrigen Gras verbirgt. Das ist ja entsetzlich. Ich fühle überhaupt keinen Widerstand mehr.
Zum Glück haben meine Freunde gerade den rettenden Sprung auf den Weg gemacht und stehen neben mir. „Gib mir deine Hand Alex“ Nichts lieber als das. Schnell hat Hunter mich aus dem widerlichen Zeug gezogen. Ich zittere leicht. Nicht nur von der Kälte, sondern auch von dem Schreck. „W… warum seid i… i… ihr nur hier her g… gegangen?“ Mir klappern leicht die Zähne, so das der Satz nur stotternd über meine Lippen kommt. „Das könnten wir dich genauso gut fragen“ „Wieso mich? Ich hab im Hotel auf euch gewartet“ „Gewartet? MacDuffnet kam völlig, aufgelöst zu uns, als wir gerade wieder da waren und hat uns gesagt, du wärst alleine zur Ruine gegangen“ „So ein Quatsch. Warum sollte ich das tun? Was hat der Kerl sich dabei nur gedacht?“ „Ich glaub ich weiß warum“
Zusammen setzten wir uns auf die Steinmauer und Dustin fängt an seinen Verdacht zu erzählen. Es geht wieder um das Falschgeld. Dustin hat von einigen Gäste erfahren das sie Falschgeld bekommen haben. Immer wenn die Leute längere Besichtigungstouren machen oder Abreisen, bekommen sie es mit. Shane und Hunter haben sich gestern in das Büro von dem alten MacDuffnet geschlichen und haben ihm zwei Zehnpfund Noten aus seiner alten Registrierkasse geklaut. Und beide waren ein Stück kürzer wie auch das andere Falschgeld.
„Und mit dem seid ihr dann zur Polizei?“ „Nein noch nicht. Wir waren bei einem Bankdirektor in Inverness. Er kennt das Problem und hat uns erzählt, das die ganze Affäre vor fünf Jahren, hier mal zu großem Aussehen geführt hat, weil ein bescheuerter Druckereibesitzer sein Taschengeld aufbessern wollte. Man hat ihn allerdings geschnappt und verurteilt. Nur sein Mitarbeiter ist untergetaucht, mit einem Köfferchen druckfrischer Blüten“ „Und landete im Hotel Drumnadruid Castle, wo ihm der Dorf-Sheriff von Tainwick auf die Spur gekommen ist“ „Genau. Er hat den Koffer zurückgelassen und das Weite gesucht“ „Und MacDuffnet, der alte Geizknochen, hat das Geld nicht den Behörden übergeben, sondern seine eigene Geldwäscherei aufgezogen. Aber womit habt ihr euch verraten?“ „Keine Ahnung. Aber ist das wichtig?“ „Leute, er hat euch ins Moor geschickt und das kann nur dem Wunsch entsprungen sein, euch aus dem Weg zu räumen. Sehr geschickt. Vermutlich hat kein Mensch gehört, wie er euch von meinem Spaziergang erzählt hat. Und wieder sind unvorsichtige Touristen das Opfer der schlammigen Wiesen geworden. Mein Gott“ „Du sagst es. Aber jetzt lasst uns zurück. Wollen wir uns mal mit dem guten Mann unterhalten“ „Aber vorher rufen wir die Polizei“ Zustimmend nicken die fünf.
„Na dann auf in den Kampf. MacTiger bist du noch da?“ Ein Auge erscheint vor meiner Nase. „Wir gehen zurück“
Der Rückweg ist wesentlich einfach. Zum einen weil der Nebel dünner geworden ist, zum anderen weil ich den Weg kenne. Allerdings müssen wir einen sehr merkwürdigen Anblick bieten, da wir bis zu den Knien schwarz verschmiert sind und ich wohl auch ein paar Kratzer im Gesicht abbekommen habe. Doch das soll jetzt unsere geringste Sorge sein. In der Halle werden wir von MacDuffnet, in voller Highlander-Tracht erwartet. Und er reagiert teuflisch schnell. Er reist den Dolch aus dem Strumpf und hat mich, bevor ich überhaupt reagieren kann, im Klammergriff und drückt mir den kalten Stahl an die Kehle. „Ins Büro mit euch“, befiehlt er und gibt mir einen harten Schlag in die Nieren, der mich schmerzhaft auf keuchen lässt. Ich hab keine Chance und auch die anderen nicht, wenn sie nicht sehen wollen wie mir die Kehle durchgeschnitten wird. „Tür zu“ Blake knallt die Tür so laut zu wie es geht, was eine hoffnungsvolle, aber leider wenig erfolgversprechende Tat ist. Draußen ist niemand gewesen. Außerdem können die fünf MacDuffnet nicht einfach angreifen, denn dummerweise bin ich noch im Weg. Und ich kann mich auch nicht befreien ohne das die Klinge weiter in meine Kehle schneidet.
„Ihr wart nicht bei der Polizei, sonst wäre die schon hier“ MacDuffnet mag wahnsinnig sein, ausgerastet ist er nicht. Seine Schlussfolgerung ist blendend. „Da ist das Telefon. Ihr werden den Bankdirektor anrufen und sagen das ihr den Irrtum aufgedeckt habt“ „Und wie sollen wir das machen?“ „Euch wird schon was einfallen“ Damit drückt er mir die Klinge noch fester an den Hals. Doch seltsamerweise verspüre ich keine Angst. Es ist ein eigenartig, abgehobenes Gefühl. So als stünde ich schon längst abseits jeder Angst. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Hunter heimlich nach dem Briefbeschwerer greift und sich dann zum Telefon wendet. Ich ahne was er vor hat und stoße meinen Ellbogen rückwärts. In dem Moment wo MacDuffnet, der Dolch von meiner Kehle rutscht, wirft Hunter den Stein. Er trifft ihn – knapp an der Schläfe, aber MacDuffnet ist hart im Nehmen. Er lässt mich los, gibt mir aber nochmals einen brutalen Stoß, wodurch ich neben einem Stuhl an der Wand lande und mir schmerzhaft den Kopf anschlage. Während dessen versuchend die fünf MacDuffnet irgendwie unschädlich zu machen, was aber nicht so ganz gelingt, da dieser nun völlig übergeschnappt ist. Sein Gesichtsausdruck erinnert mich an MacLeod, als er das Schwert schwang. Mord steht darin. Blut!
Und dann passiert das Unglaubliche. Mich durchdringt ein Schauder und ich erkenne MacTiger neben mir, der mich ansieht. Und ich weiß genau was er will. Also nehme ich meine ganze Kraft zusammen und lege meine Hand zwischen seine Ohren. Schließe die Augen und denke an…. an Arthur, an meine Mutter, meine Tante, an Margaret und die Alte im Steinkreis. Und wie von selbst schließt sich meine Hand um Margarets Silberbrosche unter meiner Jacke. Ich spüre einen Energiestrom von mir zu MacTiger fliesen. Dann öffne ich die Augen und MacTiger ist verschwunden. Ich höre MacDuffnet grunzen, da Tori ihm einen Tritt gegen das Schienbein gegeben hat, was dem Hotelbesitzer aber nichts auszumachen scheint. Leise schreie ich auf als Tori stürzt und MacDuffnet mit dem Dolch auf sie einstechen will.
In diesem Moment springt eine gewaltige Wildkatze auf ihn zu. Groß wie ein Luchs, mit flammenden Augen, mit weit aufgerissenem Maul, aus dem ein Fauchen kommt, das nicht von dieser Welt zu kommen scheint.
MacDuffnet erstarrt mitten in der Bewegung, der Dolch fällt ihm aus der Hand, sein Gesicht wird blaurot und er bricht röchelnd auf dem Boden zusammen.
MacTiger setzt sich neben ihm auf und legt eine Pfote auf den Hals seines Opfers. Ein tiefes Grollen kommt aus seiner Kehle und lässt die Fensterscheiben klirren. Tori rappelt sich hoch und kommt mit den anderen zu mir. Im nächsten Moment fliegt die Tür auf und Arthur steht in der Tür. „Ist alles in Ordnung Kind?“ „Ja, Arthur. Bis auf den da. Der braucht einen Arzt und einen Richter“ Dann bricht das große durcheinander unter den Leuten aus die gerade die Halle betreten. MacTiger scheint das alles zu viel zu sein. Er steht auf und springt neben mich an meine Seite. Ich sehe ihn an und streiche über seinen grauschwarz getigerten Rücken. Er hat inzwischen wieder seine normale Katzengröße angenommen.
„Danke, alter Freund“, flüstere ich ihn zu und er legt seinen dicken Kopf in meine Hand und dreht ihn zärtlich hin und her. Dabei schnurrt er sein geisterhaftes Schnurren. Dann wird er durchsichtiger und durchsichtiger, ein blasser Nebelschimmer, ein Hauch von roten Augen. Er löst sich auf, der Raum ist leer – er ward gesehen nimmermehr.
„Alex sieh mal“ Hunter, der neben mir hockt, deutet auf meinen rechten Unterarm. Ungläubig sehe ich auf meine Haut. Denn, kurz unter meinem Handgelenk, ist der Abdruck einer kleinen Katzenpfote zu sehen. Lächelnd streiche ich darüber.
Danke, mein alter Freund.
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Teaser:
35. Der Anfang der Geschichte
Online am 01.12.2017
„Geht´s wieder?“, fragt er mich und ich kann die Besorgnis in seinen blauen Augen sehen. „Ja, es ist in Ordnung“ „Du hast wieder eine Vision gehabt?“ „Ja, in Vollfarbe und vertont. Es war der Höhepunkt des Entsetzens“ „Das haben wir gesehen. Hat es was mit deiner Margaret zu tun?“
„Mit ihrem Tod, ja“ „Willst du es uns erzählen? Oder ist es zu furchtbar für dich?“ Ich schweige und lasse die Szene noch mal an meinem inneren Auge vorbei ziehen. Bei vollem Bewusstsein, ohne selbst daran teilzuhaben mit allen Gefühlen der Todesangst, ist es zwar immer noch grauenvoll, aber schon erträglicher.
„Ich erzähle es euch. Aber lacht mich bitte nicht aus“ „Ganz bestimmt nicht. Alex, wir haben gesehen wie es dir ging“ Vorsichtig legt Tori ihre Hand auf meine und ich merke wie ich ruhiger werde „Danke“
Also fange ich an zu berichten.
„Und dann lag plötzlich das Schwert vor mir. Ich konnte nicht anders. Es tut mir leid wegen dem Schreikrampf. Oh man, was sollen bloß die anderen von mir denken? Die halten mich doch für völlig abgedreht“ „Sicher nicht. Die haben doch selbst geschrien als ob man sie abschlachten würde, nur weil dieses blöde Schwert von der Wand gescheppert kam. Daran ist übrigens dein kleiner Freund schuld“ „Mein kleiner Freund?“ Fragend sehe ich in die Runde und weiß nicht wen sie damit meinen. „Der Geisterkater. Er schwebte, wenn ich das richtig gesehen habe, als kleines Nebelwölkchen über dem Kaminsims und stupste das Mordwerkzeug von der Wand“ „Ihr habt ihn gesehen? Ehrlich?“
„Vielleicht hast du uns die Augen dafür geöffnet. Oder er wird immer materieller, je länger du hier bist. Warte ab. Du schaffst es noch ihn zu einem leibhaftigen Tiger zu machen“ Es ist wirklich süß von Hunter, wie er eine lockere Note in das Geschehen bringt und mich damit ablenkt. Und es geht mir wirklich schon besser. Alles, was ich gerade gesehen habe, ist vor zweihundertfünfzig Jahren geschehen. Es war einem Mädchen passiert, das auf irgendeine Weise mit mir in Verbindung steht. Vielleicht war die Vision auch nur so stark, weil ich die Silberdistel trage.
Während ich über die Brosche streiche, fällt mir auf das Hunter mich schon die ganze Zeit so komisch ansieht. Fragend sehe ich ihm in die Augen. „Was ist? Bin ich in den letzten Stunden ergraut? Wundern würde es mich nicht“ „Nein. Aber da ist ein neuer Zug in deinem Gesicht. Nicht älter, viel mehr weiser. Dieser Urlaub stellt schon komische Sachen mit uns an“ Zustimmend nicken die anderen. „Ich denke Alex sollte jetzt lieber etwas schlafen. Das war sicher anstrengend für sie“
Tori hat recht. Ich fühle mich völlig erledigt. „So jetzt reicht es aber. Alex soll sich ausruhen“ Damit jagt Tori alle, bis auf Hunter, aus dem Zimmer. Kopfschüttelnd sehe ich Ihnen nach. Fragend sehe ich zu Hunter. „Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?“ Überrascht sieht er mich an, lächelt dann aber. „Natürlich Süße“ Schnell ziehe ich Pullover und Jeans aus und kuschele ich mich unter die Decke. „Danke das ich hier schlafen darf“ „Dafür nicht“ Als er aufstehen will sehe ich ihn überrascht an. Was hat er denn jetzt vor? „Was hast du vor?“ „Ich penne auf dem Sofa“ Ich rücke ein Stück zur Seite und deute ihm an das er sich zu mir legen soll. Überrascht sieht er mich mit großen Augen an. „Wenn ich schon dein Zimmer in Beschlag nehme, kannst du auch bei mir bleiben. Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst. Mich würde es nicht stören“ Nach einem kurzen Zögern, kommt Hunter langsam zu mir und setzt sich neben mich. Ein weiteres Gähnen kann ich nicht unterdrücken. „Schlaf ruhig. Ich passe auf dich auf“ Lächelnd kuschele ich mich an Hunter und schlafe dann auch recht schnell ein, da ich mich absolut Sicher und Geborgen fühle. Nur am Rand bemerke ich noch wie er seine Arme um mich legt.
Als ich aufwache, fühle ich mich deutlich besser als noch am Abend. Vorsichtig setzte ich mich auf und sehe Hunter am Fenster stehen. „Guten Morgen“ Lächelnd dreht er sich zu mir. „Guten Morgen. Wie geht es dir?“ „Viel besser. Danke“ Kurz darauf verschwinde ich in mein Zimmer um erst mal zu duschen. Und damit verschwindet auch der letzte Rest Müdigkeit und ich fühle mich wie neugeboren. Ich öffne das Fenster und betrachte die schroffen Berge, die schattigen Täler, den grün leuchtenden Loch Naw, die silbergraue Mauer des Schlosses, die Eibenhecke und die verschwenderisch blühenden Rosen davor. Das bringt mir die Erinnerung zurück. Dort unten, unter den Ranken der blutroten Rosen, liegt das Grab von Margaret. Und zu ihr zieht es mich. Margaret, die mutig ihre Liebe erklärt hat, mutig bis in den Tod hinein. Mit ihr bin ich verbunden, sie war gestern ein Teil von mir.
Als ich vor dem Rosenbusch stehe, entdecke ich, das Arthur weitere Steine freigelegt hat. Einfache Feldsteine, die Schrift unbeholfen eingeritzt. Aber nicht nur Margaret, auch Rory und Flora MacIain ruhen hier. Und >Her Cat<. Ihre Katze.
Mir laufen die Tränen über die Wangen als ich das lese. Jemand hatte Margarets Katze mit ihr begraben und es sogar auf dem Stein vermerkt. Armer MacTiger. Armer, unschuldiger Kater. Ein unschuldiges Opfer in dem wahnsinnigen Blutrausch des betrunkenen Mörders. Kein Wunder, das er ruhelos im Schloss umgeht.
„Weint ihr um Margaret und ihren Clan?“ „Ja Arthur. Gestern Nacht habe ich erlebt was ihr geschehen ist. Sie hatten recht – das Grauen begegnet einem auf den Wanderungen“
Arthur steht mit der Heckenschere in der Hand neben mir. „Aber ihr habt es überwunden, sehe ich. Eure Augen leuchten und Eure Wangen sind rosig unter den Tränen“ „Ja, ich habe es – mit ein bisschen Hilfe – überwunden“ „Hilfe von fünf jungen Leuten, denke ich?“ In dem Moment kommen die anderen zu uns, die uns kurz begrüßen. „Und einem kleinen Katzengespenst, das im entscheidenden Moment das Schwert von der Wand gefetzt hat. Das Breitschwert des MacLeod. Und wissen Sie was – es ist geborsten. Ich verstehe das nicht ganz, es ist doch nur von der Wand gefallen. Ein Breitschwert sollte schon etwas mehr aushalten, oder nicht?“
„Größere Gewalten mögen da im Spiel gewesen sein, als nur die Schwerkraft, Kind“ Ernst sieht Arthur mich an. „Großes Unrecht ist geschehen. Doch seit ihr hergekommen seid, sind die alten Kräfte stärker geworden. Ihr habt die Verbindung hergestellt. So mögen durch Euch die Spuren des furchtbaren Unrechts aus der Welt geschaffen werden“ Zweifelnd sehe ich Ihn an. „Durch mich? Ich bin ein solches Nichts, Arthur. Ich hab nur manchmal ein paar seltsame Träume und Visionen. Das ist kein Potenzial, um altes Unrecht zu tilgen“ „Nicht das Unrecht selbst Alexandra. Das bleibt bestehen. Aber seine sichtbaren und unsichtbaren Spuren“ Ich verstehe seine Worte nicht. Dann fällt mein Blick allerdings auf die drei Steine. „Sie sind hier begraben worden. Die Opfer dieses schändlichen Mordes. Vermutlich ohne kirchlichen Segen, ohne Feierlichkeit“ „Alex glaubst du man sollte sie auf dem Friedhof beisetzten? Hinter dem Hotel ist doch einer, der zu dem alten Drumnadruid Castle gehört, hast du erzählt“ Ich denke über Tori´s Worte nach und im ersten Moment klingen sie sehr vernünftig.
Fragend sehe ich zu Arthur. „Wenn ihr denkt das es das richtige für Margaret und ihre Eltern ist, so tut es. Ich werde mit dem Pfarrer darüber sprechen, wenn ihr wollt“
Arthur klingt etwas eigenartig, auch wenn er seine Hilfe anbietet. Und ich zweifle an der Richtigkeit dieses Vorhabens. Ich knie mich nieder und fahre die Form der einfachen Silberdistel nach, die eine mitfühlende Seele neben Margarets Namen geritzt hat.
„Nein Tori. Hier liegen sie seit zweihundertfünfzig Jahren. Was ist ihnen damit geholfen, wenn ihre zu Staub gewordenen Gebeine noch einmal in ihrer Ruhe gestört werden? Sie liegen hier unter den wundervollen Rosen. Kein Grab könnte schöner sein. Und sie sind zusammen. Vater und Mutter, Tochter und ihr geliebter Kater. Arthur, hier sollen sie bleiben. Aber ich will einen Gedenkstein setzten lassen, damit alle, die in dieses Schloss kommen, erfahren das sie hier ruhen. Einen ganz schlichten Stein. Mit einer Silberdistel als Zierde“ „Folgt mir Kind“
Verwundert sehe ich Arthur in Richtung seines Hauses gehen und beeile mich ihm zu folgen. Auch die anderen fünf folgen uns. Arthur geht nicht zum Eingang, sondern verschwindet um die Ecke. Auf einem Polster aus zierlichem Wollgras steht ein weißer Stein, der mit silbernen Quarzadern durchzogen ist. Er ist etwa kniehoch und oben schräg abgeflacht. Einfach perfekt.
„Wundervoll Arthur, genau so muss der Stein aussehen. Bitte kann ich Ihnen den abkaufen?“ „Alexandra, Kind, seid nicht dumm. Diesen Stein könnt ihr nicht kaufen. Wir wollen gemeinsam überlegen, wie ich ihn bearbeiten soll“ „Aber….“ „Doch Alexandra. Denn auch ich habe etwas an Margaret wieder gut zumachen. Hört die Geschichte meiner Vorfahren“
Wir setzten uns ins Gras und lassen uns von Arthurs blumiger, altmodischer Sprache, berichten.
Er spricht von Duncan Dougal, der einst auf der fernen Insel der Äußeren Hebriden lebte und elf Töchter besaß. Er war so arm, das er jedem ledigen Mann eine von ihnen mitgab, woher er auch kann, wohin er auch ging. Eine davon, so erzählt man sich noch heute, zog zusammen mit einem schwarz gelockten, ungestümen jungen Mann an den Loch Naw. Sie blieb den Leuten im Gedächtnis, weil sie silberhelle graue Augen hatte. Ihr Name war Branwen und das Haus in das sie ziehen sollte, nannte sich, Blair Rath Castel.
„Darum habt Ihr euch hier niedergelassen?“ Ich verfalle auch schon in die altertümliche Anrede, aber es scheint mir passend.
„Ja, darum habe ich mich hier niedergelassen. Ich habe verstaubte Aufzeichnungen entziffert und den alten Leuten gelauscht. Ich habe ihre Balladen und Geschichten aufgeschrieben. Branwen Dougal war es die Kenneth MacLeod nach Blair Rath Castel gefolgt war und ihm einen Sohn, Alasdair, gebar“ „Alasdair, Margarets Liebster?“ „Ja. Margarets Liebster“
Wie seltsam alles zusammenhängt.
„Ja, ein Stein wie dieser mit ihrer aller Namen, der Distel und….“ „Bitte auch den Namen von MacTiger. Das Mädchen und der Kater haben sehr aneinander gehangen“ „Natürlich, Kind. Große Liebe muss man immer würdigen“ Ich bin froh das er mich versteht. Ich würde es schrecklich finden wenn MacTiger nicht erwähnt werden würde.
„Arthur, ich weiß inzwischen wer das kleine rothaarige Mädchen war, das ich im Steinkreis gesehen habe. Das was Margarets kleine Schwester Mary. Komisch, sie liegt hier nicht begraben. Ob sie entkommen ist?“
„Wer weiß, Kind“
Da Arthur sich an die Arbeit machen will, verabschieden wir uns von ihm. „Wie geht es dir heute Alex?“ „Danke gut“ „Du hast keine sehr einfache Gabe Alex. Aber vielleicht hast du es jetzt überwunden, nach dem du das schreckliche Ende des Mädchens erlebt hast“ „Schon möglich Blake. Zumindest passiert mir nichts mehr, wenn ich das Grab sehe oder die Brosche anfasse“ „Alex wir wollen noch was erledigen, da wir übermorgen zurück fahren. Danach könne wir vielleicht noch mal etwas spazieren gehen, wenn du Lust hast?“ „Ok. Ich warte auf euch. Ich hab noch was zu erledigen“ „Wir werden so gegen vier Uhr wieder da sein“ Und damit verschwinden sie. Ich gehe runter zum See und genieße noch einmal die Ruhe und den Anblick. Ich denke noch einmal über die letzte Zeit nach, was alles geschehen ist. Wie sich mein Leben gewandelt hat. Und währen ich so in Gedanken bin, zieht die Zeit an mir vorbei und der Nebel zieht langsam auf. Damit ich auch heile wieder im Hotel ankomme, beschließe ich zurück zu gehen und in meinem Zimmer zu warten. Dabei denke ich daran, was Dustin mit vorhin noch erzählt hat. Wir hatten schon vor ein paar Tagen über das Falschgeld gesprochen das in Edinburgh aufgetaucht war und Shane und Hunter hatten nichts besseres zu tun als Detektiv zu spielen. Als verdächtigen haben sie MacDuffnet im Visier.
Als ich wieder auf die Uhr sehe ist es schon halb fünf. Na was soll’s. Die fünf können auf sich aufpassen. Also schnappe ich mir wieder mein Buch und lese weiter. Trotzdem bleibt eine gewisse Unruhe. Und das hat bei mir meist nichts Gutes zu bedeuten. Also stehe ich um viertel nach fünf auf und klopfe an Hunter´s Tür. Niemand öffnet. Also gehe ich an die Rezeption und frage nach den fünf. „Die sind um halb fünf zurück gekommen“ Komisch. Wenn sie hier sind müssen sie mich gehört habe. Ich gehe zurück auf mein Zimmer und warte. Während ich aus dem Fenster sehe, dringt ein Nebelwölkchen durch die Scheibe und bleibt als Katzengestalt auf der Fensterbank sitzen. „Hallo MacTiger. Hast du dich von deinem gestrigen Auftritt erholt?“ MacTiger sieht mich mit seinen rot leuchtenden Augen an. Er reagiert aber nicht auf meine Frage, sondern schwebt zu dem Kaminsims und lässt seine Pfote über dem Ornament der Silberdistel baumeln. „Willst du die Brosche sehen Kater?“ Ich strecke die Hand aus um ihn zu kraulen, doch er schüttelt heftig den Kopf und saust zurück zum Fenster.
Nanu? Was hat er denn? „Du willst mir etwas mitteilen?“ Heftiges kratzen am Ohr. „Wegen gestern vielleicht?“ Kopfschütteln. Zurück zur Distel. „MacTiger was ist los? Ist es weil ich wegen Tori und den Jungs nervös bin?“ Ohrenkratzen. Na gut einen Versuch ist es wert. „Weißt du, wo sie sind?“ Ohrenkratzen. Langsam bekomme ich Angst. Wenn der Geist deswegen schon zu mir kommt, um mir etwas über ihre Unternehmungen mitzuteilen, muss es wichtig sein. „Sind sie in Gefahr?“ Kopfschütteln, Ohrenkratzen. „Nein, ja?“ Verdammt, warum haben wir uns nicht auf mehr Wörter verständigt. Ich überlege was er mir sagen will. „Noch nicht, aber bald?“ Erleichtertes Ohrenkratzen. „Wo sind sie?“ MacTiger schwebt wieder zum Fenster und verschwindet zur Hälfte durch die Scheibe. Es sieht unmöglich aus, aber das kann nur eins bedeuten. Sie sind da draußen. Im Nebel. Etwa im Moor? Was immer sie dazu gebracht hat, sie müssen doch wissen, wie gefährlich das ist. „MacTiger das geht nicht. Es muss sie jemand finden und zurück bringen“ Ohrenkratzen. „Ich werde Arthur suchen” Wieder Ohrenkratzen. Hastig ziehe ich mir Schuhe an und ziehe meine Jacke über, wobei ich ganz vergesse das ich die Brosche noch trage. Dann laufe ich nach unten, MacTiger als Nebelwölkchen in Gesichtshöhe vor mir her.
In der Halle ist niemand, auch an der Rezeption nicht. Allerdings habe ich keine Zeit, jemanden zu suchen um zu hinterlassen was ich vorhabe. Als ich die Tür öffne, schlägt mir die Feuchtigkeit wie ein nasses Tuch ins Gesicht. Das Nebelwölkchen MacTiger löst sich darin auf. Das einzige das ich noch von ihm sehe, sind die beiden roten Augen. Schnell laufe ich zu Arthurs Hütte, doch niemand öffnet auf mein Klopfen. Da Arthur seine Tür nicht verschließt, öffne ich sie, sehe aber nur Silver in einem Sessel. Was mache ich denn jetzt? Mir ist unheimlich in den weißen Schwaden. Der Nebel wirkt milchig und alle Geräusche scheinen unwirklich. Nah oder fern kann ich nicht unterscheiden.
„MacTiger? MacTiger wo bist du? Ich kann dich nicht mehr sehen“ Die roten Augen tauchen nahe vor meiner Nase auf. „MacTiger kannst du in diesem Nebel etwas erkennen?“ Ob sich der Nebel am Ohr kratzt oder nicht, ich kann es nicht unterscheiden. „MacTiger so geht das nicht. Ich kann nur deine Augen sehen. Wenn du >ja< meinst, dann musst du mit einem Auge zwinkern, bei >nein< mit beiden. Geht das?“ Ein Auge verschwindet. Großartig, ein Fortschritt. Ich wiederhole meine letzte Frage und MacTiger gibt mir zu verstehen das er den Nebel durchdringen kann. Wie ein Geist das auch immer macht.
„Hilf mir die fünf zu finden MacTiger. Bitte“ Ein Auge verschwindet. „Gut dann gib die Richtung an. Aber denk daran, ich kann nicht schweben. Ich muss auf festem Wege bleiben, um nicht im Moor zu versinken“ Ein Auge verschwindet, dann setzt sich der kleine, hilfsbereite Geist in Bewegung. Ich folge den beiden Lichtpunkten, die in regelmäßigen Abständen vor mir auftauchen. Die erste Wegstrecke ist mir vertraut. Wir gehen abwärts zum See. Hier sind noch keine Probleme mit dem Moor zu erwarten, so das wir zügig voran kommen. Doch dann erreichen wir die Gabelung, wo es zu dem Bootsanleger auf der einen und zur Ruine auf der anderen Seite geht. MacTiger schlägt die Richtung zur Ruine ein und bestätigt damit meine schlimmste Vermutung. Was um alles in der Welt hat die fünf dazu gebracht ins Moor zu gehen?
Ein Rabe krächzt aus den Mauerresten und ich zucke zusammen. Es ist unheimlich hier. Ich folge weiter den roten Augen und achte sorgfältig darauf, wohin ich trete. Hin und wieder bleibe ich stehen um zu lauschen. Ich kann die Wellen vom See hören, das Rascheln der Zweige, sonst nichts.
„Tori! Hunter!“ Mehr als ein heiseres Flüstern bekomme ich nicht zustande. Ich räuspere ich mich und will noch einmal rufen, doch heftig blinzelnde Augen belehren mich eines besseren. Klar, wenn sie mich hören sollten, würden sie in meine Richtung gehen und dabei vielleicht vom Weg abkommen. Also setzten wir schweigend unseren Weg fort. Bald haben wir den halben Weg zur Ruine hinter uns. Hier zweigen weitere Wege ab. Wege die direkt ins Moor führen. Neben mir verläuft ein Steinwall, der den befestigten Pfad von der feuchten Wiese trennt. MacTiger bleibt vor mir in der Luft hängen. War da ein Geräusch?
Angestrengt lausche ich. Die feuchte Luft verzerrt die Töne, doch dann höre ich ein schmatzendes, saugendes Geräusch und gleich danach ein ärgerliches, „Verdammt“ „Dustin! Dustin bist du das?“ Irgendwo links von mir kommt die Antwort. „Alex. Bleib wo du bist, hier ist alles matschig. Der Boden scheint sich zu bewegen“ Das ist Tori. „Sind die anderen bei euch?“ „Ja, wir sind alle hier“ Ein Glück. „Ich kommt zu euch“ „Nein, das geht nicht. Man sieht absolut nichts“ „Ich hab MacTiger bei mir. Er kann im Nebel sehen. Er wird mich führen“ „Du bist verrückt. Das ist viel zu gefährlich“ „Ihr seit ganz nah an einem befestigten Weg. Rührt euch nicht von der Stelle“ Sie müssen einen der Seitenwege genommen haben und daneben getreten sein. Man kann zu schnell die Orientierung verlieren. Vor allem wenn man sich ein paar mal umgedreht hat. Ich sehe MacTigers Augen vor mir. Er will mir etwas mitteilen, das weiß ich, aber ich verstehe ihn nicht. Warum kann ich seine Gedanken nicht lesen? „Kater, die Fünf können nicht weit weg sein. Höchstens fünf, sechs Meter. Führe mich zu ihnen MacTiger“ Augenzwinkern. „Nein? Man willst du denn?“ MacTiger drängt sich näher an mich, so als ob er meine Hand an stupsen will.
Erst bin ich mehr als irritiert, doch dann trifft mich die Erkenntnis. Durch meine Berührungen kann er sich irgendwie aufladen. Na gut, einen Versuch ist es wert. Ich streichle den Kater da, wo ich seine Gestalt vermute und siehe da, seine Augen scheinen aufzuglühen.
„Leute, ich schicke euch MacTiger. Ihr müsst ihm folgen“ „Alex wir können ihn doch nicht sehen“ „Vertraut mir. Gleich müssen zwei glühend rote Augen bei eich auftauchen“ Ich folge den Augen noch ein paar Schritte, bis mir der Geist deutet neben einem alten entlaubten Busch stehen zu bleiben.
Als ich die Stimme von Tori wieder höre, ist sie deutlich dichter. „Wir sehen sie wirklich“ „Dann folgt ihnen“ Es raschelt, dann folgt ein unangenehm saugendes Geräusch und ich kann Shane fluchen hören. Dann sehe ich ihre Umrisse neben dem Weg.
Dann berührt allerdings etwas meine Hand und da ich mich so auf die fünf konzentriert habe, erschrecke ich fürchterlich und mache, mit einem leisen Schrei, einen Schritt nach vorne. Dabei rutsche ich aus und sinke mit den Knien in das weiche, morastige Zeug, das sich unter dem niedrigen Gras verbirgt. Das ist ja entsetzlich. Ich fühle überhaupt keinen Widerstand mehr.
Zum Glück haben meine Freunde gerade den rettenden Sprung auf den Weg gemacht und stehen neben mir. „Gib mir deine Hand Alex“ Nichts lieber als das. Schnell hat Hunter mich aus dem widerlichen Zeug gezogen. Ich zittere leicht. Nicht nur von der Kälte, sondern auch von dem Schreck. „W… warum seid i… i… ihr nur hier her g… gegangen?“ Mir klappern leicht die Zähne, so das der Satz nur stotternd über meine Lippen kommt. „Das könnten wir dich genauso gut fragen“ „Wieso mich? Ich hab im Hotel auf euch gewartet“ „Gewartet? MacDuffnet kam völlig, aufgelöst zu uns, als wir gerade wieder da waren und hat uns gesagt, du wärst alleine zur Ruine gegangen“ „So ein Quatsch. Warum sollte ich das tun? Was hat der Kerl sich dabei nur gedacht?“ „Ich glaub ich weiß warum“
Zusammen setzten wir uns auf die Steinmauer und Dustin fängt an seinen Verdacht zu erzählen. Es geht wieder um das Falschgeld. Dustin hat von einigen Gäste erfahren das sie Falschgeld bekommen haben. Immer wenn die Leute längere Besichtigungstouren machen oder Abreisen, bekommen sie es mit. Shane und Hunter haben sich gestern in das Büro von dem alten MacDuffnet geschlichen und haben ihm zwei Zehnpfund Noten aus seiner alten Registrierkasse geklaut. Und beide waren ein Stück kürzer wie auch das andere Falschgeld.
„Und mit dem seid ihr dann zur Polizei?“ „Nein noch nicht. Wir waren bei einem Bankdirektor in Inverness. Er kennt das Problem und hat uns erzählt, das die ganze Affäre vor fünf Jahren, hier mal zu großem Aussehen geführt hat, weil ein bescheuerter Druckereibesitzer sein Taschengeld aufbessern wollte. Man hat ihn allerdings geschnappt und verurteilt. Nur sein Mitarbeiter ist untergetaucht, mit einem Köfferchen druckfrischer Blüten“ „Und landete im Hotel Drumnadruid Castle, wo ihm der Dorf-Sheriff von Tainwick auf die Spur gekommen ist“ „Genau. Er hat den Koffer zurückgelassen und das Weite gesucht“ „Und MacDuffnet, der alte Geizknochen, hat das Geld nicht den Behörden übergeben, sondern seine eigene Geldwäscherei aufgezogen. Aber womit habt ihr euch verraten?“ „Keine Ahnung. Aber ist das wichtig?“ „Leute, er hat euch ins Moor geschickt und das kann nur dem Wunsch entsprungen sein, euch aus dem Weg zu räumen. Sehr geschickt. Vermutlich hat kein Mensch gehört, wie er euch von meinem Spaziergang erzählt hat. Und wieder sind unvorsichtige Touristen das Opfer der schlammigen Wiesen geworden. Mein Gott“ „Du sagst es. Aber jetzt lasst uns zurück. Wollen wir uns mal mit dem guten Mann unterhalten“ „Aber vorher rufen wir die Polizei“ Zustimmend nicken die fünf.
„Na dann auf in den Kampf. MacTiger bist du noch da?“ Ein Auge erscheint vor meiner Nase. „Wir gehen zurück“
Der Rückweg ist wesentlich einfach. Zum einen weil der Nebel dünner geworden ist, zum anderen weil ich den Weg kenne. Allerdings müssen wir einen sehr merkwürdigen Anblick bieten, da wir bis zu den Knien schwarz verschmiert sind und ich wohl auch ein paar Kratzer im Gesicht abbekommen habe. Doch das soll jetzt unsere geringste Sorge sein. In der Halle werden wir von MacDuffnet, in voller Highlander-Tracht erwartet. Und er reagiert teuflisch schnell. Er reist den Dolch aus dem Strumpf und hat mich, bevor ich überhaupt reagieren kann, im Klammergriff und drückt mir den kalten Stahl an die Kehle. „Ins Büro mit euch“, befiehlt er und gibt mir einen harten Schlag in die Nieren, der mich schmerzhaft auf keuchen lässt. Ich hab keine Chance und auch die anderen nicht, wenn sie nicht sehen wollen wie mir die Kehle durchgeschnitten wird. „Tür zu“ Blake knallt die Tür so laut zu wie es geht, was eine hoffnungsvolle, aber leider wenig erfolgversprechende Tat ist. Draußen ist niemand gewesen. Außerdem können die fünf MacDuffnet nicht einfach angreifen, denn dummerweise bin ich noch im Weg. Und ich kann mich auch nicht befreien ohne das die Klinge weiter in meine Kehle schneidet.
„Ihr wart nicht bei der Polizei, sonst wäre die schon hier“ MacDuffnet mag wahnsinnig sein, ausgerastet ist er nicht. Seine Schlussfolgerung ist blendend. „Da ist das Telefon. Ihr werden den Bankdirektor anrufen und sagen das ihr den Irrtum aufgedeckt habt“ „Und wie sollen wir das machen?“ „Euch wird schon was einfallen“ Damit drückt er mir die Klinge noch fester an den Hals. Doch seltsamerweise verspüre ich keine Angst. Es ist ein eigenartig, abgehobenes Gefühl. So als stünde ich schon längst abseits jeder Angst. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Hunter heimlich nach dem Briefbeschwerer greift und sich dann zum Telefon wendet. Ich ahne was er vor hat und stoße meinen Ellbogen rückwärts. In dem Moment wo MacDuffnet, der Dolch von meiner Kehle rutscht, wirft Hunter den Stein. Er trifft ihn – knapp an der Schläfe, aber MacDuffnet ist hart im Nehmen. Er lässt mich los, gibt mir aber nochmals einen brutalen Stoß, wodurch ich neben einem Stuhl an der Wand lande und mir schmerzhaft den Kopf anschlage. Während dessen versuchend die fünf MacDuffnet irgendwie unschädlich zu machen, was aber nicht so ganz gelingt, da dieser nun völlig übergeschnappt ist. Sein Gesichtsausdruck erinnert mich an MacLeod, als er das Schwert schwang. Mord steht darin. Blut!
Und dann passiert das Unglaubliche. Mich durchdringt ein Schauder und ich erkenne MacTiger neben mir, der mich ansieht. Und ich weiß genau was er will. Also nehme ich meine ganze Kraft zusammen und lege meine Hand zwischen seine Ohren. Schließe die Augen und denke an…. an Arthur, an meine Mutter, meine Tante, an Margaret und die Alte im Steinkreis. Und wie von selbst schließt sich meine Hand um Margarets Silberbrosche unter meiner Jacke. Ich spüre einen Energiestrom von mir zu MacTiger fliesen. Dann öffne ich die Augen und MacTiger ist verschwunden. Ich höre MacDuffnet grunzen, da Tori ihm einen Tritt gegen das Schienbein gegeben hat, was dem Hotelbesitzer aber nichts auszumachen scheint. Leise schreie ich auf als Tori stürzt und MacDuffnet mit dem Dolch auf sie einstechen will.
In diesem Moment springt eine gewaltige Wildkatze auf ihn zu. Groß wie ein Luchs, mit flammenden Augen, mit weit aufgerissenem Maul, aus dem ein Fauchen kommt, das nicht von dieser Welt zu kommen scheint.
MacDuffnet erstarrt mitten in der Bewegung, der Dolch fällt ihm aus der Hand, sein Gesicht wird blaurot und er bricht röchelnd auf dem Boden zusammen.
MacTiger setzt sich neben ihm auf und legt eine Pfote auf den Hals seines Opfers. Ein tiefes Grollen kommt aus seiner Kehle und lässt die Fensterscheiben klirren. Tori rappelt sich hoch und kommt mit den anderen zu mir. Im nächsten Moment fliegt die Tür auf und Arthur steht in der Tür. „Ist alles in Ordnung Kind?“ „Ja, Arthur. Bis auf den da. Der braucht einen Arzt und einen Richter“ Dann bricht das große durcheinander unter den Leuten aus die gerade die Halle betreten. MacTiger scheint das alles zu viel zu sein. Er steht auf und springt neben mich an meine Seite. Ich sehe ihn an und streiche über seinen grauschwarz getigerten Rücken. Er hat inzwischen wieder seine normale Katzengröße angenommen.
„Danke, alter Freund“, flüstere ich ihn zu und er legt seinen dicken Kopf in meine Hand und dreht ihn zärtlich hin und her. Dabei schnurrt er sein geisterhaftes Schnurren. Dann wird er durchsichtiger und durchsichtiger, ein blasser Nebelschimmer, ein Hauch von roten Augen. Er löst sich auf, der Raum ist leer – er ward gesehen nimmermehr.
„Alex sieh mal“ Hunter, der neben mir hockt, deutet auf meinen rechten Unterarm. Ungläubig sehe ich auf meine Haut. Denn, kurz unter meinem Handgelenk, ist der Abdruck einer kleinen Katzenpfote zu sehen. Lächelnd streiche ich darüber.
Danke, mein alter Freund.
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Teaser:
35. Der Anfang der Geschichte
Online am 01.12.2017